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"Elektronische Kommunikation in mehrkernigen Ruthenium-Vinyl-Komplexen"

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Academic year: 2022

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"Elektronische Kommunikation in mehrkernigen Ruthenium-Vinyl-Komplexen"

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften

vorgelegt von Wuttke, Evelyn

an der

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion Fachbereich Chemie

Tag der mündlichen Prüfung: 16. Mai 2014 1. Referent: Prof. Dr. R. F. Winter

2. Referent: Prof. Dr. H. Cölfen 3. Referent: Prof. Dr. S. Mecking

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-280243

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"Ich bin immer noch verwirrt, aber auf einem höheren Niveau"

- Enrico Fermi -

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Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit von Oktober 2010 bis Oktober 2013 am Fachbereich Chemie der Universität Konstanz angefertigt.

Herrn Prof. Dr. Rainer F. Winter möchte ich für die interessante Aufgabenstellung, die zahlreichen Anregungen, seine freundliche Betreuung sowie seine stets vorhandene Diskussionsbereitschaft danken.

Herrn Prof. Cölfen möchte ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und seinen wertschätzenden Umgang danken.

Ferner danke ich,

 meinen Mentoren Prof. Dr. Helmut Fischer, Dr. Florian Kessler, Dr. Michael Burgert und Dr. Matthias Drexler für das in mich gesetzte Vertrauen,

 allen (ehemaligen) Mitarbeitern der Arbeitsgruppen Winter, Fischer und Rigaut für eine unvergessliche Zeit,

Bernhard Weibert für sein Engagement bei den kristallographischen Messungen,

Walther Polit und Michael Linseis für die quantenchemischen Rechnungen,

Anke Frimel und Ulrich Haunz für die freundliche Unterstützung bei der Durchführung von anspruchsvollen NMR-Messungen,

Jeannette Hafner für die gewissenhafte Messung der Elementaranalysen,

 meinen Kollegen aus anderen Fachgebieten für die nette Zeit und ihre Unterstützung Philipp Erler, Philipp Ehrenreich, Ulrich Tritschler und Martin Spitzbarth,

 allen Bachelorstudenten, HiWis und Praktikanten, die zu der vorliegenden Dissertation beigetragen haben, für ihre geleistete Arbeit: Alexander Fies, Christian Walz, Florian Enders, Judith Jamil, Linda Horst, Aleksandra Sarnicka, Daniel Fink, Gregor Voit und Andra-Lisa Hoyt,

 und im Besonderen meinen Freunden und meiner Familie, der ich das alles zu verdanken habe.

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Diese Arbeit ist von Herzen meiner Familie und Anja gewidmet!

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Vorbemerkung

In dieser Arbeit wurde weitgehend auf Abkürzungen verzichtet. In einigen Fällen konnte jedoch auf Grund der besseren Übersichtlichkeit nicht darauf verzichtet werden. Um den Text besser lesbar zu machen und um Verwechslungen vorzubeugen, wurde in Abweichung vom deutschen Sprachgebrauch das Dezimal-Komma durch den Dezimal-Punkt ersetzt. Die neu hergestellten Komplexe werden mit den Zahlen 1 - 45 bezeichnet. Eine Übersicht der Molekülstrukturen befindet sich in Kapitel 7. Literaturbekannte Komplexe werden mit Ausnahme der Komplexe IrCl, IrOTf und Fe-Clip mit einem V und literaturbekannte, organische Verbindungen mit einem L gekennzeichnet. Im Hauptteil (Kapitel 3 - 5) werden lediglich ausgewählte Daten diskutiert. Eine ausführliche Zusammenstellung der experimentellen Daten befindet sich im Experimentalteil der vorliegenden Arbeit.

Teile dieser Arbeit wurden bereits publiziert:

Wuttke, E.; Pevny, F.; Hervault, Y.-M.; Norel, L.; Drescher, M.; Winter, R. F.; Rigaut, S.

Inorg. Chem. 2012, 51, 1902, DOI: 10.1021/ic2022177.

Wuttke, E.; Hervault, Y.-M.; Polit, W.; Linseis, M.; Erler, P.; Rigaut, S.; Winter, R. F.

Organometallics ASAP, DOI: 10.1021/om400642j.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

1.1 Theoretischer Hintergrund von gemischt-valenten Verbindungen ... 2

1.2 Historische Entwicklung der für diese Arbeit relevanten Metall-Vinyl-Komplexe ... 11

2 Aufgabenstellung ... 14

3 Molekulare Drähte ... 15

3.1 Ursprung des Rennes-Kooperationsprojektes und seine ersten Erfolge ... 15

3.2 Rennes-Kooperationsprojekt Teil 2: Expansion des Systems ... 18

3.3 Rennes-Kooperationsprojekt Teil 3: Synthese und Untersuchung ligandverbrückter, mono-, di- und trinuklearer Ruthenium-Komplexe mit zur kovalenten Verknüpfung mit Goldelektroden befähigten Liganden. ... 64

3.4 Rennes-Kooperationsprojekt Teil 4: Weiterführende Untersuchungen ... 95

4 Supramolekulare Architekturen ... 103

4.1 Mögliche Routen zur Herstellung von supramolekularen Architekturen ... 103

4.2 Supramolekulare Architekturen über Donoratome ... 109

4.3 Supramolekulare Architekturen über starre Bausteine ... 128

4.4 Supramolekulare Architekturen mit Phthalsäure-Derivaten als Brückenliganden ... 154

4.5 Zusammenfassende Diskussion ... 178

5 Erweiterung des Kenntnisstands der dinuklearen 1,4-divinylphenylenverbrückten Metallkomplexe ... 179

5.1 Der asymmetrische, homobimetallische, 1,4-divinylphenylen-verbrückte Ruthenium- Komplex 42 ... 181

5.2 Der heterobimetallische, 1,4-divinylphenylenverbrückte Ruthenium-/Osmium-Vinyl- Komplex 44 ... 189

5.3 Zusammenfassende Diskussion ... 200

6 Zusammenfassung der Dissertation ... 204

7 Übersicht über die Verbindungen ... 216

7.1 Neue metallorganische Komplexe ... 216

7.2 Literaturbekannte metallorganische Verbindungen (Vergleichskomplexe) ... 220

7.3 Hergestellte organische Verbindungen (literaturbekannt) ... 221

8 Experimentalteil ... 223

8.1 Allgemeines ... 223

8.2 Analytische Verfahren ... 227

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8.3 Arbeitsvorschriften und Charakterisierung ... 231

8.4 Röntgenbeugungsexperimente ... 277

8.5 Voltammetrische Messungen ... 309

8.6 IR-spektroskopische Messungen ... 419

8.7 UV/Vis-Messungen... 458

8.8 Elektronenspinresonanz-Spektroskopie ... 474

9 Abkürzungsverzeichnis ... 497

10 Literaturverzeichnis ... 503

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Kapitel 1 Einleitung

1 | S e i t e

1 Einleitung

Obwohl die Anfänge der Elektrotechnik schon im 17. Jahrhundert zu finden sind, dauerte es nahezu 200 Jahre bis Werner von Siemens durch die Entwicklung der Dynamomaschine einen

"elektronischen Urknall" auslöste.1 Dieser Meilenstein sorgte für eine sprungartige Entwicklung der Elektrotechnik. Im Jahr 1941 leitete schließlich Konrad Zuse mit der Erfindung des ersten programmierbaren Computers, dem Z3, das Zeitalter der Informationstechnologie ein.1 Die Dynamik dieser Ereignisse beschleunigt sich bis in die heutige Zeit, sodass elektronische Geräte immer kleiner und "intelligenter" werden. Dies hat nicht nur praktische Vorzüge, sondern leistet auch einen Beitrag zur Ressourcen- und Energieeinsparung und steigert damit die ökonomische Effizienz der Rechensysteme.

Damit der seit Werner von Siemens erzielte Fortschritt nicht zum Stillstand kommt, muss sich die Funktionsweise der elektronischen Bauteile dramatisch verändern. Das Mooresche Gesetz2 zwingt uns zu einem Umdenken in der mikroelektronischen Forschung. Mitte des 20.

