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Archiv "Vergiftungen durch organische Lösungsmittel" (24.07.1985)

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rganische Lösungsmittel (Tabelle 1) sind aufgrund ihrer vielseitigen Eigen- schaften sowohl in der Industrie als auch im Haushalt weit verbrei- tet. Infolge ihrer physiko-chemi- schen Eigenschaften weisen sie ein gutes Lösungsvermögen ge- genüber zahlreichen organischen Verbindungen auf, außerdem sind sie durch eine hohe Verdunstbar- keit und gute Weichmacherfähig- keit gekennzeichnet. Akute Ver- giftungen durch organische Lö- sungsmittel kommen auf akziden- teller, suizidaler oder auch krimi- neller Basis vor, wobei die Auf- nahme der Lösungsmittel durch Inhalation über die Lungen, durch Ingestion über den Magen-Darm- Trakt, durch direkten Kontakt über die Haut und in seltenen Fäl- len auch durch intravenöse Injek- tion erfolgt.

1. Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe

1.1. Stoffwechsel und Ausscheidung

Die halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe werden meist rasch über die Lungen, den Ma- gen-Darm-Trakt oder die Haut re- sorbiert. So können bereits weni- ge Minuten nach der Giftaufnah- me Intoxikationserscheinungen auftreten. Im weiteren Verlauf werden die halogenierten alipha- tischen Kohlenwasserstoffe vom Fettgewebe und anderen lipophi-

len Organen aufgenommen und später von diesen wieder in das Blut abgegeben, wo sie noch nach vielen Wochen nachweisbar sein können (1).

Ein Teil der halogenierten alipha- tischen Kohlenwasserstoffe wird zu toxischen Abbauprodukten und Radikalen abgebaut, wo- durch sich die Toxizität dieser Substanzen erklärt (6). Im Falle des Tetrachlorkohlenstoffs wer- den beispielsweise über die Bil- dung von Radikalen Lipidperoxi- de in Zellmembranen gebildet, die eine Zellschädigung einleiten.

Bei der Chloroform-Intoxikation ist zersetztes, phosgenhaltiges Chloroform besonders gefährlich.

Trichloräthylen wird teilweise zu Trichloräthanol, Trichloressigsäu- re sowie Chloralhydrat abgebaut und mit dem Harn ausgeschieden.

Die pulmonale Elimination von ha- logenierten aliphatischen Kohlen- wasserstoffen ist erheblich und liegt bereits nach einer Stunde beispielsweise für Tetrachlorkoh- lenstoff bei 33 Prozent der aufge- nommenen Menge, für 1,2-Di- chloräthan bei 8 Prozent, für 1,1,1-Trichloräthan bei 44 Pro- zent, für Chloroform bei 10 Pro- zent, für Trichloräthylen bei 10 Prozent und für Tetrachloräthylen bei 15 Prozent (2).

Im Gegensatz dazu ist die renale Ausscheidung extrem gering und liegt in der ersten Stunde meist unter 0,6 Prozent der aufgenom- menen Menge.

Organische Lösungsmittel finden in Industrie und Haushalt breite Anwendung, was akute Intoxika- tionen auf akzidenteller oder sui- zidaler Basis begünstigt. Für eine Reihe von Lösungsmittelvergif- tungen stehen heute spezifische Therapieformen zur Verfügung, mit deren Hilfe eine drastische Herabsetzung der Letalitätsrate erzielt werden kann.

1.2. Giftnachweis

Halogenierte aliphatische Kohlen- wasserstoffe lassen sich leicht und rasch semiquantitativ mit Gasspürröhrchen (Dräger, Lü- beck) nachweisen. Zur Diagnose- sicherung sind weiterhin qualitati- ve und quantitative Untersuchun- gen mittels Gaschromatographie und Massenspektrographie not- wendig (1, 4).

