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Archiv "Bremen: Ubungswiese des Sozialismus - Teil 1" (23.09.1976)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Arztliehe Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Bremen:

Ubungswiese des

Sozialismus

Ideologische Baukastenspiele mit dem Modell eines "integrierten Systems

der medizinischen Versorgung"

Dr. med. Erwin Jahn, pensionierter Vizepräsident und Professor im Bundesgesundheitsamt, schon einmal an einem gigantischen Pro- jekt ("Modeii"-Untersuchungen, bezeichnenderweise in Hessen) ge- scheitert, versucht es aufs neue: Der Senat der Freien Hansestadt Bremen will ihm die Gelegenheit geben, anläßlich eines Siedlungs- baues "auf der grünen Wiese" im bremischen Osten ein "Modell"

für ein "integriertes System der medizinischen Versorgung" zu pla- nen. Jahns Plan ·- im Geiste aller Planwirtschaftler wurde auch die Abkürzung schon geplant: ISMV- liegt inzwischen vor.

Niemand wird sich darüber wundern, daß dieser Plan weitgehend dem vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Ge- werkschaften (WSI - Abkürzungen sind links und nicht nur östlich der Mauer geradezu eine Manie) entwickelten Modell des MTZ (par- don: "Medizinisch-Technisches Zentrum") entspricht. Aber darüber hinaus ist der Plan aus zweierlei Gründen von größerer Bedeutung:

IIJlo- Zum einen erkennt man daraus, wie das "MTZ" in die anderen

Bereiche der Gesundheitsversorgung eingebaut sein soll - in ein fast unentwirrbares Geflecht von Krankenhaus, "Gesundheits-Zen- trum" (GZT), "lnformationssystem" (ZIS), "lntegrationszentrum"

(IZ), eine ausnahmsweise nicht abkürzbare Kooperations-GmbH (warum nicht Koop-GmbH?) und die Unternehmensgruppe Neue Heimat (UGrN) sowie eine "Arbeitsgemeinschaft Jahn/MZB/Medi- plan (ArG)". Was MZB ist, läßt sich aus der Planschrift nicht ermit- teln; ein MGZ (Medizinisches Gemeindezentrum) kommt auch noch dazu. Im folgenden wird das im einzelnen beschrieben und kom- mentiert werden.

IIJlo- Zum zweiten sind die Umstände beachtenswert, unter denen es

zu diesem Plan kam. Bremens Gesundheitssenator Herbert Brück-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 39 vom 23. September 1976 2413

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

Bremens „integriertes System"

ner nämlich hatte Ende Januar die- ses Jahres in einer Bürgerschafts- sitzung eine eher beiläufige Ankün- digung fallenlassen. Dies veran- laßte den Präsidenten der Bremer Ärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, zu einer Nachfrage beim Senator und zu einer Bitte an die Ärzte des von solchen Plänen betroffenen Krankenhauses Bremen-Ost, die Kammer über eventuelle Vorbe- sprechungen oder Vorbereitungen zu unterrichten, da ja die von der Ärztekammer laut Kammergesetz zu wahrenden ärztlichen Belange berührt würden. Senator Brück- ner antwortete im Laufe des sich anschließenden Briefwechsels im- mer wieder ausweichend und hin- haltend, tat außerdem etwas ei- gentlich Unerhörtes: Er verbot den Ärzten des Städtischen Kranken- hauses unter Hinweis auf ihre

Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die Anfrage ihrer Kammer zu be- antworten, was Kammerpräsident Vilmar zutreffend als Maulkorb bezeichnete. Dies ging bis etwa Ende Mai — der Plan von Erwin Jahn, der der Kammer schließlich Mitte August zur Kenntnis gegeben wurde, ist aber schon mit „April 1976" datiert.

Im Geheimverfahren

Der Verdacht also ist nicht von der Hand zu weisen, daß Bremens so- zialdemokratische Stadtregierung versuchen wollte bzw. will, hier ein Projekt, von dem sie weiß, daß es eine ganze Tonne gesundheitspoli- tisches Dynamit enthält, möglichst heimlich schon so weit durchzuzie- hen, daß Widerstand zu spät kom- men müßte. Ob der am 1. Oktober erfolgende Amtsantritt von Dr. med.

