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Der Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen in der Gebärdensprache

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Academic year: 2022

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Der Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen in der Gebärdensprache

Besonderheiten beim Übertragen schriftlicher Texte in die Österreichische Gebärdensprache –

Eine Fallstudie

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Anna Maria Johanna Wiener

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft

Begutachterin: Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in phil. Nadja Grbić

Graz, 2010

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Danke


... meinen Eltern dafür, dass sie meine Liebe zu den Wissenschaften des Geistes erweckten und mich in meinen Vorhaben bestärken.

... meinen Großeltern, ohne die das für mich so bedeutsame Studium sowie die künstlerische und geisteswissenschaftliche Entwicklung, nicht in gleichem Maße möglich gewesen wäre.

... meinem Bruder Rafael, meiner Cousine Judith, René, Rainer und Anna, die mir stets helfen zu reflektieren, mich inspirieren und mir die Melodie meines Herzens vorsingen, wenn ich sie zu vergessen scheine.

... meinen StudienkollegInnen Claudia, Julia, Luzia und Maggie, Andrea, Res und Bojan, die mich den größten Teil meines Studiums begleitet haben und mir in dieser intensiven Zeit der Selbstverwirklichung mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. Danke Claudia, Luzia und Susanne für das Korrekturlesen und Julia für die Kamera und das Zubehör.

... meiner Diplomarbeitsbetreuerin Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in phil. Nadja Grbić, mit der mir die wissenschaftliche und menschliche Zusammenarbeit große Freude bereitete und die mir einen inspirierenden Einblick in die unendlichen Weiten der Wissenschaft gewährte.

... meinen InterviewpartnerInnen Christian Stalzer und Mag.a Karin Hofstätter, die nicht nur für das Interview, sondern auch während meines Studiums bereitwillig ihre Zeit, Erfahrungen und ihr Wissen mit mir teilten.

... Herrn Mag. Johannes Reiss für den reibungslosen und informativen E-Mailverkehr.

... all meinen gehörlosen FreundInnen – besonders Lena und Florian – die mich in die Gehörlosenkultur einwiesen bzw. in die Gemeinschaft aufnahmen und mir seit unserem Kennenlernen treue FreundInnen sind. Ebenso wie das Team von Visual Brain und WITAF halfen sie mir stets meine erlernten Kenntnisse in der Praxis anzuwenden und die nötigen Fähigkeiten zu entwickeln, um mein Studium abschließen zu können.

... an Svenja Wurm und Graham Turner, die mich in Schottland in die Gebärdensprachforschung miteinbezogen und mir unter anderem durch ihre Vorbildwirkung den nötigen Mut und die Zuversicht gaben meinen Weg zu gehen.

... meinen FreundInnen im In- und Ausland, die immer bereit waren kritisch mit mir zu reflektieren, auch wenn das Studium nicht unbedingt einfach nachzuvollziehen war und viele „Ausnahmen“, im wissenschaftlichen Sinne aber auch im Berufs- bzw.

StudentInnenleben mit sich brachte.

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Inhaltsverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis ...I II. Tabellenverzeichnis...I III.Abkürzungsverzeichnis ...I IV. Glossentranskription ...II 0 Inhalt und Aufbau der Arbeit ... III

Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache...1

1.1 Merkmale des Gebärdensprachdolmetschens und Unterschiede zum Lautsprachdolmetschen...1

1.2 Das Berufsfeld der Gebärdensprach-dolmetscherInnen im Wandel – ein kurzer Rückblick ...4

1.3 Das traditionelle Berufsfeld ...5

1.3.1 Die GebärdensprachdolmetscherInnen...6

1.3.2 Die Einsatzbereiche ...8

1.4 Rezente Veränderungen in der Berufspraxis: Zwischen Dolmetschen und Übersetzen ...9

1.4.1 Warum wird in die Gebärdensprache „übersetzt“? ...10

1.4.1.1 Schriftsprachkompetenz...10

1.4.1.2 Barrierefreiheit ...12

1.4.2 Wo und was wird in die Gebärdensprache „übersetzt“? ...14

1.4.2.1. Bilingualer Unterricht ...14

1.4.2.2 Internet ...16

1.4.3 Die „GebärdensprachübersetzerInnen“ ...18

1.4.4 Besonderheiten und Herausforderungen der neuen Aufgabenbereiche ...19

1.4.4.1 Übersetzungs- und/oder Dolmetschauftrag ...20

1.4.4.2 Literarische und linguistische Herausforderungen...20

1.4.4.3 Entlohnung...21

1.4.4.4 Ausbildung...22

1.4.4.5 Neue translatorische Grundregeln erlernen ...24

1.4.4.6 Zielgruppe...26

1.4.4.7 Medium ...27

1.4.4.8 Technik ...28

1.4.4.9 Praxisbezogene Probleme und mögliche Lösungsansätze...28

Kapitel 2 Übersetzen vs. Dolmetschen: Traditionelle Begriffe der Translationswissenschaft ...32

2.1 Kategorisierung ...32

2.2 Die Problematik der Kategorisierung und Erarbeitung von Definitionen in der Translationswissenschaft...33

2.3 Standarddefinitionen – Grundbegriffe der Translation ...36

2.3.1 Translation...36

2.3.2 Dolmetschen...38

2.3.3 Übersetzen...39

2.4 Zur Erarbeitung der Differenzierungsparameter ...41

2.5 Kriterien zur Einteilung der Parameter ...41

2.6 Die Parameter...42

2.6.1 Auf Ausgangstext und Zieltext basierende Parameter ...43

2.6.2 Der Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen...44

2.6.3 Translationsstrategien und Prozessabläufe ...48

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Kapitel 3 Gebärdensprachtranslation ...52

