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Archiv "Personalbesetzung der Krankenhäuser: Diktat der Kassen" (03.02.1977)

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Personal-

besetzung der Krankenhäuser:

Diktat

der Kassen

Kaum hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Regierungserklä- rung .,zwischen Krankenhäusern und Kassen frei zu vereinbarende Pflegesätze" angekündigt, warteten die Krankenkassen mit einem um- strittenen "Parteigutachten" auf, um die Marschrichtung für künftige Pflegesatzverhandlungen einseitig festzulegen. Jetzt, da sie mindestens sechs Milliarden DM weniger für die Krankenversicherung der Rentner bekommen, wird krampfhaft ver- sucht, diese finanzielle Einbuße auf andere abzuwälzen. Den Kranken- häusern wird von den Gutachtern massiv zum Vorwurf gemacht. zu viele Ärzte und Pflegekräfte zu be-

"r:häftigen. Mit schuld daran seien Ule Anhaltszahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) von 1974 zur Personalbesetzung der Krankenhäuser. Angezweifelt wer- den sowohl die Methode zu deren Berechnung als auch die Ergeb- nisse.

Auf der Grundlage des dreibändigen Gutachtens einer Kölner "Fachpla- nungsfirma" behaupten die Kassen, es genügten lediglich 12 Minuten täglich, um die ärztliche Versorgung im Krankenhaus zu gewährleisten. Gegenwärtig aber würde sich auf- grund der Anhaltszahlen eine ärzt- liche Behandlungsdauer in Allge- meinkrankenhäusern von 24 bis 29 Minuten pro Patient ergeben- mehr also als das Doppelte des "Notwen- digen". Welche Konsequenzen nach Ansicht der Krankenkassen daraus zu ziehen wären, ist nur allzu deut- lich. Dabei sagt das Gutachten selbst, daß es sich bei dem Lei- stungsquotienten von 12 Minuten pro Patient und Tag um eine Mini- ma/besetzung handelt (Stationsgrö- ßen sind beispielsweise nicht be- rücksichtigt). Nicht nur, daß es sich hier lediglich um eine nicht belegte

Annahme des Gutachtens handelt, so wird einfach ein undifferenzierter Minimalwert unbesehen zum Durch- schnittswert erklärt. Ebenso bei den Pflegekräften: Hier stellen die Kas- sen Zahlen von 1964 - mit 62 von einer Pflegekraft zu betreuenden Patienten - den Werten von heute- mit 45 jährlich zu versorgenden Pa- tienten- gegenüber, ohne die inzwi- schen eingetretenen Arbeitszeitver- kürzungen zu berücksichtigen!

Kein Wunder also, daß die Kranken- häuser und Ärzte hiergegen prote- stieren. Sie haben erklärt, sie wer- den weder ein Gutachten dieser Art noch den Wunsch der gesetzlichen Krankenversicherung, ein Diktat zur zahlenmäßigen Personalbesetzung auszuüben, als Grundlage künftiger Pflegesatzverhandlungen anerken- nen. Ärzte und Krankenschwestern seien keine "Fiießbandarbeiter" und Krankenhäuser keine "Gesundheits- fabriken". Dann sollten die Kranken- kassen besser bekennen - was ei- nem Offenbarungseid gleichkäme-, daß sie keine optimale Krankenver- sorgung mehr anbieten, sondern höchstens eine Minimalversorgung sichergestellt werden könne. Bei ei- ner Beschränkung der Kranken- hausleistungen auf das gerade noch vertretbare Minimum müßte der Lei- stungsumfang und die personelle Ausstattung zwischen Krankenhäu- sern und Krankenkassen erst noch näher umrissen werden. ln diesem Fall würde sich allerdings die Frage stellen, ob dann auch die rechtli- chen Konsequenzen, die für die Krankenhäuser und Ärzte entstehen, abgedeckt wären. Der Lockruf der Kassen, ihre Entlastung auf Kosten der Krankenhäuser würde dem Bei- tragszahler zugute kommen, muß angesichts der Aussicht, als Patient im Krankenhaus nur noch notdürftig versorgt zu werden, in der Bevölke- rung eher zu einem Alptraum wer- den. Ganz zu schweigen von den dann mindestens 22 500 arbeitslo- sen Ärzten und Pflegekräften (so die Berechnungen der Krankenhausge~

sellschaft).

Auch fällt auf, daß die Verfasser des Gutachtens in ihren Vorbemerkun- gen bei der Erarbeitung eines Lö-

Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

sungsvorschlags von den Prämissen einer "zweckmäßigen" und "ausrei- chenden" Krankenversorgung so- wie "angemessenen" und "zweck- mäßigen" Arbeitsbedingungen aus- gehen. Der Zungenschlag ist ganz offensichtlich ein anderer gewor- den. Worte wie "optimale" Kranken- versorgung oder "gute" Arbeitsbe- dingungen werden nicht mehr ver- wandt. Die Warnung des Bremer Bürgermeisters Hans Kaschnick (SPD), Präsident des Deutschen Städtetages, daß Experimente, die jetzt unter dem Druck des Rentende- sasters mit dem Krankenhauswesen angestellt werden, jeden Bürger an- gehen, sollte zu denken geben.

Letztlich ist jeder einzelne der Leid- tragende, wenn die Krankenhäuser nicht mehr funktionstüchtig sind.

Bedauerlich ist, daß einige teilweise positive Ansätze des Gutachtens bei den einseitigen Argumenten der Krankenkassen über notwendige Personalkürzungen, die rechnerisch nicht belegt werden, völlig in den Hintergrund geraten.

..,. Einig wird man mit dem Gutach- ten sein können, daß die Errech- nung des Personalbedarfs bei jedem einzelnen Krankenhaus eine indivi- duelle Anpassung voraussetzt und daß der Personalbedarf ständig überprüft werden muß. Auch die DKG hat die Krankenhäuser immer davor gewarnt, Anhaltszahlen ohne Überprüfung der besonderen Ver- hältnisse des einzelnen Hauses bei der Aufstellung des Stellenplans zu verwenden. Die immer härter wer- denden Fronten zwischen Kranken- kassen und Krankenhäusern zeigen deutlich, wie notwendig es ist, daß Bund und Länder endlich wissen- schaftlich haltbare Ausgangsdaten zur Berechnung des Personalbe- darfs ermitteln. Hiermit ist jedoch so schnell nicht zu rechnen, da ein ent- sprechender Forschungsauftrag erst kürzlich vergeben wurde. IR/DÄ Der Titel des Gutachtens, auf den sich dieser Kommentar bezieht, lau- tet: "Weiterentwicklung der Perso- nalbedarfsrechnungen. Gutacht- liche Stellungnahme zu den An- haltszahlen für die Besetzung der Krankenhäuser mit Pflegekräften und Ärzten, Teil 111."

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 5 vom 3. Februar 1977 279

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