Jahrhunderts sagte Gordon Moore voraus, dass sich die Dichte der Transistoren in integrierten Schaltkreisen alle zwei Jahre verdoppeln wird. Auf dem damaligen Stand der Technik wurden die niedrigsten Produktionskosten bei 50 Komponenten pro Schaltkreis erreicht.3 Durch Elektronenstrahl-Lithographie gelingt in Entwicklungslaboratorien inzwischen zwar die Herstellung von Gigabit-Chips mit einer Strukturgröße von 20 Nanometern, jedoch bereitet die exakte Strukturierung der Wafer auf so kleinen Längenskalen enorme Probleme.4 Die Herstellung von noch kleineren elektronischen Bauteilen durch die sogenannte "Top-Down-Methode" stößt zunehmend an ihre Grenzen.

Der Fokus der elektronischen Forschung verschiebt sich aus diesem Grund immer weiter in Richtung der "Bottom-Up-Methode". Das Potential dieser Herangehensweise wurde bereits 1959 von Richard Feynman5, in seiner berühmten Rede mit dem Titel "Plenty of Room at the Bottom", aufgezeigt. Zu den Pionieren der sich daraus ableitenden Molekularelektronik gehören H. Staab, A. Aviram, P. Seiden und M. Ratner. Im Jahr 1974 veröffentlichten sie die Idee, Moleküle als Schalter bzw. Speicher zu verwenden.6 Dazu geeignete Verbindungen müssen grundsätzlich in mindestens zwei verschiedenen Konfigurationen vorliegen können, welche sich durch äußere Stimuli, wie zum Beispiel durch Anlegen von elektrischer Spannung, reversibel ineinander umwandeln lassen.

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Einleitung Kapitel 1

2 | S e i t e

Molekulare Drähte sind die grundlegenden Bausteine eines jeden molekularelektronischen Bauteils. In seinem Buch "Supramolecular Chemistry" gelang Jean-Marie Lehn eine umfassende Beschreibung eines solchen Systems:7

Aus dieser Definition lassen sich zwei Bedingungen für die Entwicklung eines molekularen Drahtes ableiten. Zum einen muss eine solche Verbindung zwei redoxaktive Endgruppen aufweisen und zum anderen muss das Molekül eine klar definierte Struktur besitzen.8

Viele "Ladungstransfer-Komplexe" mit räumlich separierter Donor- und Akzeptoreinheit erfüllen diese Bedingungen und eignen sich somit als Modellverbindungen für molekulare Drähte. Von besonderer Relevanz sind hierbei "gemischt-valente Verbindungen", bei denen die Donor- und die Akzeptoreinheit die reduzierte bzw. die oxidierte Form des gleichen Redoxsystems sind. Daher soll im Folgenden kurz auf die theoretischen Grundlagen solcher gemischt-valenten Verbindungen eingegangen werden (Kapitel 1.1). Dort werden auch die für die Klassifizierung nötigen Untersuchungsmethoden angesprochen; eine detaillierte Beschreibung dieser Methoden befindet sich jedoch erst in den entsprechenden Abschnitten des Experimentalteils (Kapitel 8). In Kapitel 1.2 der Einleitung wird ergänzend ein Überblick über die historische Entwicklung der als Modellverbindungen gut geeigneten und für diese Arbeit relevanten Metall-Vinyl-Komplexe gegeben, wobei der aktuelle Stand der Forschung erst in den Kapiteln 4 und 5 des Hauptteils dargestellt wird.

1.1 Theoretischer Hintergrund von gemischt-valenten Verbindungen

In den Jahren nach Avirams Veröffentlichung6 haben sich viele Arbeitsgruppenintensiv mit der Herstellung und Untersuchung von molekülbasierten Analoga für makroskopische Komponenten elektronischer Schaltkreise beschäftigt.8-35 Auf der Basis von rein organischen Molekülen gab es bald erste Erfolge, wohingegen das Potential metallorganischer Verbindungen erst durch die Fortschritte auf dem Gebiet der gemischt-valenten Verbindungen36 erkannt wurde. Die Kombination von π-konjugierten, organischen Einheiten mit Metalleinheiten erlaubt eine erstaunliche Feinjustierung der elektronischen Eigenschaften. Nicht nur durch die Wahl des Metallions, sondern auch durch das Einführen

A molecular wire is a "one dimensional molecule allowing a through- bridge exchange of an electron/hole between its remote ends/terminal groups, themselves able to exchange electrons with the outside world".

(17)

Kapitel 1 Einleitung

3 | S e i t e geeigneter Koliganden kann der Ladungstransport über solche Moleküle gesteuert werden.

Mehrkernige Übergangsmetallkomplexe mit redoxaktiven Brückenliganden (engl.: non- innocent bridging ligands, NILs) zeigen dabei in vielen Fällen eine beeindruckende Kommunikation zwischen den endständigen Metalleinheiten.

Der Begriff "innocent ligand" wurde 1966 von C. K. Jørgensen mit der Definition "Ligands are innocent when they allow oxidation states of the central atoms to be defined."

eingeführt.37 Unschuldige Liganden fungieren also lediglich als Vermittler des Ladungstransports zwischen redoxaktiven Endgruppen, wohingegen "non-innocent ligands"

selbst ein Bestandteil des Redoxsystems sind. Inzwischen ist eine enorme Bandbreite von redoxaktiven Brückenliganden bekannt. Besondere Aufmerksamkeit wird in dieser Doktorarbeit den Ethinylphenylen-38-55 und Vinylphenylen-54-67 Brückenliganden geschenkt, welche Ruthenium- und Osmium-Einheiten miteinander verbinden. Beide Liganden bilden eine direkte Metall-Kohlenstoff-σ-Bindung aus, was zu wahren metallorganischen Verbindungen führt.

Grundsätzlich kann der Ladungstransport über einen "metallorganischen Draht" nach unterschiedlichen Mechanismen verlaufen.17,18 Es wird zwischen thermisch oder photoinduziertem Elektronentransfer differenziert. Ferner wird bei den Ladungstransportmechanismen zwischen inkohärentem Hüpfen und direktem Superaustausch unterschieden. Inkohärentes Hüpfen tritt auf, wenn das HOMO der Donoreinheit und das LUMO der Brücke (Elektronwanderung) bzw. das HOMO der Brücke und das SOMO der Akzeptoreinheit (Lochwanderung) ähnliche Energien aufweisen. Damit ein direkter Superaustausch stattfinden kann, müssen die relevanten Grenzorbitale der Donoreinheit und der Akzeptoreinheit auf den Brückenliganden delokalisiert sein, so dass eine indirekte Kopplung über die Brücke hinweg möglich ist.17

Um Elektronentransferprozesse näher zu untersuchen werden unter anderem elektrochemische und spektroskopische Messmethoden herangezogen. Gemischt-valente Systeme lassen sich je nach Ausmaß der elektronischen Kommunikation zwischen den Redoxzentren in unterschiedliche Klassen einteilen. Der Ursprung dieser Klassifizierung liegt in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts und beruht weitestgehend auf den Arbeiten von M. L. Robin, P. Day, G. C. Allen und N. S. Hush.68-71

(18)

Einleitung Kapitel 1

4 | S e i t e

Wird von einer gemischt-valenten Verbindung ausgegangen, bei der zwei redoxaktive Komplexeinheiten über eine Brücke miteinander verbunden sind, so weisen Verbindungen der Klasse I keinerlei elektronische Kommunikation über den Brückenliganden auf. Der Brückenligand wirkt somit als Isolator zwischen den beiden Redoxzentren. Dadurch sind die Valenzen den jeweiligen Metallzentren eindeutig zuzuordnen und die spektroskopischen Daten entsprechen der Summe von denen ihrer Einzelkomponenten. Weist der gemischt- valente Komplex eine moderate elektronische Kopplung über den Brückenliganden auf, und lassen sich die Valenzen der Endgruppen durch mindestens eine spektroskopische Untersuchungsmethode voneinander unterscheiden, so wird diese Spezies der Klasse II zugeordnet. Gemischt-valente Systeme der Klasse III weisen eine vollständige Ladungsdelokalisation zwischen den redoxaktiven Gruppen auf. In diesen Verbindungen liegen die beiden Metallzentren im gleichen Valenzzustand (zwischen n und n+1) vor, weshalb solche Systeme in der Literatur auch als "valence-averaged" bezeichnet werden.

