W
enn es um konkrete Maßnah- men bei der Behandlung einer Tumorerkrankung geht, von wem sollten die dafür nötigen Entschei- dungen getroffen werden? Vom Arzt, vom Patienten oder von beiden gemein- sam?“ Diese Frage, unter vielen ande- ren, wurde mithilfe eines standardisier- ten Fragebogens im Rahmen des Mo- dellprojekts „Patienten als Partner – Tumorpatienten und ihr Mitwirken an medizinischen Entscheidungen“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena final erkrankten Tumorpatienten (n = 272), Thüringer Hausärzten (n = 505) sowie einer repräsentativen Stichprobe der Thüringer Bevölkerung (n = 524) und der Bevölkerung Niedersachsens (n = 462) gestellt. Eines der zentralen Ziele der aktuellen Gesundheitspolitik ist es, die Einbeziehung der Patienten in den medizinischen Entscheidungs- prozess zu fördern. Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass dieses Bestrebenden Wünschen der Bevölkerung nach Partizipation entgegenkommt. Jeder Zweite – unabhängig davon, ob final erkrankt, gesund oder ärztlich tätig – wünscht sich bei der Behandlung einer Erkrankung einen gemeinsamen Ent- scheidungsprozess von Arzt und Pati- ent. Von den befragten Tumorpatienten wollte ein Drittel über alle Maßnahmen allein den Arzt entscheiden lassen. Die- ses eher paternalistische Verständnis der Arzt-Patienten-Beziehung fand sich häufig bei den über 65-Jährigen. Nur halb so viele bevorzugten eine auto- nome Behandlungsentscheidung. Dies wurde vor allem von den unter 65-Jährigen präferiert.
Vergleicht man diese Zahlen mit den in einer repräsentativen Bevölkerungs- umfrage erhobenen Partizipationswün- schen der Thüringer und der nieder- sächsischen Bevölkerung, so zeigt sich:
Der Wunsch, Behandlungsentscheidun- gen in die Hand des Arztes zu legen, wird von Tumorpatienten dreimal so häufig geäußert. Für die Partizipations- präferenz war es von geringer Bedeu- tung, wie lange die Erkrankung bereits besteht, in welchem Allgemeinzustand sich die Patienten befinden, welchen Geschlechts und wie gebildet sie sind – die Diagnose eines Tumors scheint die Einstellung zur Partizipation zu ver- ändern. Die befragten Tumorpatienten
äußerten ein hohes Bedürfnis an Zeit, Ehrlichkeit, Beratung und gemeinsa- men Gesprächen. Präferenzen und indi- viduelle Partizipationswünsche können nur in einem ausführlichen Arzt-Pati- enten-Gespräch ermittelt werden. Ent- sprechende Schulungen an der Ärzte- kammer Thüringen erfreuen sich reger Beteiligung, insbesondere durch nie- dergelassene Mediziner. Letztere zeig- ten auch in der Befragung eine hohe Bereitschaft, Patienten in Entschei- dungen einzubeziehen. Jeder dritte Hausarzt präferierte den Patienten als letzten Entscheidungsträger. Dies entsprach erfreulicherweise dem Partizipationsbedürfnis in der Thü- ringer Bevölkerung. In Niedersachsen war der Anteil derer, die über ihre Behandlungsmaßnahmen selbst ent- scheiden wollten, noch höher. Wäh- rend knapp die Hälfte der befragten Niedersachsen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit bevorzugte, wünsch- ten sich sogar noch mehr, die Mög- lichkeit zu haben, am Ende des Ent- scheidungsprozesses die letzte Entschei- dung selbst zu fällen.
Dr. med. Kerstin Steinbach E-Mail: Kerstin@Steinba.ch
Die Langfassung ist abrufbar unter www.aerzteblatt.de/aufsaetze/0403 T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 418. Oktober 2004 AA2741
Arzt-Patient
Wer entscheidet?
Tumorpatienten sprechen sich mehr als andere Befragte für die Behandlungsentscheidung durch den Arzt aus.
A
ls Option zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens werden immer wieder die Konzepte von Managed Care genannt. Managed Care ist ein integriertes System zur Steue- rung der medizinischen Versorgung mit dem Ziel, sowohl die Qualität als auch die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.Dass dies auch in Deutschland möglich wäre, soll anhand von sechs Thesen ver- deutlicht werden.
These 1: Managed Care ist zwar in den USA in einem irregulierten und hoch kompetitiven Gesundheitsmarkt entstanden, dennoch kann Managed Care auch in andere Gesundheitssysteme übertragen werden.
These 2: Durch die Einführung von Managed Care kann die Gesundheits- versorgung kostengünstiger durchge- führt werden.
These 3: Mit Managed Care muss sich die Qualität der medizinischen Versor- gung nicht zwangsläufig verschlechtern, sondern kann sogar verbessert werden.
These 4: Viele Ärzte und Patienten stehen neuen Modellen der Gesund- heitsversorgung durchaus positiv gegen- über, was die Umsetzung von Managed Care in Deutschland fördern sollte.
These 5: Mit den bestehenden recht- lichen Rahmenbedingungen ist Man-
aged Care in weiten Teilen schon heute in der Gesetzlichen Krankenversiche- rung umsetzbar.
These 6: Die Einführung von Man- aged Care stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Gruppen: Die Patien- ten müssen auf Wahlfreiheiten verzich- ten und unter Umständen eine höhere finanzielle Verantwortung übernehmen.
Durch die Einbindung in ein Versor- gungsmodell müssen die Ärzte in vielen Fällen das gewohnte „Einzelkämpfer- dasein“ aufgeben und sich in ein kolle- giales Netzwerk einfügen.
Dr. med. Dr. rer. pol. Michael Wiechmann Leiter Bereich Gesundheitsmanagement und Medizin Allianz Private Krankenversicherungs-AG E-Mail: michael.wiechmann@allianz.de
Die Langfassung ist abrufbar unter www.aerzteblatt.de/aufsaetze/0404