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Archiv "Kyphoplastie – Konzept zur Behandlung schmerzhafter Wirbelkörperbrüche" (20.06.2003)

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M E D I Z I N

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A1748 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2520. Juni 2003

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ie demographischen Verände- rungen der nächsten Jahre in Deutschland werden die medizi- nischen Versorgungssysteme mit einer wachsenden Zahl von Patienten mit altersassoziierten Erkrankungen kon- frontieren (3, 5). Eine dieser chroni- schen, altersassoziierten Stoffwechsel- erkrankungen ist die Osteoporose, von der heute bereits etwa 5 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind (41, 42). Die Prävalenz von osteo- porotischen Wirbelkörperfrakturen liegt in Deutschland bei etwa 1,7 Mil- lionen betroffenen Frauen und 0,8 Millionen Männern (60) und nimmt besonders bei Frauen altersassoziiert stark zu (54). Etwa die Hälfte aller Wirbelkörperfrakturen gehen auch nach dem akuten Ereignis mit dauer- haften Schmerzen einher, die eine analgetische Therapie erfordern und den meist älteren Patienten in seiner

Mobilität und in seiner Selbstständig- keit im alltäglichen Leben bis hin zur Pflegebedürftigkeit stark behindern (8, 10, 25, 26, 32, 39, 44, 50, 51). Eine Handlungsverpflichtung der medizini- schen Versorger den Patienten mit ei- ner Osteoporose gegenüber leitet sich aus der erhöhten Mortalität von Pati- enten mit osteoporotischen Knochen- brüchen neben der gravierend einge- schränkten Lebensqualität ab (9, 21, 29, 28, 36, 40, 52, 55, 57). Angesichts des Leidens der Patienten mit Wirbelkör-

per- und Frakturen des coxalen Fe- murs muss die besondere Aufmerk- samkeit des den Osteoporosepatien- ten betreuenden Ärzteteams eingefor- dert werden, damit einerseits die Kno- chenstoffwechselstörung behandelt und weitere Frakturen verhindert wer- den, andererseits aber auch eine adä- quate Schmerztherapie und Fraktur- versorgung erfolgt.

Die Bedeutung der Schmerzproble- matik in der Osteologie wird deutlich, wenn man die großen, nach EBM-Kri- terien durchgeführten Studien über die Wirksamkeit der neueren Bisphos- phonate bei der Behandlung von Pati- enten mit Osteoporose betrachtet. Ei- ne der bekanntesten Studien zeigt eine 48-prozentige Reduzierung neuer Wirbelkörperfrakturen in der Verum- gruppe. Auf den Einzelpatienten bezo- gen wird der Forschungsauftrag deut- lich. Es wurden 994 Patientinnen ein-

Kyphoplastie –

Konzept zur Behandlung schmerzhafter

Wirbelkörperbrüche

Zusammenfassung

Die Kyphoplastie ist eine minimalinvasive Me- thode zur Behandlung schmerzhafter und die Mobilität einschränkender Wirbelkörperbrüche, wie sie besonders häufig bei Patienten mit einer Osteoporose auftreten. Die Schmerzbesei- tigung oder -linderung wird durch eine Sta- bilisierung des schmerzhaft eingebrochenen Wirbelkörpers und die dadurch bedingte Unter- brechung der schmerzhaften Periostirritation in- folge der permanenten Mikrobewegungen des zusammensinternden Wirbelkörpers erreicht.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Kyphopla- stie ist eine strenge interdisziplinäre Indikati- onsstellung durch Endokrinologen/Osteologen, Traumatologen/Orthopäden und Radiologen.

Von 835 in der Heidelberger Kyphoplastie-Kon- ferenz diskutierten Patienten wurde nur bei 89 Patienten die Indikation für eine aussichtsreiche Kyphoplastie gestellt. Bisher zeigten 94 Pro- zent der kyphoplastierten Patienten direkt post- operativ eine deutliche Schmerzlinderung oder sogar Schmerzfreiheit, die den Patienten eine

nicht mehr gekannte Mobilität zurückgibt. Alle so behandelten Patienten werden in einer auf fünf Jahre angelegten prospektiven kontrollier- ten Studie hinsichtlich ihrer Beschwerdeent- wicklung und der Röntgenmorphologie der Wir- belkörper weiter untersucht und betreut.