3.1 Ein Überblick ...52

3.2 Untersuchungen zum „Gebärdensprachübersetzen“...53

3.3 Differenzierungsmerkmale zwischen gebärdensprachlichem „Übersetzen“ und Dolmetschen ...57

3.4 Unterschiede zwischen dem Schriftsprach-übersetzen und „Gebärdensprachübersetzen“ ...59

3.5 Gebärdensprachdolmetschen vs. „Gebärdensprachübersetzen“...61

3.5.1 Auf AT und ZT basierende Merkmale ...61

3.5.2 Arbeitsplatz und Arbeitsumfeld...62

3.5.3 Translationsstrategien und Prozessabläufe ...63

3.5.4 Hybridform – Theaterdolmetschen...64

3.5.5 Tabellarische Übersicht...64

3.6 Modalität – Ein Exkurs...65

Kapitel 4 Analysegegenstand und Methoden ...70

4.1 Die Auswahl des Analysegegenstandes ...70

4.2 Die Webseite des OJM...72

4.3 Methoden ...73

4.3.1 Analyse anhand der Parameter...74

4.3.2 Interview...75

4.3.2.1 Teilstandardisiertes Gruppeninterview ...75

4.3.2.2 Interviewablauf...77

4.3.2.3 Datenauswertung durch Transkription...77

Kapitel 5 Die Analyse ...79

5.1 Darstellung des Analysevorgangs ...79

5.2 Analyse anhand der laut- und schriftsprachlichen Parameter ...80

5.2.1 Auf AT und ZT basierende Parameter ...80

5.2.2 Den Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld betreffende Parameter ...84

5.2.3 Translationsstrategien und Prozessabläufe ...88

5.3 Analyse anhand der gebärdensprachlichen Parameter ...96

5.3.1 Auf AT und ZT basierende Parameter ...96

5.3.2 Der Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld betreffende Merkmale...97

5.3.3 Translationsstrategien und Prozessabläufe ...100

5.4 Analyse der Herausforderungen und Besonderheiten der OJM-Webseite ...103

5.4.1 Übersetzungs- und/oder Dolmetschauftrag...103

5.4.2 Literarische und sprachliche Herausforderungen ...103

5.4.3 Entlohnung ...104

5.4.4 Ausbildung ...105

5.4.5 Neue translatorische Grundregeln erlernen...106

5.4.6 Zielgruppe ...106

5.4.7 Medium ...107

5.4.8 Technik...107

5.5 Zusammenfassung der Daten aus der Analyse ...108

5.5.1 Laut- und Schriftsprachtranslation ...108

5.5.2 Gebärdensprachdolmetschen und „-übersetzen“ ...108

5.5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse...109

5.6 Kritische Anmerkungen ...111

Kapitel 6 Zusammenfassung und Conclusio...112

Bibliografie...117

Appendix ...127

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I I. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Das Übersetzungs- und Dolmetschkontinuum nach Stone... 55 Abb. 2: AT des Translats der Webseite des Österreichisch Jüdischen Museums... 135

II. Tabellenverzeichnis

Tab 1: Gebärdensprachdolmetschen und -übersetzen im tabellarischen Vergleich:

Auf AT und ZT basierende Merkmale... 61 Tab 2: Gebärdensprachdolmetschen und -übersetzen im tabellarischen Vergleich:

Den Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld betreffende Merkmale... 62 Tab 3: Gebärdensprachdolmetschen und -übersetzen im tabellarischen Vergleich:

Translationsstrategien und Prozessabläufe... 63 Tab 4: Gebärdensprachdolmetschen und -übersetzen im tabellarischen Vergleich:

Hybridform: Theaterdolmetschen... 64 Tab 5: Tabellarische Übersicht der Parameter des

„Gebärdensprachübersetzens“ und -dolmetschen ... 64 Tab 6: Analyse des Lautsprachdolmetschens und Schriftsprachübersetzens:

Auf AT und ZT basierende Merkmale... 80 Tab 7: Analyse des Lautsprachdolmetschens und Schriftsprachübersetzens:

Den Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld betreffende Merkmale... 84 Tab 8: Analyse des Lautsprachdolmetschens und Schriftsprachübersetzens:

Translationsstrategien und Prozessabläufe... 88 Tab 9: Analyse des Gebärdensprachdolmetschens und -übersetzens:

Auf AT und ZT basierende Merkmale... 96 Tab 10: Analyse des Gebärdensprachdolmetschens und -übersetzens:

Der Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld betreffende Merkmale ... 97 Tab 11: Analyse des Gebärdensprachdolmetschens und -übersetzens:

Translationsstrategien und Prozessabläufe... 100 Tab 12: Tabellarische Zusammenfassung der Parameter des LS-Dm und SS-Üs ... 110 Tab 13: Tabellarische Zusammenfassung der Parameter des GS-Dm und GS-Üs ... 110

(6)

Verzeichnisse

I III. Abkürzungsverzeichnis

AS Ausgangssprache

ASL American Sign Language (Amerikanische Gebärdensprache)

AT Ausgangstext

Auslan Australian Sign Language (Australische Gebärdensprache) BSL British Sign Language (Britische Gebärdensprache)

DM Dolmetschen

GS-Dm Gebärdensprachdolmetschen GS-Üs Gebärdensprachübersetzen

ITAT Institut für theoretische und angewandte Translationswissenschaft LBG Lautsprach-Begleitende-Gebärde

LS-Dm Lautsprachdolmetschen

ÖGLB Österreichischer Gehörlosenbund ÖGS Österreichische Gebärdensprache

ÖGSDV Österreichischer Gebärdensprach-DolmetscherInnen-Verband OJM Österreichisches Jüdisches Museum

SS-Üs Schriftsprachübersetzen

TL Translation

ÜS Übersetzen

ZP Zielpublikum

ZS Zielsprache

ZT Zieltext

(7)

II IV. Glossentranskription

Die Glossentranskription im Rahmen dieser Diplomarbeit erfolgt nach Hofstätter (2003).

