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Archiv "Ad-hoc-dienste in Grossbritannien: Andere Länder, andere Sitten" (10.09.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 36

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10. September 2010 A 1717 AD-HOC-DIENSTE IN GROSSBRITANNIEN

Andere Länder, andere Sitten

Unkenntnisse über die Anforderungen an einen Notdiensteinsatz in der Primärarzt- versorgung im Vereinigten Königreich können die berufliche Existenz gefährden.

S

eit etwa sechs Jahren organi- sieren lokale Primary Health- care Trusts (PCTs) die Notdienst- versorgung („out of hours“, OOH) im Primärarztbereich in Großbri- tannien. PCTs sind eine Art Mi- schung aus Kassenärztlicher Verei- nigung und gesetzlicher Kranken- kasse. Das Personal für die OOH- Versorgung rekrutieren die PCTs häufig mit Hilfe von Agenturen. In ländlichen Regionen und vor allem zu Festtagen wie Weihnachten ist es jedoch manchmal schwierig, ausrei- chend inländische Ärztinnen und Ärzte zu finden. Die Agenturen greifen dann häufig auf Ärzte aus dem europäischen Ausland zurück, unter anderem aus Deutschland.

Da sich Behandlungsrichtlinien, Verordnungsgewohnheiten und das ärztliche Berufsrecht im Vereinig- ten Königreich (UK) mitunter deut- lich von den deutschen Vorgaben unterscheiden, empfiehlt es sich, sich gut auf einen Aufenthalt in Großbritannien vorzubereiten.

Denn Unkenntnis über die An- forderungen an einen Notdienst- einsatz in der Primärarztversor-

gung im UK kann sowohl für den Arzt als auch für die Patienten gra- vierende Folgen haben. Das zeigen die jüngsten Zwischenfälle mit der Verordnung von Diamorphin durch deutsche Allgemeinärzte. Die be- troffenen Kollegen waren jeweils nur für Kurzaufenthalte in Groß- britannien.

Diamorphin ist in Deutschland als „Heroin“ bekannt. Sein Besitz oder Gebrauch sind hierzulande il- legal. Im Vereinigten Königreich ist Diamorphin jedoch nach wie vor le-

gal verordnungsfähig und beliebt, weil es weniger emetische Neben- wirkungen hat als Morphin.

Als Faustregel gilt: 5 mg Dia- morphin entsprechen etwa 10 mg Morphin. Das Mittel ist als gefrier- getrocknetes Pulver in 5-, 10-, 30- und 100-mg-Ampullen erhältlich.

Vor der Verabreichung ist es mit 2–5 ml Glukose, Natriumchlorid oder Aqua aufzulösen. Als Indikati-

on für die 100-mg-Dosierung gilt in der Regel lediglich die Behandlung von Patienten mit terminalen Tu- morschmerzen. Für nicht Drogen- abhängige oder anderweitig chro- nisch mit Opiaten behandelte Pa- tienten kann diese Dosis wegen der damit verbundenen Atemdepressi- on tödlich sein.

Bei den bekanntgewordenen Zwischenfällen wurde offenbar Diamorphin 100 mg intravenös ver- abreicht. In mindestens einem Fall war diese Dosis tödlich. Dem Kol- legen, dessen Patient nach Diamor- phingabe gestorben ist, wurde vom General Medical Council (GMC) ein Berufsverbot erteilt. Dass er in Deutschland weiterhin praktizieren darf und nur wegen fahrlässiger Tö- tung verurteilt wurde, hat die Ge- müter sehr erregt und zu Aktionen der Angehörigen des Verstorbenen gegen den Arzt geführt. Sie verlan- gen unter anderem den Entzug der deutschen Approbation.

Eine gute Vorbereitung und ent- sprechende Vorkenntnisse über die Verhältnisse in Großbritannien bei Ad-hoc-Einsätzen über ein Wo- chenende sind daher unerlässlich.

