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Erweiterung des Kenntnisstands zu dinuklearen 1,4- 1,4-divinylphenylenverbrückten Metallkomplexen

H. Werner und M. A. Esteruelas sowie A. Santos und M. R. Torres gelang 1986 erstmals die Synthese einkerniger Ruthenium- und Osmium-Vinyl-Komplexe, wie sie Gegenstand dieser Arbeit sind.108,109 Im Jahr 1994 wurden zum ersten Mal divinylphenylenverbrückte Ruthenium-Komplexe in der Literatur beschrieben.56,57 Überraschenderweise dauerte es noch weitere zehn Jahre, bis die ersten elektrochemischen Untersuchungen an diesen Komplexen erfolgten.58,59

Inzwischen konnten die Arbeitsgruppen um S. H. Liu, J. P. Low, G. Jia, M. B. Sponsler und R. F. Winter diesbezüglich wichtige Erkenntnisse gewinnen.54,55,58-61,63-65,67,181

So hängen die elektrochemischen Eigenschaften sowohl von den Koliganden als auch den Substituenten am Brückenliganden ab. Auf diese Punkte wurde in den Kapiteln 3.2 und 4.1 bereits ausführlich eingegangen (siehe Diskussion zu den Komplexen 5, 10 - 12 und 14 - 22). Erst kürzlich untersuchte Philipp Mücke in seiner Dissertation, inwiefern der Grad der elektronischen Kommunikation zwischen den beiden endständigen Ruthenium-Vinyl-Einheiten vom Substitutionsmuster an der zentralen Arylen-Einheit abhängt (Abbildung 5#1). Das para- und das meta-Isomer wurde erstmals 2006 von Jörg Maurer hergestellt und untersucht.60 Philipp Mücke gelang die Synthese und Untersuchung des ortho-Isomers. In den Cyclovoltammogrammen zeigen alle drei Isomere zwei konsekutive Einelektronenredox-wellen bei einem Halbstufenpotential von -0.09 und 0.17 V (para), 0.18 und 0.45 V (meta) bzw. 0.04 und 0.35 V (ortho). Die Halbstufenpotentialaufspaltung beträgt 0.26 V (para), 0.27 V (meta) bzw. 0.31 V (ortho) und korreliert nicht mit der experimentellen Stärke der elektronischen Kopplung, welche anhand des von Geiger et al. eingeführten Ladungsdelokalisationsparameters Δρ bestimmt wurde. Die von Philipp Mücke erhaltenen Ergebnisse zeigen, dass die elektronische Kopplung in der Reihe [para-Isomer]●+ (Δρ = 0.43)

> [ortho-Isomer]●+ (Δρ = 0.30) > [meta-Isomer]●+ (Δρ = 0.12) abnimmt und es somit bevorzugte und weniger begünstigte Pfade elektronischer Kommunikation gibt.275 Mit Komplex 43 konnte eine weitere Verbindung zu dieser Reihe hinzugefügt werden. Dieser Komplex zeigt im Cyclovoltammogramm erwartungsgemäß drei konsekutive Einelektronenredoxwellen bei einem Halbstufenpotential von 0.11, 0.42 und 0.56 V (Kapitel 8.5.6.1). Die ersten beiden Redoxwellen sind gegenüber dem vergleichbaren meta-Isomer leicht kathodisch verschoben, was auf die zusätzliche, elektronenreiche

unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Einleitung Kapitel 5

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{Ru(CH=CH)(CO)Cl(PiPr3)2}-Einheit zurückzuführen ist. Komplex 43 könnte sich gut zur Herstellung von mehrkernigen Koordinationskäfigen eignen.

Abbildung 5#1: Verschiedene vinylphenylenverbrückte Ruthenium-Komplexe.

Über asymmetrische, divinylphenylenverbrückte Komplexe ist dagegen kaum etwas bekannt.

Aus diesem Grund sollte in der vorliegenden Arbeit der Kenntnisstand über 1,4-divinylphenylenverbrückte Komplexe sowohl um asymmetrische, homobimetallische Ruthenium-Komplexe als auch um asymmetrische, heterobimetallische Ruthenium/Osmium-Komplexe erweitert werden.

