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Archiv "Vergiftungen durch organische Phosphorsäureester (Aikylphosphate)" (06.01.1977)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST

Vergiftungen durch organische

Phosphorsäureester (Aikylphosphate)

Pathophysiologie: Substanzen dieser Stoffklasse sind in vielen insektizid, askarizid, fungizid und ne- matizid wirksamen Pflanzenschutzmitteln und Schädlingsbekämpfungsmitteln enthalten. Es han- delt sich um Ester oder Amide der Phosphorsäure, Phosphansäure oder Phosphinsäure. Vergiftun- gen erfolgen als Unfälle von Landwirten, Gärtnern und Hobbygärtnern, als Kinderunfälle oder bei Selbsttötungsversuchen. Bekannt und berüchtigt wurde das "E 605" (Parathion). Die zahlreichen im Handel befindlichen sonstigen Präparate (mehr als 200) haben eine sehr unterschiedliche Toxizität für den Menschen. Die Geschwindigkeit der Entwicklung des oft lebensbedrohlichen Vergiftungsbildes hängt darüber hinaus von der aufgenommenen Menge und der Zubereitungsform ab. Auch der Modus der Giftaufnahme (Inhalation, orale Aufnahme, per- kutane Aufnahme) spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Das Vollbild der Vergiftung kann in Minuten bis Stunden erreicht sein. - Nach Resorption erfolgt eine Blockierung des Fermentes Cho- linesterase, das im Organismus zur Spaltung des permanent freigesetzten Acetylcholins erforder- lich ist ("innere Acetylcholinvergiftung"). Atropin vermag einen großen Teil der akut lebensbedroh- lichen Folgen abzuwenden, es wirkt kompetitiv antagonistisch gegen Acetylcholin und stellt die Ba- sis der Therapie dar. Obidoximchlorid (Toxogonin®) ist unter Umständen ein Mittel, welches dar- über hinaus den neuromuskulären Block und die zentralnervösen Wirkungen beeinflussen kann, aber durchaus nicht bei allen Vergiftungen mit Phosphorsäureestern. Es ist zum Beispiel wirksam gegen Parathion, weniger wirksam gegen Methylparathion, Demethon-S-Methyi-Sulfoxid. Es ist un- wirksam gegen Diazinon, Dimethoat, Endothion, Fenthion, Formothion, Malathion, Mevinphos, Tri- chlorphon. - Schließlich kommt noch die intravenöse Substitutionstherapie mit Serumcholinestera- se (Behringwerke) in Frage.

Symptome und Diagnose

0 Muskarinähnliche Wirkun- gen (durch Anreicherung von Acetylcholin an den Endigun- gen der postganglionären cholinergischen Nerven des Auges, der glatten Musku- latur, des Herzmuskels und der sekretorischen Drüsen): enggestellte Pupillen (Mio- sis), Bronchospasmus, Darm- krämpfe, Bradykardie, ver- mehrte Produktion von Trä- nen, Speichel, Bronchialse- kret

f) Nikotinähnliche Wirkun- gen (durch Anreicherung von Acetylcholin an den Muskel- endplatten): fibrilläre Zuk- kungen, "neuromuskulärer Block" mit Adynamie bis zu kompletter Paralyse.

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Zentralnervöse Wirkungen:

Todesangst, Kopfschmerz, Ataxie, Koma, tonisch-kloni-

Therapie

Trotz unterschiedlicher Toxizität der Phosphorsäureester ist in jedem Falle mit schwerstem Verlauf zu rechnen! Das heißt: Bei Verdacht auf eine solche Vergiftung muß die Behandlung sofort beginnen - der Transport in das nächstgelegene Krankenhaus muß mit größtmöglicher Dringlichkeit bestellt werden! Während des Transportes muß die Therapie von einem Arzt fortgeführt werden.

0 Sofortige Injektion von mindestens 2 mg Atropinum sulfuri- cum i. v. Bei deutlichen Intoxikationszeichen ist die Initialdosis 5 mg, bei bereits erkennbar schwerem Verlauf 10 mg und mehr(!).

Verweilkanüle beziehungsweise Dauertropfinfusion legen! Weite- re Atropindosen: zum Beispiel 2 mg alle 10 Minuten oder 2 bis 5 mg jeweils bei erneuter Zunahme der Vergiftungszeichen (Ver- engerung der Pupillen, Zunahme von Speichel- und Bronchialse- kretion, Bronchospasmus). Atropin-Initialdosis bei Kindern: 0,1 mg/kg KG.

f) Eventuell: Toxogonin® (Merck)

Dosierung: 1 Ampulle

=

250 mg langsam i. v., jedoch erst nach erkennbar eingetretener Atropinwirkung.

Kinderdosis: 4-8 mg/kg KG.

..,. Toxogonin darf im

Gegen~atz

zum Atropin niemals ,.nach Wir- kung" dosiert werden. Überdosierung kann die Vergiftung ver- stärken.

sche Krämpfe, zentrogene

e

Bei Krämpfen: Diazepam (Valium®): 10 mg i. v. Bei starker Atemlähmung. Erregung und Myoklonien 5-10 mg i. v.

