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Charakterisierung und voltammetrische Untersuchungen

4 Supramolekulare Architekturen

4.4 Supramolekulare Architekturen mit Phthalsäure-Derivaten als Brückenliganden Brückenliganden

4.4.2 Charakterisierung und voltammetrische Untersuchungen

Im Folgenden werden ausgewählte Daten aus den NMR-, IR- sowie UV/Vis-spektroskopischen Studien der Komplexe 28 - 42 diskutiert (Abbildung 4.4#23). Darüber hinaus wird auch auf die Charakterisierung der hinreichend stabilen Radikalkationen per ESR-Spektroskopie eingegangen. Durch Röntgenbeugungsexperimente konnten die Molekülstrukturen der Komplexe 29 und 34 im Festkörper bestimmt werden. Details zu diesen Molekülstrukturen finden sich in den Abschnitten 8.4.2.5 und 8.4.2.6. Die Molekülstrukturen der Komplexe 29 und 34 im Festkörper entsprechen weitgehend denjenigen der vergleichbaren, literaturbekannten Komplexe.62-65,109,179,256,260

Ähnliche Komplexe wurden bereits in Kapitel 3 erläutert. Ferner wurden an allen Komplexen voltammetrische Messungen durchgeführt und exemplarisch die Komplexe 28 - 30 und 42 in UV/Vis/NIR- und IR-spektroelektrochemischen Studien untersucht. In den folgenden Tabellen werden ausgewählte Daten dieser Messungen zusammengefasst (Tabelle 4.4#3, Tabelle 4.4#4, Tabelle 4.4#5 und Tabelle 4.4#6). Im Zuge des Kapitels 4.4.1 wurden bereits die Ergebnisse der Komplexe 28 - 30 einander gegenübergestellt, weshalb hier nicht erneut darauf eingegangen wird. Die spektroskopischen, spektroelektrochemischen und voltammetrischen Daten des asymmetrischen Komplexes 42 werden in Kapitel 5 den Daten der entsprechenden symmetrischen Komplexe 10 und 5V gegenübergestellt. Für die Diskussion der Daten des Komplexes 42 sei somit auf das genannte Kapitel verwiesen.

[Ru] = [Ru(CH=CHPh)(CO)(PiPr3)2] (28), [Ru(CH=CHC6H4CHO-4)(CO)(PiPr3)2] (32),

Abbildung 4.4#23: Molekülstrukturen der Komplexe 28 - 42.

Kapitel 4.4 Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Charakterisierung

171 | S e i t e Im 1H-NMR-Spektrum zeigen alle Verbindungen das korrekte integrale Verhältnis Vi

zwischen den Resonanzsignalen der verschiedenen Protonen. Wie in der vorhergehenden Diskussion bereits festgestellt wurde, hat der Substituent in 5-Position am Isophthalato-Ligand nur geringen Einfluss auf die chemischen Verschiebungen in den NMR-Spektren.

Lediglich das Resonanzsignal des Protons H(4) erfährt in der Reihe 28 (9.25 ppm, in C6D6) >

29 (9.14 ppm, in C6D6) > 30 (8.53 ppm, in C6D6) eine Hochfeldverschiebung. Die Substitution eines Chloro-Liganden durch einen Carboxylato-Liganden führt auch hier zu einer Verschiebung der RCH-Protonen, RCH=CH-Protonen und der Ru(CO)-Kohlenstoffatome zu tieferem Feld und zu einer Verschiebung der Methin-Protonen zu höherem Feld (34 vs. 35). In der 1H-NMR-Spektroskopie gehen eine Tieffeldverschiebung mit einer verminderten Elektronendichte und eine Hochfeldverschiebung mit einer erhöhten Elektronendichte am Atomkern einher. Besonders gut ist der Unterschied zwischen den Protonen der fünffach und sechsfach koordinierten Ruthenium-Einheit in den NMR-Spektren der unsymmetrischen di- und tetranuklearen Komplexe 38, 40 und 42 zu erkennen (Abbildung 4.4#14). Die Kopplungskonstante zwischen den Vinyl-Protonen unterscheidet sich um ungefähr zwei Hertz und beträgt bei den Vinyl-Protonen an der fünffach koordinierten Ruthenium-Einheit ungefähr 13 Hertz und bei denen an der sechsfach koordinierten Ruthenium-Einheit ungefähr 15 Hertz. Der Substituent in para-Position zur Vinyl-Einheit am Vinylphenylen-Liganden hat großen Einfluss auf die chemische Verschiebung des am sechsfach koordinierten Rutheniumatoms positionierten α-Vinyl-Protons. So verschiebt sich dieses Resonanzsignal beispielsweise in der Reihe 40 (8.60 ppm)