Inzwischen konnte zu diesen ursprünglich definierten Klassen eine weitere Klasse hinzugefügt werden. Ein gemischt-valentes System, dessen Zuordnung zu Klasse II oder Klasse III vom Lösungsmittel abhängt, wird demzufolge zu der sogenannten Klasse II-III der gemischt-valenten Verbindungen gerechnet. In der Klasse II sind dabei sowohl die Geschwindigkeit der Anpassung der Solvathülle als auch die Ladung lokalisiert. Bei gemischt-valenten Verbindungen der Klasse II-III hängt die Geschwindigkeit des intramolekularen Ladungsausgleichs von der Geschwindigkeit ab, mit der sich die Solvathülle der sich ändernden Ladungsverteilung anpasst. In der Klasse III ist die Geschwindigkeit der Anpassung der Solvathülle so schnell, dass die Ladung völlig delokalisiert ist.19

Bei der Zuordnung einer gemischt-valenten Verbindung zu einer der drei (vier) Klassen spielt das Zeitfenster der spektroskopischen Untersuchungsmethode eine wichtige Rolle. Wenn der Ladungstransfer schneller/langsamer ist als das Zeitfenster der Untersuchungsmethode, so wirkt der Komplex elektronendelokalisiert/elektronenlokalisiert. Bei der UV/Vis- Spektroskopie liegt das Zeitfenster im Bereich um 10-14 s, bei der IR/NIR-Spektroskopie zwischen 10-11 und 10-13 s, bei der ESR-Spektroskopie zwischen 10-7 und 10-11 s und bei der NMR-Spektroskopie zwischen 10-3 und 10-8 s.72 Damit lassen diese unterschiedlichen Methoden auch Rückschlüsse bezüglich der Geschwindigkeit des intramolekularen Ladungstransfers zu.

(19)

Kapitel 1 Einleitung

5 | S e i t e Für die Forschung auf dem Gebiet der Molekularelektronik sind vor allem "almost delocalised compounds" oder solche der Klasse III von Interesse. Almost delocalised compounds liegen nahe am Übergang zwischen den Klassen II und III, was eine präzise Zuordnung oft schwierig macht. Dennoch können mit Hilfe der oben genannten Methoden nützliche Informationen bezüglich der Ladungs- und Spin(de)lokalisation in solchen Verbindungen gewonnen werden.18,19,73

Besonders wichtig ist hierfür die UV/Vis/NIR-Spektroskopie, bei welcher die sogenannte

"Intervalenz-Charge-Transfer-" (IVCT-) bzw. "Charge-Resonance-" (CR-) Bande von großer Bedeutung ist. Diese tritt meist im nahen Infrarotbereich des Spektrums (3300 - 12800 cm-1 ≈ 780 - 3000 nm) auf. Zum Verständnis der IVCT- bzw. CR-Bande sind die in Abbildung 1.1#1 dargestellten semiklassischen Marcus-Hush-Potentialkurvenmodelle unerlässlich.18-

20,73-75

Im Rahmen eines Zwei-Zustand-Modells kann das Auftreten bzw. Ausbleiben einer IVCT- bzw. CR-Bande erklärt werden. Marcus und Hush haben alle Koordinaten, die beim Elektronentransfer auftreten (Solvathüllenänderung, Bindungslängen- und Bindungswinkel- änderung), zu einer Elektronentransfer-Reaktionskoordinate (ET-Koordinate) zusammen- gefasst. Die ET-Koordinate gibt dabei den energetisch günstigsten Weg an, um direkt von der Spezies {[M](n+1)+-(Brücke)-[M]n+} zu der Spezies {[M]n+-(Brücke)-[M](n+1)+} zu kommen. In einer harmonischen Nährung wird das Potential der beiden Spezies als parabelförmig angenommen. Im gekoppelten Zustand spalten die beiden Potentialkurven in eine bindende und eine antibindende Potentialkurve auf. Der elektronische Kopplungsparameter Hab

beschreibt dabei die energetische Aufspaltung der im Grenzfall vollständiger Valenzlokalisation gegeneinander isolierten, diabatischen Potentialhyperflächen am Punkt der verbotenen Kreuzung. Bei gemischt-valenten Verbindungen der Klasse I wird keine IVCT-Bande gefunden, d. h. der elektronische Kopplungsparameter Hab ist gleich Null. Hab lässt sich bei Klasse-II-Systemen nach dem Hush-Theorem aus der Energie am Bandenmaximum  max, dem Extinktionskoeffizienten am Bandenmaximum max, der Halbwertsbreite der Bande Δ ½ und dem Ladungstransferabstand rMM ermitteln (Gleichung 1.1). Bei Komplexen wird der Ladungstransferabstand rMM meist der räumlichen Entfernung zwischen den Metallatomen gleichgesetzt. Aufgrund der Überlappung von Metall- und (Brücken)Ligand-Orbitalen ist der effektive Ladungstransferabstand allerdings oft erheblich kleiner als der geometrische Abstand. Als Folge wird der elektronische Kopplungsparameter Hab durch diese Approximation meist unterschätzt.76 Bei Klasse-III-Systemen entspricht der elektronische Kopplungsparameter Hab der Hälfte der Energie der meist im nahen

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Einleitung Kapitel 1

6 | S e i t e

Infrarotbereich des Spektrums auftretenden Charge-Resonance-Bande (Gleichung 1.2). Diese oft fälschlich ebenfalls als IVCT-Bande bezeichnete Absorption ist auf Übergänge zwischen delokalisierten Molekülorbitalen zurückzuführen. Im Gegensatz zur IVCT-Bande weist diese keine ausgeprägte Solvatochromie auf und Δ ½(exp) ist wesentlich kleiner als es die Marcus- Hush-Theorie für gemischt-valente Systeme der Klasse II vorhersagt (Gleichung 1.3).

 (Gl. 1.1) (Gl. 1.2)

(Gl. 1.3)

Zur präziseren Einordnung gemischt-valenter Systeme am Übergang zwischen der Klasse II und der Klasse III wurde der Γ-Parameter definiert (Gleichung 1.4).20,73 Die Zuordnung nach dem Γ-Parameter ergibt sich wie folgt:

(Gl. 1.4) 

Wenn von symmetrischen gemischt-valenten Systemen zu heterodinuklearen Verbindungen mit redoxaktiven Brückenliganden, also zur Klasse der asymmetrisch gebauten gemischt- valenten Verbindungen übergegangen wird,77 wird der Sachverhalt etwas komplexer. Bei asymmetrischen Systemen sind die beiden unterschiedlichen gemischt-valenten Formen {[M](n+1)+-(Brücke)-[M']m+} und {[M]n+-(Brücke)-[M'](m+1)+} einander nicht identisch. Diese beiden unterscheidbaren Isomere werden als Valenztautomere bezeichnet. Sie weisen eine unterschiedliche Grundzustandsenergie auf. Die Energie des optischen Übergangs  max setzt sich in diesem Fall aus der Summe der Reorganisationsenergie  und der Differenz der Grundzustandsenergien ΔG0 zusammen. Die Differenz der Grundzustandsenergien ΔG0 kann dabei über die unterschiedlichen Redoxpotentiale der Verbindungen [M]-L bzw. [M']-L ermittelt werden, wobei L ein dem Brückenliganden der gemischt-valenten Verbindung ähnlicher, terminal koordinierender Ligand ist. Der elektronische Kopplungsparameter Hab

kann nach Berücksichtigung von ΔG0 weiterhin anhand von Gleichung 1.1 bzw. 1.2 berechnet werden. Wenn ein redoxaktiver Brückenligand den Elektronentransfer zwischen

 0 < Γ < 0.1 schwach koppelnd, Klasse II

 0.1 < Γ < 0.5 moderat koppelnd, Klasse II

 Γ ≈ 0.5 Grenzfälle Klasse II-III

 Γ > 0.5 Klasse III

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Kapitel 1 Einleitung

7 | S e i t e den Metallzentren vermittelt, wird am besten von einem Drei-Zustand-Modell ausgegangen.

