A 956 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 19|
10. Mai 2013BOEHRINGER INGELHEIM
Fest in Familienhand
Weniger Gewinn wegen hoher Forschungsausgaben
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er Gewinn ist deutlich ge- schrumpft, trotzdem war 2012 für Boehringer Ingelheim „ein Jahr, mit dem wir sehr zufrieden sind“, so Konzernchef Andreas Barner bei der Präsentation der Jahreszahlen am 25. April in Ingelheim. Um 16 Prozent auf 1,24 Milliarden Euro ging der Jahresüberschuss im Ver- gleich zum Vorjahr zurück. Der Umsatz stieg dagegen gegenüber 2011 um 11,5 Prozent auf etwa 14,7 Milliarden Euro. Rechnet man Währungseffekte heraus, liegt das Plus noch bei 6,3 Prozent.Barner steht seit 1999 an der Spitze des Vorstands des Familien-
unternehmens. Den promovierten Mathematiker und Mediziner bringt nichts so schnell aus der Ruhe.
Kurzfristiges Gewinnstreben ist nicht seine Sache. Im laufenden Geschäftsjahr werde der Umsatz im
„mittleren einstelligen Bereich“
wachsen, stellte er in Aussicht. Das Familienunternehmen ist inzwi- schen das größte pharmazeutische Unternehmen Deutschlands.
Boehringer Ingelheim will wei- ter aus eigener Kraft wachsen und investiert deswegen kräftig in For- schung und Entwicklung (F&E).
„Damit sichern wir die Zukunft des Unternehmens“, sagte Barner. Dem- entsprechend habe man die Ausga- ben für F&E 2012 um elf Prozent gegenüber 2011 auf 2,8 Milliarden Euro angehoben. Das entspricht 19 Prozent der Umsatzerlöse. Die hohen Forschungsausgaben seien einer der Gründe für den Gewinnrückgang.
Mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erwirtschaftet Boeh - ringer Ingelheim 78 Prozent des
Konzernumsatzes. 2012 stieg der Umsatz in diesem Geschäftsfeld um 13 Prozent auf circa 11,4 Milliarden Euro. Das umsatzstärkste Medika- ment war Spiriva zur Behandlung chronisch-obstruktiver Atemwegs- erkrankungen (COPD-Therapie) mit einer Zunahme von 13 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro. Weltweit gibt es etwa 44 Millionen COPD- Patienten. Nahezu 15 Prozent der Deutschen, die älter als 40 Jahre sind, leiden an der Erkrankung. Bei den über 70-Jährigen sind es sogar knapp 30 Prozent. Hauptursache für die Entstehung einer COPD ist das Rauchen.
Besonders dynamisch entwickel- te sich der Umsatz von Pradaxa.
Das Medikament wird zur Prophy- laxe von Schlaganfällen bei Patien- ten mit Vorhofflimmern eingesetzt und kann oral eingenommen wer- den. Die Pradaxa-Erlöse stiegen um 76,2 Prozent und kletterten zum ersten Mal über die Schwelle von einer Milliarde Euro.
Noch in diesem Jahr will Boeh- ringer Ingelheim ein neues Medika- ment zur Behandlung von Lungen- krebs auf den Markt bringen. Neben Diabetes soll die Onkologie die zweite neue wichtige medizinische Säule des Unternehmens werden.
Die US-Arzneimittelzulassungsbe- hörde FDA hatte im Januar zuge- sagt, den Zulassungsantrag für das Krebsmedikament Afatinib vorran- gig zu prüfen. Boehringer Ingelheim erwartet, dass die Entscheidung der FDA im dritten Quartal fällt. Lun- genkrebs ist weltweit die häufigste und tödlichste Krebsart. Zusammen mit der Biotechfirma Qiagen entwi-
ckelt Boehringer Ingelheim zudem einen Gentest, mit dem herausge- funden werden kann, zu welchen Patienten das Medikament passt.
Auch bei der Entwicklung ei- nes neuen Diabetes-Medikamentes kommt Boehringer Ingelheim – hier in Partnerschaft mit Eli Lilly – vor - an. Die Substanz Empagliflozin hat in vier klinischen Studien bei der Behandlung von Typ-II-Diabetes gewirkt. In diesem Jahr wollen die beiden Unternehmen für das Mittel die Zulassung in den USA, in Europa und in Japan beantragen.
Weltweit leiden ungefähr 371 Mil- lionen Menschen an Diabetes, schätzt die International Diabetes Federation (IDF).
Ab 2014 erwartet das Familien- unternehmen die Zulassung weiterer Substanzen in unterschiedlichen In- dikationen wie Asthma und COPD, der idiopathischen Lungenfibrose, sowie weiteren Indikationen der Onkologie und bei Hepatitis C.
Boehringer Ingelheim will sich allerdings nicht nur auf potenziell umsatzstarke Präparate konzentrie- ren. Vorstandssprecher Barner will auch Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten, wie beispiels- weise die idiopathische Lungenfi- brose, entwickeln – „ohne Blick auf den Deckungsbeitrag“, erklärte Barner. Das Familienunternehmen kann sich diesen Luxus leisten:
Boeh ringer verfügte 2012 über 6,2 Milliarden Euro Eigenkapital, die Eigenkapitalquote lag bei 35,7 Pro- zent. „Die Unabhängigkeit des Un- ternehmens Boehringer Ingelheim ist das oberste Ziel der Gesellschaf- ter und der Unternehmensleitung“, betonte Hubertus von Baumbach, verantwortlich für den Geschäfts- bereich Finanzen, während der Bi- lanzpressekonferenz. Von Baum- bach ist 2008 als erster Vertreter der Familienstämme Boehringer und von Baumbach in die operative Führung des Unternehmens einge- stiegen. Die beiden Familien halten 100 Prozent der Stimmrechte von Boehringer Ingelheim. Christian Boehringer leitet seit 2007 den Ge- sellschafterausschuss, der ver- gleichbar einem Aufsichtsrat bei Aktiengesellschaften fungiert.
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Petra Prenzel