• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Organtransplantation: Gleiche Chancen für alle" (09.02.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Organtransplantation: Gleiche Chancen für alle" (09.02.2001)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

T

ransplantierbare Organe sind

„Mangelware“ – die Liste der war- tenden Patienten ist lang. Sie alle knüpfen große Hoffnungen an eine Transplantation, bei vielen geht es um Leben oder Tod. Die von der Bundes- ärztekammer (BÄK) erarbeiteten und am 16. Juli 2000 in Kraft getretenen Richtlinien zur Organtransplantation sollten die Organverteilung in Deutsch- land gerecht und transparent regeln.

Durch sie wurden aber auch erstmals Menschen von einer medizinischen Lei- stung ausgeschlossen: Nicht nur eine nicht kurativ behandelte bösartige Tu- morerkrankung, sondern auch eine HIV-Infektion, Alkohol-, Nikotin- und Drogenabhängigkeit sowie eine ange- nommene unzureichende Compliance gelten als Kontraindikationen. Dies war in den letzten Monaten in der Öf- fentlichkeit heftig kritisiert worden.

Inzwischen hat die Bundesärztekam- mer ihre Richtlinien überarbeitet. „Ei- ne HIV-Infektion ist nicht zwangsläufig eine Kontraindikation“, be-

tonte Prof. Dr. jur. Hans- Ludwig Schreiber, Vorsitzen- der der Ständigen Kommissi- on Organtransplantation der Bundesärztekammer, bei ei- nem Seminar am 30. Januar in Berlin. Eine HIV-Infekti- on könne eine Kontraindika- tion sein, wenn durch die Im- munsuppression Aids zum Ausbruch komme. Dennoch gebe es Fälle, bei denen ei- ne Transplantation durchaus sinnvoll sei.

Schreiber stellte ferner klar, dass die Richtlinien Raucher und Alkohol-Trin- ker nicht pauschal von Trans- plantationen ausschließen.

„Als Ausschlusskriterium wird nur ein wirklich schwe-

rer Missbrauch angesehen“, betonte der Kommissionsvorsitzende. Als Bei- spiel nannte Schreiber einen Zigaret- tenkonsum von 80 bis 100 Zigaretten täglich. Wer täglich ein Glas Wein trin- ke, sei nicht gemeint.

Auch die Compliance-Formel will die BÄK sehr eng verstanden wissen.

Als Compliance ist die Bereitschaft der Empfänger definiert, nach der Trans- plantation an der Genesung mitzuwir- ken. Somit seien nur die Patienten aus- zuschließen, die dazu völlig unfähig seien und regelmäßig die ärztlichen Anord- nungen missachteten, stellte Schreiber richtig. Sprachliche Barrieren stellten dagegen kein Ausschlusskriterium dar (DÄ, Hefte 36/2000, 42/2000). Ärzte sei- en zudem verpflichtet, auf die Compli- ance ihrer Patienten hinzuwirken.

Für die Verteilung der Organe geben die Richtlinien einen medizinischen Kriterienkatalog vor. „Die Chancen- gleichheit aller ist das oberste Gebot“, erläuterte Schreiber. Es spiele keine

Rolle, ob der potenzielle Empfänger mehrere kleine Kinder habe, eine pro- minente Persönlichkeit und vermögend sei oder ob es sich um einen 70-jährigen Sozialhilfeempfänger handele.

Über den Platz auf der Warteliste ent- scheiden einzig Erfolgsaussicht und Dringlichkeit einer Transplantation.

Beide Hauptkriterien widersprechen sich allerdings oftmals, sodass eine Ba- lance zwischen ihnen gefunden werden muss. Deshalb werden verschiedene Einzelkriterien je nach Organ nach ei- nem bestimmten Prozentsatz gewichtet.

Beispiel Niere: Die Übereinstimmung der HLA-Merkmale wird mit bis zu 40 Prozent, die Mismatch-Wahrscheinlich- keit mit zehn Prozent, die Wartezeit mit 30 Prozent und die Ischämiezeit mit 20 Prozent bewertet. Durch diesen Isch- ämiefaktor wird die örtliche Nähe zum Entnahmeort berücksichtigt, um die Konservierungszeit so kurz wie möglich zu halten und die Erfolgschancen zu er- höhen. Einen „Zentrumsvorbehalt“ gibt es nach den Richtlinien allerdings nicht.

Die Transplantationszentren, in denen Organe entnommen werden, haben prinzipiell keinen Einfluss auf die Verga- be. Für jede Organtransplantation wird zudem eine Blutgruppenkompatibilität im A-B-0-System verlangt (Näheres zu den Richtlinien in DÄ, Heft 7/2000).

