In Deutschland leben etwa ei- ne halbe Million mit Hepati- tis-B-Virus infizierte Perso- nen. Ungefähr 30 Prozent von ihnen wird eine Zirrhose oder ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln und daran ster- ben. Circa 40 Prozent haben sich bei Sexualverkehr ange- steckt, knapp ein Viertel bei der i.v.-Injektion von Drogen.
Nur sechs Prozent der Infizier- ten haben das Virus bei der Arbeit (zum Beispiel Klinik- personal) oder innerhalb der Familie akquiriert. Bei etwa einem Drittel der Hepatitis-B- positiven Personen ist der An- steckungsweg unbekannt.
Da schätzungsweise mit jährlich bis zu 50 000 Neuin- fektionen gerechnet werden muss und die höchste Infekti- onsrate zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr (durch sexuel- le Übertragung) liegt, fordert Prof. Claus Niederau (Ober- hausen) eine generelle HBV- Impfung für Säuglinge, Kin- der und Jugendliche. Sie ist kosteneffektiv, wirksam und sicher. Sie ist auch deshalb sinnvoll, da ab dem achten Lebensjahr 56 bis 90 Prozent der Infizierten einen chroni- schen Verlauf mit meist lan- ger Beschwerdefreiheit ent- wickeln.
Viele Ärzte, die bei Patien- ten erhöhte Leberwerte fest- stellten, dächten nicht an die Möglichkeit einer HBV-In- fektion, betonte Niederau. In solchen Fällen sollte aber grundsätzlich auf eine Virus- hepatitis untersucht werden.
Derzeitiger Standard ist die PCR mit einer Nachweisgren- ze von circa 500 Kopien/ml.
Unverzichtbar ist die Poly- merase-Kettenreaktion zum Therapie-Monitoring, das vor allem dem Erkennen von Ansprechen und Resistenzen dient.
Eine Indikation zur anti- viralen Therapie besteht bei
Patienten mit chronischer Hepatitis B, wenn eine ent- zündliche und replikative Ak- tivität vorliegt, ein Risiko für Leberzirrhose besteht (vor allem bei älteren Personen) oder sich eine Zirrhose be- reits entwickelt hat. Ziel der Therapie ist die anhaltende und zuverlässige Suppression der Viruslast, eine Reduktion der Entzündungsaktivität in der Leber, und wenn eine Infektion mit dem Wildtyp- Virus vorliegt (nur noch etwa 20 Prozent der Fälle), die Serokonversion der HBeAg- negativen Mutante zu anti- HBe.
Drei verfügbare Therapieoptionen
Zur Therapie der chronischen Hepatitis B sind drei Op- tionen verfügbar: Interferon- alpha-2a, Lamivudin und Ade- foviridipivoxil. Pegyliertes und nichtpegyliertes Interferon- alpha-2a hat viele unerwünsch- te Nebenwirkungen und Kon- traindikationen und darf nur Patienten mit guter Leberfunk- tion gegeben werden (GPT größer als 100 U/l). Es wirkt bei HBeAg-negativen Patien- ten nur eingeschränkt und darf auch nur eine begrenzte Zeit gegeben werden.
Dagegen ist das Nukleosid- Analogon Lamivudin deut- lich besser verträglich, kann auch bei schlechter Leber- funktion und Zirrhose gege- ben werden, ist auch nach Versagen von Interferon wirk- sam und kann lange pro- blemlos verabreicht werden.
Das jüngste Hepatitis-B-Me- dikament ist das Nukleotid- Analogon Adefoviridipivoxil, kurz als Adefovir bezeichnet (Hepsera®).
Die Konsensuskonferenz des Kompetenznetzwerks He- patitis und der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs-
und Stoffwechselerkrankun- gen aus dem Jahr 2003 emp- fiehlt folgendes Vorgehen:
Bei HBeAg-positiven Pati- enten kann Interferon zur primären Behandlung einer chronischen Hepatitis B ge- geben werden. Konventionel- le und pegylierte Interfero- ne erhöhen nach sechs- bis zwölfmonatiger Therapie die HBeAg-Serokonversionsrate bei bis zu 35 Prozent der Pati- enten und damit auch die Langzeitüberlebensrate.
Lamivudin (täglich 100 mg per os) führt nach einjähri- ger Behandlung bei etwa 15 Prozent der Patienten zu ei- ner HBeAg-Serokonversion, nach einer Behandlungzeit von zwei bis drei Jahren sind es bis 35 Prozent. Aber auch ohne Serokonversion hemmt Lamivudin die replikative und entzündliche Aktivität, aller- dings nur so lange, wie das Medikament gegeben wird.
Daher muss in solchen Fällen Lamivudin zeitlich unbegrenzt eingenommen werden. Mit zunehmender Dauer der The- rapie häuft sich die Entwick- lung von Lamivudin-resisten- ten HBV-Mutanten, die oft mit klinischem Versagen der Therapie verbunden ist. Es muss dann auf Adefovir um- gestellt werden.
Adefovir-Resistenzen sind gering
Adefovir (einmal täglich 10 mg per os) ist zugelassen zur Behandlung der chronischen
Hepatitis B mit entzündlicher und fibrotischer Aktivität bei HBeAg-positiven und -negati- ven Patienten. Es wird von den meisten ohne nennens- werte Nebenwirkungen ver- tragen. Die Rate der Adefovir- Resistenzen liegt mit drei bis vier Prozent nach drei Jahren um ein Vielfaches unter der von Lamivudin.
Virusvermehrung wird langfristig gehemmt
Die Datenlage zur Langzeit- wirkung von Lamivudin bei HBeAg-negativer Hepatitis ist schlechter als die für Ade- fovir, da bei den damit Be- handelten eine gute Wirkung ohne größere Resistenzpro- bleme über lange Zeit beste- hen bleibt. Ein primärer Ein- satz von Adefovir ist daher zu erwägen. Empfohlen wird er für Patienten mit fortgeschrit- tener Zirrhose, die bei Auftre- ten einer Lamivudin-Resi- stenz bedroht wären.
In seinem Resümee sagte Niederau: „Es gelingt heute bei fast allen Patienten mit Hepatitis B, die Virusvermeh- rung langfristig zu hemmen und die Prognose zu verbes- sern. Es gelingt bisher aber nicht, das Virus komplett zu eliminieren.“ Siegfried Hoc
Satellitensymposium und Pressekonfe- renz „Hepsera®: Von Anfang an auf Stär- ke setzen“ der Firma Gilead Science an- lässlich des 111. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medi- zin in Wiesbaden
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1729. April 2005 AA1225
Chronische Hepatitis B
Effektives Management verbessert die Prognose
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