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Archiv "Hochschulmedizin: Klasse statt Masse" (04.06.2004)

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E

s ist mir klar, dass wir keine dünnen Bretter bohren“, räumt Prof. Dr.

med. Karl Max Einhäupl ein. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, von Hause aus Neurologe, erhält allerdings nicht nur Zuspruch von den Medizi- nischen Fakultäten, wenn er sein Ziel propagiert: die Umstrukturierung der Hochschulmedizin, hin zu mehr Wissen- schaftlichkeit und einem Primat der Forschung. „Es herrscht ein enormer Wirtschaftlichkeitsdruck in den Klini- ken. Wissenschaftler haben es in den Leitungsgremien schwer, sich gegen Verwaltungsökonomen durchzusetzen“, erklärt Einhäupl die Widerstände.

Durch bestehende Verträge sei ferner eine flexible Anpassung der Gehälter für Forscher kaum möglich. Und nicht zuletzt würden „Besitzstandswahrer“

an den Medizinischen Fakultäten un- vermindert an der Hauptaufgabe „Kran- kenversorgung“ festhalten.

Das Konzept des Wissenschaftsrates zur Umgestaltung der Medizinischen Fakultäten sieht indes ganz anders aus.

Nicht die Krankenversorgung, sondern die Wissenschaft soll im Mittelpunkt der Arbeit der Fakultäten stehen. Weni- ger Mittelmaß,

mehr Exzellenz.

Wenn Deutsch- land nicht den Anschluss in der internationalen medizinischen Forschung verlie- ren wolle, müss- ten jetzt die Struk- turen des 19.

Jahrhunderts fal-

len, erklärt das Beratergremium von Politik und Forschung. Leistungsbezo- genheit, Wissenschaftlichkeit und Ex- zellenzförderung waren denn auch die Schlagworte, auf die sich der Wissen-

schaftsrat, die Deutsche Forschungsge- meinschaft (DFG) und das Bundesfor- schungsministerium beim gemeinsamen Workshop zur Zukunft der Hochschul- medizin am 10. und 11. Mai in Berlin eingeschworen haben.

Auf dem Ge- biet der medi- zinischen For- schung besteht in Deutschland noch Nachhol- bedarf. Darüber waren sich die

Teilnehmer der „Zukunftstagung“ ei- nig. Zwar gebe es hierzulande viele hervorragende Forscher, doch interna- tional würden nur wenige zitiert. Medi- zinische Forschung, vor allem Grundla- genforschung, finde meist außeruniver- sitär statt, kritisierte Einhäupl. Deshalb würden die deutschen medizinischen Fakultäten international kaum wahrge- nommen. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt: Während in den USA Klinikforscher 80 Prozent ihrer Zeit tatsächlich mit Forschung verbringen, bestimmt die Krankenversorgung das Tätigkeitsfeld der deutschen Univer- sitätsärzte. Häu- fig erst nach Feierabend wid- men sich Klini- ker zusätzlich der Forschung.

„So haben wir keine Chance“, steht für Ein- häupl fest.

Darüber, wie die Forschung an den Medizinischen Fakultäten effi- zienter zu gestalten sei, hat der Wis- senschaftsrat dezidierte Vorstellun- gen. Festgehalten sind sie in den

„Empfehlungen zu forschungs- und

lehrförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin“. Darin propa- giert das Beratergremium vor allem eine stark leistungsbezogene Mittel- verteilung. Während bislang nur etwa drei Prozent des Landeszuschusses leistungsabhän- gig vergeben wür- den, sollten künf- tig 40 Prozent auf diese Weise verteilt werden.

Spitzengehälter für Spitzenfor- scher. Auch die Lehre müsse leistungs- bezogen honoriert werden.

Die zweite Forderung des Wissen- schaftsrates ist die Trennung der Kar- rierewege zum Arzt beziehungsweise zum forschenden Mediziner. Diese Trennung dürfe allerdings nicht strikt und undurchlässig sein, erklärt Einhäupl.