Im Folgenden wird zunächst auf die Eigenschaften des asymmetrischen, homobimetallischen Systems 42 eingegangen. Anschließend wird das asymmetrische, heterobimetallische System 44 diskutiert.

Abbildung 5#2: Molekülstruktur der Komplexe 42 und 44.

Kapitel 5.1 unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Komplex 42

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5.1 Der asymmetrische, homobimetallische, 1,4-divinylphenylen-verbrückte Ruthenium-Komplex 42

In diesem Kapitel werden die spektroskopischen und elektrochemischen Eigenschaften des Komplexes 42 denen der entsprechenden symmetrischen Komplexe 5V und 10 gegenübergestellt (Abbildung 5.1#1). Die Synthese des Komplexes 42 wurde bereits in Kapitel 4.4 beschrieben, weshalb an dieser Stelle auf das genannte Kapitel verwiesen sei. Der generelle Unterschied zwischen fünffach und sechsfach koordinierten Rutheniumatomen in einer derartigen Koordinationsumgebung wurde bereits in Kapitel 3.3 ausführlich behandelt.

Dabei wurden die Komplexe 10 und 5V miteinander verglichen.

Abbildung 5.1#1: Molekülstruktur der Komplexe 10, 42 und 5V.

5.1.1 NMR-Spektroskopie

Im 1H-NMR-Spektrum zeigt Komplex 42 das korrekte integrale Verhältnis Vi zwischen den Resonanzsignalen der Vinyl-, Aryl- und Methin-Protonen: Vi = (1+1+1+1):(2+2):(6+6). In Abbildung 5.1#2 ist ein Ausschnitt aus dem 1H-NMR-Spektrum gezeigt. Die ausgewählten

1H- und 31P{1H}-NMR-Daten in Tabelle 5.1#1 veranschaulichen, dass die chemische Umgebung im 16-Valenzelektronen- bzw. im 18-Valenzelektronen-Fragment des Komplexes 42 jeweils der chemischen Umgebung des entsprechenden symmetrischen Komplexes 5V (fünffach) bzw. 10 (sechsfach) entspricht.

unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Komplex 42 Kapitel 5.1

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Abbildung 5.1#2: Auszug aus dem 1H-NMR-Spektrum des Komplexes 42. Skala in ppm.

Tabelle 5.1#1: Ausgewählte 1H- und 31P{1H}-NMR-Daten für die Komplexe 10, 42 und 5V;

chemische Verschiebung δ in ppm; Kopplungskonstante J in Hz; als Lösungsmittel wurde

a) A = fünffach koordiniertes Rutheniumatom, B = sechsfach koordiniertes Rutheniumatom.

5.1.2 Voltammetrische Untersuchungen

Wie in der Einleitung bereits erwähnt wurde, kann durch voltammetrische Experimente der kooperative Effekt in asymmetrischen, dinuklearen Komplexen abgeschätzt werden. Dazu kann unter anderem die Differenz zwischen den Redoxpotentialen der zweiten Oxidationswelle des dinuklearen Komplexes und der ersten Oxidationswelle des entsprechenden Einkernkomplexes bzw. betrachtet werden (Abbildung 1.1#4).18,83 Dabei wird jedoch der Substitutionseffekt vernachlässigt. Eine alternative Herangehensweise wurde 1985 von Curtis et al. vorgeschlagen.84 Dabei werden die Redoxpotentiale der asymmetrischen Komplexe mit denjenigen der entsprechenden symmetrischen Komplexe verglichen. Über das Verhältnis der Redoxpotentialverschiebung m (Gleichung 1.9) und der Änderung des Halbstufenpotentialabstandes δ( ) soll hier eine zuverlässige Aussage über den Kopplungsgrad getroffen werden können (Abbildung 1.1#4).

Kapitel 5.1 unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Komplex 42

183 | S e i t e Das Cyclovoltammogramm des Komplexes 42 zeigt zwei gut voneinander separierte Redoxprozesse (Tabelle 5.1#2). Die Halbstufenpotentiale liegen jeweils zwischen den Halbstufenpotentialen der symmetrischen Komplexe. Der Halbstufenpotentialabstand unterscheidet sich kaum von dem Halbstufenpotentialabstand der Komplexe 10 und 5V.