Seit Juli 2000 koordiniert die Deut- sche Stiftung Organtransplantation (DSO) die Organentnahme. Eurotrans- plant (ET), Leiden, Nieder- lande, vermittelt die Spen- derorgane. Das bereits Ende 1997 verabschiedete Trans- plantationsgesetz schreibt vor, die Koordinierungsstel- len für die Entnahme und die Vermittlung von Orga- nen zu trennen. Die Bun- desärztekammer war dann damit beauftragt worden, die Richtlinien für die War- teliste und die Organver- mittlung zu schaffen und die Aufgabenverteilung vertrag- lich zu regeln. „Befremdlich war es allerdings, dass die Erfüllung der gesetzlich übertragenen Aufgaben von Politikern mit dem Vor- wurf der Selbstanmaßung kritisiert wurde“, monierte P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 6½½½½9. Februar 2001 AA285

Organtransplantation

Gleiche Chancen für alle

Die Bundesärztekammer hat ihre Richtlinien zur Organtrans- plantation überarbeitet und Missverständnisse ausgeräumt.

Jahr 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Anzahl

Niere Herz Leber Pankreas Lunge

Organtransplantationen in Deutschland 4 000

3 500 3 000 2 500 2 000 1500 1000 500 0

3355 3203 3375 3183

3368 3435

3839 3918 3896 3819

Nach wie vor herrscht ein Notstand: Den knapp 4 000 Transplanta- tionen jährlich stehen 14 000 wartende Patienten gegenüber. Quelle: DSO

Grafik

(2)

D

ie AOK hat begonnen, eine flächendeckende medizinische Patienteninformation am Telefon aufzubauen. Im August startete sie das Modellprojekt „MedicusTel“ für einen Teil ihrer Versicherten in Hessen. In- zwischen können das Angebot rund 700 000 AOK-Kunden in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland- Pfalz und Schleswig-Holstein nutzen.

Von 2002 an will die AOK den Service allen ihren Versicherten anbieten. Etwa 8 000 Bürger haben bislang darauf zurückgegriffen.

„MedicusTel“ ist ein Call-Center von MD Medicus GmbH. Das Unterneh- men besteht seit rund sieben Jahren. Es hatte sich anfangs auf telefonische Arzt-zu-Arzt-Abklärungen bei Kran- kentransporten im Auftrag von (Aus- lands-)Krankenversicherungen spezia- lisiert. Dazu kamen Beratungsangebote für Versicherte. Inzwischen zählen ne- ben der AOK weitere gesetzliche und private Krankenversicherungen zu den Kunden.

Anrufern bei „MedicusTel“ stehen acht Ärztinnen und Ärzte sowie 35 Krankenschwestern, Pfleger und weite- re Kräfte zur Beantwortung von Anfra- gen zur Verfügung. Bei Bedarf greifen sie auf einen Pool von 35 niedergelasse- nen Fachärzten, 70 Klinikärzten und zwei Zahnärzten zurück. Wissenschaft- liche Recherchen werden durch eine ei- gene Datenbank unterstützt. Darüber hinaus sind die Namen von 120 000 nie- dergelassenen Ärzten und 7 000 sta- tionären Einrichtungen gespeichert.

Das Call-Center, dessen Nummer die AOK in der Testphase noch nicht nen- nen möchte, ist rund um die Uhr zum Ortstarif erreichbar. „Die häufigsten Fragen betreffen ärztliche Diagnosen, Vor- und Nachteile von Behandlungs-

methoden sowie Erkrankungen des Be- wegungsapparates“, erläuterte Dr.

med. Sabine Ludt bei der Vorstellung Mitte Januar in Berlin. Die Allgemein- medizinerin ist Ressortleiterin Inlands- dienste bei Medicus und leitet die ärztli- che Qualitätssicherung bei „Medicus Tel“.

Eine Konkurrenz zur ärztlichen Ver- sorgung solle der Beratungsdienst nicht sein, betonte Ludt. Diagnosestellungen ohne persönlichen Kontakt seien so- wieso nicht möglich. Auch die Qualität eines Arztes könne man nicht bewer- ten. „Wir achten streng auf das ärztliche Standes- und Wettbewerbsrecht. Die Information erfolgt absolut neutral“, betonte auch Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bun- desverbandes. „Es gibt keine Therapie- Empfehlungen und keine Empfehlung einzelner Ärzte oder Krankenhäuser.“