< 28 (8.80 ppm) < 39 (9.07 ppm) < 32 (9.57 ppm) zu tieferem Feld (Tabelle 4.4#3).

In seiner Zulassungsarbeit hat Jörg Maurer den Effekt des Substituenten in para-Position zur Vinyl-Einheit am Vinylphenylen-Liganden eines mononuklearen Ruthenium-Komplexes des Typs [Ru(CH=CHC6H4R-4)(CO)Cl(PiPr3)2] mit R = NMe2, OMe, F, H, CO2Me, CF3 und NO2 eingehend untersucht.26,178 In seiner Arbeit stellte er fest, dass es eine weitgehend gute, lineare Korrelation zwischen den NMR-, IR-, ESR-spektroskopischen und voltammetrischen Daten und den σ Hammett ESPs gibt.273 Dabei stellte sich wie bei den Studien von Paul, Bruce und Liu et al., an vergleichbaren, einkernigen Ruthenium-Ethinylphenylen- und Ruthenium-Vinylphenylen-Komplexen, heraus, dass elektronenreiche Substituenten im Vergleich zu elektronenarmen Substituenten den Oxidationsprozess zum Radikalkation erleichtern und dessen Reversibilität erhöhen.136,137

Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Charakterisierung Kapitel 4.4

172 | S e i t e

Tabelle 4.4#3: Ausgewählte NMR-Daten für die Komplexe 28 - 42; chemische Verschiebung δ in ppm; als Lösungsmittel wurde CD2Cl2 verwendet.

Verb. RuCH=CH

Die starken Carbonyl-Streckschwingungsbanden in den IR-Lösungs-Spektren der oktaedrischen Ruthenium-Einheiten sind auch bei den phthalatoverbrückten Komplexen 28 - 32, 35, 37 und 39 im Vergleich zu denjenigen der mononuklearen Präkursoren 34, 36, 6VRu, 31V und 32V rotverschoben (Tabelle 4.4#4). Dies lässt sich auf eine Erhöhung der Elektronendichte am Metall, infolge der Erhöhung der Valenzelektronenzahl von 16 auf 18 zurückführen. Überraschenderweise ist bei den unsymmetrischen Komplexe 38, 40 und 42 nur eine Ru(C≡O)-Streckschwingung zu beobachten, obwohl diese Komplexe sowohl aus einer fünffach als auch aus einer sechsfach koordinierten Ruthenium-Einheit bestehen. Die beiden Streckschwingungsbanden liegen in diesen Komplexen somit energetisch relativ nahe zusammen. In Abbildung 4.4#24 sind exemplarisch die IR- und UV/Vis-Spektren der Komplexe 36, 37 und 38 dargestellt.