Somit hat eine Erhöhung der Elektronendichte den vorhersagbaren Effekt einer kathodischen Potentialverschiebung beider Halbstufenpotentiale, wobei die Werte für ∆E½ und Kc kaum

a) Peakpotential für einen chemisch irreversiblen Prozess bei v = 100 mV/s.

Das Verhältnis der Redoxpotentialverschiebung m liegt bei einem Wert von 1.0 für den Vergleich der Komplexe 10 und 42 bzw. bei 0.9 für den Vergleich der Komplexe 5V und 42.

Auch ändert sich der Wert für den Halbstufenpotentialabstand kaum. Diese Änderung ist im Vergleich zur Halbstufenpotentialverschiebung der entsprechenden Ruthenium-Alkenyl-Einheit von 0.07 bzw. 0.09 V sehr klein. Durch das Einführen des Benzoato-Liganden wird nicht nur das Redoxpotential einer Ruthenium-Alkenyl-Einheit um ungefähr 80 mV verschoben, sondern auch das der zweiten Ruthenium-Alkenyl-Einheit, und zwar um nahezu den gleichen Wert. Dies lässt den Schluss zu, dass die Ladung vollständig über das gesamte System delokalisiert ist.

Tabelle 5.1#3: Verhältnis der Redoxpotentialverschiebung m für Komplex 42.

│∆(1. Ox) │ │∆(2. Ox) │ m │∆( )│

unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Komplex 42 Kapitel 5.1

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Wie stark sich die beiden Metalleinheiten gegenseitig beeinflussen, wird vor allem dann deutlich, wenn die Halbstufenpotentiale der dinuklearen Komplexe mit denen der entsprechenden mononuklearen Komplexe verglichen werden. Das Redoxpotential der beiden symmetrischen Komplexe wird für die erste Oxidation um ungefähr 360 und für die zweite Oxidation noch um ungefähr 100 mV kathodisch verschoben. Im Gegensatz dazu ist die kathodische Verschiebung des ersten Redoxprozesses des unsymmetrischen Komplexes 42 kleiner (290 mV) und die Verschiebung des zweiten Redoxprozesses größer (190 mV).

Das 18-Valenzelektronen-Fragment scheint somit Elektronendichte an das 16-Valenzelektronen-Fragment abzugeben.

Tabelle 5.1#4: Differenz zwischen den Halbstufenpotentialen der dinuklearen Komplexe 10, 42 und 5V und den Halbstufenpotentialen der entsprechenden mononuklearen Komplexe 6 und 6VRu.

Für den Komplex 42 wurden IR-Spektren des Feststoffs (ATR-Einheit) und von einer Lösung des Stoffes in Dichlormethan (Lösungs-Spektrum) aufgenommen. Erneut wurden das Festkörper-Spektrum zur Ermittlung der Identität der Verbindung herangezogen und das Lösungsspektrum zur Bestimmung der genauen Bandenlage. Ferner konnten durch die IR-spektroelektrochemischen Untersuchungen die während der einzelnen Oxidationsprozesse eintretenden Änderungen verfolgt werden (Abbildung 5.1#3). In Tabelle 5.1#5 sind die entsprechenden Daten zusammengefasst.

In seiner neutralen Form zeigt Komplex 42 sowohl in Dichlormethan als auch in Dichlorethan/TBAHFP nur eine symmetrische Carbonyl-Streckschwingungsbande, welche energetisch zwischen den Carbonyl-Streckschwingungsbanden der symmetrischen Komplexe 10 und 5V liegt. Im Zuge des ersten Oxidationsprozesses verschwindet diese Bande vollständig und es erscheint bei höherer Energie eine Kompositbande. Das Absorptionsmaximum dieser Kompositbande liegt energetisch zwischen den