Schlüsselwörter: Kyphoplastie, Biomaterial, Schmerztherapie, Wirbelkörperfraktur, minima- linvasive Therapie, Osteoporose

Summary

Kyphoplasty – a Treatment Option of Painful Vertebral Fractures

Kyphoplasty is a minimally invasive procedure for the treatment of painful vertebral fractures which frequently occur in patients with osteo- porosis. The presence of osteoporotic fractures requires medical treatment according to evi- dence-based standards including a sufficient pain relief. Kyphoplasty enables the physician to abandon or at least to relief the pain which

accompanies about 50 per cent of all osteo- porotic vertebral fractures significantly. An indispensable prerequisite for the decision who is going to benefit from kyphoplasty is an inter- disciplinary discussion among endocrinologists/

osteologists, trauma surgeons and radiologists who review the symptoms, the pain, the pain location, the co-morbidity, and the radiological status of every single patient. An interdiscipli- nary team in Heidelberg, Germany evaluated 835 single cases of patients with painful osteo- porotic fractures. Only 89 patients were finally treated by kyphoplasty. However, in 94 per cent of the treated patients a significant pain relief was observed which led to increased mo- bility and quality of life. In Heidelberg a 5-year prospective, controlled study was initiated to evaluate radiomorphology, pain and mobility scores in all patients before and for the sub- sequent 5 years after kyphoplasty.

Key words: kyphoplasty, biomaterial, therapy of pain, vertebral fracture, minimally invasive therapy, osteoporosis

1Innere Medizin I (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Peter P. Nawroth), Sektion Osteologie, Universitätsklinik Hei- delberg

2Chirurgische Universitätsklinik (Ärztlicher Direktor:

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Markus Büchler), Sektion Unfall- chirurgie, Universitätsklinik Heidelberg

3Radiologische Universitätsklinik (Ärztlicher Direktor:

Prof. Dr. med. Günter W. Kauffmann), Radiodiagnostik, Sektion Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitäts- klinik Heidelberg

Christian Kasperk

1

Jochen Hillmeier

2

Gerd Nöldge

3

Martin Libicher

3

Günter W. Kauffmann

3

Peter P. Nawroth

1

Peter-Jürgen Meeder

2

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geschlossen, von denen in der Verum- gruppe 17 von 526 Patientinnen eine Fraktur erlitten, in der Placebogruppe hingegen 22 von 355 Patientinnen (p <

0,03) (6, 34). Daraus ergibt sich nicht nur eine 48-prozentige Reduzierung des Frakturrisikos sondern auch die Überlegung, dass je nach initialem Frakturrisiko 15 bis 87 Patientinnen über 3 Jahre behandelt werden müs- sen, um eine Wirbelkörperfraktur zu verhindern (14, 16, 23, 24, 37, 46, 53, 58). Trotzdem erleiden etwa 50 Prozent der wirksam, nach EBM-Kri- terien behandelten Patienten mit Osteo- porose weiterhin Wirbelkörperfraktu- ren. Epidemiologische Beobachtungen belegen zudem, dass sich das Risiko für weitere Wirbelkörperfrakturen beim Vorliegen von einer Wirbelfraktur vervierfacht und bei fünf oder mehr Wirbelbrüchen 35fach erhöht ist (30,

35). Das bedeutet, dass trotz der un- bestritten wirksamen, medikamentö- sen Therapiekonzepte, weiterhin auch Wirbelkörperbrüche mit den sich häu- fig chronifizierenden Schmerzen und Behinderungen auftreten.

Bedeutung der Schmerztherapie

Bei etwa einer Million schmerzhafter Wirbelkörperfrakturen in Deutsch- land werden auch weiterhin schmerz- therapeutische Konzepte erforderlich sein, um den Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen infolge einge- brochener Wirbelkörper Linderung zu

verschaffen. Diese Behandlungskon- zepte umfassen neben dem umfangrei- chen Arsenal analgetischer Pharmaka (schmerztherapeutische Stufensche- mata mit frühzeitigem Einsatz poten- ter Opiate) unbedingt auch physio- und balneotherapeutische Methoden.

