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Archiv "Zehn Jahre HIV-Testung in den Blutspendediensten: Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionsübertragungen durch Bluttransfusionen" (29.03.1996)

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D

urch die Medien wird oft das Bild vermittelt, daß die Infek- tionsgefahr durch Bluttransfu- sionen in den letzten Jahren zugenommen hat. Bisher ist es uns kaum gelungen, das begrenzte Maß an Gefahren und die erreichte Sicherheit in der Öffentlichkeit bewußt zu ma- chen. In Tabelle 1sind die verschiede- nen Maßnahmen zusammengestellt, die seit 1983 zusätzlich in das Untersu- chungsprogramm von Blutspendern aufgenommen wurden. Neben den spezifischen Tests für Infektionsmar- ker (HIV-1, HIV-2 und HCV) wurden Ausschlußkriterien für HIV-Risiko- gruppen und ein sogenannter „ver- traulicher Spenderselbstausschluß“

eingeführt. In 1994 kam die Quarantä- nelagerung von Plasmapräparaten hinzu. Schon seit dem Oktober 1993 steht virusinaktiviertes Plasma von Einzelspenden zur Verfügung, das als Alternative zum Quarantäne-Plasma zugelassen ist. Vor 1985 wurde mit spe- zifischen Tests auf Hepatitis-B-Anti- gen (HBsAg) und auf Antikörper gegen Lues getestet. Für andere transfusionsrelevante Infektionsmar- ker standen bis Mitte der 80er Jahre keine spezifischen Teste zur Verfü- gung. Allerdings wurde bereits seit Anfang der 70er Jahre die Glutamat- pyruvattransaminase-Aktivität als un- spezifischer Surrogatmarker für eine beginnende virale Hepatitis gemessen.

HIV-Übertragung durch Blutkomponenten staatlicher, kommunaler und gemeinnütziger Blutspendedienste

Retrospektiv war zwischen 1982 und 1985 ein eindeutiger Anstieg von HIV-Übertragungen durch Blutkom- ponenten (Erythrozyten-, Thrombo- zyten- und Plasmapräparate) in

Deutschland zu verzeichnen. Dieser Trend ist 1985 nachhaltig durch die Einführung eines Tests zum Nach- weis von anti-HIV-Antikörpern ge- brochen worden.

Seit Einführung des HIV-Tests kann eine HIV-Übertragung durch die Transfusion von Blutkomponen- ten nur dann erfolgen, wenn ein Blut- spender frisch infiziert ist und keine Antikörper gegen HIV gebildet hat.

Dieses „diagnostische Fenster“ nach einer HIV-Infektion beträgt im Mittel 45 Tage (11). Es wurde kein HIV-Infi- zierter gefunden, der nicht spätestens 180 Tage nach der Infektion eine Serokonversion aufwies (11).

Die meisten HIV-Infektionen durch Fremdbluttransfusionen stam- men aus der Zeit von 1982 bis Mitte 1985 und übersteigen die Gesamtzahl der transfusionsbedingten HIV-In- fektionen in den darauffolgenden zehn Jahren (Tabelle 2). In allen öffentlichen Blutspendediensten

Deutschlands (staatliche und kom- munale Blutspendedienste sowie ge- meinnützige DRK-Blutspendedien- ste) sind bis einschließlich 1992 insge- samt 107 HIV-1-Infektionen nachge- wiesen worden (4, 5, 9, 13, 14). Davon wurden 91 Infektionen durch Blut- präparate vor Einführung und 16 In- fektionen seit Einführung des HIV- Tests verursacht. Eine transfusionsbe- dingte Infektion durch HIV-2 oder HIV-1 Subtyp O wurde bisher in Deutschland nicht beobachtet.