Kapitel 5.1 unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Komplex 42

185 | S e i t e Absorptionsmaxima der Kompositbanden der symmetrischen Komplexe, wobei die Bandenformen einander sehr ähnlich sind. Dadurch wird die Annahme untermauert, dass es sich bei der einfach oxidierten Form der Moleküle um ein ligandzentriertes Radikalkation handelt. Die Herleitung dieser Annahme wurde ausführlich anhand der Studien an Komplex 5 erläutert, weshalb hier auf Kapitel 3.2.3.2 verwiesen sei. Das Absorptionsmaximum der Kompositbande des Dikations liegt energetisch ebenfalls zwischen den Absorptionsmaxima der Banden der symmetrischen Komplexe. Die Dekonvolution der Kompositbanden wird im Experimentalteil in Kapitel 8.6.3 dargestellt. Der sequenzielle Austausch des Chloro-Liganden durch einen Benzoato-Chloro-Liganden bewirkt offensichtlich eine sukzessive Verschiebung der Carbonyl-Streckschwingungsbande zu geringerer Energie, was auf die stufenweise Erhöhung der Elektronendichte zurückzuführen ist.

Abbildung 5.1#3: IR-SEC des Komplexes 42 zwischen 1800 - 2050 cm-1; links: 42 (schwarz)  42•+ (rot); rechts: 42•+ (schwarz)  422+ (rot).

Tabelle 5.1#5: Ausgewählte Bandenlagen charakteristischer Valenzschwingungen für die Komplexe 10, 42 und 5V und ihrer oxidierten Formen in cm-1.60

ATR CH2Cl2 C2H4Cl2 (C≡O)

in cm-1 in cm-1 in cm-1 in cm-1

10 a) 1901 1901 1904

10●+ a) --- --- 1924 20

102+ a) --- --- 1971 47

42 a) 1899 1905 1906

42●+ a) --- --- 1929 23

422+ a) --- --- 1974 45

5V 1904 1910 1910

5V●+ a) --- --- 1932 22

5V2+ --- --- 1980 48

a) Maximum der Kompositbande.

unsymmetrische Vinyl-Komplexe: Komplex 42 Kapitel 5.1

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5.1.4 UV/Vis-Spektroskopie

Das UV/Vis-Spektrum des Komplexes 42 setzt sich aus einer Vielzahl einander überlagernder Absorptionsbanden zusammen (Tabelle 5.1#6). In Abbildung 5.1#4 sind die UV/Vis-Spektren der Komplexe 10 und 42 dargestellt. Das Absorptionsmaximum der Hauptbande liegt für Komplex 42 (361 nm) zwischen den Absorptionsmaxima der Hauptbanden der symmetrischen Komplexe 10 (362 nm) und 5V (358 nm). Um 540 nm ist bei Komplex 42 eine sehr breite Bande zu beobachten. Hierbei handelt es sich um eine nur schwach erlaubte Anregung aus dem über das Metallatom und den Alkenyl-Liganden delokalisierten HOMO in das rutheniumzentrierte LUMO. Letzteres entspricht im wesentlichen einem d-Orbital, welches zur unbesetzten Koordinationsstelle hin orientiert ist.149 Diese Absorptionsbande ist auch im UV-Spektrum des Komplexes 5V zu beobachten und fehlt im UV-Spektrum des Komplexes 10.

Abbildung 5.1#4: UV/Vis-Spektren der Komplexe 10 (links) und 42 (rechts).

Im Verlauf der ersten Oxidation verliert die Bande bei 360 nm an Intensität und es wachsen neue Kompositbanden im sichtbaren Bereich und im nahen Infrarotbereich des Spektrums hervor (Abbildung 5.1#5). Das Spektrum der einfach oxidierten Form des Komplexes 42 deutet auf ein ligandzentriertes Radikalkation hin und ist nahezu deckungsgleich mit den Spektren der symmetrischen Komplexe 10 und 5V. In Kapitel 3.2.3.3 wurde der Ursprung der Banden bereits erläutert. Die Absorptionsmaxima der drei Banden im nahen Infrarotbereich des Spektrums des Komplexes 42 liegen energetisch wiederum genau zwischen den Absorptionsmaxima der drei Banden im nahen Infrarotbereich des Spektrums der Komplexe 10 und 5V. Bei jeder Substitution eines Chloro-Liganden durch einen Benzoato-Liganden verringert sich somit lediglich der Abstand der entsprechenden Grenzorbitale geringfügig. Insbesondere scheint die Änderung an einer der beiden

ԑ = 35300 M-1cm-1 ԑ = 33800 M-1cm-1