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Ohne Dings kein Bums?

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T H O M A S F E R B E R

HIV/Aids hat sich zu einer Jahrzehnte dauernden chronischen Erkrankung ge- wandelt, verbunden mit allen Komplika- tionen und Überlegungen, wie sie ähn- lich auch bei anderen chronischen Lei- den angestellt werden müssen. Nach Auskunft des Infektiologen Prof. Manuel Battegay, Universitätsspital Basel, wei- sen gut Behandelte lediglich eine Morta- lität von 2 bis 3 Prozent jährlich auf.

Doch könnte sich diese erfreuliche Situa- tion, wie Battegay auf dem CROI 08 er- klärte, mit zunehmendem Alter durch- aus wieder verschlechtern. Immer mehr zeigt sich, dass das Überleben bei spe- ziellen Gruppen von HIV-Patienten un- terschiedlich ist. So spielt beispielsweise das Alter eine immer wichtigere Rolle bei den Betroffenen, wie auch die Toxizität der Medikamente. Dann stellt sich die Frage, ob noch früher mit der Therapie begonnen werden soll, um die Prognose weiter zu verbessern. Diese Überlegun-

gen sind für Battegay schon ein Hinweis darauf, dass die Erkrankung über viele Jahre behandelbar ist.

Mittlerweile sind die Therapieergebnisse so gut, dass HIV-serodifferente Paare (ein Partner HIV-positiv), wie die Eidge- nössische Aidskommission mitgeteilt hat, nach eingehender Beratung selbst entscheiden können, ob sie sich beim Geschlechtsverkehr schützen wollen oder nicht (vgl. «Ärztezeitung» vom 30.1.2008). Dies wurde nicht überall auf Anhieb verstanden, doch mittlerweile hat sich der Sturm gelegt, wie ein Ge- spräch mit dem St. Galler Aidsspeziali- sten und Infektiologen Prof. Pietro Ver- nazza zeigt, der an der Ausarbeitung des Papiers beteiligt war (siehe Interview auf Seite 230 f).

Noch früher behandeln?

Seit einiger Zeit häufen sich Beobach- tungen, nach denen HIV-Positive auch überdurchschnittlich oft an Erkrankun- gen versterben, die nichts mit der Infek-

tion selbst zu tun haben. Forscher wol- len diese Entwicklung jetzt in Studien eingehender unter die Lupe nehmen.

Verglichen werden sollen Gesunde mit HIV-Positiven, die CD4-Werte über 500 pro ml Plasma aufweisen. «Grundsätz- lich ist es richtig, solche Vergleiche an- zustellen, nur stellt sich die Frage, ob mit einem früheren Therapiebeginn diese Art von Mortalität wirklich verringert werden kann», so Battegay. Es ist nach Auffassung des Aidsspezialisten denk- bar, dass zu Beginn der HIV-Infektion der Immunschaden so gross ist, dass er selbst mit einer frühzeitigeren Behand- lung nicht mehr ganz ausgeglichen werden kann. So spielt das aktivierte Immunsystem eine entscheidende Rolle bei den nicht HIV-assoziierten Erkran- kungen. Selbst bei nicht nachweisbarer HIV-Replikation finden sich laut Pietro Vernazza Zeichen für eine permanente Immunaktivierung und damit Entzün- dungsreaktion. Diese wiederum stellen einen Motor dar für die im Stillen ablau- fende HIV-Replikation. Davon sind, wie Vernazza zu bedenken gibt, auch Perso- nen betroffen, die HIV sehr gut zu kon- trollieren vermögen. Die Immunaktivie- rung steht ausserdem mit vielen Alte- rungsprozessen im Zusammenhang und beschleunigt diese. Sie kommt für Ge- fässwandschädigungen als Ursache für die erhöhte kardiovaskuläre Mortalität infrage und fördert beispielsweise auch die Knochenalterung. All dies deutet laut Vernazza darauf hin, dass möglicher- weise noch früher mit einer antiretrovi- ralen Behandlung begonnen werden sollte. Wichtig ist für den Infektiologen, dass HIV-Positive frühzeitig einem Spe- zialisten für eine Beurteilung zugewie- sen werden.