Nach Sutin et al. tritt, wenn ein Brückenligand leicht reduziert oder oxidiert werden kann, ein drittes Minimum auf der Potentialhyperfläche auf, welches einem intermediären Zustand {[M]n-(Brücke)●+-[M]n} bzw. {[M](n+1)-(Brücke)●--[M](n+1)} entspricht. Dieses zusätzliche Minimum macht einen Ladungstransfer nach einem inkohärenten Hüpfmechanismus möglich. Durch das Drei-Zustand-Modell lassen sich auch Phänomene wie die Verschmälerung der IVCT-Bande oder das Auftreten einer zusätzlichen MLCT bzw. LMCT- Bande erklären.20,73

Abbildung 1.1#1: Semiklassische Marcus-Hush-Potentialkurvenmodelle (PK). PK eines symmetrischen, dinuklearen Klasse-II- (a) und Klasse-III-Systems (b); PK eines asymmetrischen, dinuklearen Klasse-II- (c) und Klasse-III-Systems (d); PK eines symmetrischen, dinuklearen Klasse-II-Systems mit hochenergetischem NIL-Zustand (e) und mit niedrigenergetischem NIL-Zustand (f).18-20,73-75

Wie groß der Beitrag eines redoxaktiven Brückenliganden am Oxidationsprozess ist, kann mittels ESR-Spektroskopie abgeschätzt werden. Metallzentrierte Radikalkationen zeigen Signale bei g-Werten, welche stark vom Landé-Faktor des freien Elektrons (ge) abweichen, wohingegen die g-Werte der Signale von ligandzentrierten Radikalkationen diesem stark ähneln. Über die Linienform des ESR-Signals werden zudem Informationen über Hyperfeinkopplungen zu anderen Kernen mit I ≠ 0 und somit die Spindichteverteilung im Molekül erhalten.

(22)

Einleitung Kapitel 1

8 | S e i t e

Auch durch IR-spektroskopische Untersuchungen kann der Beitrag des Brückenliganden zum Redoxprozess mit Hilfe von sogenannten "IR-Sonden" ermittelt werden. Carbonyl-Liganden sind dafür besonders gut geeignet, da deren C≡O-Streckschwingungsbanden in einem charakteristischen und von anderen Banden weitgehend freien Bereich des IR-Spektrums auftreten. Darüber hinaus liefert der synergistische Charakter der Metall-Carbonyl-Bindung direkte Informationen über die mit einem Redoxprozess einhergehende Änderung der Elektronendichte am Metallatom (Abbildung 1.1#2). Für Carbonyl-Komplexe der Übergangsmetalle wird (je nach Koordinationszahl und -geometrie) für einen metall- zentrierten Oxidationsprozess eine Blauverschiebung von ungefähr 100 bis 150 cm-1 gefunden.78 Das Ausmaß dieser Verschiebung ist indirekt proportional zum Beitrag des Brückenliganden zum Redoxprozess und nimmt somit bei steigender Beteiligung des Brückenliganden ab.

Ferner liefert die IR-Spektroskopie Informationen über die Elektronen(de)lokalisation in den einzelnen Oxidationsstufen eines Komplexes. Konkrete Aussagen über den Grad der Delokalisation in gemischt-valenten Systemen können anhand des von Geiger et al.

eingeführten Ladungsdelokalisationsparameters Δρ getroffen werden (Gleichung 1.5).79 Für einen gemischt-valenten Zweikernkomplex [A]+ des in Abbildung 1.1#2 dargestellten Typs werden beispielsweise bei einem Klasse-I-System zwei Carbonyl-Banden erwartet, welche die gleiche Energie aufweisen wie die Banden der isolierten Einzelkomponenten [M] und [M]+. In diesem Fall ist 1([A]+) gleich ([A]) und 2([A]+) gleich ([A]2+), wodurch sich für Δρ ein Wert von Null ergibt. Ein Klasse-II-System dieser Art weist zwar ebenfalls zwei Carbonyl-Banden auf, jedoch rücken diese energetisch näher zusammen, als es für Systeme mit lokalisierten Valenzen der Fall wäre und unterscheiden sich von denen in der Neutralverbindung und im Dikation. In diesem Fall ist 1([A]+) größer als ([A]) und 2([A]+) kleiner als ([A]2+), wodurch sich für Δρ ein Wert zwischen Null und 0.5 ergibt. Bei vollständiger Elektronendelokalisation (Klasse-III-System) tritt nur eine Streckschwingungs- bande bei mittlerer Energie auf, da beide Komponenten im gleichen Valenzzustand vorliegen.

In diesem Fall liegt ([A]+) genau zwischen ([A]) und ([A]2+), wodurch sich für Δρ ein Wert von 0.5 ergibt.79

(23)

Kapitel 1 Einleitung

9 | S e i t e Abbildung 1.1#2: Synergistischer Charakter der Metall-Carbonyl-Bindung und Ladungsdelokalisationsparameter Δρ nach Geiger.79

Auch anhand von elektrochemischen Messungen und den daraus erhaltenen Halbstufenpotentialen ( ) können Aussagen über den Grad der Wechselwirkung zwischen den Metallkomplexeinheiten getroffen werden. Ausgehend von einem symmetrischen homobimetallischen System (Abbildung 1.1#3), wird bei einer Klasse-I-Verbindung meist nur ein Zweielektronenredoxprozess ( ) beobachtet, während für eine Klasse-II- oder Klasse-III-Verbindung eine Aufspaltung dieses Prozesses in zwei Einelektronen- redoxprozesse ( und ) zu beobachten ist.

Über den Halbstufenpotentialabstand ( ) der Oxidationsprozesse ( und ) hat man Zugang zur Komproportionierungskonstante Kc, welche als Maß für die Stabilität des einfach oxidierten, gemischt-valenten Moleküls gilt und mathematisch über die freie Enthalpie der Resonanzstabilisierung ∆Gr mit dem elektronischen Kopplungsparameter Hab verbunden ist (Gleichung 1.6 - Gleichung 1.8).20 Da neben der freien Enthalpie der Resonanzstabilisierung

∆Gr noch vier weitere Faktoren - ein statistischer Beitrag ½∙R∙T∙ln(¼), ein elektrostatischer Faktor ∆Ge, ein induktiver Faktor ∆Gi und ein magnetischer Austauschterm ∆Gm - die freie Enthalpie der Komproportionierung (∆Gc) beeinflussen, kann durch voltammetrische Experimente alleine allerdings keine eindeutige Zuordnung einer gemischt-valenten Verbindung zur Klasse I, II oder III vorgenommen werden.20,80-82

Synergistischer Charakter der M-CO- Bindung:

σ-Hinbindung und π-Rückbindung

̃ ̃

̃ (Gl. 1.5)

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Einleitung Kapitel 1

10 | S e i t e

{[ ] [ ]}

{[ ] [ ]} {[ ] [ ]} (Gl. 1.6)

∆Gc = -R∙T∙ln(Kc) = -∆E ∙ F = ½∙R∙T∙ln(¼) + ∆Ge +∆Gi + ∆Gm +∆Gr (Gl. 1.7)

∆Gr = -∆E ∙ F - ½∙R∙T∙ln(¼) - ∆Ge -∆Gi - ∆Gm = -2∙ / max (Gl. 1.8)

Abbildung 1.1#3: Zusammenhang zw. ∆E½, Kc, ∆Gc und Hab. Das Schema und Gl. 1.6 sind dabei exemplarisch für ein symmetrisches homodinukleares System ohne Ligandbeitrag wiedergegeben.20

Um durch voltammetrische Experimente den kooperativen Effekt in asymmetrischen dinuklearen Komplexen abschätzen zu können, kann unter anderem die Differenz zwischen den Redoxpotentialen der zweiten Oxidationswelle des dinuklearen Komplexes und der ersten Oxidationswelle des entsprechenden mononuklearen Komplexes bzw.

betrachtet werden (Abbildung 1.1#4).18,83 Dabei wird jedoch der Substitutionseffekt vernachlässigt. Eine alternative Herangehensweise wurde 1985 von Curtis et al.

vorgeschlagen.84 Dabei werden die Redoxpotentiale der asymmetrischen Komplexe mit denjenigen der entsprechenden symmetrischen Komplexe verglichen. Über das Verhältnis der Redoxpotentialverschiebung m (Gleichung 1.9) und der Änderung des Halbstufen- potentialabstandes δ( ) soll hier eine zuverlässige Aussage über den Kopplungsgrad getroffen werden können (Abbildung 1.1#4).