Die UV/Vis-Spektren der Komplexe 28 - 42 ähneln denjenigen der in Kapitel 3.3 beschriebenen Komplexe. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch bei den hier betrachteten Komplexen die Absorptionsbanden bei niedrigen Wellenlängen auf Intraligand-Übergänge (ILCT), welche den Brückenliganden einschließen, zurückzuführen sind. Die

Kapitel 4.4 Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Charakterisierung

173 | S e i t e intensiven Absorptionsbanden zwischen 305 und 420 nm haben den TD-DFT-Rechnungen zufolge multikonfigurationalen MLCT-/π-π*-Charakter. Eine relativ breite, intensitätsarme Absorptionsbande um 540 nm ist bei den quadratisch-planaren Komplexen (33, 34 und 36) für die rot-violette Farbe der Komplexe verantwortlich und verschwindet völlig durch das Anbinden des Carboxylato-Liganden. In der Reihe 36 (λ = 350 nm) < 37 (λ = 352 nm) < 38 (λ

= 360 nm) wird eine Rotverschiebung des Absorptionsmaximums beobachtet. Der relativ geringe Unterschied zwischen den Absorptionsbanden der Komplexe 36 und 37 zeigt erneut, dass die Koliganden kaum zum π-konjugierten Pfad der Moleküle beitragen. Der Unterschied zwischen der Lage des Absorptionsmaximums in den Komplexen 37 und 38 ist auf die Ausdehnung des konjugierten -Systems zurückzuführen, was den energetischen Abstand zwischen den entsprechenden Donor- und Akzeptor-Orbitalen verringert. Durch das Anbinden von zwei weiteren Ruthenium-Einheiten ändert sich der Extinktionskoeffizient kaum. Dies liegt am Ursprung dieser Bande, welche zu einem großen Teil auf Aren()→Aren(*)-Übergänge zurückzuführen ist. Auffällig ist auch die im Vergleich zu den anderen Komplexen bathochrome Lage der Absorptionsbanden der Komplexe 32 (λ = 405 nm) und 33 (λ = 420 nm). Dies ist ebenfalls durch ein vergrößertes konjugiertes -System bedingt.

Abbildung 4.4#24: IR- (oben) und UV/Vis-Spektren (unten) der Komplexe 36 (links), 37 (Mitte) und 38 (rechts). Skala in cm-1 (IR) bzw. in nm (UV/Vis).

26800 M-1cm-1 62900 M-1cm-1 73000 M-1cm-1

350 352 360

Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Charakterisierung Kapitel 4.4

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Tabelle 4.4#4: Ausgewählte UV/Vis- und IR-Daten für die Komplexe 28 - 42.

Verb.

In den Cyclovoltammogrammen der phthalatoverbrückten Komplexe werden zwei bzw. drei reversible Redoxwellen beobachtet. Die dinuklearen Komplexe 28 - 32, 35, 37 und 39 zeigen jeweils zwei sehr schwach voneinander separierte Einelektronenredoxprozesse mit einer Halbstufenpotentialaufspaltung zwischen 0.03 und 0.12 V (Tabelle 4.4#5). Das Halbstufenpotential ist stark vom Substituenten in para-Position zum Vinyl-Liganden abhängig. So werden für den ersten Redoxprozess Werte zwischen -0.21 V (31) und 0.30 V (32) und für den zweiten Redoxprozess Werte zwischen -0.18 V (31) und 0.38 V (32) beobachtet. Wie schon aus der Arbeit von Jörg Maurer hervorgeht, verschiebt sich das Potential beider Redoxwellen mit zunehmendem Akzeptorcharakter des Substituenten in para-Position zum Vinyl-Einheit anodisch.26,178 Die tetranuklearen Komplexe 38 und 40 zeigen im Cyclovoltammogramm anstelle der zu erwartenden vier konsekutiven Einelektronenredoxwellen, lediglich drei Redoxwellen. Dabei sind die ersten beiden, leicht voneinander separierten Redoxwellen jeweils den sechsfach koordinierten Ruthenium-Einheiten zuzuordnen. Bei der darauf folgenden Redoxwelle handelt es sich um die Überlagerung von zwei Einelektronenredoxprozessen die jeweils an einer der fünffach koordinierten Ruthenium-Einheit stattfinden. Die Peakpotentialseparation hat für die

Kapitel 4.4 Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Charakterisierung

Abbildung 4.4#25: Cyclovoltammogramm (links) und Square-Wave-Voltammogramm (rechts) des Komplexes 40.