Hans-Helmut Euler (35) als Senats- direktor in der bremischen Gesund- heitsbehörde mit der (Termin-)Pla- nung zusammenhängt, kann man nur vermuten. Immerhin war Dr. Eu- ler als Assistenzarzt Vorsitzender des „Bundes gewerkschaftlicher Ärzte in der ÖTV" in Berlin und Mitglied des Kuratoriums der da- maligen „Arbeitsgemeinschaft Un- abhängiger Ärzte" (AUA), als sie die Psychiatriesitzung des Deut-

schen Ärztetages sprengte. So schaffte Euler, was bei seinem AUA-Kollegen Matakas mißlang: Er wurde auf einen wohldotierten Ses- sel als hoher Beamter gehievt —

„Revolutionär" mit Pensionsbe- rechtigung.

Wie sieht nun das Jahnsche Plan- spiel im einzelnen aus?

Verschachtelungen

Das „ISMV" besteht organisato- risch aus zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in denen die Geschäftsanteile, die Verwaltungs- kompetenzen und die in dem je- weiligen Besitz befindlichen mobi- len und immobilen Gegenstände in einer so verzwickten Weise inein- ander verwoben und verschoben sind, daß außer dem gemeinsamen Geschäftsführer (nämlich Erwin Jahn) kaum jemand mehr hin- durchfindet. Beteiligt sollen sein:

der Staat (Stadt Bremen) und die im „Gesundheitszentrum" Beschäf- tigten; beide Gruppen sollen aber den Krankenkassen, der Kassen- ärztlichen Vereinigung und den Ärzten am Gesundheitszentrum be- grenzte (geringe) Teile des Gesell- schaftskapitals anbieten — letzte- res nur mit der Absicht, überhaupt Honorarzahlungen aus der gesetz- lichen Krankenversicherung an das ganze Unternehmen fordern zu

können.

Vorfinanziert werden soll das Gan- ze oder zumindest ein erheblicher Teil vom gewerkschaftseigenen Baukonzern „Neue Heimat", der auch die umliegende Siedlung so- wie die Gebäude des „Gesund- heitszentrums" baut und letztere an eine der beiden GmbHs vermie- tet (welche sie dann, aus welchem vertrackten Grunde auch immer, der anderen weiterzugeben hat).

Nach zwei Jahren soll die „Neue Heimat" ihren GmbH-Anteil an die Beschäftigten abtreten. Was die damit sollen, bleibt zunächst uner- findlich, denn Gewinne sollen nicht gemacht, sondern reinvestiert wer- den; eventuelle Vermögenssteuer müßte also aus dem Gehalt gezahlt werden.

Die funktionale Gliederung ist nicht minder vielfältig und kompliziert.

Folgen wir der Gliederung in Jahns Denkschrift:

Das „Gesundheitszentrum"

Zunächst ist da das „Gesundheits- zentrum" (GZT — das T steht für den Ortsnamen Bremen-Tenever).

In ihm sind die Ärzte in einer

„Gruppenpraxis neuer Prägung"

tätig — langwierig wird erläutert, wieso dieser Begriff gewählt ist: Ei- gentlich soll es eine „fachübergrei- fende Gemeinschaftspraxis" sein, bloß — das geht nicht recht. Jahn möchte doch die Einzelverantwor- tung jedes Arztes für seine Patien- ten demonstriert wissen, und eine gemeinschaftliche Abrechnung et- wa durch die GmbH (oder eine der beiden) ist ebenfalls nicht möglich. Immerhin: Die GmbH soll als Inkasso-Stelle für die einzeln abzurechnenden Honorare fungie- ren — diese bekommen die Ärzte dann aber nicht, sondern sie erhal- ten eine Fest- und zusätzlich eine Leistungsvergütung, so wie es im offiziellen Projekt der „Sozialde- mokraten im Gesundheitswesen"

schon einmal vorgeschlagen wor- den ist. Was übrigbleibt, kassiert die GmbH, die ihrerseits daraus die Praxiskosten einschließlich der Personalkosten der „Gruppenpra- xis neuer Prägung" bestreitet.