Kc

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Kapitel 1 Einleitung

11 | S e i t e Abbildung 1.1#4: Interpretation der Voltammogramme von asymmetrischen Verbindungen.18,83,84

Zur Erforschung des Elektronentransportmechanismus über Einzelmoleküle zwischen Elektroden eignen sich weiterführende Untersuchungsmethoden85-93 wie die Rasterkraftmikroskopie (engl.: atomic force microscopy, AFM)40,41,94-97

, die Rastertunnelmikroskopie (engl.: scanning tunneling microscopy, STM)38,96-99 und die mechanisch kontrollierte Bruchkontakttechnik (engl.: mechanically controlled break-junction, MCBJ)100-107. Mithilfe dieser Techniken lassen sich Strom-Spannungs-Kurven von Einzelmolekülkontakten oder Ensembles aus solchen aufzeichnen, aus welchen sich Rückschlüsse auf die Leitfähigkeit einzelner Moleküle ziehen lassen.

1.2 Historische Entwicklung der für diese Arbeit relevanten Metall-Vinyl- Komplexe

Die Arbeitsgruppe Winter möchte durch ihre Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Molekularelektronik einen Beitrag zur Entwicklung einer ressourceneffizienten Energienutzung leisten. Dabei fokussieren wir uns derzeit hauptsächlich auf Metall-Vinyl- Verbindungen des Typs A (Abbildung 1.2#1). Über die ersten Komplexe dieser Art wurde erstmals in den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts berichtet.108,109

Abbildung 1.2#1: Metall-Vinyl-Verbindungen des Typs A (M = Ru, Os).

Verhältnis der

Redoxpotentialverschiebung:

(Gl. 1.9)

(26)

Einleitung Kapitel 1

12 | S e i t e

H. Werner und M. A. Esteruelas sowie A. Santos und M. R. Torres gelang 1986 erstmals die Synthese einkerniger Alkenyl-Komplexe des Rutheniums und des Osmiums.108,109 Schon kurz darauf konnte durch Arbeiten zur Metall-Hydrid-katalysierten Hydrierung von Alkinen ein erster Vorschlag für den Mechanismus dieser Alkin-Insertion postuliert werden (Abbildung 1.2#2).110-112

Abbildung 1.2#2: Mechanistischer Vorschlag für die Hydrometallierungsreaktion.110-112 Wie komplex diese einfach erscheinende Reaktion in Wirklichkeit ist, zeigen Caulton und Eisenstein et al. anhand experimenteller Befunde und quantenchemischer Rechnungen.113 Gegenstand dieser Studie war die Frage, wie terminale Alkine mit ungesättigten Metall- Hydriden reagieren, bei welchen die Gestalt des LUMOs die Addition des Alkins trans zum Hydrid-Liganden bevorzugt. Dabei stellten die Autoren fest, dass die Geschwindigkeit der Bildung von Vinyl-Komplexen in den Reihen primär > tertiär > sekundär und elektronenarm

> elektronenreich abnimmt. Ferner kann die Reaktion eines Komplexes M(CO)ClH(PR3)2 (M

= Ru, Os) mit einem terminalen Alkin nicht durch einen einzigen Reaktionskanal verstanden werden. Deutlich wird aber, dass der Vinyl-Komplex jeweils das thermodynamisch stabilste Produkt zu sein scheint. Weder die Bildung eines Alkin-Addukts (mit dem Alkin trans zum Hydrid) noch die eines Vinyliden-Komplexes liegen dabei auf dem direkten Bildungspfad der Vinyl-Komplexe. Durch quantenchemische Rechnungen konnte außerdem ein neuer Reaktionsweg beschrieben werden, bei welchem das Alkin cis zur Metall-Hydrid-Bindung koordiniert und nach Insertion des Alkins in die Metall-Hydrid-Bindung zum thermodynamisch stabilen Vinyl-Komplex führt.113

Im Jahr 1994 wurden erstmals divinylphenylenverbrückte Zweikernkomplexe in der Literatur beschrieben (Abbildung 1.2#1).56,57 Überraschenderweise dauerte es noch weitere zehn Jahre, bis die ersten elektrochemischen Untersuchungen an diesen Komplexen erfolgten.58,59

Über Ruthenium- und Osmium-Alkenyl-Komplexe konnten inzwischen viele wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, welche dabei helfen, die sogenannte "Feinjustierung" der elektronischen Eigenschaften und somit die Einflüsse auf den Ladungstransfermechanismus

(27)

Kapitel 1 Einleitung

13 | S e i t e zu verstehen. Auf den aktuellen Stand dieser Forschung werde ich speziell in Kapitel 5 des Hauptteils eingehen und diesen um diejenigen Befunde ergänzen, welche durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit neu hinzugekommen sind.

In Kapitel 2 werde ich die Aufgabenstellung dieser Doktorarbeit ausführen. Die Ergebnisse bezüglich des "langreichweitigen Ladungstransfers in (ethinyl)(vinyl)phenylenverbrückten Komplexen" werden in Kapitel 3 und die bezüglich "metallorganischer, supramolekularer Strukturen aus Ruthenium-Vinyl-Untereinheiten" in Kapitel 4 erläutert.

(28)

Aufgabenstellung Kapitel 2

14 | S e i t e

2 Aufgabenstellung

In dieser Dissertationsarbeit sollten drei Teilaspekte bearbeitet werden:

Der erste Teilaspekt war Bestandteil des Kooperationsprojekts mit dem Titel

"Langreichweitiger Ladungstransfer" (Kapitel 3). In diesem galt es zu überprüfen, ob die Kombination von {Ru(dppe)2}-Alkinyl- mit {Ru(CO)Cl(PiPr3)2}-Vinyl-Einheiten zu einer elektronischen Kommunikation über eine große Entfernung führt. Das im ersten Teilprojekt erfolgreich hergestellte Hybrid-System sollte im zweiten Teilprojekt erweitert werden.

Außerdem sollte durch das Einführen von geeigneten Substituenten am Brückenliganden das Redoxverhalten des Gesamtkomplexes verbessert werden. In einem folgenden Schritt sollten diese Systeme mit Ankergruppen ausgestattet werden, welche an eine Goldoberfläche gebunden werden können. Das letzte Projekt im Rahmen dieses Teilaspekts bestand darin, mit den Ankergruppen tragenden Molekülen weiterführende Experimente zu initiieren, um neue Erkenntnisse über die Struktur-Eigenschafts-Beziehung innerhalb der Verbindungsklasse der Ruthenium-Vinyl-Komplexe zu erhalten.

Im zweiten Teil der Arbeit sollten verschiedene Protokolle evaluiert werden, mit deren Hilfe käfigartige Koordinationsverbindungen hergestellt werden können (Kapitel 4). Dabei sollten erste Ansätze für eine zielgerichtete Synthese von symmetrischen und asymmetrischen

"Koordinationskäfigen" gefunden werden.

Im dritten Teilaspekt sollten die elektrochemischen Eigenschaften des asymmetrischen, homobimetallischen Ruthenium-Vinyl-Komplexes [{Ru(CO)(η2-O2CPh)(PiPr3)2}(μ-CH=CH- 1,4-C6H4-CH=CH-){Ru(CO)Cl(PiPr3)2}] und die des asymmetrischen, heterobimetallischen Ruthenium/Osmium-Vinyl-Komplexes [{Ru(CO)Cl(PiPr3)2}{Os(CO)Cl(PiPr3)2}(μ-CH=CH- 1,4-C6H4-CH=CH-)] in Bezug auf die entsprechenden symmetrischen Komplexe [{Ru(CO)(η2-O2CPh)(PiPr3)2}2(μ-CH=CH-1,4-C6H4-CH=CH-)], [{Ru(CO)Cl(PiPr3)2}2(μ- CH=CH-1,4-C6H4-CH=CH-)] und [{Os(CO)Cl(PiPr3)2}2(μ-CH=CH-1,4-C6H4-CH=CH-)]

studiert werden.

Alle neu dargestellten Verbindungen sollten vollständig charakterisiert und durch voltammetrische Studien untersucht werden. Ferner sollten an ausgewählten Komplexen UV/Vis/NIR- und IR-spektroelektrochemische Messungen durchgeführt werden.

(29)

Kapitel 3.1 Molekulare Drähte Projekt 1: Einleitung

15 | S e i t e

3 Molekulare Drähte

Auf dem Gebiet der molekularelektronischen Forschung sind sogenannte "molekulare Drähte" die grundlegenden Bausteine. Als Modellverbindungen eignen sich hierfür besonders

"Ladungstransfer-Komplexe" mit räumlich separierter Donor- und Akzeptoreinheit. Durch die Kombination von π-konjugierten, organischen Liganden mit verschiedenen Metallzentren kann eine erstaunliche "Feinjustierung" der elektronischen Eigenschaften erreicht werden.