Die scheinbar höhere HIV-Inzi- denz bei Blutpräparaten der staatli- chen und kommunalen Blutspende- dienste ist zum Teil erklärbar durch deren höhere Aufklärungsrate, die durch die Einbindung dieser Blut- spendedienste in die Kliniken bedingt sein kann (14). Im besonderen für die hohe Inzidenz vor 1985 liegt eine wei- tere Ursache in den unterschiedlichen Spenderpopulationen, die bei staatli- chen und kommunalen Blutspende- diensten häufig aus größeren Städten und Ballungsgebieten stammten (14).

Die großstädtische Bevölkerung war zu Beginn der HIV-Epidemie zuerst betroffen, während in kleinstädti- schen und ländlichen Populationen, aus denen ein großer Teil der Spender der DRK-Blutspendedienste stammt, vor 1985 weniger HIV-Infektionen aufgetreten sind.

Die tatsächliche Zahl transfusi- onsbedingter HIV-Infektionen ist höher, als retrospektive Untersuchun- gen aufdecken können. Insgesamt wurden mehr als 60 Prozent aller Transfusionsempfänger untersucht, die von einer Transfusion mit HIV- verdächtigen Blutkomponenten der Blutspendedienste betroffen waren (4, 14). Deswegen halten wir es für sehr wahrscheinlich, daß bereits ein wesentlicher Teil aller bis 1992 aufge- tretenen transfusionsbedingten HIV- Infektionen erfaßt wurde und in der Tabelle 2aufgeführt ist. !

A-816 (38) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 13, 29. März 1996

M E D I Z I N AKTUELL

Zehn Jahre HIV-Testung in den Blutspendediensten

Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionsübertragungen durch Bluttransfusionen

Willy A. Flegel Klaus Koerner Franz F. Wagner Bernhard Kubanek

Am 1. Oktober 1995 jährte sich zum zehnten Mal die Anordnung zum HIV- Test bei Blutspendern durch das dama- lige Bundesgesundheitsamt. Diesen Jahrestag nehmen wir zum Anlaß, ein Resümee infektionsvermeidender Maßnahmen abzugeben, die in diesen zehn Jahren eingeführt wurden. In der Summe haben diese Vorkehrungen die Sicherheit deutlich erhöht. Die Gefahr einer Infektionsübertragung durch Fremdbluttransfusionen ist heute we- sentlich niedriger als vor zehn Jahren.

Medizinische Klinik und Poliklinik, Abteilung Transfusionsmedizin (Direktor: Professor Dr.

med. Bernhard Kubanek), Universität Ulm, und DRK, Blutspendezentrale Ulm

(2)

Dieser Zahl von 107 HIV-Infek- tionen, die in jedem Einzelfall ein schweres menschliches Schicksal be- deuten, stehen mehr als 35 Millionen transfundierte Blutkomponenten (Erythrozyten-, Thrombozyten- und Plasmapräparate) im gleichen Zeit- raum gegenüber, durch die sicherlich mehrere 10 000 Menschenleben ge- rettet wurden. Viele Kinder mit Leukämien und zahlreiche Unfallop- fer können heute geheilt werden, je- doch nur, wenn eine ausreichende

Transfusionstherapie gewährleistet ist. Gerade für diese Patientengrup- pen sind bisher keine Alternativen zur Fremdbluttransfusion verfügbar.

HIV-Übertragung durch gefrorenes Frischplasma von Plasmapharese- Unternehmen

Plasmapräparate – als Blutkom- ponente eines Einzelspenders – wer- den nicht nur von staatlichen und kommunalen sowie gemeinnützigen Blutspendediensten, sondern auch von gewinnorientierten Plasmaphe- rese-Unternehmen hergestellt. Nur die zellulären Blutkomponenten (Erythrozyten- und Thrombozyten- präparate) werden praktisch aus- schließlich durch öffentliche Blut- spendedienste bereitgestellt.

