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er erste „Leukotrien- Rezeptor-Antagonist“hat im April die deut- sche Zulassung erhalten. Die Hauptindikation für Monte- lukast (Singulair®, MSD) ist laut Fachinformation die Zu- satzbehandlung von Patien- ten mit leichtem bis mittel- schwerem Asthma, bei denen eine herkömmliche Therapie nur unzureichend hilft. Hinzu kommt die Vorbeugung ge- gen Belastungsasthma.
Obwohl plausibel ist, daß die Substanz bei allen Asth- ma-Schweregraden hilft, hält der Pneumologe Prof. Roland Buhl (Universität Mainz) die von der Zulassungsbehörde vorerst mit etwas Zurückhal- tung erteilten Indikationen für nachvollziehbar: „Wir müssen mit dem neuen Be- handlungsprinzip erst einmal breitere Erfahrungen sam- meln, bevor wir seine Stellung in den Therapieschemata fest- legen können.“
Der Wirkmechanismus von Montelukast fügt sich al- lerdings nahtlos in das mo- derne antientzündliche Kon- zept der Asthma-Therapie ein. Bronchokonstriktion und gesteigerte Schleimpro- duktion – jene Symptome, die Patienten am ärgsten zu schaffen machen – gelten heute als akute Konsequen- zen einer chronischen Ent- zündung in den Atemwegen.
Die Therapie spiegelt das wider: Die antientzündli- che Basisbehandlung – vor allem mit Kortikosteroiden – dämpft mit etwas Vorlaufzeit nicht nur die Atemnot- Attacken, sondern verspricht zudem, langfristige Gewebe- schädigungen in den Bronchi- en aufzuhalten oder zumin- dest zu verlangsamen.
In dieser lokalen Entzün- dung spielen „Leukotriene“
offenbar eine potente Rolle.
Die Hormone werden in den Bronchien von eingewander- ten Entzündungszellen frei- gesetzt; darunter sind insbe- sondere Mastzellen, Basophi- le und Eosinophile. Adressat der Leukotriene ist vor allem die Atemwegsmuskulatur, aber auch schleimproduzie- rende Zellen tragen spezifi-
sche Leukotrien-Rezeptoren.
Für die Bronchienmuskula- tur gehören die Substanzen zu den wirksamsten bekann- ten Konstriktoren. In Inhala- tionsversuchen lösten Leu- kotriene bei Asthmatikern bis zu 45 Minuten anhalten- de Bronchienverkrampfun- gen aus, anschließend kann eine unspezifische Überemp- findlichkeit bis zu einer Wo- che bestehenbleiben.
Mehr als 15 Jahre bis zur Zulassung Allerdings hat es von der naheliegenden Idee, durch Blockade der Rezeptoren die Asthma-Symptome einzu- grenzen, bis zur Zulassung der ersten Substanz mehr als 15 Jahre gedauert, unter an- derem, weil einige Vorläufer toxisch waren. Neben Monte- lukast befinden sich jetzt aber noch weitere Rezeptor- antagonisten – Zafirlukast und Pranlukast – in der letzten Testphase, auch Inhibitoren der Leukotrien-Synthese sind in der Erprobung.
Die Zulassung von Mon- telukast beruht auf Studien, in denen der Hersteller MSD das Präparat vor allem zu- sätzlich zur Basismedikamen- tation erprobt hat. Montelu- kast wird oral eingenommen, einmal täglich abends. Für
Erwachsene (ab 15 Jahren) hat sich eine Dosis von 10 Milligramm und für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren von 5 Milligramm als ausrei- chend erwiesen.
„In Studien waren selbst 60fach höhere Dosen nicht wirksamer“, sagte Dr. Richard Murray (MSD) auf der Ein- führungspressekonferenz: „Mit 10 Milligramm täglich sind offenbar alle Leukotrien-Re- zeptoren im Körper gesättigt, Dosissteigerungen machen deshalb keinen Sinn.“
Im Vergleich zu Plazebo verbessert Montelukast die Lungenfunktion (gemessen als FEV1) um zehn bis 20 Pro- zent. Auch asthmatypische Einschränkungen der Le- bensqualität fielen unter Montelukast-Therapie signi- fikant milder aus. Daß die Pa- tienten ihr Asthma besser kontrollierten, läßt sich auch daran ablesen, daß der Ver- brauch von Beta-Mimetika leicht zurückging.
Montelukast wirkt additiv zu Kortikosteroiden. Obwohl die Substanz eine antient- zündliche Wirkung hat, die sich unter anderem daran ab- lesen läßt, daß unter Therapie die Zahl der Eosinophilen im peripheren Blut um etwa 25 Prozent abfällt, rät Buhl vor- erst davon ab, die Kortiko- steroid-Dosis zu reduzieren.
Günstige Effekte hatte Montelukast auch auf Bela- stungsasthma und bei der seltenen Aspirinintoleranz.
Murray räumte allerdings ein, daß die Erfahrungen zur langfristigen Sicherheit noch begrenzt sind. Das Präparat wurde seit 1994 an etwa 2 600 Erwachsenen und etwa 1 000 Kindern erprobt, nur wenige Studien dauerten länger als zwölf Wochen. „Das ist keine allzu große Zahl von Patien- ten“, sagt Murray. „Deshalb sind wir auf die Marktbeob- achtung angewiesen, um sel- tenere Nebenwirkungen zu erfassen.“
Laut Fachinformation wa- ren die in den Studien regi- strierten Nebenwirkungen vergleichbar mit Plazebo: Ein bis drei Prozent der Proban- den gaben Müdigkeit, Bauch- schmerzen, Rhinitis und Fie- ber an, etwa 18 Prozent Kopf- schmerzen. Zu beobachten bleibt, ob die systemische Blockade der Leukotrien-Wir- kung auch „nützliche“ Ent- zündungen behindert, wie et- wa bei der Infektabwehr. An- thony Sampson und Stephen Holgate vom Southampton General Hospital weisen im British Medical Journal (1998;
316: 1257) zudem darauf hin, daß offenbar eine Untergrup- pe der Asthma-Patienten exi- stiert, bei denen Leukotriene keine prominente Rolle spielt.
Deshalb müsse man damit rechnen, daß nicht alle Pa- tienten auf die Substanz an- sprechen. Buhl: „Vorerst ist Montelukast eine zusätzliche Option, aber kein Ersatz für eines der etablierten Medika- mente.“ Klaus Koch A-1391 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998 (63)
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