Ruthenium-Einheiten, welche über redoxaktive Brückenliganden wie 1,4- Diethinylphenylen40-42,44-50,53-55

oder 1,4-Divinylphenylen54-67 verknüpft werden, bergen dabei ein großes Potential. Das anodische Redoxverhalten solcher Ruthenium-Komplexe wird meist maßgeblich vom Brückenliganden beeinflusst oder gar dominiert. Auffällig sind in diesem Zusammenhang die ähnlichen Eigenschaften von [Ru(-C≡C-C6H4R)(dppe)2(X)]- und [Ru(-CH=CH-C6H4R)(CO)(Cl)(PiPr3)2]-Einheiten. In gemischt-valenten Zuständen der 1,4- divinyl- bzw. 1,4-diethinylphenylenverbrückten Zweikernkomplexe liegt zum Beispiel eine vollständige Ladungs- und Spindelokalisation vor, was deren Kombination zu asymmetrischen Komplexen nahelegt. In der molekularelektronischen Forschung gibt es ein großes Interesse an asymmetrischen Komplexen, da die Kombination von zwei oder mehr unterschiedlichen Redoxeinheiten zu einem Hybrid-System den Weg hin zu neuen Anwendungsgebieten wie zum Beispiel dem Einsatz solcher Verbindungen als molekülbasierte Schalter ebnet.

3.1

Ursprung des Rennes-Kooperationsprojektes und seine ersten Erfolge

In den vergangenen Jahren wurden unterschiedliche Methoden entwickelt, um gezielt asymmetrische, multimetallische Übergangsmetallkomplexe herstellen zu können. Die Metalleinheiten können dabei über direkte Metall-Kohlenstoff-Bindungen, über koordinative Bindungen mittels Donoratomen oder auch durch eine Mischung beider Bindungsarten miteinander verknüpft werden (Abbildung 3.1#1).

(30)

Molekulare Drähte Projekt 1: Einleitung Kapitel 3.1

16 | S e i t e

Abbildung 3.1#1: Unterschiedliche Verknüpfungsarten für Metallionen in ligandverbrückten Mehrkernkomplexen. Verknüpfung der Metallzentren über direkte M-C-Bindungen (links), über koordinative Bindungen (X = S, N, ...) (Mitte) und über eine Mischung der beiden Bindungsarten (rechts).

Versuche, verschiedene zur Ausbildung stark gekoppelter gemischt-valenter Systeme befähigte Komplexeinheiten zu einem asymmetrisch gebauten Hybrid-Komplex zu vereinen, führten aufgrund der Redoxasymmetrie in den meisten Fällen zu partieller Ladungs- und Spinlokalisation auf der elektonenreicheren Einheit des Moleküls. Inzwischen konnten aber auch einige Komplexe mit starker elektronischer Kopplung zwischen zwei ungleichen Metalleinheiten identifiziert werden.18,42,52,84,114-124

In Abbildung 3.1#2 ist als Beispiel ein dinuklearer Komplex von Fischer et al. dargestellt.124 Im Grenzgebiet zwischen partieller und vollständiger Delokalisation gibt es das Phänomen der Valenztautomerie, welches genau ausbalancierte Werte von Hab,  und ΔG0 voraussetzt (Abbildung 1.1#1).77,125-135 Kubiak et al.

haben dazu detaillierte Studien an Ruthenium-Komplexen durchgeführt.77,127-130,132

Erst kürzlich gelang Jing Chen die Synthese eines heterodinuklearen Komplexes, bei welchem drei unterschiedliche Valenztautomere nebeneinander im thermischen Gleichgewicht vorliegen. Die positive Ladung ist dabei entweder auf der Zinkporphyrin-Einheit [Zn-TPP+- StyRu] oder der Ruthenium-Styryl-Einheit [Zn-TPP-StyRu+] lokalisiert oder über das gesamte System [Zn-TPP-StyRu]+ delokalisiert (Zn-TPP = 5,10,15-tris(3,5- ditbutylphenyl)zinkporphyrin und StyRu = -C6H4-CH=CH-Ru(CO)Cl(PiPr3)2).135 Heinze et al. sind bestrebt, durch ihre Forschung an heterobimetallischen Rhenium-Ruthenium- Komplexen die Funktionsweise von biologischen Systemen nachzuahmen (Abbildung 3.1#2).

Dabei versuchen sie beispielsweise, licht- und elektrochemisch induzierte Prozesse über das mit der Amid-Einheit wechselwirkende Gegenion zu regulieren.134 Auf dem Gebiet der photonenbasierten Technologien sind Moleküle mit elektrochemisch schaltbaren NLO- Eigenschaften (NLO = nicht-linear optisch) sehr interessant. Paul und Humphrey et al.

erkannten hier das Potential von heterobimetallischen Eisen-Ruthenium-Komplexen.52 Inzwischen sind auch Moleküle bekannt, welche es erlauben, den Elektronentransfer durch das Lösungsmittel zu steuern. Meyer et al. haben gezeigt, dass durch die Variation der Donorstärke des Lösungsmittels sogar die Oxidationsstufen der gemischt-valenten Verbindung von OsIII-RuII nach OsII-RuIII (und vice versa) geändert werden können.81,125

(31)

Kapitel 3.1 Molekulare Drähte Projekt 1: Einleitung

17 | S e i t e Abbildung 3.1#2: Ausgewählte Beispiele aus der Literatur.52,77,123-125,134

Die angeführten Beispiele zeigen deutlich, wie sensibel die Abstimmung der strukturellen und elektronischen Eigenschaften zwischen den intrinsischen Metallzentren ist und welche außergewöhnlichen Phänomene im Grenzgebiet zwischen partieller und vollständiger Delokalisation vorkommen können.

Im Rahmen des PROCOPE-Programms förderte daher der DAAD die Zusammenarbeit unserer Arbeitsgruppe mit der von Stéphane Rigaut von der Université de Rennes. Durch das Kooperationsprojekt mit dem Titel "Langreichweitiger Ladungstransfer" sollte überprüft werden, ob die Kombination von {Ru(dppe)2}-Alkinyl- mit {Ru(CO)Cl(PiPr3)2}-Vinyl- Einheiten zu einer elektronischen Kommunikation führt, welche sich über eine große Distanz ausweiten lässt.

Florian Pevny (Prof. Winter) und Emanuel Di Piazza (Prof. Rigaut) konnten im ersten Teil des Projekts erfolgreich zeigen, dass in allen drei Oxidationszuständen der asymmetrisch verbrückten Komplexe VCl und VPh die Ladung vollständig über das Gesamtsystem

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Molekulare Drähte Projekt 2: Einleitung Kapitel 3.2

18 | S e i t e

delokalisiert ist (Abbildung 3.1#3).54 Dies legte die Vermutung nahe, dass diese Art von Hybrid-Komplexen in Bezug auf Ladungs- und Spindelokalisation ebenso effizient ist wie deren symmetrische Gegenstücke.51,60

Abbildung 3.1#3: Erster Teil des Rennes-Kooperationsprojekts.51,54,60

3.2 Rennes-Kooperationsprojekt Teil 2: Expansion des Systems

Ziel des zweiten Teils des Kooperationsprojektes war es, das vielversprechende Hybrid- System VPh (Abbildung 3.1#3) durch Substitution des Phenylethinyl-Liganden durch einen weiteren (Ethinyl)(vinyl)phenylen-Ruthenium-Baustein zu trinuklearen Ruthenium- Komplexen des in Abbildung 3.2#1 dargestellten Typs zu erweitern und durch das Einführen von geeigneten Substituenten am Brückenliganden das Redoxverhalten des Gesamtkomplexes zu verbessern (Abbildung 3.2#1).

Abbildung 3.2#1: Zielverbindungen des zweiten Teils des Kooperationsprojekts mit der Université de Rennes.

Paul, Bruce und Liu et al. konnten in ihren Studien an einkernigen Ruthenium- Ethinylphenylen- und Ruthenium-Vinylphenylen-Komplexen zeigen, dass elektronenreiche Substituenten im Vergleich zu elektronenarmen Substituenten den Oxidationsprozess zum Radikalkation erleichtern und dessen Reversibilität erhöhen (Abbildung 3.2#2).136,137

(33)

Kapitel 3.2 Molekulare Drähte Projekt 2: Einleitung

19 | S e i t e Abbildung 3.2#2: Verschiedene Resonanzformen für Ruthenium-Alkinyl- und Ruthenium- Vinyl-Komplexe.