In einigen Fällen ist kurzfristig auch in Zukunft die individuelle Anpassung eines speziellen Mieders oder Korsetts schmerzlindernd einzusetzen. Bei län- gerer Anwendung dieser konventio- nellen Behandlungsmöglichkeiten ist es von wachsender Bedeutung auf die Nebenwirkungen der Analgetika (bei- spielsweise gastroösophageale Be- schwerden, Nierenschäden, Obstipati- on, Übelkeit, Schwindel mit erhöhter Sturz- und somit Frakturgefahr) bei älteren Menschen zu achten. Außer- dem spielt die eingeschränkte Mobi- lität des Patienten mit schmerzhaften

Wirbelkörperfrakturen zusammen mit den Nebenwirkungen der Analgetika eine große Rolle beim Verlust der Selbstständigkeit und zunehmenden Pflegebedürftigkeit (13, 47). Leider ist die so durchgeführte klassische Schmerztherapie oft unbefriedigend, die angepassten Orthesen oder Kor- setts behindern den Patienten häufig mehr, als dass sie für eine Schmerzlin- derung oder gar eine Verbesserung der Mobilität sorgen, und große pro- spektive, kontrollierte Studien über derartige Hilfsmittel ausstehen. Die eingeschränkte Beweglichkeit der Pa- tienten begünstigt den Knochenab- bau, verschlechtert das Ansprechen auf die medikamentöse osteotrope

Therapie und die Mieder-/Korsettver- sorgung führt bei chronischer Anwen- dung gelegentlich eher zu einer Rück- bildung als zur Stärkung der Rücken- muskulatur. Daher gilt es Alternativen für die Schmerztherapie zu ent- wickeln.

Pathophysiologische

Erwägungen zum Schmerz

Angesichts der gesicherten Wirksam- keit der medikamentösen Therapie des osteoporotisch gestörten Kno- chenstoffwechsels mit Calcium, Vita- min D, Bisphosphonaten, Raloxifen, Parathormon und der symptomati- schen Behandlungsmöglichkeiten ist die Betrachtung der Pathophysiologie des Knochenschmerzes in den Hinter- grund getreten. Da von 1 000 optimal nach EBM-Standards medikamentös versorgten Patienten innerhalb der er- sten drei Jahre noch etwa 30 Patienten eine schmerzhafte Fraktur erleiden, wird deutlich, dass die Therapie des Knochenstoffwechsels nur eine, wenn auch langfristig ausschlaggebende Fa- cette der pathophysiologisch orien- tierten Knochentherapie ist. Ein wei- terer Aspekt ist die Therapie des Kno- chenschmerzes, wobei Analgetika nicht die Ursache, sondern ein aller- dings wichtiges Epiphänomen behan- deln.

Der Schmerz bei der Wirbelkörper- fraktur entsteht durch die Irritation des Periostes. Das Periost hat eine ho- he Dichte von Schmerzfasern, die sen- sibel jede Mikrobewegung des Kno- chens als Schmerz weitermelden. Eine pathophysiologisch orientierte Thera- pie des Schmerzes einer Wirbelkör- perfraktur hat daher zum Ziel,

>wenn sie frühzeitig erfolgt, den eingebrochenen Wirbelkörper wieder aufzurichten und gleichzeitig

>die Architektur des Wirbelkör- pers so zu stabilisieren, dass keine Mi- krobewegungen, die das Periost rei- zen, mehr auftreten können.

Langfristig gilt es, durch die Schmerz- reduktion aber auch durch die in man- chen Fällen normalisierte Statik der Wirbelsäule, Fehlbelastungen des Be- wegungsapparates zu vermeiden oder sogar zu korrigieren.

