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Archiv "Pflegeversicherung: Mehr Autonomie durch persönliche Budgets" (12.12.2003)

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inen dringenden Reformbedarf bei der 1995 gestarteten gesetzlichen Pflegeversicherung sieht der Fach- ausschuss „Pflege/Rehabilitation“ der Gesellschaft für Versicherungswissen- schaft und -gestaltung e.V. (GVG). In dem am 11. November in Berlin vorge- stellten Reformkonzept betont die Ge- sellschaft, dass sich die Pflegeversiche- rung prinzipiell bewährt habe, es aber einen akuten Weiterentwicklungsbe- darf hinsichtlich des Pflegebedürftig- keitsbegriffes, der Verzahnung von pfle- gerischer, rehabilitativer sowie präven- tiver Interventionen und bei der Stär- kung der ambulanten Pflege gebe. Die Leistungen sollten prinzipiell in Form von persönlichen Budgets gewährt wer- den, bei der die Entscheidungsautono- mie des Betroffenen erweitert werde.

Die Gewährung von Pflegeleistun- gen und die Eingrenzung und Vermei- dung von Pflegebedarf setzt nach Auf- fassung der Experten im Fachausschuss der GVG voraus, dass ein ganzheitli- ches und trägerübergreifendes Pflege- konzept auf der Grundlage eines ein- heitlichen und praktikablen Pflegebe- dürftigkeitsbegriffes aller Leistungsträ- ger umgesetzt wird. Dies müsse sowohl sämtliche Sozialversicherungsträger als auch die öffentliche Hand, als auch pri- vate Versicherungsunternehmen um- fassen. Unverändert müsse Leitmotiv bei der Weiterentwicklung des Rechtes der gesetzlichen Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch IX) die Erhaltung der Selbstbestimmung und der ver- stärkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben seitens der Pflegebedürftigen sein (§ 1 SGB IX). An dem bisherigen Charakter der Pflegeversicherung als einer Teilkaskoversicherung werde sich

kurz- und langfristig schon aus finanzi- ellen Gründen nichts ändern lassen. Es sei richtig, die Pflegeversicherung unter ihrem ursprünglichen Auftrag beizube- halten, nämlich als ergänzende Versi- cherung im ambulanten und im sta- tionären Bereich, und zwar komple- mentär zu den Leistungen der Familien- pflege und zur Entlastung der voll sta- tionären Pflege. Bedarfsdeckende Sachleistungen seien zu keiner Zeit ge- setzlich vorgesehen gewesen. Aller- dings dürfe die Sicherstellung notwen- diger Hilfen bei Pflegebedarf und ins- besondere zur Vermeidung der Pflege- bedürftigkeit nicht dazu führen, dass die Leistungen und der Finanzierungs- rahmen allein auf die Pflegeversiche- rung beschränkt werden.

Umfassender Pflegebegriff

Empfohlen wird, den derzeitigen Pfle- gebegriff umfassender zu definieren und den festgestellten Bedarf einem für die ambulante und stationäre Versor- gung gleichen, nach Pflegestufen diffe- renzierten Leistungsanspruch gegen- überzustellen. Dieser müsse wie bisher solidarisch durch Arbeitgeber- und Ver- sichertenbeiträge finanziert werden.

Allerdings sollten die Leistungen künf- tig in Form persönlicher Budgets ge- währt werden. Dadurch würde vor al- lem die ambulante Pflege gestärkt und deren Vorrang vor der stationären Pfle- ge betont werden. Ein persönliches Budget könne dazu dienen, dass die Pflegebedürftigen Leistungen individu- ell „einkaufen“ können, die bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit als Hilfebedarf berücksichtigt werden müss-

ten. Bei der Konzeption eines persönli- chen Budgets sollten die Ergebnisse ei- nes noch laufenden Modellversuchs berücksichtigt werden. Die zu Pflegen- den müssten entscheiden, welche Lei- stungen sie für erforderlich halten, ob sie Leistungen von Laien oder profes- sionellen Helfern, von ambulanten oder stationären Anbietern annehmen und zulasten der Versicherung „einkaufen“

wollen. Die Leistungen der Behand- lungspflege und der Rehabilitation müssten dabei von den zuständigen Leistungsträgern finanziert werden.

Das Memorandum kritisiert, dass der derzeitige Begriff der Pflegebedürftig- keit fast überwiegend somatisch als Fol- ge von Krankheit oder einer Behinde- rung definiert werde (§ 14 SGB XI).

