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Archiv "Vier Minuten Medizin" (17.07.1975)

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72. Jahrgang / Heft 29 17. Juli 1975

Postverlagsort Köln

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DEUTSCHE S

Die Information:

Bericht und Meinung

AR Z T E B LATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Vier Minuten Medizin

Gesundheitspolitik auf dem Mannheimer CDU-Parteitag CSU-Tagung über „Familie und Gesundheit"

Wenn in der Kürze die Würze liegt, dann muß

der CDU auf ihrem Mannheimer Parteitag ein Stück Haute Cuisine gelungen sein: Der Orientierungsrahmen dieser Partei, die „Mannheimer Erklärung", konzentrierte die Gesundheitspolitik zu 23 Zeilen. Dem gesund- heitspolitischen Sprecher der CDU, Staatssekretär Prof. Dr. med.

Fritz Beske aus Kiel, wurden ganze vier kostbare Minuten zuge- standen, um ein Gericht, das weder er noch sein Ausschuß zube- reiten durften, wenigstens zu garnieren. Doch Feinschmecker wis- sen ja, nicht auf die Masse, sondern auf den Inhalt kommt es an — und so konnten sie sehr schnell feststellen, daß Gericht und Garni- tur nicht so recht miteinander harmonierten.

Staatssekretär Beske und seinen Freunden liegt offenbar dar- an, die bisherige Parteilinie, markiert durch das „Berliner Pro- gramm", die „Leitsätze" von 1972 und den Gesundheitspolitischen Kongreß von 1974, fortzuführen, den Programmatikern in der Partei aber mehr daran, ihre Kreation, die „Neue Soziale Frage", zu prä- sentieren. Damit geriet die „Gesundheit" zu einem unter vielerlei Unterpunkten. Das bedeutet eine unzulässige Reduzierung des Themas und zudem eine unerwünschte Ideologisierung.

Die „Neue Soziale Frage", als Gedankenblase noch einen Naja- Effekt auslösend, wurde in Mannheim zu einem gewaltigen Luft- ballon aufgebläht. Läßt man die Luft heraus, so bleibt die (sicher- lich richtige) Erkenntnis übrig, daß die Schwachen, die Nichtorga- nisierten, mehr Aufmerksamkeit verdienen. Und was ist zu tun?

„Der Staat kann die neuen sozialen Fragen nur lösen, wenn er dabei in der Lage ist, sich der wirklichen sozialen Probleme in un- serem Land anzunehmen." Wenn wir uns nicht sehr täuschen, sind derartige Banalitäten auch anderen schon eingefallen. Ungewöhn- licher ist da schon der Wille der CDU, die Schwachen gegen die

„Mächtigen in unserer Gesellschaft" — nämlich Kapitaleigner und Arbeitnehmer — zu schützen, sich nicht. bedingungslos mit dem

„Produzenteninteresse" zu verbünden.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 29 vom 17. Juli 1975 2089

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Die Information:

Bericht und Meinung

Gesundheitspolitik in CDU und CSU

Wenn die CDU sich solchermaßen sowohl mit Arbeitgebern wie mit Gewerkschaften anlegen will, dann braucht uns das einstweilen

nicht zu kümmern, wohl aber, wenn Gesundheitspolitik im Stil der Neuen Linken auf ökonomi- sche Gedankengänge reduziert wird. Ökonomie im Gesundheits- wesen ist sicherlich nötig. Ein — wenn auch modisch frisiertes — Klassenkampfdenken sollte die CDU aber lieber wirklichen Marxi- sten überlassen; nicht nur, weil die das besser können.