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A1750 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2520. Juni 2003

Grafik 1

Vorgehensweise bei der Kyphoplastie a) transpedikuläre Lage der Arbeitskanüle; b) Einbringen eines Ballonkatheters und kontrollierte Schaffung eines Kavums im eingebrochenen Wirbel- körper unter Durchleuchtungskontrolle durch Aufblasen des Ballons mit einer röntgenkon- trastgebenden Flüssigkeit; c) Entfernung des Ballonkatheters; d) das geschaffene Kavum wird mit einem Zement ausgefüllt.

a b c d

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Abgrenzung der Kyphoplastie von der Vertebroplastie

Die Idee, durch Einbringen eines Kno- chenzementes in einen eingebro- chenen Wirbelkörper den Wirbelkör- per zu stabilisieren, eine aufwendi- ge Wirbelsäulenoperation zu umge- hen, ein weiteres Einsinken des Wir- bels zu verhindern und Schmerzen dadurch zu lindern, ist schon mehr als 15 Jahre alt (1, 18). Vor

allem in Frankreich wer- den mit dem Verfahren der Vertebroplastie trau- matisch oder patholo- gisch frakturierte Wirbel- körper stabilisiert (19).

Dabei wird in den ein- gebrochenen Wirbelkör- per über einen transpedi- kulären Zugang eine Ka- nüle vorgeschoben.

Durch diese Kanüle wird unter hohem Druck ein Polymethylmethacry- lat-Zement (so genannter Knochenzement) in den eingebrochenen Wirbel- körper eingespritzt, wo er in wenigen Minuten aus- härtet und den Wirbelkör- per stabilisiert.

Aufwendige und ris- kante Osteosynthesen las- sen sich dadurch häufig vermeiden, insbesondere wenn es sich um eine pal- liative Maßnahme han- delt oder der multimorbi-

de Patient nicht OP-fähig ist. Wegen des hohen Drucks mit dem der Kunst- stoff in den Wirbelkörper gespritzt werden muss, strömt der Kunststoff unkontrolliert in den Wirbelkörper, und es kann nicht sichergestellt wer- den, dass die Kunststoffmasse tatsäch- lich überwiegend im Wirbelkörper ver- bleibt.

Daher werden bei bis zu 70 Prozent der durchgeführten Vertebroplastien auch tatsächlich Kunststoffaustritte aus dem Wirbelkörper in das umlie- gende Gewebe beobachtet, wobei die meisten Paravasate allerdings klinisch folgenlos bleiben. Ein Kunststoffaus- tritt in den Spinalkanal ist eine ge-

fürchtete Komplikation, die mit neu- rologischen Symptomen einhergehen kann (48).

Die Kyphoplastie unterscheidet sich von der Vertebroplastie dadurch, dass durch eine, zunächst transpe- dikulär in den eingebrochenen Wir- belkörper eingebrachte Arbeitskanüle ein Ballonkatheter in den Wirbel ein- geführt wird. Mit einem Röntgenkon- trastmittel wird dieser Ballon unter Durchleuchtungskontrolle mit einem

Druck von bis zu 30 Bar aufgeblasen und dadurch kontrolliert ein Kavum in dem eingebrochenen Wirbelkörper geschaffen. (3, 4, 7, 20, 33, 27, 31, 43, 59) (Grafik 1). In Abhängigkeit vom Alter der Fraktur werden dabei Aufrichtun- gen der behandelten Wirbelkörper zwischen 10 und 97 Prozent der ur- sprünglichen Höhe berichtet (3, 15, 20, 61), wobei bereits durch die Lagerung des Patienten (Grafik 2) eine bemer- kenswerte Dekompression des einge- brochenen Wirbelkörpers erreicht wer- den kann (17, 38).

Durch die Hyperlordosierung des in Intubationsnarkose liegenden Pati- enten, kommt es zur Reposition und

Entlastung im Bereich des eingebro- chenen Wirbelkörpers. Deshalb bleibt der durch den Ballonkatheter geschaf- fene Hohlraum auch nach dem Ablas- sen und dem Entfernen des Ballonka- theters erhalten. Nun wird durch die weiterhin transpedikulär liegende Ar- beitskanüle der höher viskose Kno- chenzement kontrolliert mit sehr ge- ringem Druck in den geschaffenen Hohlraum im Wirbelkörper einge- spritzt. Unkontrollierte klinische oder asymptomatische Zementaustritte aus dem Wirbelkörper sind bei der Kypho- plastie seltener (10 bis 30 Prozent), da zunächst ein Kavum mit definiertem Volumen geschaffen wurde und über einen Applikator unter Durchleuch- tungskontrolle appliziert wird (9, 11, 22, 43, 48, 45, 56).