Dadurch werde das professionell er- brachte Leistungsspektrum ausschließ- lich auf körperbezogene Verrichtungen eingeengt.Weder die allgemeine Beauf- sichtigung von pflegebedürftigen Per- sonen würde im Leistungskatalog der ambulanten professionellen Versor- gung berücksichtigt, noch seien Kom- munikationsleistungen und eine syste- matische geistige Aktivierung in den Leistungen der ambulanten und sta- tionären Versorgung einbezogen wor- den. Diese Einschränkungen würden bei pflegebedürftigen Personen aus- schließlich verrichtungsbezogen kom- pensiert, nicht aber auch reaktivierend in körperlicher und geistiger Hinsicht.

Außerdem wird bemängelt, dass zwi- schen der Pflegeversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung, in der Teilhabe und bei der Sozialhilfe kei- ne systematische Verzahnung bestehe.

Der ganzheitliche Hilfebedarf des Ver- sicherten werde deshalb „sozialrecht- lich fragmentiert“; dies führe zu Fehl- steuerungen und systembedingten Ver- werfungen in der Versorgung. Nur teilweise habe der Gesetzgeber diese ristriktiven Bestimmungen dadurch kompensiert, dass für Pflegebedürftige mit einem erheblichen Bedarf an allge- meiner Beaufsichtigung und Betreuung ergänzende Begutachtungskriterien und geringfügig angehobene zusätzliche Leistungen neu eingeführt wurden.

Bemängelt wird die fehlende Ver- knüpfung von Rehabilitation, Präven- tion und Pflege, insbesondere die man- gelnde Umsetzung des Grundsatzes P O L I T I K

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A3286 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

Pflegeversicherung

Mehr Autonomie durch persönliche Budgets

Die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und

-gestaltung präsentiert ein Konzept zur Weiterentwicklung

der gesetzlichen Pflegeversicherung.

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A3288 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

„Rehabilitation vor Pflege“ und „Re- habilitation in der Pflege“. An den Ge- setzgeber wird appelliert, bessere Rah- menbedingungen zur Stärkung der Lai- enpflege und der professionellen am- bulanten Pflege zu schaffen. In beiden Bereichen sei eine verbesserte Qua- litätssicherung unabdingbar. Dabei sei- en die Instrumente und Verfahren in ein „vernünftiges Verhältnis“ zu brin- gen. Unverzichtbar sei auch, eine trä- gerübergreifende Pflegeberatung zu installieren. Nur dann könnten die ein- zelnen Maßnahmen im Pflegeprozess aufeinander abgestimmt und die Maß- nahmen der Einrichtungen besser ko- ordiniert werden. Mittelfristig sollte ein trägerübergreifendes Case-Manage- ment eingeführt werden. An die Bera- tung, Schulung und Qualitätssicherung müssten höhere Anforderungen gestellt werden.

Auch bei einem flexiblen Mittelein- satz müsse der Grundsatz der Beitrags- satzstabilität beibehalten werden. Al- lerdings werde der Kostendruck weiter steigen, weil die Leistungsmenge infol- ge der demographischen und gesell- schaftlichen Entwicklung weiter über- durchschnittlich zunehme. Zur Ergän- zung der Pflegeversicherung sollte eine kapitalgedeckte Pflegezusatzversiche- rung eingeführt werden. Mit den heuti- gen Trägerstrukturen könnte eine ka- pitalgedeckte Pflege-Ergänzungsversi- cherung betrieben werden. Eine Mi- schung von solidarischer und eigenfi- nanzierter Pflegeversicherung bezie- hungsweise ein Mix aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren sei eine zu- kunftsträchtige Lösung.Allerdings hän- ge die konkrete Ausgestaltung entschei- dend von weiteren Steuer- und Sozial- reformen ab.

Eine finanzielle Entlastung von Ver- sicherten mit Kindern während der Er- ziehungsphase gegenüber kinderlosen Versicherten sollte durch eine direkte steuerfinanzierte Transferzahlung er- folgen. Dadurch würde zugleich die Auflage des Bundesverfassungsgerichts- urteils (vom 3. April 2001) erfüllt. Dies könne durch einen Zuschuss zum Kin- dergeld erfolgen, der nach der Kinder- zahl gestaffelt werden könnte. Familien mit Kindern könnten damit einen Teil der Zusatzversicherungsbeiträge be- zahlen. Dr. rer. pol. Harald Clade

Schmerztherapie bei Kindern

Gravierende Probleme

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages lud Experten zum Gespräch.

