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Archiv "Die Ehre des Dr. B." (09.03.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

Das Wort Staatsanwalt weckt bei vielen Ärzten unangenehme Assoziationen, ja Aggressionen.

Kassenärzte in Nordrhein- Westfalen, zunehmend aber auch in anderen Bundeslän- dern, fühlen sich vielfach zu Unrecht angegriffen und ver- folgt. Auch im folgenden geht es um Ermittlungen der Straf- verfolgungsbehörden, diesmal freilich nicht um jene „Ab- rechnungsmanipulationen", die sonst im Gespräch sind, son- dern um einen Fall von angeb-

D

aß staatsanwaltliche Er- mittlungsverfahren gegen Ärzte bisweilen eingestellt werden, noch bevor es zur Hauptverhandlung kommt, ist an sich noch keine Zeitungszeile wert.

Die Einstellung — besonders bei schweren Vorwürfen wie Körperver- letzung durch Fehlmedikation — wird im Normalfall dem betroffenen Arzt Erleichterung und Genugtuung ver- schaffen. Ein Schlußstrich ist damit gezogen. Doch ein Arzt aus dem Ruhrgebiet, dessen Verfahren vor einigen Monaten eingestellt wurde, wird dieses Schlußstrichs kaum froh:

Die politische Brisanz seines Falles und Praktiken der Strafverfolger, die zumindest merkwürdig erscheinen, lassen die Nervenanspannung des Dr. B. auch nach der Einstellung nicht abklingen. Beschuldigt worden war Dr. B. der Körperverletzung. Er hatte einem Heroinabhängigen zur Linderung seiner Suchtsymptome Barbiturate und codeinhaltige Prä- parate verschrieben.

Rund vier Jahre lang hatte der Praktische Arzt den jungen Patien- ten H., bei dem er selbst die Diagno- se „Drogen-Abhängigkeit" gestellt hatte, mit dem Codein-Derivat „Re- medacen" und dem Barbiturat „Me- dinox" behandelt. Teilweise ver- schrieb er dem Patienten diese suchtauslösenden Mittel, teilweise verabreichte er sie ihm in seiner Pa- xis, um durch kontrollierte Medika- tion die Möglichkeit des Mißbrauchs einzuschränken. Weil ihm die He- roinabhängigkeit H.s bekannt war,

lich fehlerhafter Behandlung.

Das Beispiel des Dr. B. wird hier nicht aufgeführt, um für ei- ne Ersatzdrogentherapie zu werben, sondern um zu zeigen, wie es einem ergehen kann, der in die Mühle gerät.

Die Ehre des Dr. B.

überwies er ihn auch an andere Ärz- te zu Entgiftungen und in stationäre Behandlung. Doch H. kehrte immer wieder in seine Praxis zurück und wurde bisweilen drohend und ag- gressiv, bis er die gewünschten Medi- kamente erhielt. Dr. B., der schon zwei heroinabhängige Patienten durch den „goldenen Schuß" (die tödliche Überdosis der Droge) verlo- ren hatte, stand vor einer Grundsatz- Abwägung: H. drohte, ohne Medika- mente wieder auf Heroin umzustei- gen und sogar, sich damit umzubrin- gen. Die Abstinenz-Therapie, davon war der Arzt überzeugt, bot jedoch wenig Erfolgsaussichten. Dr. B. ent- schied sich dafür, die Substitution fortzuführen, „um Schlimmeres zu verhüten".

Ein Anruf der Polizei in Dr. B.s Praxis machte den medizinischen zum juristischen Fall: Man habe H.

nach Betäubungsmittelkonsum hilf- los aufgefunden. Der Arzt solle H.s Angabe bestätigen, daß er die Medi- kamente verschrieben habe. In der Annahme, die Polizei benötige diese Auskunft für eine Krankenhaus-Ein- weisung, bestätigte Dr. B. Er wisse auch, daß H. betäubungsmittel- und tablettensüchtig sei. Kurze Zeit spä- ter kamen Beamte in die Praxis — mit einem Durchsuchungsbeschluß. H.s Krankenblatt wurde beschlagnahmt.

Das zuständige Amtsgericht hatte die Aktion angeordnet. Zugrunde lag eine Anzeige, die auf dem Telefonat des Dr. B. mit der Polizei beruhte.