Das Ziel einer Kyphoplastie bei ei- ner osteoporotischen oder pathologi- schen, schmerzhaften Wirbelkörper- fraktur ist die Belastungsstabilität des kyphoplastisch therapierten Wirbel- körpers mit Schmerzfreiheit oder zu- mindest deutlicher Schmerzreduktion.

Dadurch kann auch eine Verbesserung der Mobilität und Einsparung von Schmerzmitteln, Gehhilfen und Or- thesen erreicht werden. Durch die Einbringung eines Knochenzementes in den eingebrochenen Wirbelkörper wird der Wirbelkörper belastungssta- bil (gewissermaßen eingefroren), und weitere Mikrobewegungen durch ein Zusammensintern des angebrochenen Wirbelkörpers bei jeder Körperbewe- gung werden verhindert.

Da sowohl die Verwendung des bei circa 60 bis 70° C aushärtenden Me- thylmetacrylates als auch die Verwen- dung des bei Körpertemperatur aus- härtenden und resorbierbaren Bioze- mentes (beispielsweise Calcibon, Bio- mat-Merck) den gleichen schmerzlin- dernden Effekt haben, ist die Stabili- sierung des Wirbelkörpers durch die Zementplombe und die Verhinderung der Periostirritation durch Mikrobe- wegungen die wahrscheinlichste Er- klärung für die eintretende Schmerz- erleichterung nach einer Kyphopla- stie.

Eine früher vermutete toxische Wirkung des Monomers bei der Ver- wendung des konventionellen Kunst- stoffzementes beziehungsweise eine M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2520. Juni 2003 AA1751

Grafik 2

Lagerung des Patienten zur Kyphoplastie

Indikationen für eine Kyphoplastie

>Schmerzhafte Brust- oder Lendenwirbelkörperfraktur (zum Beispiel Keil-/Fischwirbelbildung)

>Frische traumatische Wirbelkörperfraktur (< 3 Monate alt)

>Chronische, schmerzhafte Sinterungsfraktur bei Osteoporose

>Pathologische Wirbelkörperfraktur bei Metastasen

>Primäre Wirbelkörpertumoren (zum Beispiel Hämangiom, Myelom) Textkasten 1

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Hitzekoagulation der Schmerzfasern durch die exotherme Polymerisations- reaktion des Methylmetacrylat scheint keine Rolle bei der beobachteten schmerzlindernden Wirkung der Ky- phoplastie zu spielen.

Indikationsstellung für eine Kyphoplastie

Bei schmerzhaften Wirbelkörperein- brüchen oder auch infolge einer Kno- chenmetastase, bei denen konventio- nelle analgetische und orthetische Be- handlungskonzepte dem Patienten keine befriedigende Befindlichkeit und Mobilität verschaffen konnten, sollte die Indikation für eine Kypho- plastie geprüft werden. Die Indikati- onsstellung muss gemeinschaftlich in einem erfahrenen, interdisziplinären Team erfolgen (Textkasten 1). Nur durch dieses interdisziplinäre Vorge- hen kann gewährleistet werden, dass sich das noch teure Kyphoplastiever- fahren nicht zu einem lukrativen Ein- griff für die Operateure mit mögli- cherweise ruinösen Folgen für die Ko- stenträger entwickelt, ohne Beachtung und Kenntnis der differenzialdiagno- stischen und -therapeutischen Mög- lichkeiten der zugrunde liegenden Stoffwechselstörungen oder Maligno- me. Bei malignen Prozessen sind auch strahlentherapeutische Maßnahmen zu bedenken, die parallel durchge- führt werden können; die Kyphopla- stie gewährleistet dabei eine sofortige Belastbarkeit, und in vielen Fällen wird eine Immobilität des Patienten vermeidbar sein oder sich die Anpas- sung eines Korsetts erübrigen (Textka- sten 2).