Ohne Dings kein Bums?

Gelten die alten Präventionsregeln noch uneingeschränkt?

ARS MEDICI 6 2008

233

B E R I C H T

Mit dem legendären Slogan «Ohne Dings kein Bums» hat uns die

Aidsprävention jahrelang begleitet. Bei HIV-serodifferenten

Paaren ist diese Forderung aber nicht mehr ohne Weiteres auf-

rechtzuerhalten. Wirft das nun die bewährten Präventions-

regeln über den Haufen? Nein! Doch ein Blick auf die im Februar

abgehaltene Retroviruskonferenz in Boston (CROI 08) bestätigt

einmal mehr die Fortschritte in der antiretroviralen Therapie,

und davon sollen auch HIV-serodifferente Paare profitieren.

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Höhere Medikamenten-, weniger Folgekosten?

Am CROI 08 in Boston wurden wiederum mehrere Studien zu den neuen antiretro- viralen Substanzen gezeigt, alle jeweils mit sehr guten Ergebnissen*. Battegay gibt aber zu bedenken, dass bei den neuen Medikamenten, die bisher eine sehr gute Verträglichkeit bewiesen haben, noch keine Aussagen über poten- zielle Langzeitnebenwirkungen gemacht werden könnten. Eine Kohortenstudie mit über 30 000 Patienten ergab bei- spielsweise eine erhöhte Infarktrate beim Einsatz eines reversen Transkrip- tasehemmers. Doch Enos Bernasconi, Mitglied der Fachkommission Klinik und Therapie von Aids des BAG sowie Infek- tiologe am Ospedale Regionale di Lu- gano, relativiert: «Solche Ergebnisse aus Kohortenstudien sind mit Vorsicht zu geniessen und könnten rein zufällig zustande kommen, ich würde sie nicht überbewerten.» Schon bisher waren Stoffwechseleffekte der antiretroviralen Medikamente ein Thema, doch der In- fektiologe Bernard Hirschel vom Genfer Universitätsspital, wie Bernasconi Mit- autor der neuen Empfehlungen, möchte auch diese Faktoren, beispielsweise die Einflüsse auf den Lipidstoffwechsel, nicht überbewerten, weil oft die alters- bedingten Risikofaktoren sowie das Rauchen eine ungleich höhere Bedeu-

tung hätten. Hirschel weist dar- auf hin, dass HIV auch die Bil- dung von Fibrinspaltprodukten begünstigt und zu einer erhöhten endothelialen Aktivität von Ad- häsin führt. All diese Faktoren können zu einer erhöhten kardio- vaskulären Morbidität und Mor- talität beitragen. Auch Hirschel spricht sich dafür aus, im Rahmen von kontrollierten Studien zu prü- fen, ob eine frühere antiretrovi- rale Therapie sich noch günstiger auf die Prognose auswirkt.

Lebenslange Therapien schlagen auf die Behandlungskosten. Al- lerdings: Behandelte sind laut Hirschel weniger krank in Bezug auf aidsspezifi- sche Infektionen, daher werden andere Behandlungen hinfällig. Sie sind auch sehr viel weniger oder im besten Falle kaum mehr infektiös. Damit stecken sich auch bedeutend weniger Personen an. Solche Überlegungen müssten seiner Meinung nach auch in die Kostenüberle- gungen mit einbezogen werden. Schliess- lich nähmen die Arbeitsproduktivität und auch die Lebensqualität entschei- dend zu und Spitalaufenthalte ab. Batte- gay wiederum rechnet «nur» mit einer durchschnittlich um drei Jahre gegen- über den heutigen Richtlinien vorgezo- genen Therapie, falls dereinst wirklich die antiretrovirale Behandlung schon bei weniger als 500 CD4 pro ml Plasma begonnen werden sollte.