In dem folgenden Ermittlungs- verfahren wegen Körperverletzung

beauftragte die Staatsanwaltschaft Duisburg einen Medizinaldirektor aus der Landeshauptstadt mit einem Gutachten über die medizinische Vertretbarkeit von Dr. B.s Behand- lung. Der Gutachter, ein Neurologe und Psychiater, kam in der 46seiti- gen Beurteilung zu dem Ergebnis, Dr. B.s Verhalten sei „unärztlich"

und verletze die berufliche Sorgfalts- pflicht. Der Gutachter sprach von

„kunstfehlerhafter" Behandlung.

Zur Begründung seiner schweren Vorwürfe verwies der Psychiater auf eine lange Literatur-Liste, deren Au- toren aus medizinischer und straf- rechtlicher Sicht ausschließlich die Substitution verdammen, die Absti- nenz-Therapie dagegen zur einzig angemessenen Behandlung erklären.

Der Gutachter warf Dr. B. vor, diese schulmedizinische Literatur nicht beachtet zu haben und somit seiner Fortbildungs-Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein.

Mit keinem Wort geht das Gut- achten jedoch auf die Standpunkte von Experten ein, die der Substitu- tion positiv gegenüberstehen. So be- mängelte der Kieler Arzt Dr. Gorm Grimm, der selbst Drogensüchtige mit L-Polamidon behandelte, in ei- ner Stellungnahme besonders das Fehlen jedes Hinweises auf ausländi- sche Erfolge mit der Substitution:

Der Gutachter habe etwa ein Sym- posium des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers aus dem Jahr 1986 angeführt, „welches exakt die hier diskutierte Fragestellung bein- haltet hat". Verschwiegen habe er je- doch, daß eben auf diesem Symposi- um auch international führende Methadon-Therapeuten Stellung be- zogen hätten. Auch zum Fall des Frankfurter Polamidon-Befürwor- ters Dr. Herbert Elias, der laut dem gutachtenden Medizinaldirektor

„heftige Reaktionen hervorgerufen"

habe, zitiere das Gutachten nur ne- gative Wertungen aus der „Ärzte- Zeitung", kritisierte Grimm. Die Zu- stimmung eines prominenten Medi- ziners aus demselben Blatt ignoriere der Gutachter dagegen.

Der Bremer Rechtswissen- schaftler und Psychologe Professor Dr. Lorenz Böllinger verteidigte in einem Gegengutachten das Vorge- hen des Dr. B. und erklärte, es ver- Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989 (27) A-617

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stieße „gegen die ärztliche Ethik, wenn Heilungen nur deswegen un- terlassen würden, weil sie mit einer wissenschaftlich nicht anerkannten Methode erreicht" werden könnten.

Dr. B. habe auch deswegen kunstge- recht gehandelt, weil sein Konzept auf „psychosoziale Stabilisierung und langfristige Entwöhnung" ausge- richtet gewesen sei. Das Gerichtsgut- achten Krömers nannte Böllinger kurz „eher politisch getönt und dog- matisch".

Was Dr. B. besonders nahegeht, ist der Umstand, daß die Staatsan- waltschaft das Verfahren erst nach einem Jahr und massiven Protesten gegen die „einseitige" Würdigung der Umstände einstellte. Dabei ent- hält der Einstellungsbeschluß, der erst nach einer Dienstaufsichtsbe- schwerde des Arztes bei der Gene- ralstaatsanwaltschaft zustande kam, keine ausdrückliche Bestätigung sei- ner Schuldlosigkeit. Es sei, so argu- mentiert die Behörde lediglich, mit keinen weiteren Verstößen mehr zu rechnen, da Dr. B. seine Paxis in ab- sehbarer Zeit altershalber auflösen werde. Peter Tuch

Studiendauer:

Brave Mediziner

Der Trend zu längeren Studien- zeiten ist ungebrochen. Zweifel sind erlaubt, ob diese Entwicklung nur auf die sprichwörtliche Gründlich- keit der Deutschen zurückzuführen ist. Es mehren sich die Befürchtun- gen, daß deutsche Akademiker nach Einführung des EG-Binnenmarktes 1992 nicht mehr konkurrenzfähig sein werden. Für viele Naturwissen- schaftler beträgt das Berufseintritts- alter nach Diplomstudium und Pro- motion inzwischen über 30 Jahre.

Für mehr Transparenz sorgt ei- ne Statistik des Wissenschaftsrates zur „Fachstudiendauer an Universi- täten 1986". Sie wurde Anfang Fe- bruar von Prof. Dr. Dieter Simon, dem neugewählten Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, der Öffentlich- keit vorgestellt. Die Ubersicht ver- mittelt genaue Angaben über An- zahl, Alter und Studiendauer der

Hochschulabgänger, und sie ermög- licht es, einzelne Universitäten di- rekt miteinander zu vergleichen.