Dennoch müsse früher und reflek- tierter entschieden werden, in welche Richtung sich ein Mitarbeiter ent- wickelt. „Ansonsten haben wir bald weder gute Ärzte noch hervorragende Forscher.“ Mediziner, die sich für den Karriereweg zum Kliniker entschei- den, sollen nach einer diplomähnlichen Arbeit den Titel „Medizinischer Dok- tor“ verliehen bekommen. Forscher indes müssen eine den Naturwissen- schaften vergleichbare Arbeit zur Er- langung des Titels „Dr. med.“ vorlegen.

Während die Vorschläge bei Teilen der Ärzteschaft auf Widerstand stoßen, läuft der Wissenschaftsrat bei der DFG damit offene Türen ein. „Eine eier- legende Wollmilchsau gibt es in der Tat nicht“, bestätigte Prof. Dr. med. Johannes Dichgans, Vizepräsident der DFG. For- scher und Kliniker könnten künftig wohl in einem Department vereint sein, aber nicht mehr in einer Person. „Ein Ordina- rius alten Zuschnitts kann heutzutage P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 234. Juni 2004 AA1631

Hochschulmedizin

Klasse statt Masse

Neue Strukturen sollen an den Medizinischen Fakultäten für mehr Exzellenz und Wissenschaftlichkeit sorgen. Die Krankenversorgung soll

gegenüber der Forschung zurücktreten.

Medizinische Forschung, vor allem Grundlagenforschung, findet meist außeruniversitär statt . . .

So haben wir keine Chance.

Prof. Dr. med. Karl Max Einhäupl

Wir brauchen Strukturen für die individuelle Förderung von begab-

ten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die deutschen Hochschulen im interna- tionalen Werben um hoch begabte junge Leute attraktiver machen.

Prof. Dr. med. Peter Gaethgens

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kein guter Forscher mehr sein.“ Dazu seien die Anforderungen zu komplex.

Ein dritter wesentlicher Kritikpunkt des Wissenschaftsrates ist die Nach- wuchsförderung. „Die derzeitigen Be- treuungsverhältnisse sind unerträglich“, sagt Einhäupl. In „kleinen und feinen“

Einheiten müsse der Nachwuchs geför- dert werden. Dazu gehört nach Ansicht des Wissenschaftsrates und der DFG auch die Einrichtung von Graduierten- und Postgraduiertenschulen.

Mit der Nachwuchsförderung be- schäftigte sich auch die diesjährige Jah- resversammlung der Hochschulrekto- renkonferenz (HRK) am 3. Mai in Ber- lin. „Wir brauchen Strukturen für die individuelle Förderung von begabten jungen Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftlern, die die deutschen Hoch- schulen im internationalen Werben um hoch begabte junge Leute attraktiver machen“, erklärte Prof. Dr. med. Peter Gaethgens. Bisher böten die Hochschu- len dem akademischen Nachwuchs zu wenig Perspektiven. Der Vorsitzende der HRK schlug daher ebenfalls die Einrichtung von Kollegs und Graduier- tenschulen, die eigenständige Auswahl der Studierenden und Promovierenden durch die Hochschulen sowie eine ver- stärkte Schaffung von Qualifizierungs- stellen vor. Dabei appellierte er an den Gesetzgeber und die Länder, den Hochschulen mehr Autonomie zuzuge- stehen und die Ausgaben für Bildung und Forschung zu erhöhen oder zumin- dest die Hochschuletats nicht weiter ab- zusenken.

Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sich am 3. Mai aufgeschlossen gegenüber den Forderungen, wurde aber wenig konkret. Die Schaffung bestmöglicher Bedingungen für For- schung und Lehre sei eine „nationale Aufgabe“, sagte er.

Bundesforschungsministerin Edel- gard Bulmahn lobte indes die For- schungspolitik der Bundesregierung.

Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandspro- dukt (BIP) sei von 2,31 Prozent im Jahr 1998 auf aktuell 2,52 Prozent gewach- sen. „Wir wollen bis 2010 einen Anteil von drei Prozent am BIP erreichen“, betonte die Ministerin jüngst bei der Vorstellung des Bundesforschungsbe- richts 2004.Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann

P O L I T I K

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A1632 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 234. Juni 2004

G

erade einmal sechs Jahre Zeit hat sich Prof. Dr. med. Detlev Ganten, neuer Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin, gegeben, um sein Klinikum wieder zu Weltruhm zu führen: „Zur 300-Jahr-Fei- er steht die Charité wieder im Glanze wie früher.“ 1710 gegründet und 1910 zu ihrer 200-Jahr-Feier ein Weltzentrum der Medizin, soll die Charité, das mitt- lerweile größte Universitätsklinikum Europas, 2010 wieder zu den Top-Uni- versitäten gehören. Insbesondere unter dem breiten Begriff der Lebenswissen- schaften und der evolutionären Medi- zin will Ganten in Berlin ein Zentrum der Genomforschung etablieren.

Damit hat der neue Vorstandschef eine wahre Herkulesaufgabe vor sich, gilt es doch, zwei große Medizinfakul- täten so miteinander zu verschmelzen, dass einerseits die Ausgaben drastisch gesenkt werden, aber gleichzeitig ein Spitzenklinikum entsteht. Am 16. Fe- bruar, etwa ein Jahr nach der Fusion der Charité mit den

Standorten Berlin-Mitte, Virchow-Wedding und Buch sowie dem Uni- versitätsklinikum Benja- min Franklin (UKBF), Steglitz, übernahm der 63-jährige Molekular- wissenschaftler Ganten diese neue Aufgabe.

Der Start des verein- ten Großklinikums stand zunächst unter keinem guten Stern. Denn beide Kliniken wären lieber für sich geblieben. Hef- tig hatten vor zwei Jah- ren die Mitarbeiter des UKBF gegen die Spar-

pläne des Berliner Senats und die Schließung ihres Klinikums protestiert (DÄ, Heft 4/2002). Allein auf die Medi- zinische Fakultät der Humboldt-Uni- versität (Charité) sollte sich die univer- sitäre Forschung und Lehre in der Me- dizin in Berlin beschränken – so stand es im Koalitionsvertrag zwischen Berli- ner SPD und der PDS. Eine eigens ein- gesetzte Expertenkommission und der Wissenschaftsrat empfahlen hingegen eine vollständige Vereinigung der Berli- ner Hochschulmedizin unter einem ge- meinsamen Vorstand für Forschung, Lehre und Krankenversorgung. Die Po- litik ging schließlich darauf ein. Zwar konnte so die vollständige Abwicklung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin verhindert werden, doch auch die Zusammenlegung war nicht das, was sich die Mitarbeiter des UKBF gewünscht hatten.

Ein Jahr nach der Fusion hat sich bei den Beschäftigten noch immer kein Zu- sammengehörigkeitsgefühl eingestellt, zumal die finanzielle Situation des Klinik-Gi- ganten alles andere als rosig aussieht. „Durch Zwangsfusion in die Pleite“ stand auf einem Transparent, als Vor- standschef Ganten vor wenigen Wochen in einem Hörsaal der Charité bei einer Perso- nalversammlung seinen Mitarbeitern Mut zu- sprach. So katastrophal sei die Lage nicht, beteu- erte der Vorstandsvor- sitzende. Mit einem Ge- samtbudget von mehr als einer Milliarde Euro

Charité

Trotz Sparzwängen zu Weltruhm

Die gute alte Charité wird generalüberholt. Bald schon soll das größte Universitätsklinikum Europas wieder zu den Top-Adressen zählen. Viele Beschäftigte sind noch skeptisch.

Prof. Dr. med Detlev Ganten, neuer Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedi- zin Berlin: Bis 2010 steht die Charité wieder im Glanze wie früher.

Foto:privat

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