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Archiv "Erbrechen in der Schwangerschaft: Erbrechen an Besuchstagen" (23.11.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007 A3267

M E D I Z I N

Emesis gravidarum. Diese Theorie, die von M. Profet (1) entwickelt wurde, geht davon aus, dass es sich bei dem einfachen Schwangerschaftserbrechen um einen sinnvollen Schutzmechanismus handelt, der die Frucht vor mit der Nahrung aufgenommenen Toxinen schützt.

Für diese Theorie spricht nicht nur Abneigung vieler Schwangeren gegen strenge Gerüche, die potenzielle Toxine anzeigen, sondern auch die zeitliche Überein- stimmung der embryonalen Verletzlichkeit mit dem Verlauf der Schwangerschaftsübelkeit sowie die Beob- achtung, dass es bei Frauen mit einer Emesis gravi- darum seltener zu Aborten und kindlichen Fehlbildun- gen kommt.

Folgt man diesen Gedankengängen, würde eine me- dikamentöse Behandlung der Emesis gravidarum be- deuten, dass man zwar die Beschwerden der Schwange- ren momentan lindert, dafür aber unnötige gesundheitli- che Risiken für das werdende Kind in Kauf nimmt, weil ein wichtiger Schutzmechanismus unterdrückt wird.

LITERATUR

1. Profet M: Introduction: Evolutionary psychology and conceptual integration. In: Barkow JH et al.: The adapted mind. New York: Oxford University Press 1992: 327–65.

Dr. med. Peter Sachers Strandstraße 60 25938 Wyk auf Föhr

E-Mail: dr.sachers@aok-kinderkurheim-wyk.de Internet: www.aok-kinderkurheim-wyk.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Erbrechen an Besuchstagen

Obgleich die Autoren auf psychosomatische Ursachen der Hyperemesis gravidarum eingehen, werden diese Zusammenhänge nur kurz und, meiner Meinung nach, auch nicht überzeugend aufgezeigt und vor allen Din- gen ein Phänomen, nämlich die Rolle des Partners, nicht erwähnt.

In den 1950iger-Jahren wurde die Hyperemesis als eine für die Mutter sehr bedrohliche Erkrankung ange- sehen und in einzelnen Fällen sogar der Schwanger- schaftsabbruch erwogen, obgleich damals die Indikatio- nen viel strenger waren. Hyperemesis-Fälle wurden da- her relativ oft stationär aufgenommen. Dies führte vor allen Dingen dazu, dass die Frauen von ihren Männern getrennt wurden, zumal damals nur mittwochs und samstags Besuchstage in der Allgemeinen Klasse wa- ren.

Die Zahl der nicht verheirateten Schwangeren lag etwa bei 10 %. Trotzdem hatten „ledige Mütter“ kaum eine Hyperemesis, obgleich ihre Situation damals viel schwieriger war als heute. Hier hätte sich ja besonders eine Angst vor der Elternschaft zeigen müssen und eher auch eine Ablehnung des Kindes. Die Mutterbindung konnten wir nicht untersuchen, aber uns fiel auf, dass die Frauen oft mit dominanten Männern zusammenleb- ten, die „viel Platz“ beanspruchten. Ihre Übelkeit trat häufig auf durch den spezifischen Geruch der Arbeits-

kleidung der Ehemänner wie Leder, Uniform, Farben und so weiter. Besonders auffällig war, dass das Erbre- chen oft schon kurz nach der Krankenhausaufnahme verschwand, um an den Besuchstagen wieder aufzutre- ten. Manchmal mussten wir längeres Besuchsverbot aussprechen, was damals noch möglich war.

Ich glaube daher, dass die Hyperemesis eine Schutz vor den Begehrlichkeiten des Mannes darstellt, denen sich die Frauen früher nicht anders erwehren konnten.

Die Hyperemesis hat dann auch wesentlich in den 1960iger-Jahren, mit der Emanzipation der Frauen, nachgelassen – sie konnten sich jetzt anders erwehren.

Stattdessen fanden wir dann fast ausschließlich eine schwere Hyperemesis bei Frauen aus Jugoslawien und vor allem aus der Türkei. Der soziale Status oder die Be- ziehung zum Kind spielen sicher eine untergeordnete Rolle, denn hier wirkt das „Ankotzen“ nicht. Dies nur als Anregung aus einer fernen Vergangenheit, die man sicher noch näher untersuchen müsste.