1.3. Klinische Symptomatik Akute Vergiftungen durch haloge- nierte aliphatische Kohlenwasser- stoffe sind meist durch einen mehrphasigen Verlauf gekenn- zeichnet (2, 4). Unmittelbar nach einer Inhalations-Intoxikation tre- ten Verwirrtheit, Rausch, Exzita- tion und Bewußtseinsstörungen bis hin zur Narkose auf. Dabei sind die Bewußtseinsstörungen besonders ausgeprägt bei Chloro- form, Trichloräthylen und Tetra- chloräthylen und weniger bei Te- trachlorkohlenstoff und 1,2-Di- chloräthan nachweisbar. Außer- dem finden sich zentrale Störun- gen in Form von Schwindel, Seh- störungen und Ataxie. Bei akuten Ingestionen stehen gastrointesti- nale Beschwerden mit Übelkeit und Erbrechen, Magen- und Darmblutungen sowie Diarrhoen im Vordergrund. Herz-Rhythmus- störungen bis hin zum Kammer- flimmern finden sich vor allem bei Vergiftungen durch Trichloräthy- len, Tetrachloräthylen und Chlo-

Vergiftungen durch

organische Lösungsmittel

Diagnostik, Klinik und Therapie

Rolf Teschke

Aus der Medizinischen Klinik D (Direktor: Prof. Dr. med.

Georg Strohmeyer) der Universität Düsseldorf

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H3C-(CH 2)4_6-CH 3 gesättigte und ungesättigte Kohlenwasser- stoffe

Benzin Petroleum Aliphatische

Koh lenwasser- stoffe

Dichlormethan Trichlormethan (Chloroform) Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff) Monochloräthan 1,2-Dichloräthan 1,1,1-Trichloräthan 1,1,2-Trichloräthan 1,1,2,2-Tetrachloräthan Pentachloräthan 1,2-Dichloräthylen Trichloräthylen (Tri) Tetrachloräthylen (Per)

CH2Cl2 CHC1 3 CC1 4 C2 H 5CI CIH 2C-CH 2CI H 3C-CC1 3

CIH 2C-CHC1 2 2 1-1C-CHCl 2 C1 CI 3C-CHC1 2

CIHC=CHCI CIHC=CC1 2 Cl 2C=CCl 2 Halogenierte

aliphatische Koh lenwasser- stoffe

Benzol Chlorbenzol

Methylbenzol (Toluol) Dimethylbenzol (Xylol) Tetrahydronaphthalin (Tetralin)

Decahydronaphthalin (Decalin)

Aromatische Kohlenwasser- stoffe

C6H6

C6 H5CI CACI-13

C6H4(CH3)2 Ci0H12

C10H18

Methanol Äthanol lso-Propanol Butanol

Iso-Amylalkohol 1,3-Dichlor-2-propanol Äthylenglykol

Diäthylenglykol Äthylenchlorhydrin 1,4-Dioxan

Dichlorhydrin Diäthyläther Aceton

Methyläthylketon Methylisobutylketon

CH 3OH C2 H5OH CH3-CHOH-CH 3 C4H 9OH

(CH 3)2CH-CH 2-CH 2OH CIH 2C-CHOH-CH 2CI HO-CH 2-CH 2-0H HO-C 2 H4-O-C 2 H4-OH HO-CH 2-CH 2-CI

C41-1802

CICH 2-CH(OH)-CH 2CI H 5C2-O-C 2 H 5

H3C-CO-CH 3 H3C-CO-C2H5

H3C-CO-CH 2-HC(CH 3)2 Alkohole

Äther Ketone

N,N-Dimethylformamid Essigsäu reäthylester Essigsäu rebutylester Essigsäureannylester

HCON(CH 3 ) 2 H 3C-CO-0C 2 H 5 H3C - CO -0C4H9 H 3C-00-0C 5 H 11 Ester

Schwefel-

organische Schwefelkohlenstoff Verbindungen

CS2

Tabelle 1: Stoffgruppen und chemische Strukturen von organischen Lösungsmitteln

Stoffgruppe I Substanz Chemische Formel roform. Bei längerem Hautkontakt

zeigen sich außerdem Hautrötun- gen bis hin zur Blasenbildung im Sinne einer bullösen Dermatitis.

Nach Abklingen der Sofortsym- ptome kommt es bei einer akuten Vergiftung meist zu einem freien Intervall, das bis zu 12 Stunden nach der Giftaufnahme reichen kann. Dieses symptomfreie Inter- vall verleitet allzu leicht zu einer Bagatellisierung der Vergiftung und ihrer Folgen. Im weiteren Ver- lauf können Schocksymptome, Gerinnungsstörungen mit Ver- brauchskoagulopathie und Pro- duktionsstörungen von Gerin- nungsfaktoren, eine zunehmende Hepatomegalie mit Ikterus, Aktivi- tätsanstiege von Leberenzymen im Blut, massive Leberzellnekro- sen mit nachfolgendem Koma he- paticum, Zeichen der Nierenfunk- tionsstörung bis hin zur Anurie, außerdem eine Hämolyse sowie Anämie und Thrombozytopenie als Zeichen einer toxischen Kno- chenmarksschädigung auftreten (2, 4). Nach Abklingen der Sym- ptome kann kurzfristig ein psy- choorganisches Durchgangssyn- drom nachweisbar sein.