Kontraindikationen für die Kypho- plastie wie eine Vertebra plana, hoch- gradige degenerative Veränderungen oder ein bereits erfolgter Einbruch ei- nes Malignoms in den Spinalkanal müssen erkannt werden (Textkasten 3). Alle differenzialdiagnostischen und -therapeutischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Befindlichkeit können nur durch eine interdisziplinä- re Diskussion des Einzelfalles abge- wogen werden. Eine Kyphoplastie ist zurzeit sicherlich nicht indiziert zur kosmetischen Korrektur einer Kypho-

se. Es muß unbedingt vermieden wer- den, nur wegen der an einem einge- brochenen Wirbelkörper erkennbaren technischen Durchführbarkeit der Ky- phoplastie diese dort vorzunehmen, wenn die Hauptbeschwerden des Pati- enten an ganz anderen Wirbelkörpern angegeben werden. Von den in Heidel- berg bisher 835 interdisziplinär begut- achteten Patienten wurde nur bei 89 die Indikation für eine sinnvolle und aussichtsreiche Kyphoplastie gestellt.

Die interdisziplinäre Diskussion des Einzelfalles mit Kenntnis aller Be- funde und Therapiemöglichkeiten so- wie die anschließende konsensuelle Indikationsstellung sind die wesentli- chen Voraussetzungen für die erfolg- reiche Durchführung der Kyphopla-

stie. Das Ziel heißt Schmerzfreiheit oder zumindest deutliche Schmerzre- duktion in dem behandelten Bereich, eine verbesserte Mobilität und somit Sicherstellung der Selbstversorgung des Patienten.

Eine erwartete Kosteneinsparung durch verminderten Schmerzmittelbe- darf und Erhalt der Selbstversorgung und Mobilität des beschwerdefreien Patienten setzt eine strenge Indikati- onsstellung durch ein interdisziplinä- res Team voraus. Durch das Heidel- berger Konzept der interdisziplinä- ren Behandlung der Patienten mit schmerzhaften Wirbelkörperfrakturen ließ sich bei 94 Prozent der bisher behandelten 89 Patienten eine deutli- che Schmerzreduktion und wesentli- che Verbesserung der Befindlichkeit und Mobilität erzielen, wie die vor- läufige, nach sechs Monaten durchge- führte Auswertung von international validierten Scores zu Befindlichkeit, Schmerzen und Mobilität der Patien- ten vor und in monatlichen Abstän- den nach der Kyphoplastie ergeben haben.

Eine auf fünf Jahre angelegte kon- trollierte prospektive Studie wurde in Heidelberg Anfang 2002 begonnen, da bisher keine Langzeitergebnisse aus kontrollierten Studien zum Verfahren der Kyphoplastie vorliegen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1748–1752 [Heft 25]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit2503 abrufbar ist.

Manuskript eingereicht: 26. 11. 2002, revidierte Fas- sung angenommen: 11. 3. 2003

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent.

Christian Kasperk Sektion Osteologie Innere Medizin I

Universitätsklinik Heidelberg Bergheimerstraße 58 69115 Heidelberg

E-Mail: Christian_Kasperk@med.uni-heidelberg.de M E D I Z I N

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A1752 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2520. Juni 2003

Voraussetzungen zur Kyphoplastie

>Interdisziplinäre Indikationsstellung

>Aktuelle Röntgenbilder der BWS und LWS (< 4 Wochen alt)

>Spiral-CT oder MRT des schmerzhaften und für die Kyphoplastie vorgesehenen Wirbel- säulenabschnitts

>Neurologischer Ausschluss einer radikulären Symptomatik bei ausstrahlenden Beschwerden

>OP-/Narkosefähigkeit

>Normale Gerinnung (14-tägige Karenz von NSAR, Aspirin und ähnlichen Substanzen) Textkasten 2

Kontraindikationen

>Keine OP-/Narkosefähigkeit

>Gerinnungsstörungen

>Infektionen (Spondylitis, Osteomyelitis, Hautinfektion am Zugangsort)

>Hinterkanteninstabilität (relative)

>Osteolyse mit Einbruch in den Spinalkanal

>Vertebra plana

>Hochgradige degenerative Wirbelsäulen- veränderungen (hochgradige Spondylophyten- bildungen, ossäre Überbrückungen der Wirbel- körper, Kyphoskoliosen)

>Schmerzen ohne sicheren Bezug zu einer Wirbelkörperfraktur

>Aufrichten einer schmerzfreien Kyphose (derzeit)

>Deformierungen von Halswirbelkörpern (derzeit)

>Beschwerden bei Bandscheibenproblematik Textkasten 3

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