Schon vor dem „HIV-Skandal“

im Herbst 1993 waren einzelne Her- steller von Plasmapräparaten im Ver-

dacht, gegen ihre Herstellungsgeneh- migungen zu verstoßen. Wie sich bald herausstellte, wurden vorschriftswid- rig Blutproben vor der Untersuchung gemischt oder erst gar nicht unter- sucht. Diese Verstöße betrafen aus- schließlich gewinnorientiert betriebe- ne Plasmahersteller mit bezahlten Plasmapheresen. Zwar stammt nur ein kleiner Teil aller transfundierten Plasmapräparate von solchen Plasma- pherese-Unternehmen. Dennoch be- steht die Möglichkeit, daß eine unver-

hältnismäßig große Zahl von HIV-In- fektionen durch diese Firmen verur- sacht wurde.

Um so wichtiger wären umfas- sende Untersuchungen zur Infekti- onsübertragung durch kommerzielle Plasmapräparate und eine Dokumen- tation der Prävalenz beziehungsweise Inzidenz von Infektionsmarkern in den Spenderpopulationen von Plas- mapherese-Unternehmen. Solche Studien sind nicht veröffentlicht. Des- wegen konnten die HIV-Infektionen durch kommerzielle Plasmapräparate nicht in die Tabelle 2 aufgenommen werden.

HIV-Übertragung durch Plasmaderivate

Durch Plasmaderivate, insbeson- dere Gerinnungsfaktoren, sind mehr HIV-Infektionen verursacht worden als durch die Transfusion von Blut- komponenten einzelner Blutspenden, obwohl es für solche Plasmaderivate

virussichere Herstellungsverfahren gab. Anders als Blutkomponenten werden Plasmaderivate aus bis zu 20 000 Blut- und Plasmaspenden her- gestellt. Sie stammen nach wie vor überwiegend von bezahlten Blutspen- den und von Spenderpopulationen außereuropäischer Länder, die eine höhere Prävalenz für Virusinfektio- nen aufweisen als mitteleuropäische Blutspenderpopulationen. Daneben sind die Indikationen sowie die Mög- lichkeiten zur Virusinaktivierung und Infektionsvermeidung grundsätzlich verschieden von denen bei Blutkom- ponenten.

Es trägt nicht zur rationalen Dis- kussion um die Erhöhung der Sicher- heit von Blutkomponenten und Plas- maderivaten bei, wenn die Belange von zwei so unterschiedlichen Medi- kamentengruppen in der öffentlichen Diskussion vermengt werden.

HCV-Übertragung durch Blutkomponenten

Mit molekularbiologischen Me- thoden wurde das Hepatitis-C-Virus (HCV) Ende der 80er Jahre entdeckt und als Erreger der klinisch seit lan- gem beschriebenen „non A- non B- Hepatitis“ gesichert. Der kurzzeitig darauf eingeführte, gentechnisch her- gestellte Test zum Nachweis von anti- HCV-Antikörpern führte zu einer Verminderung transfusionsbedingter Hepatitis-Infektionen.

Es zeichnete sich bereits 1992 ab, daß damit mindestens 80 Prozent der transfusionsbedingten „non A- non B-Hepatitiden“ verhindert werden (3, 7). Zur Zeit wird bereits die dritte Generation des Hepatitis-C-Virus- Tests eingesetzt, der eine höhere Sen- sitivität und Spezifität aufweist und die Gefahr einer Hepatitis-C-Virus- Übertragung seit 1992 weiter redu- ziert hat.

Ein Teil der posttransfusionell auftretenden Hepatitis-B-Infektio- nen ist wahrscheinlich nicht transfusi- onsbedingt, sondern wird anderwei- tig, zum Beispiel nosokomial erwor- ben (6). Wegen des ähnlichen Über- tragungsweges könnte dies auch für die Hepatitis C zutreffen. Hierüber sollten laufende Studien Aufschluß

geben. !