1.4. Allgemeine Therapiemaßnahmen

Bei der akuten peroralen Intoxika- tion durch halogenierte aliphati- sche Kohlenwasserstoffe sind Maßnahmen zur raschen primä- ren Giftelimination erforderlich (Tab. 2), die beim bewußtlosen Patienten eine Intubation erfor- derlich machen. Die primäre Gift- elimination wird durch Magenspü- lung, intragastrische Instillation von Medizinal-Kohle und Gabe von Natriumsulfat sowie durch Darmlavage erreicht (2, 4). Die Ga- be von flüssigem Paraffin zeigte unter experimentellen Bedingun- gen keinen therapeutischen Ef- fekt und kann daher nicht emp- fohlen werden, zumal die Gefahr einer Aspiration ohne Intubation groß ist. Besonders gewarnt sei vor der Gabe von Milch, da hier- durch die intestinale Resorption

2192 (58) Heft 30 vom 24. Juli 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

(3)

von oral aufgenommenen haloge- nierten aliphatischen Kohlenwas- serstoffen noch gesteigert wird.

Häufig wird ein Teil der oral auf- genommenen Substanzen bereits frühzeitig infolge spontanen Er- brechens eliminiert. Wegen der Möglichkeit einer Aspiration ist ei- ne medikamentöse und manuelle Einleitung von Erbrechen kon- traindiziert Bei akuten lnhala- tions-lntoxikationen ist zunächst für eine ausreichende Sauerstoff- gabe zu sorgen, gegebenenfalls ist eine Intubation erforderlich.

Bei Hautkontakt sind die betroffe- nen Hautareale sorgfältig mit Wasser und Seife zu reinigen.

Eine Heparinisierung wird bei al- len Patienten mit einer akuten In- toxikation zur Verhinderung einer Verbrauchskoagu lopathie du reh- geführt. Die Dosierung liegt im all- gemeinen bei 15 000 E!Tag und wird im Verlauf entsprechend den Gerinnungswerten angepaßt.

Bei Bedarf kann eine Substitution von Gerinnungsfaktoren erforder- lich werden. Da schwere hämor- rhagische Gastroenteritiden nicht selten sind, wird prophylaktisch während der ersten 1 bis 2 Wo- chen Cimetidin i. v. in einer Dosie- rung von 1,6 g!Tag verabreicht.

Möglichst schon am Ort der Into- xikation werden im Rahmen der Sofort-Maßnahmen 200 mg Cime- tidin als Bolus i. v. gegeben (4), da es unter experimentellen Bedin- gungen einen protektiven Effekt auf die Leberschädigung durch Tetrachlorkohlenstoff ausübt, was möglicherweise auf einer Hem- mung des Stoffwechsels zu toxi- schen Abbauprodukten beruht.

Da unter experimentellen Bedin- gungen Kohlenhydrate den mikro- somalen Metabolismus von Te- trachlorkohlenstoff und gleichzei- tig die Leberzellschädigung her- absetzen, empfiehlt sich eine hochdosierte i. v. Gabe von 40pro- zentiger Glukose in einer Tages- dosierung von etwa 400 g bei al- len akuten Intoxikationen durch halogenierte aliphatische Kohlen- wasserstoffe (Tabelle 2).

1.5. Hyperventilationsbehandlung Die pulmonale Elimination von unveränderten halogenierten ali- phatischen Kohlenwasserstoffen kann ein erhebliches Ausmaß er- reichen, so daß sich als therapeu- tisches Prinzip die forcierte Venti- lation mit dem Ziel einer gestei- gerten Abatmung bei akuten Into- xikationen durchgesetzt hat (2, 4).

nen Anfeuchter geleitet wurde.

Die Verwendung einer abgedich- teten Nasensonde ist vorzuzie- hen, da hierdurch ein Wiederein- atmen der bereits ausgeatmeten halogenierten aliphatischen Koh- lenwasserstoffe nicht möglich ist.