Ferner wurde in Arbeiten zu diethinylphenylen- und divinylphenylenverbrückten Ruthenium- Komplexen die Hypothese aufgestellt, dass elektronenreiche Substituenten am Brückenliganden die Ladungsdelokalisation zwischen den redoxaktiven Gruppen erhöhen.

Diese Annahme wurde in dem Artikel von Liu et al. anhand der steigenden Kc-Werte getroffen, welche gemäß einer nicht immer gültigen Daumenregel mit steigender Ladungsdelokalisation gleichgesetzt wurden. Low et al. konnten durch quantenchemische Rechnungen zeigen, dass die verschiedenen Substituenten hauptsächlich Einfluss auf die Redoxeigenschaften des Brückenliganden nehmen. Elektronenschiebende Gruppen erleichtern demzufolge (im thermodynamischen Sinne) die Oxidation des Divinyl-Liganden, womit die steigenden Kc-Werte auf die steigende thermodynamische Stabilität der Aryl- Kationen zurückzuführen sind.53,63,65

Da sich in den oben genannten Studien herausstellte, dass sich der Einfluss von Methoxy- Gruppen äußerst positiv auf das Redoxverhalten von ein- und zweikernigen Ruthenium- Komplexen auswirkt, sollte das erweiterte Hybrid-System 3 mit Methoxy-Substituenten am Brückenliganden hergestellt werden (Abbildung 3.2#1). Um die spektroskopischen und elektrochemischen Daten der Zielverbindungen 3V und 3 systematisch untersuchen zu können, wurden zusätzlich die Vergleichsverbindungen VOMe und 5 hergestellt. Darüber hinaus wurden die zu den Verbindungen 3V und 3 analogen Komplexe 4V und 4 mit 13C- markierten Carbonyl-Liganden hergestellt, um die Überlappung der Carbonyl- und Alkinyl- Streckschwingungsbanden dieser Komplexe in ihren unterschiedlichen Oxidationsstufen IR- spektroskopisch auflösen zu können.

(34)

Molekulare Drähte Projekt 2: Synthese Kapitel 3.2

20 | S e i t e

Abbildung 3.2#3: Vergleichsverbindungen VOMe und 5.

Die Zielverbindung 3V (Abbildung 3.2#1) und der 13C-(CO)-markierte Komplex 4V wurden innerhalb des Projekts von Florian Pevny (Prof. Winter) hergestellt und in seiner 2011 eingereichten Dissertation ausführlich diskutiert.138 Yves-Marie Hervault (Prof. Rigaut) synthetisierte den Vergleichskomplex VOMe. Für die vorliegende Arbeit galt es, den Dreikernkomplex 3 (Abbildung 3.2#1) und die Vergleichsverbindungen 4 und 5 herzustellen.

Im Folgenden wird zunächst auf die Synthese und Charakterisierung der im Rahmen dieser Arbeit hergestellten Komplexe 1 - 5 eingegangen. Danach werden die Daten der voltammetrischen und spektroelektrochemischen Untersuchungen erläutert und die Ergebnisse abschließend in einer zusammenfassenden Diskussion in Bezug auf langreichweitigen Ladungstransfer mit entsprechenden literaturbekannten Komplexen verglichen.

3.2.1 Synthese der Komplexe

Um Komplex 3 (Abbildung 3.2#1) synthetisieren zu können mussten zunächst der Ruthenium-Präkursor cis-[RuCl2(dppe)2]139 (Abbildung 3.2#4) und das einfach geschützte Diethinylbenzol L397 (Abbildung 3.2#5) hergestellt werden. Für beide Verbindungen gibt es zwar bereits veröffentlichte Synthesevorschriften, in dieser Arbeit wurde aber nur diejenige für den Komplex cis-[RuCl2(dppe)2] verwendet.97,139 Für das einfach geschützte Diethinylbenzol L3 wurde eine alternative Herstellungsroute gewählt.

Ausgehend von hydratisiertem Ruthenium(III)chlorid wurde mittels Zugabe von zwei Äquivalenten an 1,2-Bis(diphenylphosphinyl)ethan zunächst das gegenüber Alkinen unreaktive trans-Isomer von [RuCl2(dppe)2] erhalten, welches durch Aufziehen auf Kieselgel in das gewünschte cis-Isomer umgewandelt werden konnte.139

(35)

Kapitel 3.2 Molekulare Drähte Projekt 2: Synthese

21 | S e i t e Abbildung 3.2#4: Synthese des Ruthenium-Präkursors cis-[RuCl2(dppe)2].139

Die Synthese von 4-(Trimethylsilylethinyl)-1-ethinyl-2,5-dimethyloxybenzol (L3) erfolgte in Anlehnung an die von Nierengarten et al. und Miyata et al. publizierten Vorschriften (Abbildung 3.2#5).140,141 Ausgehend vom kommerziell erhältlichen 4-Brom-2,5- dimethoxybenzaldehyd wurde über drei Stufen das entsprechende einfach geschützte Diethinylbenzol erhalten. Über die Sonogashira-Kreuzkupplungsreaktion wurde im ersten Schritt das trimethylsilylgeschützte Alkin eingeführt. Im Anschluss folgte die zweistufige Corey-Fuchs-Reaktion, mit welcher die Aldehydfunktion in die ungeschützte Alkinfunktion überführt wurde. Zu beachten ist hier, dass beim Methoxy-substituierten Molekül sowohl die Sonogashira-Kreuzkupplungsreaktion als auch der erste Schritt der Corey-Fuchs-Reaktion deutlich länger dauern als beim unsubstituierten 4-Brombenzaldehyd. Des Weiteren hängt die Ausbeute im ersten Schritt der Corey-Fuchs-Reaktion sehr stark von der Qualität des Tetrabromkohlenstoffs und von der Temperatur (kein Umsatz unterhalb von 15 °C) ab.

Abbildung 3.2#5: Synthese des organischen Liganden L3.140

Mit diesen beiden Edukten, cis-[RuCl2(dppe)2] und L3, konnte nun der Ruthenium-Präkursor 2 dargestellt werden. Die Methode zur Umsetzung von cis-[RuCl2(dppe)2] mit terminalen Alkinen wurde in den 90er Jahren in den Laboratorien der Université de Rennes entwickelt.39,43,142,143

Dabei wird der Ruthenium-Komplex cis-[RuCl2(dppe)2] zusammen mit Natriumhexafluorophosphat in Dichlormethan vorgelegt. Das terminale Alkin wird nach wenigen Minuten zusammen mit Triethylamin zugetropft. Nach ungefähr einem Tag kann der entstandene Ruthenium-Alkinyl-Komplex aufgereinigt und mit Tetrabutylammoniumfluorid entschützt werden.39,43 Die Herstellung der Komplexe 1 und 2 gelang mit dieser Methode in einer Ausbeute von 92% für Komplex 1 und 81% für Komplex 2.

(36)

Molekulare Drähte Projekt 2: Synthese Kapitel 3.2

22 | S e i t e

Abbildung 3.2#6: Synthese des Ruthenium-Präkursors 2.39,43,142,143

Um die Zielverbindung 3 zu generieren wurde ein Äquivalent des Ruthenium-Präkursors 2 mit zwei Äquivalenten des fünffach koordinierten Ruthenium-Hydrid-Komplexes [Ru(CO)ClH(PiPr3)2]144 umgesetzt (Abbildung 3.2#7).54 Anders als beim vergleichbaren Komplex 3V musste die Reaktionslösung des Komplexes 3 für sieben Stunden gerührt werden, um nach entsprechender Aufreinigung eine Ausbeute von 91% zu erreichen.138

Abbildung 3.2#7: Synthese der Zielverbindung 3.54,55,138,144

Zur systematischen Interpretation der spektroskopischen und elektrochemischen Daten des Komplexes 3 war die Herstellung von Vergleichsverbindungen notwendig. Wie eingangs bereits erwähnt wurden dazu die Komplexe VOMe und 5 synthetisiert. Der dafür benötigte Ligand L4145 konnte durch Entschützen der Verbindung L3 (Abbildung 3.2#5) mit Kaliumfluorid erhalten werden. Indem Ligand L4 mit etwas mehr als zwei Äquivalenten an [Ru(CO)ClH(PiPr3)2]144 für 30 Minuten in Dichlormethan gerührt wurde, konnte Komplex 5 nach geeigneter Aufreinigung in einer sehr guten Ausbeute von 93% als violetter Feststoff erhalten werden.