Doch Professor Dr. Kurt Bieden- kopf scheint diesen ihre Rolle streitig machen zu wollen. Was er kürzlich in der „Tagesschau" in Ausdeutung der „Neuen Sozialen Frage" über Ausbeuter und Aus- gebeutete von sich gab, legt die- sen Gedanken nahe. Unter die Ausbeuter, die „wirtschaftliche In- teressen" an dem bestehenden System sozialer Sicherungen ha- ben, zählt er: die Krankenhaus- träger, die pharmazeutische Indu- strie, die Ärzteschaft, die Industrie für medizinisch-technische Instru- mente. Hans Katzer, der Vorsit- zende der CDU-Sozialausschüsse (CDA), formulierte auf dem CDA- Kongreß in Kiel am 14. und 15. Ju- ni ganz ähnlich. Im Zusammen- hang mit Ausführungen zur so- genannten Kostenexplosion for- derte er, „das ganze Paket auf den Tisch" zu legen; nötig sei eine „kritische Offenlegung der Krankenhauskosten, kritische Durchleuchtung der finanziellen Zusammenhänge im Verhältnis Patient — Arzt — Apotheke — Ver- sicherung und kritische Betrach- tung des Marketing der pharma- zeutischen Industrie".

Die Übereinstimmung zwischen dem CDU-Generalsekretär und dem CDA-Vorsitzenden beschränkt sich nicht auf diesen Punkt. Der Tenor der „Mannheimer Erklärung"

und speziell die Ausführungen zur Gesellschaftspolitik zeigen eine weitgehende Annäherung an den linken Flügel der Partei. Beim Vo- kabular erweist sich zudem, daß

die CDU offenbar jetzt erst dabei ist, die Ansichten der Neuen (und schon wieder alten) Linken aufzu- arbeiten. Da ist die Rede vom Kon- flikt zwischen Arbeit und Kapital.

Da wird ein grundlegender Wandel des Verhältnisses von Arbeit und Kapital gefordert. Da werden „die Mächtigen unserer Gesellschaft"

angegangen. Da kommt neu-linkes Vokabular wie das „Phänomen ge- sellschaftlich bedingter Krankhei- ten" zu Papier. Alles in allem, die CDU der „Mannheimer Erklärung"

präsentiert sich so, wie Hans Kat- zer sie sich bereits vor dem Partei- tag wünschte, als „die Union einer progressiven Liberalität".

Gesundheitspolitik —

nur Funktion des Ökonomischen?

In den Passagen zur Gesundheits- politik zeigen sich die Auswirkun- gen der „progressiven" ökonomi- schen Analyse in folgendem Ge- dankengang: Die „Neue Soziale Frage" erfordert eine Fortentwick- lung der Sozialpolitik. In Anbe- tracht des beachtlichen Anteils der Sozialausgaben am Sozialprodukt und angesichts der Wirtschaftslage bedeutet das vor allem eine „Ver- besserung der sozialen Wirksam- keit dieser Mittel". Das gilt gerade für das Gesundheitswesen. Ein besserer Einsatz der finanziellen Mittel sei hier besonders dringend erforderlich. „Künftig müssen hier Erwartungen, Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft besser als bisher miteinander in Einklang gebracht werden, wenn unser Ge- sundheitswesen nicht schon in Kürze wegen finanzieller Schwie- rigkeiten zusammenbrechen soll."

Dann der entscheidende Satz: „Um die soziale Wirksamkeit der Auf- wendungen im Bereich des Ge- sundheitswesens zu verbessern, müssen vor allem seine Strukturen von Grund auf überprüft werden."

Gegen diese Äußerung wandte sich allein der gesundheitspoliti- sche Sprecher der Partei, eben Fritz Beske. Eine solche Formulie- rung fordere zu Mißdeutungen ge- radezu heraus, meinte er. „Daraus könnte der Schluß gezogen wer-

den, daß unser System der gesund- heitlichen Sicherung nicht lediglich im Wege wohlüberlegter Reformen weiterentwickelt werden soll, son- dern daß sich auch grundlegende Veränderungen als notwendig er- weisen. Mit anderen Worten: Die- ser Satz ist geeignet, alte Freunde unserer Partei zu verunsichern, ohne neue Freunde zu gewinnen."