Hilfreich sind hierbei die „British National Formulary“ (BNF) und die

„British National Formulary for Children“ (BNF-C), das englische

Äquivalent zur Roten Liste. Beide Bücher haben DIN-A-5-Taschen- buchformat und informieren über Verordnungsgewohnheiten und zu Fragen bezüglich Dosierungen.

Ebenfalls verbindlich sind und als bekannt vorausgesetzt werden die Behandlungsrichtlinien des „Natio- nal Institute for Clinical Excellence“

(NICE), die im Internet als „NICE Guidelines“ ebenso zugänglich sind

Dem Arzt, dessen Patient nach Diamorphingabe gestorben ist, wurde vom General Medical Council ein Berufsverbot erteilt.

Ein Kurzeinsatz mit Folgen – Zwi- schenfälle bei der Verordnung von Dia- morphin durch deutsche Ärzte in England häufen sich.

Fotos: iStockphoto

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10. September 2010 wie das BNF. Empfehlenswert ist

ferner das „Oxford Handbook of General Practice“, das im Vereinig- ten Königreich sowohl als Nach- schlagewerk als auch als Standard für Ärzte in der Ausbildung zum General Practitioner (GP) dient.

Voraussetzung für jegliche ärztli- che Tätigkeit ist eine Registrierung

beim GMC und seit Oktober 2009 außerdem die Erteilung einer Li- zenz durch das GMC. Die Kosten hierfür betragen jährlich 410 Briti- sche Pfund. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.gmc- uk.org.

Für GPs ist es weiterhin erforder- lich, auf der „performers list“ einer PCT zu stehen. Nähere Auskünfte hierzu sind erhältlich unter www.

nasgp.org.uk/lists/performers_lists_

faq_doh.pdf.

In Europa ausgebildete Allge- meinärzte benötigen auch eine Be- scheinigung vom GMC, dass sie vom Nachweis einer GP-Ausbil- dung im UK ausgenommen sind.

Darüber hinaus werden in der Regel zwei Referenzen verlangt, das heißt Name und Kontaktdetails von Kol- legen, die bereit sind, Anfragen zur beruflichen Qualifikation zu beant- worten.

Anders als Krankenhausärzte müssen GPs sich selbst um eine

Haftpflichtversicherung kümmern, deren Beiträge sich nach den durch- schnittlichen wöchentlichen Ar- beitsstunden richten. Die bekann- testen sind die Medical Defense Union, die Medical Protection So- ciety und die Medical and Dental Defense Union of Scotland, an die man sich direkt wenden kann.

GPs, die am OOH-Service teil- nehmen, wird die Ausrüstung ge- stellt. Es ist ratsam, sich vor Antritt einer Hausbesuchs-Dienstbereit- schaft mit ihr vertraut zu manchen, am besten vor dem ersten Einsatz.

Zur Ausrüstung gehören neben ei- nem Medikamentenkoffer in der Regel ein Defibrillator und ein Be- atmungsgerät. Wie in Deutschland wird man von einem Fahrer zum Einsatzort gebracht, so dass Orts- kenntnisse in der Regel nicht not-

wendig sind. ■

Dr. med. Herwig Bretschneider Arzt für Anästhesie Consultant Anaesthetist

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Urteilen vom 14. Januar 2010 (Az.: III ZR 173/09; Az.: III ZR 188/09) die Anforderungen an das Zustande- kommen eines eigenständigen Behandlungsver- trags zwischen Patient und Laborarzt präzisiert (DÄ, Heft 24/2010).