(37)

Kapitel 3.2 Molekulare Drähte Projekt 2: NMR

23 | S e i t e Abbildung 3.2#8: Synthese der Vergleichsverbindungen VOMe und 5. (a) [ClRu(dppe)2][OTf]146, Et3N, CH2Cl2. (b) [Ru(CO)ClH(PiPr3)2]144, CH2Cl2.55,145

Außerdem wurden die zu Verbindungen 3 und 3V analogen Komplexe 4 und 4V mit 13C- markiertem Carbonyl-Kohlenstoffatom hergestellt. Florian Pevny (Prof. Winter) hat dazu ausgehend von 13C-markiertem Methanol, den 13C-markierten Ruthenium-Hydrid-Komplex [Ru(13CO)ClH(PiPr3)2] generiert. Indem die Ruthenium-Präkursoren 2 und 2V mit zwei Äquivalenten an [Ru(13CO)ClH(PiPr3)2] versetzt wurden, konnten die angestrebten dreikernigen Ruthenium-Komplexe 4 und 4V mit 13C-markierten Carbonyl-Liganden hergestellt werden. Auf Verbindung 4 wird im Zusammenhang mit den IR- spektroelektrochemischen Untersuchungen näher eingegangen (Kapitel 3.2.3.2).

3.2.2 Charakterisierung der Komplexe

Die Identität der Komplexe 1 - 5 wurde mittels 1H-, 31P{1H}- und 13C{1H}-NMR- Spektroskopie, IR-Spektroskopie sowie mittels Elementaranalyse bestätigt. Darüber hinaus wurden von allen Komplexen UV/Vis-Spektren aufgenommen und ihre Radikalkationen per ESR-Spektroskopie charakterisiert. Durch Röntgenbeugungsexperimente konnten die Molekülstrukturen der Komplexe 1, 2, 5 und 5V im Festkörper bestimmt werden. Im Folgenden werden ausgewählte Daten aus diesen Messungen zusammengefasst und relevanten Daten aus der Literatur gegenübergestellt.

3.2.2.1 NMR-Spektroskopie

Die NMR-Spektroskopie ist neben der IR- und Massen-Spektroskopie eine der wichtigsten analytischen Messmethoden der Chemie. Durch die Abhängigkeit der zur Kernresonanz benötigten Energie von der elektronischen Umgebung der Kerne erhält man mit dem NMR- Spektrum eine Art "Fingerabdruck" der Verbindung. Durch die Auswertung der ein- und zweidimensionalen NMR-Spektren konnte die Identität der Komplexe 1 - 5 eindeutig belegt werden.

(38)

Molekulare Drähte Projekt 2: NMR Kapitel 3.2

24 | S e i t e

Für die Charakterisierung der Zielverbindung 3 mittels NMR-Spektroskopie sind im 1H- NMR-Spektrum vor allem die Resonanzsignale der Vinyl-Protonen und deren integrales Verhältnis Vi zu den Resonanzsignalen der Aryl-, Methoxy-, Methin- und dppe-Protonen ausschlaggebend (Tabelle 3.2#1). Im 31P{1H}-NMR-Spektrum liefern die chemische Verschiebung der Resonanzsignale für die Phosphoratome der Triisopropylphosphin- und der dppe-Liganden sowie deren integrales Verhältnis Vi zueinander Informationen über die Struktur der Verbindung. Die Resonanzsignale der Vinyl-, Alkinyl-, Carbonyl- und iPr- Kohlenstoffatome sowie deren Multiplizität tragen zur Vervollständigung des Bildes bei.

Im Allgemeinen sind bei Ruthenium-Vinyl-Komplexen des Typs [Ru(CH=CHR)(CO)Cl- (PiPr3)2] die Resonanzsignale der beiden Vinyl-Protonen bei einer chemischen Verschiebung δ um 8 bzw. 6 ppm zu finden und zeigen in den meisten Fällen ein gut aufgelöstes Aufspaltungsmuster eines Dubletts-von-Triplett (Abbildung 3.2#9). Dabei beträgt die vinylische 3JH,H-Kopplungskonstante ungefähr 13 Hertz und die 3JH,P- bzw. die 4JH,P- Kopplungskonstante, welche auf die Spin-Spin-Kopplung der Vinyl-Protonen zu den Phosphoratomen der Triisopropylphosphin-Liganden zurückzuführen ist, ungefähr ein bis zwei Hertz. Das Resonanzsignal der Methin-Protonen des Triisopropylphosphin-Liganden zeigt im Normalfall ein charakteristisches Multiplett-Aufspaltungsmuster eines Dubletts-von- Quartett-von-Quartett. Dieses Aufspaltungsmuster lässt sich von den Spin-Spin-Kopplungen der Methin-Protonen mit einem Phosphoratom (2JH,P → Dublett) und zwei diastereotopen Methylprotonen-Gruppen (2x 3JH,Me → 2x Quartett) herleiten.

Abbildung 3.2#9: Charakteristische Signale im 1H-NMR-Spektrum von Ruthenium-Vinyl- Komplexen: RuCH=CH (a), RuCH=CH (b), P(CH(CH3)2)3 (c).

(a) (b)

(c)

(39)

Kapitel 3.2 Molekulare Drähte Projekt 2: NMR

25 | S e i t e Sowohl Zielverbindung 3 als auch die neu hergestellten Vergleichsverbindungen 4 und 5 zeigen im 1H-NMR-Spektrum die für Ruthenium-Vinyl-Komplexe charakteristischen Resonanzsignale (Tabelle 3.2#1). Das Resonanzsignal für die Protonen RuCH, RuCH=CH und PCH(CH3)2 liegen bei ungefähr 8.25, 6.25 bzw. zwischen 2.95 und 2.70 ppm. Die relativ große 3JH,H-Kopplungskonstante der vicinalen Vinyl-Protonen von 12.5 (3), 13.1 (4) und 13.1 (5) Hertz deutet dabei auf eine trans-Konfiguration der vinylischen Doppelbindung hin.147 Bei den Dreikernkomplexen 3 und 4 überlagern sich das Resonanzsignal der Methin- Protonen und das Resonanzsignal der dppe-Protonen, weshalb eine genaue Zuordnung dieser Resonanzsignale nicht möglich ist. Das integrale Verhältnis Vi der Resonanzsignale für die Vinyl-Protonen zu den Resonanzsignalen der Aryl-, Methoxy-, Methin- und dppe-Protonen beträgt erwartungsgemäß (2+2):4:12:12:8 für die Komplexe 3 und 4 und (2+2):2:6:12:0 für den Komplex 5. Wenn man die 1H-Resonanzfrequenzen der Komplexe 3 und 5 mit den 1H- Resonanzfrequenzen der entsprechenden unsubstituierten Analoga 3V und 5V vergleicht, stellt man eine moderate Verschiebung einzelner Resonanzsignale fest. So erfährt zum Beispiel das Resonanzsignal des vinylischen Protons am Ruthenium-gebundenen Kohlenstoffatom RuCH im Komplex 3 gegenüber demjenigen im Komplex 3V eine Hochfeldverschiebung um 0.13 ppm, während das Resonanzsignal des anderen vinylischen Protons RuCH=CH um 0.28 ppm zu tieferem Feld verschoben ist. Auch im Komplex 5 erfährt das Resonanzsignal des vinylischen Protons am Ruthenium-gebundenen Kohlenstoffatom RuCH gegenüber demjenigen von Komplex 5V eine Hochfeldverschiebung um 0.13 ppm, während das Resonanzsignal des anderen vinylischen Protons RuCH=CH um 0.32 ppm zu tieferem Feld verschoben ist. Dieser Effekt ist durch die Einflüsse der chemischen Umgebung auf die chemische Verschiebung δ der einzelnen Protonen zu erklären. Eine verminderte/erhöhte Elektronendichte am Kern führt zu einer Entschirmung/Abschirmung des Kerns und damit zu einer höheren/niedrigeren Resonanzfrequenz des Kernspins (Tieffeldverschiebung/Hochfeldverschiebung). Man kann somit festhalten, dass durch das Einführen der Methoxy-Substituenten die Elektronendichte am RuCH=CH-Proton erhöht und am RuCH=CH-Proton vermindert wird.

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