A-818

M E D I Z I N AKTUELL

(40) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 13, 29. März 1996 Tabelle 1

Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionsübertragungen durch Bluttransfusionen seit 1983*)

Maßnahme eingeführt vorgeschrieben

am seit

Ausschluß von HIV-Risikogruppen 1. 6. 1983 1. 3. 1990 Test auf anti-HIV-Antikörper, 1. Generation 1. 5. 1985 1. 10. 1985 vertraulicher Spenderselbstausschluß 1. 7. 1987 1. 4. 1988 Test auf anti-HIV-1/2-Antikörper, 2. Generation 1. 6. 1989 1. 3. 1990 Test auf anti-HCV-Antikörper, 1. Generation 1. 6. 1990 25. 4. 1992 Quarantäne-Lagerung von Plasmapräparaten

für mindestens 4 Monate 1. 9. 1994 1. 1. 1995 für mindestens 6 Monate 1. 1. 1995 1. 7. 1995

*) Die Angaben beziehen sich auf den DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg. Ver- gleichbare Daten lassen sich für die anderen Blutspendedienstes des Deutschen Roten Kreuzes sowie die staatlichen und kommunalen Blutspendedienste in Deutschland erheben.

(3)

Ausschluß von Risikogruppen

Die Blutspendedienste haben Ausschlußkriterien aufgrund ana- mnestischer Angaben zum Teil we- sentlich früher eingeführt, als von amtlicher Seite vorgeschrieben (Ta- belle 1). Der Erfolg, der mit anamne- stischen Ausschlußkriterien erzielt wurde, belegt das Verantwortungsbe- wußtsein und die Kooperationsbe- reitschaft freiwilliger, altruistischer Blutspender (10). Wie bei den Tests für spezifische Infektionsmarker wur-

den die anamnestischen Ausschluß- kriterien im Laufe der Jahre mehr- fach verbessert, entsprechend dem Fortschritt im Kenntnisstand. Inzwi-

schen wurden auch von der Weltge- sundheitsorganisation und der Eu- ropäischen Gemeinschaft Standards für den Ausschluß von Risikogruppen aufgestellt.

Vertraulicher

Spenderselbstausschluß

Blutspender können ihre Blut- spenden von der Transfusion am Pati- enten ausschließen. Diese Entschei- dung muß nach jeder Blutspende ab- gegeben werden (8). Sie dient dazu,

die Gefahr einer Infektionsübertra- gung zu vermeiden, falls ein Blutspen- der zum Beispiel aus persönlichen oder sozialen Gründen an einer Blut-

spendeaktion teilnehmen will, ob- wohl er bei sich ein mögliches Infekti- onsrisiko vermutet.

Umsetzung in die Praxis

Bei der verbindlichen Anord- nung von Maßnahmen zur Infektions- sicherheit muß berücksichtigt wer- den, daß die Umsetzung in die Praxis aller Blutspendedienste im vorgege- benen Zeitrahmen möglich ist. Selbst eine kurzfristige Versorgungslücke hätte erhebliche Folgen, die über die tatsächliche Gefährdung im gleichen Zeitraum durch Infektionen hinaus- gehen kann. Um so mehr liegt es in der Verantwortung der Blutspende- dienste, sobald als möglich Maßnah- men zur Verminderung der Infekti- onsgefahr in die Praxis umzusetzen – auch wenn formal die Einführung erst zu einem späteren Zeitpunkt gefor- dert ist. Die Auflistung in Tabelle 1 zeigt, daß die öffentlichen Blutspen- dedienste dieser Pflicht in der langjährigen Praxis Folge leisten.

Gefahr einer

Infektionsübertragung

Die Frequenz von Infektions- übertragungen ist eine dynamische Größe, die fortlaufend kontrolliert werden muß. Die Frequenz ist abhän- gig von der Epidemiologie unter Blutspendern und von den techni- schen Möglichkeiten, infektiöse Blutspenden zu erkennen (2).

Aufgrund von umfangreichen epidemiologischen Studien, an denen sich alle öffentlichen Blutspendedien- ste in der Bundesrepublik Deutsch- land beteiligen, läßt sich die aktuelle Frequenz einer Infektionsübertra- gung durch Blutkomponenten der Blutspendedienste in Deutschland abschätzen(Tabelle 3). Eine Übertra- gung des Hepatitis-C-Virus durch Bluttransfusionen ist mit einer Fre- quenz von < 1:40 000 bis zu 20mal häufiger als eine HIV-Übertragung.