Außerdem ist bei diesem Verfah- ren eine genaue Messung des Atemminutenvolumens gewähr- leistet. Dies ist von besonderer Tabelle 2: Therapie bei Vergiftungen durch halogenierte aliphati- sche Kohlenwasserstoffe

Therapiemaßnahmen

CD

Primäre Giftelimination - Magenspülung

- Intragastrische Gabe von Medizinal-Kohle

- Intragastrische Gabe von Natriumsulfat

- Darmlavage

@ Zentralvenöser Zugang

~ 200 mg Cimetidin i.v.

als Bolus

~ 1600 mg Cimetidin/24 Std.

über Perfusor

~ 15 000 E Liquemin/24 Std.

~ 400 g Glukose/24 Std.

~ Elektrolytlösung

®

Forcierte Ventilation

@ Hepatoprotektive Substanzen

®

Sauerstoffüberdruckbeatmung

@ Hypothermie

Am einfachsten läßt sich eine for- cierte Ventilation bei einem atem- suffizienten erwachsenen Patien- ten durch Zumischen von reinem C02 zur Atemluft durchführen (Ta- belle 3). Das C02 wird nach Auf- nahme in das Blut von diesem zum Atemzentrum transportiert und regt es zu einer gesteigerten Ventilation an. Bei ausreichender Spontanatmung wird die thera- peutische Hyperventilation durch lnsufflation von reinem

co2

(2 bis 3 Liter/Minute über eine abge- dichtete Nasensonde oder locker aufsitzende Atemmaske) als Zu- mischung zur Atemluft erreicht, nachdem das Gas zuvor durch ei-

Ingestion Inhalation

+

-

+

-

+

-

+

-

+ +

+ +

+ +

+ +

+ +

+ +

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Bedeutung, da die gesamte pul- monale Ausscheidung von halo- genierten aliphatischen Kohlen- wasserstoffen mit Zunahme des Atemminutenvolumens ansteigt (Abbildung 1 ). Bei der Verwen- dung der abgedichteten Nasen- sonde wird die zur Atmung not- wendige Luft über den Mund auf- genommen. Gelegentlich wird die abgedichtete Nasensonde jedoch schlecht toleriert, so daß dann statt dessen eine locker aufsitzen- de Atemmaske verwendet werden muß. Der Nachteil besteht darin, daß ein Teil der ausgeatmeten Kohlenwasserstoffe wieder rück- geatmet wird, außerdem ist die

(4)

Pulmonale Elimination von CCI4 (mg/min)

0 5 10 15

Atemminutenvolumen (I/min)

Abbildung 1: Pulmonale Elimination von Tetrachlorkohlenstoff nach oraler Aufnah me von Tetrachlorkohlenstoff in Abhängigkeit vom Atemminutenvolumen, das mit tels CO 2-Flows verändert wurde

Tabelle 3: Hyperventilations- behandlung

C), Bei ausreichender Spon- tanatmung Beimischung von reinem CO, (2-3 I/min über abgedichtete Nasen- sonde oder über leicht auf- sitzende Atemmaske) zur Atemluft. Ziel: AMV von 25-30 1/min.

C) Bei insuffizienter Atmung Intubation und maschinelle Beatmung mit einer AMV- Einstellung von 25 bis 30 1/min. Verhinderung einer respiratorischen Alkalose durch Beimischung von CO, (2-3 1/min) zur Atem- luft.

Messung des Atemminutenvolu- mens unter diesen Bedingungen erschwert. Bei Benutzung der Atemmaske erfolgt die Einatmung von CO, und Umgebungsluft über Mund und Nase. Kinder unter 7 Jahren werden in Neuroleptanal- gesie und Relaxierung mit dem Respirator unter Zusatz von 8 Pro- zent CO, + 0 2 hyperventiliert (2).

Bei ateminsuffizienten erwachse- nen Patienten ist eine Intubation mit maschineller Beatmung und eine Atemminutenvolumenein- stellung von 25-30 Liter erforder- lich. Durch Beimischung von CO, (2 bis 3 Liter/Minute) zur Atemluft wird eine respiratorische Alkalose verhindert (Tabelle 3).

