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Archiv "Großbritannien: Dubiose Ärzte aufspüren" (15.09.2000)

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er britische Ärztetag hat die Vor- schläge von Gesundheitsminister Alan Milburn kritisiert, ein neuar- tiges „Frühwarnsystem Kunstfehler“

einzuführen. Das Ärzteparlament, das kürzlich tagte, bezeichnete die Pläne als

„unsensibel und gefährlich“.

Auslöser sind eine Reihe zum Teil spektakulärer ärztlicher Kunstfehler- Skandale, die landesweit für Schlagzei- len sorgten und zu harscher Kritik am ärztlichen Berufsstand führten. Der Hindergrund ist ernst: Jähr-

lich erleiden rund 850 000 Patienten im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) gesundheitliche Schä- den als Folge unvorhergese- hener Komplikationen. Vie- le dieser Fälle wären nach Ansicht von Gesundheits- minister Alan Milburn ver- meidbar, würden die Behör- den eher auf dubiose Ärzte oder Fachärzte aufmerksam werden. Genau das soll durch das Frühwarnsystem erreicht werden.

Bislang obliegt es den Ärzten und Fachärzten,

ihren Berufsstand selbst zu regulieren.

Wichtigstes Organ der ärztlichen Selbst- verwaltung in Großbritannien ist der General Medical Council (GMC, Lon- don). Der GMC hat die Möglichkeit, in- kompetente Ärzte mit einem zeitlich befristeten Berufsverbot zu belegen. In besonders schweren Fällen kann einem Arzt die Zulassung ganz entzogen wer- den. Kritiker werfen dem GMC jedoch vor, dass er so gut wie nie hart gegen Sündenböcke vorgehe.

Das Beispiel eines Gynäkologen aus der Grafschaft Kent, der im Verlauf sei- ner NHS-Tätigkeit Hunderte Frauen falsch behandelt hat, scheint diese Vor-

würfe zu erhärten. Mindestens sechs Patientinnen starben in den Händen des inzwischen mit einem Berufsverbot belegten Frauenarztes. Allerdings war der Mediziner bereits in Kanada wegen ähnlicher Kunstfehler aus dem dortigen Ärzteregister entfernt worden. Der GMC wusste dies, unternahm aber trotzdem nichts, obwohl sich die Be- schwerden häuften.

Das neue Frühwarnsystem, das nach den Vorstellungen des Londoner

Gesundheitsministeriums Ende dieses Jahres eingeführt werden soll, werde

„alle unerwünschten Therapiefolgen“

erfassen. Dabei gehe es in erster Linie darum, aus Fehlern zu lernen und nicht darum, einzelnen Ärzten den Schwarzen Peter zuzuschieben, so Ge- sundheitsminister Milburn in London.

„Bisher fehlt es an einheitlichen Ber- wertungsgrundlagen, welche Art von unerwünschten Therapiefolgen ge- meldet werden sollen“, so Milburn.

Und: „Da der GMC bislang darauf be- dacht ist, einzelnen Ärzten die Schuld für missglückte Behandlungen zuzu- schieben, versucht die Ärzteschaft,

Kunstfehler zu vertuschen. Das ver- hindert, dass aus den Fehlern gelernt wird.“

Milburn schätzt, dass jährlich im NHS „mindestens 400 Patienten“ auf- grund ärztlicher Kunstfehler sterben.

Die Folgekosten aller Kunstfehler wer- den vom Gesundheitsministerium auf

„rund zwei Milliarden Pfund“ (sechs Milliarden DM) im Jahr beziffert. Al- lerdings sind in dieser Summe auch die Folgekosten unerwünschter Arzneimit- telwirkungen enthalten.

Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten

Wie wird das neue Frühwarnsystem funktionieren? Alle Arztpraxen, Kran- kenhäuser und andere NHS-Einrich- tungen sollen verpflichtet werden, „alle normalerweise nicht zu erwartenden Behandlungsfolgen“ an ein Zentralregister zu melden.

So genannte „near misses“

(Glück im Unglück) sollen ebenfalls meldepflichtig sein.

Der Name des behandeln- den Arztes wird ebenso ge- meldet wie Details über die Patienten und die Anamne- se. Taucht der Name eines Arztes mehr als einmal im Frühwarnsystem auf, wer- den die Gesundheitsbehör- den vorstellig.

Laborfehler sollen eben- falls zentral erfasst werden.

Im Gespräch ist derzeit auch, Fachärzte regelmäßig – etwa alle fünf Jahre – auf ihre berufliche Qualifikation hin zu prüfen.

Die britischen Ärzteverbände warn- ten davor, das Kind mit dem Bade aus- zuschütten. Zwar sei es gut, ärztliche Kunstfehler zu erkennen und aus ih- nen zu lernen. „Das darf aber nicht da- zu führen, dass Ärzte und Fachärzte Angst haben, progressiv zu behan- deln“, so Linda Millington vom Ärzte- bund (British Medical Association, BMA). Die BMA befürchtet, das neue Frühwarnsystem könnte zu einer Ver- rechtlichung der Medizin führen. Das diene letztlich weder den Patienten noch den Ärzten. Kurt Thomas P O L I T I K

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A2358 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 37½½½½15. September 2000

Großbritannien

Dubiose Ärzte aufspüren

Die britische Ärzteschaft wehrt sich gegen Pläne des Gesundheits- ministeriums, ein „Frühwarnsystem Kunstfehler“ einzuführen.

Nach dem Willen des britischen Gesundheitsministeriums sollen künftig alle

„unerwünschten Therapiefolgen“ zentral erfasst werden.

Foto: BMJ/Ulrike Preuss

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