Verunsichert über die Terminologie zeigte sich der Staatssekretär aus dem Kieler Sozialministerium auch hinsichtlich des von den oberen Parteifunktionären entdeckten

„Phänomens der gesellschaftlich bedingten Krankheiten". Sein Ein- wand: „Wir wissen, daß heute von zahlreichen linken Gruppierungen und von nicht unmaßgeblichen Tei- len der SPD immer wieder ausge- führt wird, daß letztlich die Krank- heit der Gesellschaft den Krank- heitszustand unserer Bürger bedin- ge, woraus eine grundlegende Än- derung unseres Gesellschaftssy- stems abgeleitet wird. Auf eine Kurzformel gebracht, sagen So- zialisten: Der Kapitalismus macht krank, der Sozialismus gesund. Es ist von entscheidender Bedeutung, daß wir nicht in die Nähe solcher Argumentation geraten."

Doch die Stimmen aus der Mitte der Partei waren in Mannheim nur leise zu hören. Ein Bündnis der

„Progressiven", bestehend aus Sozialausschüssen, Junger Union und Frauenvereinigung, machte weit lauter von sich reden. Offen- bar verfolgen auch die derzeit Ver- antwortlichen in der CDU eher ei- nen „progressiveren" Kurs, in der Hoffnung, auf der linken Seite Wähler zu gewinnen, und in der (möglicherweise trügerischen) Er- wartung, daß der konservativere Teil der Wählerschaft der Partei dennoch erhalten bleibt — einfach deshalb, weil es für diesen keine wählbare Alternative gibt. So be- trachtet, ist der Abwehrkampf des CDU-Generals gegen eine solche Alternative in Form einer bundes- weiten CSU natürlich völlig logisch.

Über gesundheitspolitische Auffas- sungen der bayerischen „Schwe-

2090 Heft 29

vom 17. Juli 1975

DEUTSCHES ÄRZTE BLA.TT

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Die Information:

Bericht und Meinung

ster"-Partei konnte man sich weni- ge Tage vor Mannheim in Berch- tesgaden informieren. Dort veran- staltete der Gesundheitspolitische Arbeitskreis der CSU am 21.Juni ei- nen Kongreß zum Thema „Familie und Gesundheit". Pikanterweise hatte man zum Leiter des Arbeits- kreises „Familien- und Gesund- heitspolitik" einen Gast der CDU, noch dazu aus dem hohen Norden, geladen, nämlich Prof. Fritz Beske, jenen CDU-Sprecher zur Gesund- heitspolitik, der in Mannheim weni- ge Tage später seine vier Minuten Medizin gegen die neue CDU-Ma- laise verabreichte. Die Vorstellun- gen der Gesundheitspolitiker in Berchtesgaden (von CSU-Vorndran bis CDU-Beske) ließen sich durch- aus auf einen Nenner bringen.

Betont wurde dort auf die Eigen- verantwortung des Bürgers hinge- wiesen („Jeder ist für seine Ge- sundheit selbst verantwortlich").

Sie wird, was heute schon selbst- verständlich ist, in der „Mannhei- mer Erklärung" zwar auch erwähnt, doch nicht so prononciert. Auf der CSU-Tagung kamen zur Weckung der Selbstverantwortung eine gan- ze Reihe von Detailvorschlägen, deren wichtigste eingingen in die Forderung, die Gesundheitser- ziehung zu systematisieren, als Prüfungsfach an den Pädagogi- schen Hochschulen einzuführen und schließlich als ordentliches Schulfach zu institutionalisieren.

Die Eigenverantwortung nimmt üb- rigens auch in dem Positionspapier der CSU — also der Vorlage, die sie der CDU zur Formulierung einer gemeinsamen Wahlstrategie für 1976 präsentierte — eine beson- dere Stellung ein. Offenbar ha- ben sich beide Parteien, ange- sichts der auch bei der Union ver- breiteten Ratlosigkeit über die Ko- stenentwicklung, derzeit darauf eingestimmt. Freilich, über eine Konkretisierung der Selbstverant- wortung des Bürgers auch in finan- zieller Hinsicht, eine Art Selbst- beteiligung, wie sie jetzt von der FDP ins Spiel gebracht wird, wird in der CDU wie in der CSU offiziell geschwiegen. Inoffiziell wird sie

ZITAT

„Ausbeutung"

Wir werden klarmachen ..., daß es . . . nicht darum ge- hen kann, die sozialen Be- sitzstände der Versicherten oder der Begünstigten aus dem System sozialer Siche- rungen in Frage zu stellen, sondern daß es in erster Li- nie darum gehen muß, die jetzt gewachsenen, in einem sehr schnell expandierenden System gewachsenen Struktu- ren daraufhin zu überprüfen, wie sie wirksamer und effi- zienter gestaltet werden kön- nen und wie sie vor allem da- vor geschützt werden kön- nen, ausgebeutet zu werden.