Anhand von Beispielen werden diese Konventionen wie folgt dargestellt:

Buchstabieren: e-s-t-e-r-h-a-z-y

Gebärdenzeichen: werden in Großbuchstaben angegeben:

BURGENLAND

Indizes: IX-Abbildung

Klassifikatoren: CL (für das Bundesland Burgenland)

Komposita: SÜD+BURGENLAND

Mehrere deutsche Wörter durch eine Gebärde ausgedrückt:

GEHÖRT-ZU

Simultanität: {li: DREI-(Aufzählung)

re: NOCH 2 WO IX-rechts}

Übereinstimmungsverben: die Bezugspunkte werden dem Gebärdenzeichen vor- beziehungsweise nachgestellt:

fürst-SCHÜTZEN-südburgenland

Anmerkungen1: werden zusätzlich in Klammer angegeben

1 Die Handhabung von Zusatzinformation wird bei Hofstätter (2003) nicht beschrieben, daher wird wie hier angeführt damit umgegangen.

(8)

Inhalt und Aufbau der Arbeit

III

Inhalt und Aufbau der Arbeit

Der technische Fortschritt und die wissenschaftlichen Weiterentwicklungen gestatten und fordern neue Betrachtungsweisen verschiedenster Themen und Bereiche unseres Lebens.

Das betrifft auch die Translationswissenschaft und das darin eingebettete Gebärdensprachdolmetschen.

Die Weiterentwicklung von Medien wie Internet, DVDs und eBooks ermöglichen und fördern die mediale Verbreitung von Gebärdensprachvideos, die zuvor nur von einigen Gehörlosenvereinigungen, wie beispielsweise dem Österreichischen Gehörlosenbund (ÖGLB) betrieben wurde (vgl. ÖGLB 2006). Nicht zuletzt stieg die Zahl an gebärdensprachlichen Videos im Internet auch aufgrund der soziopolitischen Initiative des Europarates „barrierefreies Internet“ schlagartig an (vgl. Europarat [o.J.]). Ebenso ist in Österreich klar ein Trend zu barrierefreien Internetseiten zu verzeichnen, was wohl u.a. auf den Erlass des Bundesrechts, den elektronischen Verkehr mit öffentlichen Stellen zu erleichtern, zurückzuführen ist (vgl. Bundeskanzleramt 2004, vgl. Fischer 2005:39).

Webseiten, wie die des Bundeskanzleramtes oder der ÖBB, welche dieser Forderung gerecht werden, indem sie nicht nur blindengerecht gestaltet sind sondern auch Gebärdensprachvideos enthalten (vgl. ÖBB [o.J.], Bundeskanzleramt [o.J.a]), sind keine Ausnahme mehr (vgl. Sheridan 2009:71, 1.4.2).

Die Auswirkungen auf die Gebärdensprache – da diese über keine Schriftsprache verfügt und bis vor kurzem auch kaum Aufzeichnungsmöglichkeiten bestanden (siehe Kapitel 1 und 2) –, auf deren AnwenderInnen und auf jene, die diese wissenschaftlich untersuchen, sind ungemein weitreichend (siehe Kapitel 1.4.4). Durch diese Veränderungen verliert die Übertragung von schriftlichen Texten in die Gebärdensprache langsam aber sicher ihren Ausnahmestatus, wie etwa das Führerscheinlernprogramm „Steig ein!“ (Hubert Ebner Verlags GmbH 2005), die Webseite des Österreichischen Jüdischen Museums [2009a]

u.v.m. (siehe Kapitel 1) zeigen. Weiters besteht auch Bedarf an der Translation von Fragebögen (vgl. ÖGLB 2008a, ÖGLB 2008b) und an der gebärdensprachlichen Bearbeitung von schriftlichen medizinischen und rechtlichen Inhalten aller Art, sowie an der Translation von Literatur und Theaterstücken. Die hier beschriebenen, neuen und mannigfaltigen Arbeitsaufträge stellen für GebärdensprachtranslatorInnen jedoch absolutes Neuland dar (siehe Kapitel 1 und 3).