Dr. med. Alexander Kayser Birkenwaldstraße 165c 70191 Stuttgart

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Mirtazapin bei therapieresistenten Fällen In dieser Übersichtsarbeit ist auch zu den psychosoma- tischen Ursachen der Hyperemesis gravidarum Stellung genommen. Prinzipiell ist die Wiedergabe des aktuellen Wissensstands richtig, nämlich dass psychosomatische Störungen als eine mögliche Ursache angenommen werden, zum Beispiel verursacht durch Ambivalenz- konflikte hinsichtlich der Schwangerschaft. Durch die gewählte Zitierung der sehr alten Arbeiten von Ende der 1960er- beziehungsweise 1970er-Jahre wird aber vom flüchtigen Leser die Information mitgenommen, dass Hyperemesis-Patientinnen hysterisch sind, an einer in- fantilen Persönlichkeit leiden und eine exzessive Mut- terbindung haben. Damit wird man den betroffenen Frauen sicher nicht gerecht. Darüber hinaus können sol- che Aussagen sehr schnell zur Stigmatisierung der Pati- entinnen im klinischen Alltag führen.

Unbestritten ist, dass die Hyperemesis gravidarum mit psychischen Symptomen einhergehen kann – aus der eigenen klinischen Erfahrung mit vielen Patientin- nen wissen wir aber, dass solche Symptome (bis hin zum „hysterischen Ausdruck“) oftmals Folge der für die Patientin unerträglichen Symptomatik sind, insbeson- dere wenn diese seit vielen Wochen besteht. Folgesym- ptome wie Schlafstörungen, depressive Verstimmung, Ängste und im Ausnahmefall sogar Suizidalität können den Verlauf komplizieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Möglichkeit einer anti-emetischen Therapie mit Mirtazapin hinweisen, die nach entspre- chender Nutzen-Risiko-Abwägung eine Alternative bei therapieresistenten Fällen sein kann. Seit der ersten Dar- stellung von 7 Fällen durch Saks im Jahr 2001 gab es wiederholt Publikationen zur oralen und parenteralen

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A3268 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007

M E D I Z I N

Anwendung bei der Hyperemesis gravidarum (unter an- derem Rohde et al. 2003). Bei Mirtazapin handelt es sich um ein Antidepressivum, das eine gute antieme- tische Wirkung hat (vermittelt über die 5-HT3-Rezep- toren, also analog zu Ondansetron) und zusätzlich den Vorteil der anxiolytischen, schlafanstoßenden und anti- depressiven Wirkung. Nach unseren Erfahrungen ist meist nur eine kurze Behandlung und im späteren Ver- lauf der Schwangerschaft allenfalls eine intermittieren- de Gabe erforderlich, sodass auch unter dem Aspekt der Fetotoxizität eine Therapie in schweren Fällen von Hyperemesis gravidarum vertretbar ist.

LITERATUR

1. Rohde A, Dembinski J, Dorn C: Mirtazapin (Remergil) for treatment re- sistant hyperemesis gravidarum: rescue of a twin pregnancy. Arch Gynecol Obstet 2003; 268: 219–21.

2. Saks B: Mirtazapine: treatment of depression, anxiety, and hypereme- sis gravidarum in the pregnant patient. A report of 7 cases. Arch Wo- mens Ment Health 2001; 3: 165–70.

Prof. Dr. med. Anke Rohde Gynäkologische Psychosomatik

Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde Universitätsklinikum Bonn

Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn

Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Schlusswort

Es freut uns sehr, dass unser Artikel auf so starkes Inter- esse gestoßen ist. Psychosomatische Störungen können als mögliche Ursachen angenommen werden, wie alle Kommentare und Leserbriefe zu diesem Artikel bele- gen. Allerdings war der Fokus dieses Artikels mehr auf die „klassischen“ medizinischen Aspekte als auf die de- taillierte Beleuchtung von psychosomatischen Ursa- chen gerichtet. Frau Prof. A. Rhode weist darauf hin, dass die zitierten älteren Arbeiten für den flüchtigen Le- ser zu einer fehlgeleiteten Schlussfolgerung über die psychische Verfassung der Patientin und somit zur Stig- matisierung der Patientinnen im klinischen Alltag führen könnte. Allerdings sollte man aus klinischer Sicht bemerken, dass sehr viele Patientinnen sich mitt- lerweile beklagen, dass deren Beschwerden nicht „ernst genommen“ werden und meistens auf „psychosomati- sche Störungen“ als primäre Ursache verwiesen wird, mit der Empfehlung einer psychosomatischen Behand- lung. Sehr viele dieser Patientinnen fühlen sich durch diese Situation stigmatisiert und es gestaltet sich aus ärztlicher Sicht schwer, die möglichen Ursachen und die symptomatische, teilweise unbefriedigende Thera- pie der Patientin ausführlich zu erklären.