Die „Neue Prägung"

Nun ist das bis hierhin so neu noch nicht — so etwas kann eine Ärztegruppe durchaus untereinan- der vereinbaren, zum Beispiel in ei- ner Apparate- oder Praxisgemein- schaft. Die „Neue Prägung" be- steht aber darin, daß zum einen die ganze diagnostische und therapeu- tische Technik ausgelagert ist in das „Integrationszentrum" (IZ), bis- weilen auch MTZ genannt. Es liegt einen Kilometer entfernt im Kran- kenhaus Bremen-Ost, kostenlose Pendelbusse schaukeln Patienten und Präparate zwischen GZ und IZ hin und her. Zum zweiten: Der Pra- xis „Neuer Prägung" werden ganz bestimmte Abläufe vorgeschrieben.

2414 Heft 39 vom 23. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung

Dies betrifft vor allem die Patien- tenannahme sowie die „Basisun- tersuchung". Über die Annahme ei- nes Patienten entscheidet eine Auf- nahmeschwester — allerdings hat sie den Wunsch des Patienten nach einem bestimmten Arzt zu re- spektieren. Was sie aber gänzlich allein entscheidet, ist — nachdem der Patient in jedem Fall gleich nach Betreten der heiligen Hallen einen Fragebogen ausgefüllt hat —, ob eine „Basisuntersuchung"

ausgeführt werden soll oder nicht.

Zwar gibt es Richtlinien für diese Entscheidung — zum Beispiel muß sie, wenn der Patient von einem auswärtigen Arzt überwiesen wird, so gut wie immer gemacht werden;

dann aber geht sie ihren vorge- prägten Gang — noch ein Fragebo- gen, dann eine Reihe medizinisch- technischer Diagnostik: Obligato- risch sind eine Röntgenaufnahme der Brustorgane in zwei Ebenen, ein Sehtest, eine Atemfunktions- prüfung, Ruhe- und Belastungs- EKG, bei Frauen zytologischer Ab- strich und Mammographie, bei Pa- tienten über 50 Blutzuckerbela- stungstests, Tonometrie und Au- diometrie — dazu natürlich Harn- und Blutentnahmen für den Auto- analyzer.

Man lasse sich den Satz auf der Zunge zergehen, mit dem Jahn die- sen Aufwand begründet: „Mittels einer gemeinsamen Basisuntersu- chung wird ... der Diagnostik und Behandlung chronischer Krankhei- ten eine von den momentan be- stimmten Zufälligkeiten sequentiel- ler Entscheidungen freie, zuverläs- sige Grundlage gegeben" — und

„ärztliche Arbeitskraft" werde an- geblich freigesetzt.

Man sehe sich die eben zitierte Li- ste an: Mindestens dreimal, bei Frauen fünfmal, wird hier ärztliche Arbeitskraft herangezogen, die mit dem tatsächlichen Krankheitsbild, wegen dessen der Patient kommt, gar nichts zu tun zu haben braucht; die Befundung der Analy- sen, EKGs und Abstriche im MTZ kommt dazu — da allerdings soll der Arzt weitgehend von einem Computer „unterstützt" werden.

Frei

nach Grimm .. .

(oder: Wie die Bremer Stadtmusikanten auszogen, die „Räu- ber" zu vertreiben, die ihnen statt

Medizin nur noch Abkürzungen verschreiben wollen — die Fortsetzung der Story: Seite 2425)

Schon nach den längst überholten Einfachsätzen der 1965er-GOÄ aber kämen bei dieser „Basisunter- suchung" rund 180 DM zusammen.

Die Krankenkassen werden sich freuen: Der „Fallwert" im Gesund- heitszentrum würde ein beachtli- cher!

Übrigens sei hier schon eingefügt:

Alle Meßwerte und Befunde sollen in ein „Zentralisiertes Informations- system" (ZIS), also einen Compu- ter für Gesundheitszentrum, MTZ und Krankenhaus eingehen, wo sie jederzeit und an jedem Ort abgeru- fen werden können. Das geht:

„Kollege Computer", vom ZDF vor ein paar Jahren aus dem Karolins- ka- und dem Danderyd-Kranken- haus in Stockholm vorgeführt, macht das in Schweden schon. Al- lerdings: Das Datenschutzproblem macht sich Jahn ganz einfach — so einfach, wie er es vorschlägt, geht es gewiß nicht, wie wir noch sehen werden.