~---~~ DEUfSCHES ARZTEBLATT

Heft 1 vom 6. Januar 1977 23

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zur

Fortbildung Aktuelle Medizin

<111111111111 NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST

Symptome und Diagnose

Zu fürchten sind die unter Umständen rasch sich addie- renden und potenzierenden Auswirkungen einer über- schießenden Bronchialsekre- tion, eines Bronchospasmus, eines toxisch-hypoxischen Lungenödems u. schließlich einer peripheren und zentro- genen Atemlähmung auf Ven- tilation u. Gasaustausch.

Die wegweisenden Zeichen für die Diagnose sind also:

Miosis, Lakrimation, Augen- zwinkern, Ptyalismus, ver- mehrte Bronchialsekretion, Nausea, Erbrechen, Bauch- krämpfe, Durchfall, Schweiß- ausbruch, Bradykardie, fibril- läre Muskelzuckungen. Die Atemluft und Erbrochenes können nach Knoblauch rie- chen. (Irreführende paradoxe Symptome, die unter Umstän- den bei schwerem Verlauf, Hypoxie und Azidose auftre- ten: Mydriasis, Tachykardie.) Zur Hilfe bei der Identifizie- rung der Substanzen sind hier noch einmal die Kurzbezeich- nungen (Freinamen) der wichtigsten Verbindungen angegeben: Azinphos-äthyl, Azinphos-methyl, Bromo- phos, Bromophos-äthyl, Car- bophenothion, Chlorfenvin- phos, Chlorthion, Deme- ton, Demeton-S-methyl, De- meton-S-methylsulfon, Deme- ton-S-fllethylsulfoxid, Dialifor, Diazinen, Dibrom, Dichlo- fenthion, Dichlorvos, Dicroto- phos, Dimefox, Dimethoat, Dioxathion, Disulfoton, Endo- thion, Ethion, Fenchlorphos, Fenitrothion, Fensulfothion, Fenthion, Formothion, Jodo- fenphos, Malathion, Methida- thion, Mevinphos, Monocro- tophos, Omethoat, Parathion- äthyl, Parathion-methyl, Phenkapton, Phorate, Phosa- lone, Phosphamidon, Phoxim, Sulfotepp, Tetrachlorvinfos, Triamphos, Trichloronat, Trichlorphon, Vamidothion, Zinophos.

Therapie

Kontraindiziert Morphin und Analoge. Neuroleptika erhöhen un- ter Umständen die Krampfbereitschaft

0

Atemwege freihalten! Stabile Seitenlagerung, Kopf bei Koma in Reklination! Falls notwendig (nach vorausgehender Atropinga- be) sobald möglich (Notarztwagen) Intubation und Bronchialtoi- fette. Bei unzureichender Spontanatmung Beatmung über den Tubus mit AtembeuteL

~ Mund-zu-Mund-Beatmung vermeiden! Bei Reinigung des Mun- des Gummihandschuhe verwenden.

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Giftentfernung. Bei oraler Gifteinnahme und erhaltenem Be- wußtsein: stabile Seitenlage und Kopftieflage, sofortige Magen- spülung. Wenn das Bewußtsein und die laryngealen Schutzrefle- xe gestört sind: möglichst vorher Intubation. Während und nach der Magenspülung Instillation von Medizinalkohle und Paraffin- öl. (Kein Rizinusöl geben!) Bei Benetzung der Haut mit dem Gift beziehungsweise mit Erbrochenem: Entfernung der Kleidung.

Haut mit Seife waschen und gründlich abspülen. (Selbstschutz durch Gummihandschuhe!)

0

Noch während der Arzt selbst mit der Sofortbehandlung be- schäftigt ist, stellen hilfsbereite Angehörige oder Nachbarn die Telefonverbindung zur Rettungszentrale her. Der Arzt fordert die nach den gegebenen örtlichen Verhältnissen schnellste Trans- portweise. Sofern möglich: Notarztwagen. Sonst: Unfallwagen, Krankenwagen mit Polizeieskorte. Bei großen Distanzen zum nächsten Krankenhaus beziehungsweise schlechten und belaste- ten Verkehrswegen ist eventuell auch ein Hubschraubertransport gerechtfertigt.

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Der Arzt benötigt am Ort der Vergiftung und auf dem Trans- port unter Umständen mehr Atropin, als er im Koffer bei sich hat.

Ein Ausweg: Anruf bei der nächstgelegenen Apotheke, ihm mit Polizeihilfe Atropinampullen zu schicken. Oder: Transportweg des Krankenwagens über die nächstgelegene Apotheke wählen.

Während des Transportes: stabile Seitenlage, Atropintherapie fortführen.

0 Weitere Maßnahmen. Am Ort der Vergiftung Sicherstellung von Verpackung beziehungsweise Rückständen (Vorsicht!). Falls weitere Personen mit dem Gift beziehungsweise gifthaltigen Aus- scheidungen in Berührung gekommen sind (perkutane Resorp- tion!), sollen auch diese vorsorglich dem nächstgelegenen Kran- kenhaus zur Beobachtung übergeben werden.

Privatdozent Dr. med.

Wulf Nachtwey

Allgemeines Krankenhaus Altona 111. Medizinische Abteilung

Paui-Ehrlich-Straße 1 2000 Harnburg 50

24 Heft 1 vom 6. Januar 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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