Die Therapiedauer für die forcier- te Ventilation richtet sich insbe- sondere nach der Art des aufge- nommenen halogenierten alipha- tischen Kohlenwasserstoffs, der

Menge und den möglichen Organ- komplikationen. Bei mittelschwe- ren Intoxikationen kann die Hy- perventilationsbehandlung auf et- wa 6 bis 8 Tage beschränkt wer- den. Unter der Behandlung liegt

die Letalität unter 7 Prozent. Von 60 Erwachsenen verstarben ins- gesamt 4 Patienten trotz Hyper- ventilationstherapie, was einer Letalitätsrate von 6,6 Prozent ent- spricht (4). Todesfälle betrafen ausschließlich suizidale Patien- ten, die exzessive Mengen von ha- logenierten aliphatischen Kohlen-

wasserstoffen als Mischintoxika- tion mit anderen Lösungsmitteln, Arzneimitteln oder Alkohol aufge- nommen hatten oder bei denen die Behandlung erst spät eingelei- tet werden konnte. Bei 161 behan- delten Kindern verstarben 5 ent- sprechend einer Letalitätsrate von 3,1 Prozent (2). Die Hyperventila- tionsbehandlung sollte speziell dafür ausgerüsteten intensivmedi- zinischen Zentren mit ausreichen- der Erfahrung vorbehalten sein.

2. Aromatische Kohlenwasserstoffe 2.1. Stoffwechsel und Ausscheidung

Benzol wird zu 40 bis 50 Prozent unverändert über die Lungen wie- der abgegeben, während der Rest zu Brenzcatechin, Phenylmercap- tursäure und Chinon metabolisiert und über den Urin ausgeschieden wird (3, 6). Toluol wird zu etwa 20 Prozent über die Lungen abgeat- met, der größte Teil wird jedoch im Organismus zu Benzoesäure oxidiert und als Hippursäure im Harn ausgeschieden. Einen ähn- lichen Abbauweg weist auch das Xylol auf.

2.2. Giftnachweis

Der Nachweis erfolgt mittels Drä- ger-Prüfröhrchen, Gaschromato- graphie und Massenspektrogra- phie.

2.3. Klinische Symptomatik Akute Vergiftungen durch aroma- tische Kohlenwasserstoffe infolge Inhalation oder lngestion führen in Abhängigkeit von der aufge- nommenen Menge zu Kopf- schmerzen, Schwindel, Exzita- tion, Euphorie, Rausch, Krämpfen und schließlich zur Narkose mit nachfolgender zentraler Atemläh- mung (3, 6). Häufig findet man au- ßerdem Kammertachykardien und Kammerflimmern, meist hervor- gerufen durch eine Sensibilisie- 2194 (60) Heft 30 vom 24. Juli 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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rung des Herzens durch Katechol- amine. Schleimhautreizungen im Respirations- und oberen Verdau- ungstrakt mit Übelkeit und Erbre- chen kommen vor, während eine Leber- oder Nierenschädigung selten ist. Besonders hingewiesen sei auf das Dichlorbenzol, das bei akuter Vergiftung eine Hämolyse und Methämoglobinämie auslö- sen kann.

2.4. Therapie

Gleiche therapeutische Maßnah- men wie bei Vergiftungen durch halogenierte aliphatische Kohlen- wasserstoffe.

3. Aliphatische Kohlenwasserstoffe 3.1. Stoffwechsel und Ausscheidung

Bei oraler Intoxikation durch Ben- zin erfolgt die Ausscheidung zum geringen Teil über den Darm und zu einem größeren Teil über die Lungen (3, 6). Die gastrointestina- le Resorption ist bei Verbindun- gen bis zu 12 C-Atomen gut. Die Verteilung und Anreicherung er- folgt überwiegend in den lipophi- len Geweben. Die aliphatischen Kohlenwasserstoffe werden prak- tisch nicht metabolisiert.

3.2. Giftnachweis

Der Nachweis erfolgt mittels Drä- ger-Teströhrchen, Gaschromato- graphie und Massenspektrogra- phie.

3.3. Klinische Symptomatik In Abhängigkeit von der Dosis tre- ten Euphorie, Schläfrigkeit, ver- waschene Sprache, Sopor und Koma sowie gelegentlich auch Krämpfe auf (3, 6). Ein plötzlicher Herztod durch Kammerflimmern ist möglich, aber selten. Eine be- sondere Gefährdung tritt durch Aspiration der aliphatischen Koh-

lenwasserstoffe in die Lunge ein, was zu einer letal verlaufenden Bronchopneumonie führen kann.

3.4. Therapie

Die Behandlung erfolgt in Anleh- nung an die Therapie bei Vergif- tungen durch halogenierte alipha- tische Kohlenwasserstoffe.

