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Übelkeit und Erbrechen in der Palliativmedizin

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Academic year: 2022

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Die erfolgreiche Behandlung von Übelkeit und Erbrechen ist für die Lebensqualität von Palliativpatien- ten von enormer Bedeutung. Leitli- nien zur antiemetischen Behand- lung onkologischer Patienten sind speziell gegen Nausea und Emesis bei Chemo- oder Strahlentherapie konzipiert. Die Datenlage zur evi- denzbasierten Therapie von Übel- keit und Erbrechen bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz, COPD oder chronisch-progredien- ten neurologischen Erkrankungen ist hingegen mager.

DER SCHMERZ

Die Auswertung einer systematischen Literaturrecherche durch Wissenschaft- ler der Universität Göttingen soll nun als Grundlage für die Entwicklung von Therapieempfehlungen der Arzneimit- telkommission der Deutschen Ärzte- schaft im Bereich Palliativmedizin die- nen. In die Übersichtsarbeit flossen Er- gebnisse von zwischen 1966 und 2011 in deutscher oder englischer Sprache veröffentlichten Studien bei Patienten ein, die an einer fortschreitenden un- heilbaren Krankheit litten und bei denen Übelkeit und Erbrechen als zu behandelnde Symptome definiert waren. Nicht berücksichtigt wurden Studien bei Krebspatienten, die post- operativ oder im Rahmen einer Chemo- oder Strahlentherapie an Übel- keit und Erbrechen litten.

Der vorliegende Review eruiert die ak- tuelle Studienlage zur antiemetischen Therapie und befasst sich speziell mit der Evidenz zur Wirksamkeit von 5-HT3-Antagonisten, Steroiden, Anti- histaminika, Anticholinergika, Soma- tostatinanaloga, Benzodiazepinen und Cannabinoiden bei Patienten ohne vorausgegangene onkologische Thera- pien. Ein separates Paper bewertet den Einsatz von Neuroleptika und Prokine- tika bei diesem Patientenkollektiv.

Methodik/Ergebnisse

Insgesamt fanden sich 75 Studien, die die Einschlusskriterien erfüllten, 36 da - von waren im Hinblick auf die zu be- wertenden Substanzklassen relevant.

Davon untersuchten 13 Studien 5-HT3- Antagonisten, 10 Somatostatinana- loga, 9 Steroide, 4 Anticholinergika, 5 Cannabinoide und 1 Studie Antihist - aminika; Benzodiazepine fanden keine Beachtung. Darüber hinaus fanden sich

6 systematische Reviews. Die Betrach- tung der Substanzgruppen in den verschiedenen Studien resultierte in einem Grad der Empfehlung und der Evidenz.

Insgesamt wurde die Evidenzlage für alle als Antiemetikum verwendeten Medikamente als gering eingestuft. Die Bewertung für die meisten untersuch- ten Substanzen liegt im Bereich von 2B (schwache Empfehlung/moderate Evi- denz) bis zu 2C (schwache Empfeh- lung/schlechte Evidenz).

Einen 1B-Grad (starke Empfehlung/

moderate Evidenz) erzielen zwar so- wohl das Somatostatinanalogon Oct- reotid als auch Anticholinergika (Bu- tylscopolamin); allerdings ist die Wirk- samkeit dieser Substanzen speziell bei Übelkeit und Erbrechen auf dem Boden maligner gastrointestinaler Obstruk- tion belegt.

Setrone

Erbrechen ist ein komplexer polysy- naptischer viszerosomatischer Reflex, dessen Steuerung dem in der Medulla oblongata gelegenen «central pattern generator» unterliegt. Dieser erhält Af- ferenzen aus dem Kortex, dem Vestibu- larapparat, der Chemorezeptortrigger- zone in der Area postrema sowie aus dem oberen Magen-Darm-Trakt mit Serotonin als Neurotransmitter. 5-HT3- Antagonisten, sogenannte Setrone, blockieren die Serotoninrezeptoren vagaler Nervenfasern im Gastrointes - tinaltrakt sowie in der Chemorezep - tortriggerzone und der Medulla oblon- gata. Vertreter der Substanzklasse der 5-HT3-Antagonisten sind Ondansetron, Granisetron und Tropisetron.