Allerdings haben die Einführung und Verbesserung des HCV-Tests auch die Frequenz einer HCV-Übertragung im Laufe der letzten fünf Jahre erheblich vermindert (7). Anders als HIV (an- genommene Mortalität von 100 Pro-

A-820

M E D I Z I N AKTUELL

(42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 13, 29. März 1996 Tabelle 2

Nachgewiesene HIV-Infektionen durch Transfusionen mit Blutkomponenten (Erythrozyten-, Thrombozyten- und Plasmapräparate) öffentlicher Blutspendedienste in Deutschland bis 1992

geschätzte HIV-Infektionen Anzahl je 1 000 000

nachge- transfun-

wiesene Gesamtzahl dierter

HIV-In- der Blut- Blutkom- Blut- Trans- Zeitraum fektionen spenden ponenten spenden fusionen vor Einführung

des HIV-Tests (1982–1985)

lgesamt 91 ~ 9 900 000 12 375 000 9,19 7,35

– staatlich-kom- munale Blut-

spendedienste 66 ~ 2 800 000*) 23,57

– DRK-Blut-

spendedienste 25 ~ 7 100 000 3,52

nach Einführung des HIV-Tests (1985–1992)

lgesamt 16 ~ 24 900 000 31 125 000 0,64 0,51

– staatlich-kom- munale Blut-

spendedienste 7 ~ 5 700 000 1,23

– DRK-Blut-

spendedienste 9 19 200 000 0,47

Gesamtzahl

(1982–1992) 107 ~ 34 800 000 43 500 000 – –

*) 3,5 Jahre x 800 000 Blutspenden pro Jahr. Nach Glück et al. 1994 und Zeiler et al. (4, 14).

Es wurde ein Verhältnis von 1,25 transfundierten Blutkomponenten (Erythrozyten-, Throm- bozyten- und Plasmapräparate) pro Blutspende zugrunde gelegt (4).

(4)

A-821

M E D I Z I N AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 13, 29. März 1996 (43) zent) hat eine HCV-Infektion eine

Mortalität von etwa 10 Prozent und kann folgenlos ausheilen.

Schlußfolgerung

Seit Beginn der 80er Jahre wur- den verschiedene kostenintensive Vorkehrungen getroffen, die die Si-

cherheit bei Bluttransfusionen erhöht haben. In diesem Zusammenhang stellt die Einführung des HIV-Tests vor zehn Jahren nur eine unter meh- reren Maßnahmen dar. Weitgehend unbeachtet blieb, daß der HCV-Test

dabei stärker zur Verminderung der transfusionsbedingten Letalität bei- getragen hat als der HIV-Test.

Die Blutspendedienste haben die neuen Infektionstests eingeführt, so- bald sie im notwendigen Umfang und in einer zur Untersuchung von Blut- spendern geeigneten Methode zur Verfügung standen. Zweifellos be- wahrte diese frühzeitige Einführung

der zum Teil erst später vorgeschriebe- nen Tests und Ausschlußkriterien eine beachtliche Anzahl von Patienten vor transfusionsbedingten Infektionen.

Der aktuelle Stand der Infekti- onssicherheit bei Fremdbluttransfu-

sionen beeinflußt wesentlich die Wer- tigkeit und das relative Risiko alter- nativer Substitutionstherapien wie zum Beispiel das relative Risiko der Eigenblutbereitstellung bei bestimm- ten Patientengruppen.

Deshalb muß die erreichte Si- cherheit bei Bluttransfusionen in der Öffentlichkeit wie auch dem Patien- ten gegenüber bewußt gemacht wer- den.