Ausgebeutet durch diejeni- gen, die wirtschaftliche Inter- essen an dem System haben, wie z. B. die Krankenhausträ- ger, die pharmazeutische In- dustrie, die Ärzteschaft, die Industrie für medizinisch- technische Instrumente. Aber auch ausgebeutet durch die Berechtigten oder Begünstig- ten . . . (CDU-Generalsekre- tär Biedenkopf in der „Ta- gesschau" am 6. Juni 1975)

zumindest in Teilen der CDU abgelehnt. Vor allem von den Sozialausschüssen wird scharf ge- gen eine solche „soziale Demonta- ge" polemisiert. Auch die CSU traute sich auf ihrem gesundheits- politischen Kongreß nicht so recht an das Thema heran, wenn auch in Arbeitskreisen weitaus größere Neigung zu einer Beteiligung be- stand, als es die formulierten Er- gebnisse vermuten lassen. — Ein weiterer Punkt, der sowohl bei CDU wie CSU die Gesundheitspoli- tiker beschäftigt, ist das „kosten- sparende, enge Ineinandergreifen von ambulanter und stationärer Versorgung" (so die Formulierung des CSU-Positionspapiers). Damit kann bekanntlich Verschiedenes gemeint sein: sowohl eine verbes- serte Kooperation zwischen den Ärzten in Krankenhaus und Praxis

wie auch die Einführung einer teil- stationären Betreuung. Die CDU

läßt diese Frage bisher anscheinend offen. Geht man nach der CDA-Ta- gung in Kiel, so gibt es bei der Partei durchaus eine gewisse Vor- liebe für eine vor- und nachstatio- näre Betreuung durch das Kranken- haus. Diese Möglichkeit wurde von der CSU zumindest auf der Tagung in Berchtesgaden eindeutig abge- lehnt, unter anderem auch mit dem humanen Argument, daß ein kran- ker Mensch den personalen Bezug, die menschliche Zuwendung einer bestimmten Person brauche; nur ein Arzt solle daher wenn eben möglich verantwortlich sein.

Einstweilen sind Forderungen wie diese nicht verbindlich, sondern Ergebnisse eines Kongresses, ver- anstaltet von einem Arbeitskreis der CSU, der "erwartet, daß man mit uns diskutiert", wie es Arbeits- kreismitglied Prof. Dr. med. Walde- mar Hecker formulierte. „Wir füh- len uns als die gesundheitspoliti- sche Basis der CSU", begründete er uns gegenüber. Auf die Reprä- sentativität dieser Basis legte Staatssekretär Dr. jur. Wilhelm Vorndran vom Bayerischen Mini- sterium für Arbeit und Sozialord- nung besonderen Wert, indem er einen gar nicht erhobenen Vorwurf zurückwies: Der Arbeitskreis sei keine Interessenvertretung der Ärz- te. Derartiges läßt sich jedoch ge- wiß auch nicht vom Gesundheits- politischen Ausschuß der CDU sa- gen. Wäre er eine Interessenver- tretung, so hätte man noch ver- stehen können, daß bei der Aus- arbeitung der „Mannheimer Erklä- rung" dieser Fachausschuß nicht hinzugezogen wurde, wie übrigens so manche andere Parteigruppie- rung auch nicht.

So bleibt der mißliche Eindruck, ein paar Hobby-Köche aus der Zentralkantine hätten den Fachleu- ten endlich mal zeigen wollen, was gute Küche ist. Hoffen wir jetzt auf das gesundheitspolitische Pro- gramm der CDU! Selbst wenn es mehr als 23 Zeilen umfaßt. Denn merke: die Würze liegt nicht nur in der Kürze. Norbert Jachertz

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 29 vom 17. Juli 1975 2091

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