Die Autoren schreiben: «Bezüglich 5-HT3-Antagonisten reichen die Daten bei Aids und MS aufgrund zu kleiner Patientenzahlen nicht für eine Empfeh- lung aus. Bei Krebspatienten gibt es wi- dersprüchliche Studienergebnisse, wo - bei in den grösseren Studien eine gute Wirkung von 5-HT3-Antagonisten und sogar eine Überlegenheit gegenüber Metoclopramid, Dexamethason und Neuroleptika bei Palliativpatienten beschrieben wurde.» In Studien bei refraktärer Übelkeit im Rahmen neuro- logischer Erkrankungen verbesserte Ondansetron die Symptome, wegen der sehr geringen Fallzahl könne eine Empfehlung für diesen Kontext jedoch nur bedingt ausgesprochen werden.

Übelkeit und Erbrechen in der Palliativmedizin

Für welche antiemetische Therapie besteht die beste Evidenz?

STUDIE REFERIERT

ARS MEDICI 21 2013

1085

Merksätze

Übelkeit und Erbrechen sind häufige Symptome bei Palliativpatienten.

Eine wirksame antiemetische Therapie verbes- sert die Lebensqualität und vermindert soma - tische, psychische und soziale Auswirkungen.

5-HT3-Antagonisten können bei Palliativpatienten eingesetzt werden, wenn diese nicht auf Pro - kinetika (z.B. Metoclopramid) oder Neuroleptika (z.B. Haloperidol) ansprechen.

Kortikosteroide potenzieren die Wirkung ande- rer Antiemetika (möglicher Synergismus?).

Octreotid ist bei durch gastrointestinale Obstruk- tion bedingter Übelkeit wirksam, als Alternative kommt Butylscopolamin infrage.

Cannabinoide sind aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen als Reservemittel einzustufen.

Für Antihistaminika und Benzodiazepine gibt es in dieser Indikation nicht genügend Evidenz.

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Steroide

Der genaue Wirkmechanismus von Ste- roiden bei Übelkeit und Erbrechen ist nicht bekannt. Postulierte Mechanis- men sind antiinflammatorische und antisekretorische Wirkungen sowie die Reduktion der Permeabilität für emeto- gene Substanzen in der Area postrema und der Blut-Hirn-Schranke. Steroidale antiinflammatorische Substanzen re- duzieren zudem die Synthese und Aus- schüttung von Prostaglandinen und Serotonin. Die Studienlage zur Wirk- samkeit von Steroiden sei heterogen, zeige aber einen positiven Trend in Bezug auf Krebspatienten. Unter einer Kombination von Kortikosteroiden mit 5-HT3-Antagonisten und Metoclo- pramid lassen sich Symptome bei einem höheren Prozentsatz von Patien- ten in den Griff bekommen als unter der alleinigen Kombination eines 5-HT3-Antagonisten mit einem Dop - aminantagonisten.

Ursache berücksichtigen

Auch in der symptomatischen palliati- ven Therapie ist es sinnvoll, sich – falls möglich – an den kausalen Mechanis- men zu orientieren. Dabei macht es einen Unterschied, ob die Symptome in einer Gastrostase, einer Opiattherapie oder in einer malignen gastrointestina- len Obstruktion begründet sind. Letz- tere spricht gut auf Octreotid an, ein synthetisches Somatostatinanalogon.

Octreotid hemmt die überschiessende Hormonsekretion im Magen-Darm- Trakt und reduziert so Gallenfluss, Blutfluss im Splanchnikusgebiet sowie die Sekretion des Magens und des Pan- kreas und verlangsamt die intestinale

Motilität. Eine Reduktion der gastroin- testinalen Sekretion lässt sich auch mit Butylscopolamin erreichen; dieses wirkt zudem spasmolytisch auf die glatte Muskulatur.

Dopamin spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Physiologie der Übelkeit:

Die Chemorezeptortriggerzone ist ein dopaminrezeptorreicher Bereich im Gehirn; Dopamin und der Dopamin- agonist Apomorphin stellen starke Reize für die Chemorezeptortrigger- zone dar. Im Fall der opioidinduzierten Übelkeit scheint der Dopaminantago- nist Metoclopramid einer Therapie mit 5-HT3-Antagonisten überlegen zu sein.

