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Archiv "Auswirkungen des neuen Arbeitszeitgesetzes: „Die Probleme der Ärzte haben eher zugenommen“" (04.02.2005)

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ie Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern bleiben nach Ansicht des Marburger Bundes (MB) ärzte- und patientenfeindlich.

„Wenig, verdammt wenig“, habe das neue Arbeitszeitgesetz gebracht, rügte der MB-Vorsitzende Dr. med. Frank Ul- rich Montgomery Ende Januar in Berlin:

„Die Probleme haben eher zu- als abge- nommen.“ Nur wenige der 2 200 Kran- kenhäuser würden sich um humanere Arbeitszeitbedingungen bemühen.

Seit dem 1. Januar 2004 müssen ärzt- liche Bereitschaftsdienste ganz als Ar- beitszeit gewertet werden. Für beste- hende Tarifverträge wurde eine Über- gangsklausel bis Ende 2005 verankert.

Mit der Novellierung setzte der Gesetz- geber ein Urteil des Europäischen Ge- richtshofs vom 9. September 2003 um, der die bisherige Praxis in den Kran- kenhäusern als nicht europakonform eingestuft hatte. Infolge überlanger Dienste übermüdete Klinikärzte ge- hören somit der Vergangenheit an, ju- belte der MB damals. Jeder Dienst müs- se jetzt auf die wöchentliche Höchstar- beitszeit von 48 Stunden angerechnet werden. Die Klinikärztegewerkschaft habe mithin ihr Ziel erreicht, den Ge- sundheitsschutz der

Ärzte im Kranken- haus zu verbessern.

Heute klingt das ganz anders. Montgo- mery warf den Arbeit- gebern systematische Ignoranz vor: „Das Ar- beitszeitgesetz wird

gar nicht erst zur Kenntnis genommen, auch verweigern sich die Arbeitgeber ei- nem Arbeitszeittarifvertrag für Klinik- ärzte.“ Ein Grund sei, dass sich viele Krankenhausträger auf die Übergangs- klausel berufen, die ursprünglich nur in wenigen Ausnahmefällen zum Tragen

kommen sollte. „Auf gar keinen Fall dür- fen die Übergangsvorschriften über 2005 hinaus verlängert werden“, warnte der MB-Vorsitzende. Er forderte Bundesge- sundheitsministerin Ulla Schmidt auf, ei- nen weiteren Arbeitszeitgipfel einzube-

rufen. Dieser solle Aktionen initiieren, um bundesweit auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes hinzuwirken, bei- spielsweise durch Kontrollen der Ge- werbeaufsichtsämter in den Kliniken.

Das Problem: Um die Folgen der Ge- setzesänderung zu kompensieren, müss- ten die Krankenhäuser bis zu 27 000 zusätz- liche Ärzte einstellen.

Dafür fehlen jedoch sowohl die Ärzte als auch das Geld. Die meisten Krankenhäu- ser streben deshalb ei- ne stellen- und kosten- neutrale Umsetzung der neuen Rege- lung an. Dadurch wird aber die Intention des Gesetzes konterkariert. Im Ergebnis hat die Arbeitsverdichtung in den Kran- kenhäusern weiter zugenommen. Immer mehr Leistung muss in immer weniger Zeit erbracht werden – ein Trend,der sich

mit Einführung des Fallpauschalen- systems noch verstärken wird. Lästig ist auch, dass die Ärzte nun zwar jeweils für kürzere Zeit, dafür aber häufiger im Krankenhaus erscheinen müssen. Die

„gefühlte“ Arbeitszeit habe sich nicht verbessert, klagen Betroffene.Viele Ärz- te verdienen zudem deutlich weniger als bisher. Die Rede ist von bis zu 30 Prozent Gehaltseinbußen, die dadurch entstehen, dass weniger Dienste als bisher geleistet werden dürfen. Manche Assistenzärzte haben darüber hinaus Probleme, die für die Facharztprüfung geforderten Opera- tionen nachzuweisen.

Diese spürbare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bewirkt, dass die Änderung des Arbeitszeitgesetzes mitt- lerweile von vielen Kli- nikärzten negativ be- wertet wird. Öffentli- che Kritik ist aber sel- ten zu hören. Unter der Parole der Medien von den übermüdeten Ärz- ten fällt es den Kritikern offensichtlich schwer, sich gegen den Trend zu stemmen. Hinzu kommt: Über Geld- nöte klagende Ärzte müssten wohl mit hef- tiger Kritik rechnen.

Um die Auswirkun- gen des EuGH-Urteils, das die Änderung des Arbeitszeitgeset- zes erzwang, zu entschärfen, hat die EU- Kommission am 22. September 2004 ei- nen Vorschlag zur Novellierung der maßgeblichen Richtlinie 2003/88/EG unterbreitet. Demnach soll es in den Krankenhäusern künftig „inaktive“ Be- reitschaftsdienstzeiten geben. Damit ist jene Zeit gemeint, in der der Arzt zwar am Arbeitsplatz anwesend ist, aber kei- ne Tätigkeit verrichtet. Diese Zeit wür- de dann nicht auf die wöchentliche Ar- beitszeit angerechnet. Über eine solche Revision entscheiden das Europäische Parlament und der Europäische Rat ge- meinsam im Mitentscheidungsverfah- ren. Eine Änderung der EU-Arbeitszeit- richtlinie vor 2006 ist aber wohl unreali- stisch. Montgomery kritisierte denn auch, dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag die Diskussion um kür- zere Arbeitszeiten im Krankenhaus gelähmt habe. Jens Flintrop, Sabine Rieser P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 5⏐⏐4. Februar 2005 AA249

Auswirkungen des neuen Arbeitszeitgesetzes

„Die Probleme der Ärzte haben eher zugenommen“

Marburger Bund kritisiert Handhabung des Gesetzes.

„Inaktive“ Klinikärzte: Die EU-Kommission will eine neue Bereit- schaftsdienst-Kategorie einführen.

Die „gefühlte“ Arbeitszeit habe sich nicht verbessert,

klagen Betroffene.

Viele Ärzte verdienen zudem deutlich weniger

als bisher.

Foto:David Ausserhofer/JOKER

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