Primoinfektion nicht verpassen Somit bleibt nach wie vor die Prävention von HIV/Aids ein ganz zentrales Anlie- gen. Eine sehr wichtige Rolle spielen dabei die praktizierenden Hausärzte, die den HIV-Test als Routineelement in ihrer Praxis anwenden, nicht zuletzt, weil sie, wie Battegay unterstreicht, mit weitesten Bevölkerungskreisen in Kontakt stehen.

Das würde heutzutage bedeuten, dass man praktisch allen Patienten einen HIV- Test anbietet, sofern sich bei der Ana- mnese Risiken ergeben oder wenn gar der klinische Verdacht für eine Infektion besteht. Routinemässig soll der HIV-Test in der Schwangerschaft oder noch besser vor Schwangerschaftswunsch zur An- wendung kommen. Bei der notfallmässi-

gen Beurteilung von Patienten mit Fieber sollte der HIV-Test heute eigentlich zum Routineangebot gehören. Dies nicht nur, um dem Betroffenen eine Behandlungs- chance zu eröffnen (immer noch kommen rund 30% zu spät zur antiretroviralen Therapie und haben daher eine hohe Mortalität), sondern vor allem auch wegen der präventiven Wirkung, falls der Patient sich als HIV-positiv erweist.

Solche Patienten sind in der Anfangs- phase ihrer Krankheit hochinfektiös.

Darauf weist eine Vielzahl von Studien hin. In Boston wurde auch eine Studie aus der Schweizer HIV-Kohortenstudie vorgestellt, die aufgrund von Virusver- wandtschaftsanalysen gezeigt hat, dass ein gewisser Teil der Frischinfizierten massgeblich für eine Weiterverbreitung von HIV verantwortlich ist. Es gilt, sol- che Personen rechtzeitig zu erfassen, um die Ausbreitung von HIV zu stoppen.

Kommt es bei Frischinfizierten zu einem massiven Abfall der CD4-Zellen, dann wird eine antiretrovirale Therapie gestar- tet. In Boston wurden mehrere Studien zur Behandlung von Frischinfizierten ge- zeigt, die jedoch widersprüchliche Re- sultate lieferten. Immerhin zeichnet sich ab, dass diejenigen längerfristig von einer Behandlung profitieren dürften, die erstens frühzeitig und zweitens mög- lichst lange, das heisst über mindestens zwei bis drei Jahre antiretroviral behan- delt werden. Es komme darauf an, all jene Menschen zu erfassen, die einen Abfall der CD4-Werte unter 350 pro ml Plasma aufweisen, sagt Battegay. Dieser Zeitpunkt kann je nach Person unter- schiedlich lange nach der Erstinfektion auftreten: «Genauso wie es Patienten gibt, die das HIV sehr lange unter Kon- trolle haben, gibt es auch Patienten, deren Immunsystem früh versagt und damit eine antiretrovirale Therapie rela- tiv schnell erforderlich macht.»

Dr. med. Thomas Ferber Neustadt 40 8200 Schaffhausen Tel. 052-620 34 04 E-Mail: thomasferber@mail.ru

Interessenkonflikte: Reise und Unterkunft wuden von GSK und Pfizer übernommen.

B E R I C H T B E R I C H T

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ARS MEDICI 6 2008 Manuel Battegay: Bei gut Behan-

delten beträgt die Mortalität nur 2 bis 3 Prozent jährlich, im Alter könnte sich die Situation aber ver- schlechtern.

Bernard Hirschel: Eine früher ein- setzende Therapie sollte zunächst in kontrollierten Studien geprüft werden.

*Im Detail Interessierte können die gezeigten Poster von der Internetseite herunterladen (www.retroconference.org). Es genügt, unter der Suchfunktion die Substanznamen oder Studienakronyme einzugeben (z.B. ARTEMIS).

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