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Archiv "Boehringer Ingelheim: Wachstumspause für den Primus" (14.05.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 19

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14. Mai 2010 A 947 BOEHRINGER INGELHEIM

Wachstumspause für den Primus

Das deutsche Familienunternehmen zählt seit Jahren zu den wachstumsstärksten Pharmaunternehmen weltweit. 2010 wird der Umsatz jedoch stagnieren und der Betriebsgewinn sinken.

D

ie Reise nach Ingelheim am Rhein führt vorbei an Wein- stöcken und lieblichen Hängen. In diesem idyllischen Städtchen in Hessen steht seit 125 Jahren das Stammwerk des zweitgrößten deut- schen Pharmaunternehmens: Boeh- ringer Ingelheim. Blumenbeete und sauber geschnittene Sträucher um- rahmen die kahlen Zweckbauten der Pharmaproduktion. Die Sonne brennt heiß ins schöne Rheintal.

„Ist es nicht schwierig, in dieser ländlichen Gegend hochqualifizier- te Mitarbeiter zu finden?“, fragt ein Journalist aus Südkorea den Vor- stand bei der Vorstellung der Jah- reszahlen Mitte April. Es ist einer der wenigen Momente, in denen ein Lächeln in das sonst so reglose Ge- sicht von Andreas Barner, Sprecher der Geschäftsleitung und zuständig für Forschung, rutscht: „Nein!“ Die Antwort fällt leicht; zählt doch das Familienunternehmen Umfragen

zufolge zu den beliebtesten Arbeit- gebern der Branche. In der aktuel- len Umfrage des Verbandes der angestellten Akademiker belegte Boehringer Ingelheim 2009 den ersten Platz, zum achten Mal hinter- einander. Vom Wissenschaftsmagazin

„Science“ befragte Forscher kürten Boehringer zum weltweit zweitbes- ten Arbeitgeber hinter dem US-Bio- techunternehmen Genentech.

Patentabläufe und Sparpläne der Politik als Belastung

Weltweit arbeiten an 21 Standorten 41 000 Menschen für Boehringer, davon knapp 11 000 in Deutsch- land. Der Konzern gehört, gemes- sen am Umsatz, zu den 15 größten Pharmaunternehmen der Welt und ist der mit Abstand größte Arznei- mittelhersteller, der als Familien - unternehmen geführt wird – mit Er- folg. Im vergangenen Jahr steigerte Boehringer trotz der Wirtschaftskri-

se den Umsatz um zehn Prozent auf 12,7 Milliarden Euro und den Nettogewinn um knapp ein Viertel auf 1,8 Milliarden Euro. Damit war Boehringer das weltweit am schnellsten wachsende Pharma - unternehmen, zeigen Daten der Marktforscher von IMS Health.

Die Schönwetterlage wird in die- sem Geschäftsjahr allerdings durch ein Tiefdruckgebiet gestört. Der Umsatz werde in diesem Jahr auf dem Niveau des Vorjahres stagnie- ren, sagte Barner bei der Bilanz- pressekonferenz. Das Betriebser- gebnis werde im Jahresvergleich sogar deutlich sinken. Allerdings erwartet er für 2011 schon wieder einen deutlichen Umsatzzuwachs.

Die diesjährige Wachstumsdelle beendet vorerst eine Ära: In den vergangenen sechs Jahren war der Erlös von Jahr zu Jahr gestiegen, zudem lag das Umsatzwachstum über dem Branchendurchschnitt.

Ursachen für die Wachstumspause sind die Sparpläne von Gesund- heitsminister Philipp Rösler und der Ablauf von Patenten. Allein die ge- planten Zwangsrabatte belasteten das Unternehmen mit etwa 55 Mil- lionen Euro, schätzt Wolfram Ca - rius, der in der Geschäftsführung für Personal und Biopharmazeutika zuständig ist.

Durch die Konkurrenz von Ge- nerikafirmen könnte Boehringer in diesem Jahr zusätzlich bis zu 1,5 Milliarden Euro Umsatz einbüßen.