Bei den Mittelwerten der Stu- diendauer gibt es zum Teil erheb- liche Unterschiede zwischen den ein- zelnen Universitäten. In der Physik betragen Abweichungen vom Bun- desdurchschnitt, der bei 12,8 Seme- stern liegt, bis zu vier Semester.

Die „schnellste" Hochschule ist Hannover mit 10,3 Semestern, die

„langsamste" die Technische Univer- sität Berlin mit 16,5 Semestern.

Einheitlicher verhalten sich da die medizinischen Fakultäten. Die Fachstudiendauer beträgt dort im Bundesdurchschnitt 12,8 Semester.

Keine Hochschule weicht bedeutend von diesem Wert ab. Nur 11 Prozent der Absolventen studieren länger als die Höchstförderungsdauer nach Ba- fög, die bei 14 Semestern liegt.

Anders sieht es zum Beispiel bei den Maschinenbauern aus. Die Ba- fögförderungshöchstdauer, die bei 10 Semestern liegt, wurde von 87 Prozent der Absolventen überschrit- ten.

Ein Blick auf die Geisteswissen- schaften: die Studiendauer liegt im Mittel bei 13,1 Semestern. Soziolo- gen kommen auf einen Durchschnitt von 13,1 Semestern, Volkswirte be- nötigen 11,4 Semester, und Betriebs- wirte schaffen es in 11,2 Semestern.

Besonders schnell studieren die Pharmazeuten: Sie brauchen im Schnitt nur 9,9 Semester.

Doch so präzise die Zahlen auch sind, sie erlauben weder Rückschlüs- se auf mögliche Ursachen noch Aus- sagen über eine Rangfolge für Effi- zenz und Ausbildungsqualität. Auch die häufig geäußerte Vermutung, große Universitäten hätten lange, kleine dagegen kurze Studien- dauern, läßt sich nicht bestätigen.

Empfohlen sei die Statistik nicht allein den Fakultäten, sondern auch den hoffnungsvollen Eltern zukünfti- ger Akademiker Hier können sie er- fahren, wie lange das Studium des Sprößlings voraussichtlich wohl dau- ern wird, streng statistisch gemittelt, versteht sich. Bezogen werden kann die Erhebung kostenlos bei der Ge- schäftsstelle des Wissenschaftsrates, Marienburger Straße 8, 5000 Köln 51. RO

Frankreich:

Hohe

Selbstbeteiligung

In der französischen Kranken- versicherung besteht freie Arztwahl, der Versicherte kann auch bei Be- darf das Krankenhaus seiner Wahl aufsuchen. Der Selbstkostenbeitrag beträgt bei Arzthonoraren und Me- dikamentenkosten derzeit noch 30 Prozent. Die Honorare der Ärzte werden jeweils in einem Vertrag mit den Sozialversicherungsträgern fest- gelegt. Aber es kommt wegen der Honorare immer wieder zu Konflik- ten zwischen den Ärzten und den Kassen. Das derzeitige Tarifabkom- men, das gerade aufgekündigt wur- de, sieht vor, daß die Kassen dem Versicherten die Arzthonorare zu 70 Prozent rückerstatten. Aber da die Kassen stets mit roten Zahlen arbei- ten, versucht man, bei den Tarifab- kommen die Honorare jeweils mög- lichst niedrig zu halten. Es gibt aller- dings für die Ärzte die Möglichkeit, ihre Honorare frei zu bemessen, wenn sie dem Tarifabkommen nicht beitreten; sie müssen dann jedoch auf einige soziale und fiskalische Be- günstigungen verzichten, die aber bei einer halbwegs gut geführten Praxis nicht besonders ins Gewicht fallen.

Zur Zeit sind 25,8 Prozent der Ärzte der Konvention mit der Securit so- ciale nicht beigetreten.

Die „F6d&ation des M6decins de France" vertritt den Standpunkt, daß auch jene Ärzte, die dem Ab- kommen beigetreten sind, die Mög- lichkeit haben sollten, in bestimmten Fällen, etwa bei Besserverdienen- den, die Honorare frei zu bestim- men. Höheren Orts hat man darüber noch nicht entschieden.

Die Preise für Medikamente wurden unter dem Einfluß der Ad- ministration so niedrig wie möglich gehalten — im Interesse der Kassen, die die Ausgaben für Arzneimittel eine Zeitlang zu 70 Prozent rücker- statteten. Im Laufe der Zeit wurde dann eine große Zahl von Spezialitä- ten von der Rückzahlung ganz ausge- schlossen; für andere werden nur A-618 (28) Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989

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