A 1472 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 35–36|
1. September 2014 behandelten Patienten ein erhöhtesRisiko, an einer opportunistischen Infektion zu erkranken (Odds-Ratio (OR): 1,79; 95-%-Konfidenzinter- vall [KI]: 1,17–2,74). Dies ent- spricht 1,7 zusätzlichen opportunis- tischen Infekten pro 1 000 behan- delten Patienten (Number needed to harm: 582). Biologika erhöhten das Risiko für Infekte mit Mykobakte- rien (OR: 3,73; 95-%-KI:
1,72–8,13) und für alle viralen In- fekte signifikant (OR: 1,91, 95-%-KI: 1,02–3,58). Keine signi- fikanten Unterschiede ergaben sich für alle Pilze, für P.-jirovecii-Pneu- monie und Varizella zoster. Die In- fektsterblichkeit unterschied sich zwischen den beiden Gruppen ebenfalls nicht.
Die Ergebnisse bestätigen die klinische Erfahrung vor allem bei langjährigen Erkrankungen, kom- mentiert Prof. Dr. med. Hans-Peter Tony, Leiter des Schwerpunkts Rheumatologie am Universitätskli- nikum Würzburg. Dass das höchste Risiko und die stärkste Evidenz für die Tuberkulose gefunden wurde, unterstreiche die Bedeutung des Tbc-Screenings vor Einleitung ei- ner Therapie mit Biologika. „Tbc- Screening und eventuell eine Tbc- Prophylaxe sind effektiv.“ Dennoch bleibe vor allem die Tbc-Reaktivie- rung ein klinisch relevantes Thema.
„In Zukunft wird auch mehr über eine Prophylaxe der erhöhten Rate an Zosterreaktivierungen zu spre- chen sein, wenn der Effekt von Zos-
tervakzinen unter Immunsuppressi- on besser untersucht ist.“
Fazit: Die Therapie von RA-Patien- ten mit Biologika ist mit signifikant erhöhtem Risiko für opportunisti- sche Infekte assoziiert, vor allem Tuberkulose und virale Infektionen.
Die Sterblichkeit nimmt aber nicht zu. Weil dies insgesamt sehr seltene Komplikationen sind, lassen sich Daten zu Unterschieden zwischen verschiedenen opportunistischen Erregern und einzelnen Biologika nur aus großen Registern erheben.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Kourbeti IS, et al.: Biologic Therapies in Rheu- matoid Arthritis and the Risk of Opportunistic Infections: A Meta-analysis. CID 2014; 58:
1649–57.
Die Alzheimer-Krankheit ist neuro- pathologisch durch die Ablagerung von Amyloid-Plaques und Neurofi- brillen definiert. Eine seit langem verfolgte therapeutische Strategie versucht, das lösliche ß-Amyloid zu neutralisieren. Da aktive Immuni- sierungen schwere Nebenwirkun- gen hatten, wird eine Art „passive
Immunisierung“ mit monoklonalen Antikörpern erprobt. Nun liegen die Daten aus großen Phase-III-Studien mit den Amyloid-Antikörpern Sola- nezumab und Bapineuzumab vor.
In den Studien EXPEDITION 1 und 2 erhielten jeweils circa 1 000 Patienten mit leichter bis mittel- schwerer Alzheimer-Demenz (AD) 18 Monate lang alle vier Wochen 400 mg Solanezumab oder Placebo i.v. Beim primären Endpunkt, den Änderungen in den kognitiven Ska- len ADAS-cog und ADCS-ADL nach 80 Wochen, waren die Diffe- renzen zwischen den Armen mini- mal und nicht signifikant. In der Subgruppe mit leichter Demenz gab es leichte Verbesserungen in kogni- tiven und funktionellen Parametern.
In zwei Studien mit Bapineuzu- mab wurden ebenfalls Patienten mit leichter bis mittelschwerer AD ein- geschlossen: 1 121 Träger des Apo- lipoprotein-E-Gens (ɛ4-Allel) und 1 331 Patienten ohne ɛ4-Allel. Ba- pineuzumab oder Placebo wurde al- le 13 Wochen infundiert, insgesamt über 78 Wochen. Auch hier gab es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Gruppen bei ADAS- cog- und der Disability Assessment for Dementia (DAD)-Skala.
Fazit: Das Konzept, das ß-Amyloid bei Alzheimerpatienten durch Anti- körper unschädlich zu machen und damit den Krankheitsverlauf zu verbessern, hat sich bislang nicht bewährt. Mögliche Gründe: Die Er- krankung war bei den Studienteil- nehmern zu weit fortgeschritten, um mit dieser Strategie klinische Effekte zu erzielen. Derzeit laufen Antikörper-Studien bei Patienten mit präklinischer Erkrankung. Au- ßerdem, so Prof. Dr. med. Hans Förstl, München, „sind alte demen- te Patienten keine Alzheimer-Amy- loid-Mäuse. Sie leiden neben einer Anreicherung von Amyloid- und Tau-Proteinen unter weiteren neu- rodegenerativen, vaskulären und entzündlichen Erkrankungen.“ Da- her sei auch bei einer klaren Diag- nose „Demenz vom Alzheimertyp“
ein Amyloid-Ansatz allein nicht sehr erfolgversprechend, das heißt
„bescheidenere Erwartungen sind angebracht“, so Förstl. Möglicher- weise müsse man mehrere Strate- gien kombinieren, um verschiedene Facetten der zugrunde liegenden Neuropathologie effektiv zu behan-
deln. Josef Gulden
1. Doody RS, et al.: Phase 3 trials of solanezu- mab for mild-to-moderate Alzheimer´s disease. NEJM 2014; 370: 311–21.
2. Salloway S, et al.: Two phase 3 trials of ba- pineuzumab in mild-to-moderate Alzhei- mer´s disease. NEJM 2014; 370: 322–33.
ALZHEIMERSCHE KRANKHEIT
Kommen therapeutische Amyloid-Antikörper zu spät?
GRAFIK
ADAS-cog (Alzheimer’s Disease Assessment Scale*) bei Patienten mit Apolipoprotein-E-Gen (ε4-Allel) unter Behandlung mit Bapineuzumab und Placebo
Durchschnittliche Änderung des ADAS-cog vom Ausgangswert
Erhebung bei Arztbesuch (jeweils Woche) Besserung
10
8
6
4
2
0
0 13 26 39 52 65 78 Bapineuzumab 0,5 mg/kg Placebo
*Score von 0–70; höhere Werte beim ADAS-cog korrelieren mit schlech - terem Verlauf
modifiziert nach: NEJM 2014; 370: 322–33