Eine Gemeinschaftspraxis hatte eine Blutpro- be an eine Laborarztpraxis übersandt, die auf das Marfan-Syndrom untersucht werden sollte. Bei- gefügt waren ein „Überweisungs-/Abrechnungs- schein für Laboratoriumsuntersuchungen als Auftragsleistung 10“ und ein „Überweisungs-/

Abrechnungsschein 06–2“. Auf dem ersten Vor- druck war unter „Auftrag“ vermerkt: „Genotypi- sierung, Marfan-Syndrom“. Auf dem zweiten Vor- druck war zusätzlich ergänzt: „Bitte Stufendia- gnostik: Marfan I und II (nach Rücksprache)“. Zu- dem wurde ein Formular „Privatzuweisung“ mit weiteren Angaben einschließlich „Patienteninfor- mation“ an das Labor gesandt. Nach einer um- fangreichen labormedizinischen Stufendiagnostik wurden die Ergebnisse in drei humangenetischen Gutachten an den Hausarzt mitgeteilt. Die Rech- nung in Höhe von 21 572,97 Euro wurde vom beklagten Patienten nicht gezahlt.

Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und verwies an das Berufungsgericht; diese Entschei-

dung liegt noch nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat sich mit dem Zustandekommen des Behand- lungsvertrags befasst und festgestellt: „Nach allgemeiner Auffassung wird bei der Inanspruch- nahme eines externen Laborarztes durch den behandelnden Arzt letzterer im Regelfall als Stell- vertreter des Patienten tätig. Übersendet dieser Untersuchungsmaterial des Patienten an den La- borarzt, erteilt er den damit verbundenen Auftrag grundsätzlich im Namen des Patienten. Hat die- ser ihn dazu bevollmächtigt, wird neben dem Be- handlungsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Arzt ein weiteres eigenständiges Vertrags- verhältnis zwischen dem Patienten und dem La- borarzt begründet.“

Damit folgt der BGH seiner bisherigen Recht- sprechung und wendet diese für gesetzlich ver- sicherte Patienten entwickelten Grundsätze auch auf privat Versicherte an. Die Art und der Um- fang der vom Arzt geschuldeten Tätigkeit be- stimmt sich nach seinen berufsrechtlichen Pflichten. Diese ergeben sich unter anderem aus den Heilberufe- und Kammergesetzen der Län- der, so dass die vertragliche Verpflichtung des Arztes von vornherein nicht auf solche Tätigkei- ten als Eigenleistung erstreckt ist, die von dem jeweiligen Fachgebiet nicht umfasst werden.

Deshalb ist davon auszugehen, so der BGH, dass die hausärztliche Gemeinschaftspraxis im Rahmen der Übersendung der Blutprobe, der Überweisungsscheine und der Privatzuweisung im Namen des Patienten und nicht im eigenen Namen aufge treten ist.

Der Hausarzt und der Patient hatten zum Um- fang der Untersuchung über einen „einfachen Gentest“, der etwa 500 Euro bis 800 Euro koste, gesprochen; insofern dürfte die Vollmacht be- grenzt gewesen sein. Bei Überschreitung der Vollmachtsgrenzen finden die Regeln des voll- machtlosen Vertreters gemäß §§ 177 ff. Bürgerli- ches Gesetzbuch (BGB) Anwendung. Dies könnte zur Haftung des behandelnden Arztes nach

§ 179 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht führen. Im gegebenen Fall hat der BGH ihn un- mittelbar aus dem Vertragsverhältnis befreit, dem Laborarzt allerdings Schadenersatzansprüche ge- gen den die Untersuchungen in Auftrag geben- den Arzt aus §§ 311 Abs. 3 und 241 Abs. 2 BGB zugebilligt. Da aber weitere Feststellungen zu treffen sind, unter anderem wegen des Hinweises auf die Stufendiagnostik „nach Rücksprache“, wurde das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zudem hat sich der BGH mit dem Begriff der medizinisch notwendigen Leis- tung auseinandergesetzt. Darüber wird im nächs- ten GOÄ-Ratgeber berichtet. Dr. jur. Marlis Hübner

GOÄ-RATGEBER

Laborärzte: Zustandekommen des Behandlungsvertrags (Teil I)

Notdiensteinsätze in Großbritannien erfordern eine gute Vorbereitung.

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Referenzen

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