Tabelle 4.4#5: Cyclovoltammetrische Daten der Komplexe 28 - 42 bei einer Vorschub-geschwindigkeit von v = 100 mV/s .

Verb.

a) Peakpotential für einen chemisch partiell-reversiblen Prozess bei v = 100 mV/s. b) Peakpotential für einen chemisch irreversiblen Prozess bei v = 100 mV/s.

Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Charakterisierung Kapitel 4.4

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Die Radikalkationen für die ESR-spektroskopischen Untersuchungen wurden durch chemische Oxidation mit jeweils einem Äquivalent an Ferrociniumhexaflourophosphat oder an Acetylferrociniumhexafluorophosphat generiert. Auch die g-Werte zeigen eine Abhängigkeit vom Substituenten in para-Position zur Vinyl-Einheit. In der Reihe 31 (2.007)

> 38 (2.024) > 29 (2.047) weicht der g-Wert immer stärker von dem des freien Elektrons ab.

Mit steigenden Akzeptoreigenschaften des Substituenten in para-Position zur Vinyl-Einheit leisten somit die Metalleinheiten einen immer größeren Beitrag zum SOMO. Wie schon vorher festgehalten wurde, ändert sich der g-Wert durch die Substitution des Chloro-Liganden durch einen Carboxylato-Chloro-Liganden nur geringfügig. Auch der Substituent in 5-Position des Isophthalato-Liganden hat wenig Einfluss auf den g-Wert.

Tabelle 4.4#6: g-Werte für die Radikalkationen 28●+ - 31●+, 33●+ - 35●+, 38●+, 40●+ und 42●+.

Kapitel 4.4 Supramolekulare Architekturen Projekt 3: Zusammenfassung

177 | S e i t e 4.4.3 Zusammenfassung

In diesem Teil der Dissertation ist es gelungen, asymmetrische "Koordinationskäfige"

stufenweise durch eine kontrollierte Verknüpfung von vinylenarylenverbrückten, zweikernigen Ruthenium-Einheiten und ditopischen Dicarboxylato-Liganden aufzubauen.

Die asymmetrischen Rechtecke konnten jedoch lediglich als Gemische, welche auch die entsprechenden symmetrischen Komplexe enthalten, hergestellt werden. Dies ist auf die Labilität der verbrückenden Dicarboxylato-Liganden zurückzuführen. Dabei ist es sehr erstaunlich, dass in einfachen, dicarboxylatoverbrückten Zweikern-Komplexen ein Scrambling innerhalb kürzester Zeit erfolgt; immerhin müssen dabei jeweils zwei Ruthenium-Sauerstoff-Bindungen gelöst und neu geknüpft werden. In den divinylphenylenverbrückten, zweikernigen Ruthenium-Komplexen erfolgt dieser Prozess gegenüber den dicarboxylatoverbrückten zweikernigen Ruthenium-Komplexen deutlich langsamer. Hier ist auch eine signifikante Abhängigkeit vom Lösungsmittel zu konstatieren.

Das Scrambling ist dabei im polaren CD2Cl2 deutlich schneller als in C6D6. Offensichtlich stabilisieren polare Lösungsmittel die Intermediate, die während des Scrambling-Prozesses auftreten. Um welche Intermediate es sich dabei handelt, ist allerdings noch offen, da diese NMR-spektroskopisch nicht detektiert werden konnten.

Mit der Syntheseroute 3 ist der Weg zu den reinen, asymmetrischen, käfigartigen Koordinationsverbindungen jedoch prinzipiell geebnet. Allerdings setzt eine erfolgreiche Umsetzung dieses Konzeptes die Verwendung stabilerer koordinierender Liganden als die hier eingesetzten Isophthalate voraus. Mögliche Alternativen sind ditopische Acetylacetonato-, Dithiocarbamato- oder Schiff-Base-Liganden.108,274

Supramolekulare Architekturen: Zusammenfassung Kapitel 4.5

178 | S e i t e