Allerdings sollen diese Verluste durch Umsatzsteigerungen anderer Medikamente ausgeglichen werden.

„2009 haben wir uns für das etwas schwierige Geschäftsjahr 2010 gut vorbereitet“, sagt Barner. Das Geschäft mit verschreibungspflich- tigen Medikamenten trug im ver- gangenen Jahr zu 95 Prozent des Konzernumsatzes bei. Am schwers-

Foto: Vario Images

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14. Mai 2010 ten wiegt der Ablauf des Patent-

schutzes für das Prostatamittel Flo- max sowie für das Parkinsonmittel Sifrol. 2009 war Flomax mit einem Umsatz von circa 1,4 Milliarden Euro das zweitwichtigste Produkt von Boehringer, Sifrol folgte mit 800 Millionen Euro auf Patz vier.

An erster Stelle stand das Atem- wegsmittel Spiriva für die Behand- lung von COPD-Patienten mit 2,4 Milliarden Euro Umsatz. Der dritte Blockbuster – so werden Medika- mente mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar genannt – war Micardis. Das Präpa- rat gegen Bluthochdruck erlöste im vergangenen Jahr knapp 1,4 Milli- arden Euro. Diese vier Produkte generieren fast die Hälfte des Konzernumsatzes.

Für die Zukunft ruhen die Hoff- nungen auf fünf Arzneimitteln, die in der letzten klinischen Entwick- lungsphase beziehungsweise kurz vor der Zulassung stehen. Große Erwartungen knüpft das Unterneh- men an den Blutgerinnungshemmer Pradaxa. Bisher ist das oral einzu- nehmende Medikament in Europa zur Thromboseprophylaxe nach

Hüftoperationen zugelassen. Künf- tig soll es auch helfen, das Risiko von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern zu verhindern – ein Problem, das bei etwa zehn Prozent der Menschen, die älter als 75 Jahre sind, auftritt. Experten se- hen hier einen Markt, auf dem Mil- liardenumsätze erzielt werden kön- nen. Bisher ist die Gerinnungshem- mung die Domäne der Wirkstoffe Phenprocoumon oder Wafarin, bei- des so genannte Vitamin-K-Ant - agonisten. Boehringer liefert sich im Wettlauf um die Zulassung für Pradaxa ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Konkurrenten Bayer. Der Leverkusener Konzern will unter dem Produktnamen Xarelto ein ähnliches Produkt auf den Markt bringen. Pradaxa werde Ende 2011 oder Anfang 2012 auf den Markt kommen, erwarten Experten. Bis- her sieht es so aus, als ob Xarelto später zugelassen würde.

Zu den weiteren Hoffnungsträ- gern in Boehringers Forschungs - pipeline zählen ein Medikament zur Behandlung von vermindertem se- xuellem Verlangen von Frauen mit Leidensdruck, zwei Krebsmittel so-

wie ein Diabetesmedikament. 2009 hat Boehringer den Etat für For- schung und Entwicklung um fünf Prozent auf 2,2 Milliarden Euro er- höht. Damit hat das Unternehmen 21 Prozent der Umsatzerlöse aus dem Geschäft mit verschreibungs- pflichtigen Medikamenten in die Forschung investiert.

Die Familien verzichten auf Gewinnentnahmen

Pradaxa, aber auch Spiriva entstan- den unter der Ägide von Andreas Barner, der bereits seit 1999 für die Forschung verantwortlich ist.

Barner, promovierter Arzt und pro- movierter Mathematiker, gilt als brillanter Forscher. „Ich liebe die Forschung und bin froh, dass sie kompliziert ist“, sagte er einmal in einem Zeitungsinterview. Barner verkörpert mit seiner zurückhalten- den Art die Werte des Familienun- ternehmens, das stolz darauf ist, aus eigener Kraft, nur ergänzt durch kleine Akquisitionen in Randberei- chen, zu wachsen.