4. Aliphatische Alkohole 4.1. Stoffwechsel

und Ausscheidung

Die Aufnahme von aliphatischen Alkoholen erfolgt meist peroral, gelegentlich aber auch inhalativ.

Aliphatische Alkohole werden größtenteils in der Leber abge- baut, die pulmonale und renale Ausscheidung ist von nur geringer Bedeutung (5, 6).

4.2. Giftnachweis

Die aliphatischen Alkohole lassen sich gaschromatographisch, en- zymatisch, massenspektrogra- ph isch sowie mittels Dräger-Prüf- röhrchen nachweisen.

4.3. Klinische Symptomatik In Abhängigkeit von der jeweili- gen chemischen Struktur des ali- phatischen Alkohols treten nach einer akuten Intoxikation Rausch- zustände, Oberbauchbeschwer- den, Übelkeit und Erbrechen so- wie in schweren Fällen auch eine

Lähmung des Atemzentrums auf (6). Nach einer Methanol-Intoxika- tion bleiben oft Sehstörungen und nicht selten auch dauernde Er- blindung zurück.

4.4. Therapie

Bei einer akuten Vergiftung durch aliphatische Alkohole ist in Ab- hängigkeit von der chemischen Struktur und der aufgenommenen Menge eine primäre Giftelimina-

tion durch Magenspülung und Ga- be von Medizinal-Kohle erforder- lich. Bei bestehender Azidose muß diese entsprechend ausge- glichen werden. Bei einer Metha- nol-Intoxikation muß durch Gabe von Äthanol der Abbau von Me- thanol zu toxischen Abbaupro- dukten in der Leber verhindert werden (6). Der Blutäthanolspie- gel sollte über mehrere Tage um 1 %o liegen. Auch bei der Äthylen- glykol-Intoxikation ist eine Be- handlung mit Äthanol erforder- lich. Bei der sekundären Giftelimi- nation von aliphatischen Alkoho- len hat sich besonders die Hämo- dialyse bewährt.

5. Äther, Ketone und Ester 5.1. Stoffwechsel

und Ausscheidung

Die Aufnahme erfolgt entweder inhalativ oder peroral, seltener auch über die Haut. Ein Großteil der Substanzen wird unverändert über die Lungen ausgeschieden, der Rest wird metabolisiert (6).

5.2. Giftnachweis

Der Nachweis erfolgt gaschroma- tographisch, massenspektrog ra- phisch oder mittels Dräger-Prüf- röhrchen.

5.3. Klinische Symptomatik In Abhängigkeit von der aufge- nommenen Substanz finden sich bei der akuten Intoxikation Sym- ptome wie Exzitation, Rausch und Narkose mit der Gefahr einer zen- tralen Atemlähmung (6). Auch Kopfschmerzen, Übelkeit und Er- brechen sind möglich.

5.4. Therapie

Ein einheitliches therapeutisches Vorgehen ist nicht vorhanden, die primäre Giftelimination sollte ent- sprechend den akuten Vergiftun- gen durch halogenierte aliphati-

(6)

sche Kohlenwasserstoffe erfol- gen. Eine Hyperventilationsbe- handlung ist bei den pulmonal-eli- minierbaren Substanzen ange- zeigt.

6. Schwefelkohlenstoff 6.1. Stoffwechsel und Ausscheidung

Schwefelkohlenstoff ist vorwie- gend ein gewerbliches Gift, das in flüssiger Form durch die Haut re- sorbiert, meist aber in Dampfform über die Lungen aufgenommen wird und selten zu akuten oder chronischen Vergiftungen führt.

Auch perorale Intoxikationen kommen vor. Im allgemeinen wird mehr als die Hälfte des eingeat- meten Schwefelkohlenstoffs wie- der unverändert ausgeatmet, wäh- rend der Rest metabolisiert wird (6). Als Metabolit des Schwefel- kohlenstoffs wird Dithiocarbamat beschrieben, das ähnlich wie Te- traäthylthiuramdisulfid eine Alko- holintoleranz verursacht.

6.2. Giftnachweis

Der Nachweis erfolgt mittels Drä- ger-Prüfröhrchen.