Nur „Primärärzte"

Nach der „Basisuntersuchung"

kommt der Patient zum „gewählten Arzt", der die Ergebnisse der Ba- sisuntersuchung auf seinem Bild- schirm anschauen kann — voraus-

gesetzt, das MTZ (auf das — wie wir ebenfalls später sehen werden

— die Ärzte gar keinen Einfluß ha- ben!) arbeitet schnell genug oder der Pendelbus hat keine Panne, oder keiner hat einen EKG-Streifen oder ein Blutfläschchen verwech- selt. Allerdings bleibt die Arztwahl beschränkt: Vollzeitlich sollen nur Allgemein-, Kinder-, Frauen- und Augenärzte im Zentrum tätig sein, außerdem Zahnärzte, von Jahn als

„Allgemeine Stomatologie" be- zeichnet. Alle anderen Fächer sind stundenweise in Nebentätigkeit vertreten, dies wohl hauptsächlich durch Krankenhausärzte von ne- benan, aus dem Krankenhaus Bre- men-Ost. An diese Ärzte (Fachärzte oder auch Ärzte in der Weiterbil- dung?) aber gelangt der Patient erst durch Zuweisung durch seinen

„Primärarzt". Warum die Interni- sten im ambulanten Bereich aus- gelassen sind, bleibt unerfindlich;

vielleicht erachtet sie Jahn als er- setzt durch das MTZ-System In einem langen Absatz läßt Jahn sich über die Kooperation der Ärz- te aus. Die Geisteshaltung, die in diesem Abschnitt herrscht, ist am besten durch diesen Satz gekenn- zeichnet: „Sie (die Kooperation) wird gebahnt und erleichtert durch

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 23. September 1976 2415

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Die Information:

Bericht und Meinung

Bremens „integriertes System"

zwanglose Kommunikation (Gegen- sprechanlage statt Telefon!) ...".

Weiß Jahn wirklich nicht — es wür- de seine ideologische Grundhal- tung vollends enthüllen — um den Teufels-Charakter dieser Anlage, durch die jederzeit und unaufhalt- bar die fremde Stimme eines Drit- ten in das vertrauliche (Zwie-)Ge- spräch eines Arztes mit seinem Pa- tienten eindringen kann, und bei der, vom Sprecher nicht kontrol- lierbar, jederzeit auch wiederum Dritte das Gespräch aus dem Laut- sprecher des Partners vollständig mithören können? Wechselsprech- anlagen sind für bestimmte, vor allem industrielle Kommunikations- erfordernisse zweckmäßig; ein Ge- sundheitszentrum würde so ganz eindeutig zum industriellen Betrieb umfunktioniert.

Hausbesuche?

Ausdrücklich und ausgerechnet unter Bezugnahme auf US-ameri- kanische Verhältnisse nimmt Jahn den Ärzten die Kompetenz für Hausbesuche weg: Sie dürfen sie nur ausführen, wenn die Gemein- deschwester im Medizinischen Ge- meindezentrum (MGZ) ihre Not- wendigkeit oder Zweckmäßigkeit ausdrücklich bestätigt hat! Das ist eine klare Entscheidung gegen eine moderne, soziale Allgemein- medizin, von der ja gerade auch von linker Seite (also nur deklama- torisch?) verlangt wird, daß der Arzt auch die sozialen Umstände seines Patienten kennen soll — eine Weichenstellung also gegen den Hausarzt.

In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, daß in dem ganzen Projekt, das ja eine „Integration"

möglichst der gesamten ärztlichen, medizinischen und Gesundheits- versorgung vorgibt, von Notfällen und deren Bewältigung überhaupt nicht die Rede ist, obwohl doch ei- gentlich die Notfallmedizin zum Gesamtbereich der Medizin gehört.

Im Gegenteil: Gerade diejenigen Fächer, die (neben dem Allgemein- arzt) mit solchen Notfällen häufig zu tun haben, in denen der Arzt zum hilfsbedürftigen Patienten hin-

muß, werden im ambulanten Be- reich des Jahn-Plans ganz kurz ge- halten. Weder Internisten (Herzin- farkt) noch Chirurgen (Unfall) sind vorgesehen — höchstens stunden- weise in nebenamtlicher Praxis —, und zwischen 20 und 8 Uhr sowie am Wochenende ist das ganze Un- ternehmen überhaupt geschlossen!