Mancher schätzt gerade die Anonymität

Die Berater bei „MedicusTel“ nennen Anrufern auf Anfrage aber mehrere Ärzte in Wohnortnähe, manchmal auch spezielle Ansprechpartner. Als Beispiel nannte Ludt die Anfrage ei- ner Anruferin mit Bandscheibenpro- blemen, die einen Türkisch sprechen- den Spezialisten suchte. Häufig infor- mieren sich Versicherte offenbar auch vor einem Arzttermin, zum Beispiel über eine Darmspiegelung. Andere ru- fen an, weil sie beim Arztbesuch eine Frage vergessen haben und sich nun nicht trauen, dort noch einmal nachzu- haken. Manche schätzten gerade die Anonymität der Beratung, ergänzte Ludt – beispielsweise Männer mit Potenzproblemen. Sabine Rieser P O L I T I K

A

A286 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 6½½½½9. Februar 2001

Prof. Dr. med. Karsten Vilmar, Ehren- präsident der BÄK, in Berlin. Am 16. Juli 2000 genehmigte das Bundes- gesundheitsministerium schließlich die Verträge zwischen der Bundesärzte- kammer, den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Eurotransplant und der DSO.

Die Krankenhäuser melden die Ver- storbenen seither an die DSO. Diese hält in sieben „Organspende-Regionen“

rund um die Uhr Mitarbeiter bereit, die die Intensivstationen unterstützen, die Diagnostik von Gewebetypen organisie- ren und die Daten des Spenders an Eu- rotransplant weiterleiten. Dort sind die Wartelisten der Transplantationszen- tren, bei denen sich die potenziellen Empfänger melden, mit einem compu- tergestützten System zu einer einheitli- chen Warteliste für jedes Organ zusam- mengefasst. In kürzester Zeit wird so der Patient herausgefunden, der an der Rei- he ist und für den das Organ geeignet ist.

Zu wenig Organspender

ET organisiert die Verteilung von Spen- derorganen in Belgien, Deutschland, Luxemburg, in den Niederlanden und in Österreich. „Deutschland ist ein Organ-Importland“, sagte Dr. Guido Persijn von Eurotransplant. Während Österreich 1999 genau 24,9 und Belgien 23,8 postmortale Organspenden pro ei- ne Million Einwohner aufwies, waren es in Deutschland nur 12,8.

Durch die straffere Organisation und Aufgabenteilung soll die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland ge- steigert werden. Es gibt aber auch kri- tische Stimmen: „Es ist derzeit nicht abzusehen, ob das komplizierte Regel- werk der Organverteilung erfolgreich sein wird und ob es nicht durch die Komplexität zu Organverlusten und ei- nem schlechteren Ergebnis der Trans- plantation kommt“, meinte Prof. Dr.

Günter Kirste, Transplantationschirurg an der Universitätsklinik Freiburg und Mitglied der Ständigen Kommission Organtransplantation der BÄK. Die DSO ist optimistisch. Sie geht davon aus, dass sich die Spenden in den näch- sten zwei Jahren um 20 Prozent er- höhen. Dr. med. Eva A. Richter

Modellprojekt in fünf Bundesländern

AOK baut eine telefonische Patientenberatung auf

Bürgerinformation im Gesundheitswesen ist „in“. Jüngstes

Beispiel: „MedicusTel“, ein neuer Dienst für AOK-Versicherte

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

2) In höheren Fachsemestern werden die freien Studienplätze durch den Vergleich der endgültig einge- schriebenen Studierenden in einzelnen Fachsemestern, Studienjahren

Leider gibt es aber auch gegentei- lige Entwicklungen, indem diagnos- tische und operative Maßnahmen – nicht selten durch die Ökonomen der Einrichtung getriggert – durchgeführt

Medica-Veranstaltung am 18. Gottfried Dohr, Institut für Histologie und Embryologie der Universität Graz, Uni- versitätsplatz A, 8010 Graz. Die Pathologie der frühen

Die Beaufsichtigung findet in Form von subsidiären Angeboten zur Kinderbeaufsichtigung statt, sofern für die Kinder kein reguläres Angebot zur Kindertagesbetreuung genutzt

Folgende Tumoren sind zu unterscheiden: das Adenokarzi- nom, Sarkome, davon in über 90 Prozent ein Leiomyosarkom, mali- gne Lymphome, das Karzinoid und Metastasen.. Tabelle 1

Für mich bedeutet der Europäische Traum, dass wir auf einem Kontinent leben, auf dem sich jede und jeder frei entwickeln kann, gute Chancen auf gute Arbeit und eine gute

Durch die Einrichtung einer Koordinierungs- stelle soll die transparente Organge- winnung ebenso gesichert werden wie die Einhaltung der gesetzlichen Regeln für die Organentnahme..

ne alte ärztliche Erfahrung, daß gerade die Patienten, die am meisten über die Warte- zeiten meckern, üblicherwei- se diejenigen sind, die für sich die meiste Zeit in Anspruch