P
ostmortal finden sich im atrophier- ten Gehirn verstorbener Alzheimer- Patienten charakteristische Verän- derungen. Neben einem diffusen Verlust von Neuronen in Hippocampus und Kortex handelt es sich hauptsächlich um die Akkumulation von zwei Proteinen:des Amyloid-Vorläuferproteins (APP), einem Transmembranprotein, und des bei der Organisation des Zytoskeletts beteiligten Proteins tau. Ein spezifischer proteolytischer Abbau von APP und die Hyperphosphorylierung von tau bestim- men möglicherweise die Pathogenese entscheidend. Charakteristisch für den neuropathologischen Befund sind die bereits von Alois Alzheimer beschriebe- nen Plaques, die durch selektive Proteo- lyse des APP-Proteins entstehen sowie die aus aggregiertem, hyperphosphory- liertem tau zusammengesetzten Neuro- fibrillenbündel. Beim M. Alzheimer fin- den sich beide Läsionen, während nur Amyloidplaques und keine Neurofibril- lenbündel eher für eine Levy-Body-De- menz sprechen, erläuterte J. A. Edward- son, Newcastle upon Tyne, auf dem Fifth International Symposium on Neurobio- logy and Neuroendocrinology of Aging in Bregenz. Nach den in Newcastle erho- benen Daten liegt in 54 Prozent aller De- menzerkrankungen ein M. Alzheimer vor, gefolgt von Lewy-Body-Demenz (18 Prozent), vaskulärer Demenz (sie- ben Prozent), vaskulärer Demenz mit M. Alzheimer (sechs Prozent) und wei- teren wenig verbreiteten Entitäten. Die Lewy-Body-Demenz setze etwa im Al- ter von 75 Jahren ein und dauere durch- schnittlich 3,5 Jahre. Im Gegensatz zur Alzheimerschen Krankheit seien hier mehr Männer als Frauen betroffen. Kli- nisch lasse sich die Lewy-Body-Demenz durch kognitive Beeinträchtigungen, Aufmerksamkeitsdefizite und Halluzi- nationen beschreiben. Besonders die Halluzinationen lassen sich effektiv mit Acetylcholinesterase-Hemmern behan- deln. „Das Alter ist der größte Risiko-
faktor für eine Demenz” betonte Ed- wardson. So erkranken am M. Alzhei- mer 0,7 Prozent der 60- bis 64-Jährigen, 2,8 Prozent der 70- bis 74-Jährigen und bei den 90- bis 94 Jährigen seien es 38,6 Prozent.
Identifizierung von
prädisponierenden Genen
Bedeutende Erkenntnisse über die zell- biologischen Vorgänge, die zur Entste- hung der Alzheimerschen Erkrankung beitragen erhofft man sich von der Cha- rakterisierung von Genen, die in einigen Familien für die Entstehung der De- menz verantwortlich sind. Mittlerweile sind vier Gene identifiziert worden, die, wenn sie mutiert sind, die Demenz aus- lösen können, erläuterte Margaret A.
Pericak-Vance, Durham, USA.
In-vitro-Experimente und Studien mit transgenen Mäusen konnten zeigen, dass durch Mutationen in den vier ent- deckten Genen auch die Produktion des Ab-Peptids und somit die Proteolyse von APP erhöht ist. APP befindet sich unter anderem auf der Oberfläche von Neuronen. Das Transmembranprotein durchspannt mehrmals die Membran, und vom extrazellulär lokalisierten car- boxyterminalen Ende wird durch Pro- teolyse das so genannte Ab-Peptid ab- gespalten. Dieses 40 beziehungsweise 42 Aminosäuren lange Peptid akkumuliert in der extrazellulären Matrix und bildet die charakteristischen Plaques.
In-vitro-Experimente mit kultivier- ten Neuronen ergaben, dass dieses Peptid neurotoxisch ist.
Während Mutationen in den für die Proteine APP, Presenilin 1 und Preseni- lin 2 codierenden Genen die Erkran- kung autosomal-dominant schon vor dem 60. Lebensjahr auslösen können, erhöht die Isoform e4 des Apolipopro- teins E die Wahrscheinlichkeit mit zu- nehmendem Alter an Alzheimer zu er-
kranken. Personen, die auf beiden Alle- len die Isoform e4 aufweisen, haben das größte Risiko, gefolgt von den Kombi- nationen e3/e4 und e2/e4. Träger der e4- Isoform seien für etwa 40 Prozent aller familiär vorkommenden Fälle von M.
Alzheimer verantwortlich, so Pericak- Vance. Nach ihren Schätzungen können mit den vier bekannten Genen die Hälf- te der familiär vorkommenden Fälle er- klärt werden. Um weitere Gene zu iden- tifizieren hat die Arbeitsgruppe um Pe- ricak-Vance die Genome von 466 Fami- lien mit familiär auftretendem Alzhei- mer im Hinblick auf weitere Kandida- tengene analysiert. Hierbei konnte ein signifikanter Locus auf Chromosom 9p22 bestimmt werden. Ein weiteres Kandidatengen stellte Lars Bertram, Massachusetts, USA, vor. Basierend auf den Daten von 1 522 Personen aus 459 betroffenen Familien präsentierte Ber- tram einen signifikanten Locus auf Chromosom 10p23. Ein möglicher Kan- didat hierfür könne das in dem kartier- ten Bereich vorkommende Insulin-deg- radierende Enzym (IDE) sein. Hierfür spreche, dass es im Gehirn exprimiert wird und in vitro Abdegradieren kann, so Bertram weiter. Eine Studie konnte zeigen, dass bei Alzheimer-Patienten die Konzentration dieses Enzyms ver- mindert sei. Darüber hinaus kann durch eine Insulin-Infusion in physiologischen Konzentrationen bei gesunden Proban- den der Ab-Gehalt im Liquor erhöht werden. Dies könnte auf einem direkten Zusammenhang, beispielsweise eine kompetitive Hemmung des IDE durch Insulin und den dadurch verzögerten Abbau von Ab,beruhen. Bertram ver- trat die Auffassung, dass bei den früh einsetzenden familiären Formen der Alzheimerschen Krankheit eine Über- produktion von Ab die Ursache sein könne, während ein verminderter Ab- bau von Abbei den später beginnenden Varianten bedeutsam sein könne.
Dr. sc. nat. Stephan Mertens M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 36½½½½8. September 2000 AA2321