Die Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Gefahren und somit die Einschätzung einer Gefahr als Risiko hat sich verändert. Allerdings erlaubt nur die rationale Abwägung aller the- rapeutischen Optionen und ihrer je- weiligen begrenzten Gefahren eine Optimierung der Sicherheit im Inter- esse der Patienten.

Andernfalls werden sich Präfe- renzen für Transfusionstherapien ein- schleichen, die trotz zusätzlicher Ko- sten zu einer Verminderung der er- reichten hohen Sicherheit führen. Die Gefahr einer Infektionsübertragung durch Fremdbluttransfusionen mit Blutkomponenten aus öffentlichen Blutspendediensten ist heute wesent- lich niedriger als vor dem Auftreten von HIV.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-816–821 [Heft 13]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Willy A. Flegel Abteilung Transfusionsmedizin Universität Ulm

Helmholtzstraße 10 · 89081 Ulm Tabelle 3

Aktuelle Frequenz einer Infektionsübertragung durch Transfusionen mit Blutkomponenten von DRK-Blutspendediensten in Deutschland

geschätzte

Frequenz transfusions-

infektiöser bedingte

Virus Blutpräparate Mortalität Letalität

HIV 1:1 000 000 100% <1:1 000 000

HBV < 1:50 000 5% < 1:1 000 000

HCV < 1:40 000 10% < 1: 400 000

Gesamtrisiko pro Blutpräparat durch Übertragung von HIV, HBV und HCV:

lbezüglich Virusexposition < 46:1 000 000

£1:21 700

lbezüglich Letalität < 4,5:1 000 000 £1:220 000 HIV – humanes Immunschwäche (AIDS) Virus (4, 9a, 14), HBV – Hepatitis-B-Virus (1, 12), HCV – Hepatitis-C-Virus (7). Untersuchungen in den USA (12) belegen eine Prävalenz Hepa- titis-B-infektiöser Blutpräparate von < 1:200 000, was eine transfusionsbedingte Letalität von insgesamt £ 1:260 000 zur Folge hätte. Wird die Sterblichkeit aufgrund nicht transfusionsbe- dingter Ursachen berücksichtigt, reduziert sich die transfusionsbedingte Letalität auf ungefähr die Hälfte der angegebenen Frequenz beziehungsweise auf £ 1:440 000 (13). Die Angaben be- ziehen sich auf zelluläre Blutkomponenten (Erythrozyten- und Thrombozytenpräparate) öf- fentlicher Blutspendedienste. Seit Einführung der Quarantänelagerung und Virusinaktivie- rung ist die Frequenz einer Infektionsübertragung durch Plasmapräparate noch niedriger.

Leptin ist ein neu entdecktes Hormon, das von Fettzellen (Adipo- zyten) sezerniert wird. Im Tierversuch führen Mutationen im Leptin-kodie- renden Gen zur Gewichtszunahme, die Gabe von Leptin dagegen bewirkt einen Gewichtsverlust.

Eine Untersuchung bei 275 nor- mal- und übergewichtigen Menschen ergab nun, daß das Serumleptin bei

Adipositas um das Vierfache erhöht ist (31,3 pro Milliliter versus 7,5 pro Milliliter) und auch die in den Adipo- zyten gemessene Konzentration für messenger-RNA des Leptins zweifach höher lag. Eine Gewichtsabnahme bewirkte eine nur vorübergehende Abnahme der erhöhten Serumleptin- konzentrationen. Die Untersucher folgern, daß eine Korrelation zwi-

schen erhöhten Leptinwerten und der Adipositas besteht, und halten bei übergewichtigen Menschen eine In- sensitivität gegenüber dem erhöhten endogenen Hormon für möglich. acc Considine RV: Serum immunoreactive- leptin concentrations in normal-weight and obese humans. N Engl J Med 1996;

334: 292–295.

Dr. Considine, Thomas Jefferson Uni- versity, 1025 Walnut St., 813 College Bldg., Philadelphia, PA 19107, USA

Übergewicht: Versagt die hormonelle Steuerung?

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