DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT GIBT BEKANNT:
Zur Risikoabwägung bei der Verschreibung von weiblichen Sexualhormonen
I. Zur vorsorglichen Produktionseinstellung Megestrol enthaltender oraler Kontrazeptiva II. Zurückhaltung bei der Östrogenbehandlung des sogenannten Menopausesyndroms?
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ad I: Zur Frage einer krebser- zeugenden Wirkung von "Ovula- tionshemmern" bzw. oralen Kon- trazeptiva hat die Arzneimittel- kommission der deutschen Ärz- teschaft seit 1962 und 1966 (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 4/1966) mehrfach Stellung genom- men. Wir verweisen insbesonde- re auf unsere Bekanntgaben
"Ovulationshemmer in der Kri-
tik" in Heft 33/1971 und 2/1972 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLAT- TES sowie auf unsere Hinweise zum gleichen Thema in den Hef- ten 29 und 46/1970, 12 und 29/
1973 und 45/1974. Bei dieser letzteren therapeutischen Emp- fehlung ging es vor allem um die Frage des größeren Throm- boembolierisikos bei Ovula- tionshemmern, mit einem Östro- gengehalt von mehr als 50 mcg.
Orale Kontrazeptiva werden vor- wiegend als Kombinationsprä- parate oder a~s Sequenzpräpa- rate mit verschiedenen Östroge- nen und Gestagenen von der pharmazeutischen Industrie her- gestellt. Eines dieser Gestage- ne, das Megestrolacetat, führte bei Verabreichung an Beagle- Hündinnen über einen Zeitraum von sieben Jahren zu Mamma- tumoren, die sich teilweise als bösartig erwiesen. Bei anderen in oralen Kontrazeptiva enthal- tenen Gestagenen haben ent- sprechende Tierversuche keine solchen Befunde ergeben. Ver- gleichbare Untersuchungen mit Megestrolacetat an Affen über einen Zeitraum von sechs Jah- ren haben nicht zu bösartigen Mammatumoren geführt. Beim Menschen ist das Auftreten von bösartigen Mammatumoren in Abhängigkeit von der Einnahme
des Megestrolacetats nicht be- obachtet worden.
..,.. Obgleich die Ergebnisse der Hundeversuche nicht ohne wei- teres auf den Menschen über- tragen werden können, haben die Hersteller im Dezember 1975 folgende Megestrolacetat enthal- tende Präparate vorsorglich aus dem Handel genommen:
die oralen Kontrazeptiva Kombi- quens® (Novo), Oraconal®
(Asta/Lappe), Oraconal® 50 (Asta-Lappe), Planovin® (Novo), Tri-Ervonum® (Giaxo)
und die gynäkologischen Präpa- rate Delpregnin® (Novo), Meno- quens® (Novo) und Niagestin®
(Novo).
Die Produktionseinstellung der genannten Präparate erfolgte in einem internationalen Informa- tionsverbund nach einer Sitzung des Committee on Safety of Me- dicines in London am 4. Dezem- ber 1975.
..,.. Daraufhin hat das Bundesge- sundheitsamt nach Stufe 111 des
"Stufenplans" über den Informa- tionsweg bei Verdacht auf Arz- neimittelnebenwirkungen (Bun- desministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Fas- sung vom 19. April 1972) die Koordination übernommen und sogleich die Unterrichtung der Öffentlichkeit durch Hörfunk, Fernsehen und Tageszeitungen eingeleitet.
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ad II: Bei der zunehmenden Verwendung von Östrogenprä- paraten zur Behandlung klimak- terischer Ausfallserscheinungen gewinnen zwei kürzlich im ame- rikanischen Schrifttum veröf- fentlichte Arbeiten besondere Bedeutung. Danach sollenDie Information:
Bericht und Meinung
östronsulfathaltige Präparate (konjugierte Östrogene - siehe zum Beispiel Rote Liste 1975, Gruppe 50. 3. C) zu einem häufi- geren Auftreten von Endome- triumkarzinomen (Korpuskarzi- nomen) führen.
Da es sich hier um retrospektive Untersuchungen handelt, sind deren Ergebnisse nicht als be- weisend anzusehen. Trotzdem möchten wir bei dieser Gele- genheit nochmals auf unsere Ausführungen in Heft 7/1966 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES verweisen .
..,.. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft empfiehlt den Kolleginnen und Kollegen, bei der Verschreibung von Östrogenhaitigen Präparaten auf die Abwägung von Nutzen und Risiko zu achten. Unnötig hohe Dosierungen und unnötig lange Behandlungsserien sollten ver- mieden werden. Auch erscheint es ratsam, die Östrogene in die- ser Lebensphase intermittierend und nicht kontinuierlich anzu- wenden.
Die amerikanischen Veröffent- lichungen erfordern eine weite- re Beachtung der genannten Präparategruppe nach Stufe II des "Stufenplans". Für diese Stufe sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
..,.. "Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, der Hersteller, das Bundesgesund- heitsamt und die zuständige Landesbehörde wirken bei der systematischen Sammlung und Bewertung der Information zu- sammen. Die Informationen sind insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Häufung der ver- muteten Nebenwirkungen sowie deren kausaler Verknüpfung und medizinischer Bedeutung zu überprüfen."
Literatur:
Donald, C., Smith, C. S.: Association of
exogenaus Estrogen and endometrial Carcinoma, The New England Journal of Medicine, 293 (1975), 1164; Ziel, H. K., and Finkle, W. 0.: lncreased Risk of endometrial Gareinoma among Users of conjugated Estrogens, The New England Journal of Medicine, 293 (1975), 1167; Editorial: Dangers in Eter- nal Youth, Lancet 1975 II, 1135.
DEUTSCHES