Gesellschafter des Familienun- ternehmens sind die Familien Boeh ringer und von Baumbach – inzwischen in der vierten Generati- on. Sie halten 100 Prozent der Stimmrechte von Boehringer Ingel- heim. Christian Boehringer leitet seit 2007 den Gesellschafteraus- schuss, der vergleichbar einem Auf- sichtsrat bei Aktiengesellschaften fungiert. Als erster Vertreter der Fa- milienstämme ist Hubertus von Baumbach im Jahr 2008 in die ope- rative Führung des Unternehmens eingestiegen und verantwortet die Bereiche Finanzen und Tiergesund- heit. Freundlich lächelnd tritt er im eleganten Anzug mit blütenweißem Einstecktuch auf und erläutert den

„sehr verehrten Damen und sehr ge- ehrten Herren“ bei der Bilanzpres- sekonferenz, dass Boehringer mit starker Finanzausstattung in das Jahr 2010 gestartet sei. Die Famili- en hätten auf Gewinnentnahmen verzichtet, damit das Eigenkapital um ein Viertel auf 5,9 Milliarden Euro hätte erhöht werden können.

Die Eigenkapitalquote liege nun bei knapp 40 Prozent. Der Rest der Fa- milie bleibt unsichtbar. ■ Petra Prenzel Noch während seines Chemiestudiums gründete

Albert Boehringer 1885 in Nieder-Ingelheim das pharmazeutische Unternehmen „Boehringer In- gelheim“ mit 28 Mitarbeitern. Die Basis dazu leg- te er mit dem Kauf einer kleinen Weinsteinfabrik, die er mit Hilfe seines Bruders Ernst von einem Mainzer Unternehmer erwarb. Der Vater der Brü- der leitete zu diesem Zeitpunkt die Chemie- und Arzneimittelfirma C. F. Boehringer & Söhne in Stuttgart, die sein Großvater gegründet hatte.

Mehr als 100 Jahre existierten zwei chemisch- pharmazeutische Unternehmen namens Boehrin- ger als eigenständige Einheiten: Ernst führte das elterliche Unternehmen, das später in den Besitz der Mannheimer Unternehmerfamilie Engelhorn gelangte, die es 1997 an den Baseler Roche- Konzern verkaufte. Alberts neu gegründetes Un- ternehmen in Ingelheim befindet sich dagegen noch immer im Familienbesitz.

Die Anfangsjahre waren für Alberts Unterneh- men nicht einfach. Zunächst produzierte Boehrin- ger organische Säuren. 1893 dann der Glücksfall:

Beim Versuch, Zitronensäure herzustellen, ent-

stand Milchsäure. Zwei Jahre später meldete das Unternehmen sein erstes Patent an: Backpulver auf Milchsäurebasis. Auch in anderen Bereichen – beispielsweise in Gerbereien, Druckereien oder als Lösemittel für die Arzneimittelherstellung – ließ sich Milchsäure einsetzen.

Anfang des 20. Jahrhunderts begann Boehrin- ger mit der Herstellung sogenannter Alkaloide, pflanzlich basierter Arzneistoffe wie Codein oder Morphin. Ein Meilenstein auf dem Weg zum for- schenden Pharmakonzern war die Zusammenar- beit mit dem Münchener Chemiker und späteren Nobelpreisträger Heinrich Wieland, der ab 1903 bis zu seinem Tod mit Albert und später mit sei- nen Söhnen zusammenarbeitete. Er half 1917 beim Aufbau einer wissenschaftlichen Abteilung zur Medikamentenentwicklung. Wieland isolierte das Alkaloid „Lobelin“, das als Mittel gegen Atem- stillstand über Jahre das umsatzstärkste Medi- kament Boehringers war. In den1930er Jahren gelang mit dem Medikament „Sympatol“ der Ein- stieg in die Therapie von Herz-Kreislauf-Erkran- kungen. 1939 starb Albert Boehringer.

DIE HISTORIE

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