Dieser kurze Einblick soll zeigen, dass viele Herausforderungen, „Erneuerungen“ und dank moderner Technik auch erstmals mögliche Analysemethoden in der Gebärdensprachforschung eine unmittelbare Folge dieser neu entstandenen Arbeitsbereiche darstellen. All diese neuen Möglichkeiten werfen jedoch ebenso viele neue

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IV Fragen auf – von der Entwicklung adäquater Definitionen bis hin zur Qualitätssicherung.

Die genannten Veränderungen lassen alte, abgesteckte Grenzen der Translationswissenschaft verschwimmen und fordern ein Umdenken in der Forschung (vgl.

Schäffner 2004:7).

Die Auswirkungen dieser immer zahlreicher verfügbaren Gebärdensprachvideos im Internet und anderen neuen Medien mag auf den ersten Blick nur für eine kleine Gruppe, wie beispielsweise die der GebärdensprachforscherInnen interessant sein. Bei genauerer Betrachtung ist dieser neue Objektbereich jedoch für alle GebärdensprachbenutzerInnen von sehr großer Bedeutung und in weiterer Folge auch für die Erkenntnisse der gesamten Translationswissenschaft (vgl. Grbić 2007:45, Isham 1995:135). Selbst wenn die Gebärdensprache und die mit ihr verbundenen translationswissenschaftlichen Fragestellungen oft nicht repräsentativ scheinen und das Einbeziehen des Gebärdensprachdolmetschens in die Translationswissenschaft lange Zeit vernachlässigt wurde (siehe Kapitel 2 und 3), hat sie trotz ihrer Eigenheiten translationswissenschaftliche Relevanz und gilt untersucht zu werden. Ingram (1978:109) verdeutlicht dies mit der Aussage „that no description (practical or theoretical) of interpretation which fails to take account of sign language interpretation can be regarded as complete“.

Aus eben diesem Grund wird in dieser Arbeit „Der Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen in der Gebärdensprache. Besonderheiten beim Übertragen schriftlicher Texte in die Österreichische Gebärdensprache – Eine Fallstudie“, insbesondere auf die Definitionen bzw. Merkmale des Gebärdensprachdolmetschens und „-übersetzens“ bzw.

des Übersetzens und Dolmetschens in den Laut- und Schriftsprachen eingegangen.

Diese Herangehensweise wurde deshalb gewählt, da bislang im Zusammenhang mit dem Transfer aus oder in die Gebärdensprache meist nur der translationswissenschaftliche Terminus Gebärdensprachdolmetschen verwendet wurde. Ebenso beschränkte sich die Forschung bis vor kurzem nur auf den dolmetschwissenschaftlichen Teilbereich der Translationswissenschaft. Es stellt sich jedoch immer häufiger die Frage, ob für den Transfer aus oder in die Gebärdensprache des Öfteren nicht eher der Terminus Übersetzung als der Terminus Dolmetschung treffend wäre.

Unter diesem Gesichtspunkt wird in weiterer Folge eine der immer zahlreicher in Gebärdensprachen auftauchenden Textsorten untersucht – in diesem Fall die Webseite des Österreichischen Jüdischen Museums [2009a]. Ziel ist es, zu erkunden, ob auch im Bereich der Translation gebärdensprachlicher Texte distinktive Unterschiede zwischen Dolmetschen und „Übersetzen“ auszumachen sind und somit eine entsprechende Unterscheidung möglich wäre.