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och immer seien die Defizite bei der schmerztherapeutischen Behand- lung von Kindern groß: So werde momentan nur ein Drittel derjenigen Kinder, die an chronischen Schmerzen leiden, ausreichend versorgt, berichtete Dr. med. Boris Zernikow während ei- nes Expertengesprächs der Kinderkom- mission des Deutschen Bundestages Mitte November in Berlin zum Thema

„Schmerztherapie, häusliche Pflege und Sterbebegleitung bei Kindern“. „Dabei haben bereits mindestens 350 000 Kinder unter 16 Jahren Migräneattacken und zehn Prozent aller Schulkinder dauerhaf- te Bauchschmerzen“, so der Institutslei- ter für Kinderschmerztherapie und Päd- iatrische Palliativmedizin an der Vesti- schen Kinder- und Jugendklinik Datteln.

Ein gravierendes Problem ist nach Ansicht von Zernikow die fehlende Zu- lassung von Medikamenten für Kinder.

Wichtige Schmerzmittel könnten nicht angewandt werden. „Sind die Medika- mente nicht zugelassen, lehnen die Krankenkassen auch für wissenschaft- lich begründete und Erfolg verspre- chende Schmerztherapien eine Kosten- übernahme ab“, so der Dattelner Kin- derarzt. Da die Ressourcen in Kinder- kliniken immer knapper würden, ent- scheide man sich nicht selten für den

„sicheren und schmerzvollen“ Weg, ganz auf Schmerzmittel zu verzichten.

Die Finanzierungsprobleme würden noch dadurch verstärkt, dass Kranken- häuser zunehmend nach dem DRG-Sy- stem abrechneten. Bislang sei die sta- tionäre Kinderschmerztherapie bei chronischen Schmerzen nicht im Fall- pauschalensystem nach australischem Muster abgebildet und dadurch nicht fi- nanzierbar. Zernikow forderte spezielle Abrechnungsziffern, um dieses Defizit auszuräumen. Das DRG-System biete

aber auch Chancen: „Wenn wir im Rah- men des Entgeltsystems künftig nur noch die Behandlung von Kindern in speziellen Kinderkliniken honorieren, hätte die qualitativ schlechtere schmerz- therapeutische Behandlung von Kin- dern in Erwachsenenkliniken endlich ein Ende“, so Zernikow.

Martina Lehmann-Geck, Geschäfts- führerin des bundesweiten Dachver- bands von Kinderhospizen und Kinder- hospizinitiativen in Olpe, verwies auf den Mangel an ambulanten Kinder- hospizen. Derzeit gebe es lediglich drei Hospize, die sich ambulant um schwer- kranke Kinder kümmerten, ein weiteres befinde sich im Aufbau. Dem gegenüber stehen nach Angaben der Kinderkom- mission 22 000 Kinder und Jugendliche mit lebenslimitierenden Erkrankungen.

Palliative Versorgung

Einige Krankenhausstationen böten zwar inzwischen palliative Versorgung für krebskranke Kinder an, so Lehmann- Geck. Für Kinder mit anderen lebens- bedrohlichen Krankheiten, wie zum Bei- spiel kardiologischen oder pulmonologi- schen Erkrankungen, werde bisher aber zu wenig getan. Dabei sterbe nur ein Drittel der Kinder an Krebs.

Um schwer kranke Kinder bis zum To- de zu Hause betreuen zu können, müss- ten Eltern mehr häusliche Unterstützung durch fachkompetentes Pflegepersonal erhalten, forderte Prof. Dr. med. Günter Henze von der Gesellschaft für pädiatri- sche Onkologie und Hämatologie. Not- wendig seien darüber hinaus Kinder- palliativstationen in Ballungsgebieten, ergänzte Zernikow. Kinder mit tödlich verlaufenden Erkrankungen könnten im Falle einer Verschlechterung ihres Allge- meinzustands auf diese Stationen ge- bracht, dort „neu eingestellt“ und dann wieder nach Hause geschickt werden.

Zernikow schlug vor, Kinderpalliativzen- tren so lange als Modellprojekte zu för- dern, bis durch gesetzliche Regelungen ein Kostenträger gefunden sei. Günter Ploß, Landesverband der Angestellten- Krankenkassen in Hamburg, gab aller- dings zu bedenken, dass mehr staatliche Unterstützung für palliative Versorgung nur mit höheren Krankenkassenbeiträ- gen zu finanzieren sei. Martina Merten

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