Cannabinoide

als Reserveantiemetika

Cannabinoide entfalten ihre antiemeti- sche Wirkung über Cannabinoidrezep- toren im Nucleus tractus solitarius.

Zur Verfügung stehen das aus der indi- schen Hanfpflanze extrahierte Tetra - hydrocannabinol (THC) Dronabinol oder das synthetische THC-Analogon Nabilon. In den meisten Studien wurde unter der Cannabinoidmedikation über deutlich mehr oder stärkere Neben - wirkungen gegenüber der Vergleichs- medikation berichtet. In den Studien zum Einsatz von Cannabinoiden bei Übelkeit und Erbrechen wurden diese Substanzen jedoch nicht mit Serotonin- antagonisten verglichen. Bei einigen Studien nach Chemotherapie oder Strahlentherapie brachen Patienten wegen Nebenwirkungen häufiger die Cannabinoidmedikation ab. Häufig- keit und Stärke der Nebenwirkungen sprechen gegen einen Einsatz als Anti - emetikum der ersten Wahl. Zu diesen

unerwünschten Wirkungen gehören Schwindel, Verwirrtheit, Sedierung, Dysphorie und Halluzinationen. Can- nabinoide wurden in der Symptom- kontrolle von Übelkeit und Erbrechen bei Patienten mit Krebs und Aids für wirksam befunden, wobei auch hier die Nebenwirkungen beachtenswert sind und die Studien Cannabinoide lediglich mit älteren Antiemetika verglichen, statt mit 5-HT3-Antagonisten. In Bezug auf die Symptomkontrolle von Übel- keit und Erbrechen bei Patienten mit COPD, Herzinsuffizienz und neurolo- gischen Erkrankungen wurden keine Studien für Palliativpatienten gefunden.

Fazit: Für Patienten, die mit herkömm- lichen Antiemetika nicht ausreichend behandelt werden können, stellen Cannabinoide eine Ergänzung der antiemetischen Behandlung dar.

Substanz P hemmen:

Neurokinin-1-(NK1-)Antagonisten Eine effektive Substanzklasse, die nicht im Review berücksichtigt wurde, stel- len die sogenannten Neurokinin-1- (NK1-)Antagonisten dar. Ein Vertreter, Aprepitant, verhindert als Antagonist die Bindung des Liganden Substanz P an den NK1-Rezeptor in der Area postrema, sodass es hier nicht zu einer Entwicklung von Brechreiz kommt. Der Wirkstoff erzielt in Kom- bination mit einem 5-HT3-Antagonis- ten und Dexamethason eine gute Symptomkontrolle bei Patienten unter

Chemotherapie.

Anka Stegmeier-Petroianu

Benze G. et al.: Treatment of nausea and vomiting with 5HT3 receptor antagonists, steroids, antihistamines, anticholinergics, somatostatinantagonists, benzodiaze - pines and cannabinoids in palliative care patients:

a syste matic review. Schmerz 2012; 26(5): 481–499.

Interessenkonflikte: keine deklariert

STUDIE REFERIERT

1086

ARS MEDICI 21 2013 Kasten:

Stellenwert der untersuchten

antiemetisch wirkenden Substanzgruppen

5-HT3-Antagonisten widersprüchliche Daten; Empfehlung bei Krebspatienten, die nicht auf Metoclopramid ansprechen

Steroide wirksam in Kombination mit anderen Antiemetika Antihistaminika Datenlage reicht für eine Bewertung nicht aus Anticholinergika (Butylscopolamin) wirksam bei gastrointestinaler Obstruktion Somatostatinantagonisten (Octreotid) wirksam bei gastrointestinaler Obstruktion Benzodiazepine Datenlage reicht für eine Bewertung nicht aus

Cannabinoide (Dronabinol, Nabilon) Reservemittel, da häufig mit unerwünschten Nebenwir- kungen wie Schwindel, Dysphorie, Halluzinationen verbunden

Referenzen

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