Die „Arztverteilung"

Dies ist vielleicht selbst für ideo- logisch Verblendete eine Ein- sicht vermittelnde (Nichtideologen längst bekannte) Erkenntnis: Eine hochspezialisierte Medizin, wie wir sie nun glücklicherweise haben, läßt sich in solchen Integrations- zentren aus dem ganz einfachen rechnerischen Grund nicht unter- bringen, weil die Einzugsgebiete und Einwohnerschlüssel für die verschiedenen Fächer eben ver- schieden groß sind. Jahn rechnet bei seinem Projekt offensichtlich mit etwa 40 Ärzten im ambulanten Bereich. Diese Größenordnung reicht nicht aus, um in einem am Bedarf orientierten angemessenen Verhältnis zu einer ausgewogenen und ständig präsenten Beteiligung aller Fächer zu kommen — schon die Chirurgie muß unterrepräsen- tiert bleiben, von Orthopädie, Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde oder Uro- logie ganz zu schweigen. Ausgegli- chen bleibt das Verhältnis hinge- gen dann, wenn die Ärzte dezen- tralisiert, das heißt in der für jedes Fach jeweils erforderlichen Dichte verteilt sitzen — und das funktio- niert nur in unserem freiberuflichen System!

Verantwortungen

Und noch eine Frage bleibt unbe- antwortet: Wer leitet, wer verant- wortet? Hierbei geht es nicht um die ärztliche Verantwortung im ein- zelnen Diagnose- und Behand- lungsfall, sondern um die organisa- torische Leitung und Verantwor- tung nach innen und die Vertretung nach außen. Für letzteres gibt es Geschäftsführer und Verwaltungs- rat nach dem Bürgerlichen Gesetz- buch. Aber wie es im Inneren, zum Beispiel mit der Dienstplaneintei-

lung von Ärzten und Assistenzper- sonal, aussieht, wer wem wei- sungsbefugt ist — das alles bleibt offen oder verschwimmt im Zau- berwort „Kooperation". Wenn Auf- nahmeschwester und Arzt über die Notwendigkeit einer Basisuntersu- chung verschiedener Auffassung sind — wer ordnet sie an, wer ver- antwortet die Kosten, die sie verur- sacht, gegenüber der Krankenkas- se bzw. gegenüber der Kassenärzt- lichen Vereinigung als Prüfinstanz?

Muß überhaupt jemand kassenärzt- liches Honorar für Leistungen zah- len, die allein eine „Aufnahme- schwester" (mit oder ohne neues

Berufsbild?) veranlaßt hat? Wer trägt die Verantwortung für die Fol- gen eines nicht ausgeführten, weil von der Gemeindeschwester für überflüssig erachteten Hausbesu- ches — oder darf der Arzt auch gegen den Wunsch der Schwester auf Besuch fahren, eventuell im Privatwagen ohne Kilometergeld?

Wer ist Arbeitgeber?

Am groteskesten aber wirken diese keineswegs nur ironisch gemeinten Fragen bei der Enthüllung des Ver- hältnisses zwischen der Gruppen- praxis „Neuer Prägung" und dem MTZ. Diese Gruppenpraxis hat kei- ne Rechtsform, sondern ist recht- lich ein Zusammenschluß der in ihr tätigen Ärzte. Eine der beiden GmbHs betreibt das „IZ" oder

„MTZ", ebenso das „Gesundheits- zentrum". Das Personal hat also nicht die Ärzte, sondern „die GmbH" als Arbeitgeber — dies ist aber nicht jene GmbH, deren An- teile sie besitzen. Für das „GZ" be- steht immerhin noch die Regelung, daß die Mitglieder der Gruppenpra- xis sich des Personals des GZ zu bedienen haben, was dann wohl auch eine entsprechende Dienstan- weisung an dieses Personal vor- aussetzt. Mit der Auswahl ihrer Praxishelferinnen haben die Ärzte aber schon gar nichts zu tun. Und auf das MTZ haben die Ärzte über- haupt keinen Einfluß: Sie können keinerlei Weisungen darüber ge- ben, was wann wie mit den von ih-

• Fortsetzung auf Seite 2423

2416 Heft 39 vom 23. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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