6.3. Klinische Symptomatik Bei der akuten Intoxikation steht eine Schädigung des Nervensy- stems und der Gefäße einschließ- lich der Koronargefäße im Vorder- grund (6). Nach lokaler Einwir- kung kann es zu schweren Ge- websschädigungen am Auge und an der Haut kommen. Bei Einat- mung verursacht Schwefelkoh- lenstoff Euphorie, Rausch, Narko- se, Delirien, Bewußtlosigkeit und Atemstillstand, gelegentlich auch Krampfanfälle. Nach der Narkose stehen beim Erwachen Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen sowie Erregungszustände, Krampfanfälle und Sehstörungen im Vordergrund.

6.4. Therapie

Bei peroraler Aufnahme von Schwefelkohlenstoff ist eine so- fortige Magenspülung mit 2-5pro- zentiger Natriumbicarbonat-Lö- sung unter Intubation zur Verhin- derung der Schwefelwasserstoff- Bildung erforderlich; auch muß ei- ne eventuell auftretende Azidose ausgeglichen werden. Die weitere Therapie erfolgt wie bei Intoxika- tionen durch halogenierte alipha- tische Kohlenwasserstoffe.

Literatur

(1) Goldermann, L., J. Gellen und R. Teschke:

Quantitative assessment of carbon tetrachlo- ride levels in human blood by head-space gas chromatography: Application in a case of sui- cidal carbon tetrachloride intoxication. Inten- sive Care Med. 9 (1983), 131-135; (2) Lemburg, P., und I. Sprock: Was gibt es Neues in der Therapie von Vergiftungen durch halogenierte Kohlenwasserstoffe? In: Pädiatrische Intensiv- medizin (H. Schachinger, Herausg.). Thieme Verlag, Stuttgart, im Druck (1985); (3) Okonek, S., und P. P. Baum: Akute Vergiftungen. In: In- terne Intensivmedizin. Methodik, Pathophysio- logie, Klinik, Ergebnisse (P. Schölmerich, H.-P.

Schuster, H. Schönborn und P. P. Baum, Her- ausg.). Thieme Verlag, Stuttgart, S. 522-574 (1980); (4) Teschke, R.: Vergiftungen du rch ha- logenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe:

Selten, aber schwierig zu behandeln. Notfall- med. 10 (1984), 522-539; (5) Teschke, R., und C. S. Lieber: Alkohol und Organschäden. Epi- demiologische, klinische, biochemische und therapeutische Aspekte. Witzstrock Verlag, Baden-Baden (1981); (6) Wirth, W., C. Gloxhu- ber, E. G. Krienke und K. E. Wirth: Toxikologie.

Thieme Verlag, Stuttgart (1981)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Rolf Teschke

Medizinische Klinik D der Universität Düsseldorf Moorenstraße 5

4000 Düsseldorf

'NOTIZ

Zur Akupunktur:

Briefe an die Redaktion

Wie zu erwarten war, haben uns zur Diskussion über die Akupunk- tur (DÄ 7/1985, 407-416) zahlrei- che Leserbriefe erreicht. Diese reichten im Umfang von einer Sei- te über mehrere Seiten und Son- derdrucke bis zu einem Buch von über 350 Seiten. Verständlicher- weise konnten wir dies nicht alles abdrucken — wir wären damit über ein Jahr beschäftigt gewesen. Wir haben uns statt dessen bemüht, möglichst alle Kollegen zu Wort kommen zu lassen und aus deren Einsendungen das auszuwählen, was uns als Kern ihrer Aussage er-

schien. Diese Ausschnitte werden unter den Leserbriefen im vorde- ren Teil dieses Heftes veröffent- licht. Traditionsgemäß haben an- schließend die drei Hauptautoren, denen wir diese Ausschnitte ein- heitlich zur Verfügung stellten, Gelegenheit zu einem Schluß- wort. Rudolf Gross

BERICHTIGUNG

Internistische

Diagnostik und Therapie

Zu dem Kongreßbericht von Pro- fessor Dr. med. Rudolf Gross in Heft 19/1985, Seite 1437:

In dem Beitrag „Internistische Diagnostik und Therapie" ist uns leider ein sinnentstellender Feh- ler unterlaufen.

Der in der rechten Spalte in der neunten Zeile von unten begin- nende Satz muß heißen:

Low density Lipoproteine erhö- hen das koronare Risiko beträcht- lich.

(Angeführt sei, daß die Meinun- gen über High density Lipopro- teine wegen der Inhomogenität dieser Stoffklasse geteilt sind, daß aber überwiegend eine Schutz- wirkung angenommen wird.)MWR 2196 (62) Heft 30 vom 24. Juli 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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