Die Hyperemesis ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein multifaktorielles Zusammenspiel körperlicher, psy- chischer und sozialer Faktoren, wie PD Dr. M. David beschreibt. Auch ist es eher wahrscheinlich, dass in die- sem Erklärungsmodell der psychosoziale Faktor den Schwerpunkt darstellt, vor allem bei einer Emesis. Die Anregungen von Dr. A. Kayser, dass der Partner eben-

falls eine entscheidende Rolle als Ursache in der Gene- se einer Hyperemesis besitzt, sind sehr interessant, vor allem im Hinblick auf die Bemerkung, dass der soziale Status oder die Beziehung zum Kind eine untergeordne- te Rolle spielt. Allerdings gibt es keine Daten über diese Annahme, wobei eine zukünftige Untersuchung sicher von entscheidender Bedeutung sein könnte. Auch aus evolutionsbiologischer Sicht scheint eine Emesis einen sinnvollen Schutzmechanismus darzustellen, wie Dr. P.

Sachers bemerkt. Interessanterweise haben Frauen mit einer unkomplizierten Emesis gravidarum eine bessere fetale Prognose und weniger Abortneigung, intrauterine Wachstumsretardierung und Frühgeburten (1). Im Ge- gensatz dazu ist die Hyperemesis gravidarum mit häufi- gerem Auftreten von Ösophagusruptur, Pneumothorax, Neuropathie, Präeklampsie sowie fetaler Wachstumsre- tardierung assoziiert und bedarf doch einer therapeuti- schen Intervention. Bei einem unstillbaren Erbrechen in der Schwangerschaft sollte man auch organische Ursa- chen ernsthaft in Erwägung ziehen und gegebenenfalls eine weiterführende Diagnostik veranlassen.

Die Hyperemesis gravidarum stellt im ambulanten Bereich ein schwieriges Problem dar. Da leider die ge- naue Ursache der Emesis und Hyperemesis gravidarum noch weitgehend unklar ist, fehlt eine entsprechende Therapie. Die symptomatische Therapie ist fast über 20 Jahre alt, wie Dr. P. Germann richtig bemerkt, und neue- re Konzepte sind nicht in Sicht. Der Gebrauch der gelis- teten Antiemetika ist laut Roter Liste während einer Schwangerschaft kontraindiziert, wobei allerdings die (mittlerweile) langjährige Erfahrung die Schlussfolge- rung auf kein wesentliches Risiko einer fetalen Schädi- gung zulassen. Da keine Daten zum Nutzen der Homöo- pathie in der Hyperemesis vorhanden sind, wurde auf diese therapeutische Option nicht weiter eingegangen.

Die Gabe von Mirtazapin ist, wie Prof. A. Rohde betont, natürlich möglich, wobei allerdings erst 7 Jahre klini- scher Erfahrung mit diesem Medikament bestehen.

Die Hyperemesis gravidarum stellt sicher ein multi- faktorielles Geschehen dar, welches auch mit einer maß- geblichen psychischen Komponente, sei es als Ursache oder als Resultat, einhergeht. Allerdings sollte man bei anhaltendem und unstillbarem Erbrechen auch an organi- sche Ursachen denken. Das sehr große Interesse an die- sem Artikel zeigt einerseits die Aktualität dieses Themas und dient andererseits hoffentlich auch als Anregung sich mit dieser Thematik weiter auseinander zu setzen.

LITERATUR

1. Brandes JM: First-trimester nausea and vomiting as related to outcome of pregnancy. Obstet Gynecol 1967; 30: 427–31.

Anschrift für die Autoren Dr. med. Ioannis Mylonas 1. Frauenklinik – Klinikum Innenstadt Ludwig-Maximilian-Universität München Maistraße 11, 80337 München

E-Mail: ioannis.mylonas@med.uni-muenchen.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

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