(10)

Inhalt und Aufbau der Arbeit

V Diese Arbeit soll nicht als Anleitung für das Übertragen von Internetseiten in die Gebärdensprache dienen, sondern zur Reflektion über den wachsenden und sich verändernden Bereich der Gebärdensprachtranslation anregen. Die Idee ist es, GebärdensprachbenutzerInnen und -translatorInnen einen Anstoß zu geben, zu bisher abgesteckten Aufgabengebieten, ehemals üblichen Arbeitsbedingungen und alt bekannten Klassifikationen innovative Überlegungen anzustellen. Dies kann helfen, sich der wandelnden Aufgabenstellungen der TranslatorInnen und den meist noch unbekannten Anforderungen der KundInnen bewusst zu werden. Dadurch können nötige Adjustierungen in die Wege geleitet werden, wie beispielsweise die Förderung der Qualitätssicherung in diesem Aufgabengebiet durch gezielte Ausbildung. Diese gewünschten Veränderungen setzen jedoch zuerst die Anerkennung des neuen Arbeitsbereiches und Einführung des Terminus „Gebärdensprachübersetzen“ im Gegensatz zum Dolmetschen voraus. Aus diesem Grund wird nun in weiterer Folge die Hypothese untersucht, dass

„Gebärdensprachübersetzen“ existiert und sich entsprechend vom Gebärdensprachdolmetschen unterscheidet.

Um die hier angerissenen Punkte genauer ausführen bzw. die Hypothese veri- bzw.

falsifizieren zu können, ist diese Arbeit wie folgt aufgebaut: Zunächst wird in Kapitel 1 als Einführung in dieses Thema ein Überblick über das bisherige Tätigkeitsfeld der GebärdensprachtranslatorInnen und dessen Veränderungen gegeben. Das darauf folgende Kapitel 2 setzt sich mit der Unterscheidung zwischen laut- bzw. schriftsprachlichen Dolmetschen und Übersetzen in der translationswissenschaftlichen Literatur auseinander.

Hier werden zunächst die Gründe für Klassifizierungen diskutiert, bevor Übersetzen und Dolmetschen hinsichtlich unterscheidender Parameter betrachtet werden. Danach folgt in Kapitel 3 eine Darstellung des Status quo der translationswissenschaftlichen Forschung in Bezug auf das „Gebärdensprachübersetzen“.

Die ersten drei Kapitel dienen somit als Grundlage für die darauf folgende Analyse, die anhand von in diesen Kapiteln ausgearbeiteten, tabellarisch aufgelisteten Parametern in Kapitel 5 erfolgt. Zuvor werden in Kapitel 4 aber noch der Analysegegenstand und die angewandten Methoden beschrieben.

Die Zusammenfassung der ersten fünf Kapitel und die Conclusio erfolgen im Kapitel 6.

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Kapitel 1

Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

Dass Bücher aller Art übersetzt und Auftritte von PolitikerInnen gedolmetscht werden, ist bekannt, aber was machen eigentlich GebärdensprachtranslatorInnen? Das erste Kapitel gibt zunächst einen Einblick in die soziopolitische und kulturelle Welt der GebärdensprachbenutzerInnen. Anschließend wird anhand praxisbezogener Beispiele gezeigt, inwieweit sich das Tätigkeitsfeld und die Aufgabenstellungen, die an GebärdensprachdolmetscherInnen herangetragen werden, verändern und weiterentwickeln.

In Folge wird die Frage gestellt, ob diese neuen Aufgaben noch etwas mit Dolmetschen zu tun haben oder ob es sich vielmehr um einen anderen Tätigkeitsbereich, wie beispielsweise den des „Übersetzens2“ handeln könnte.

1.1 Merkmale des Gebärdensprachdolmetschens und Unterschiede zum Lautsprachdolmetschen

Obwohl das Dolmetschen als relativ junge Profession gilt, gibt es DolmetscherInnen seit verschiedene Sprachgemeinschaften aufgrund von Handel, Politik, Religion oder Kolonisation den gegenseitigen Austausch suchten (siehe Roland 1999). So gibt es Aufzeichnungen aus den Jahren 2600 vor Christus aus Mesopotamien und 165 vor Christus aus China sowie Referenzen in der Bibel, die die Wichtigkeit der DolmetscherInnen widerspiegeln (vgl. Napier et al. 2006:3). In Bezug auf die Geschichte des Dolmetschens im alten Ägypten oder Rom sei u.a. auf Kurz (1986a, 1986b) verwiesen.

Ähnlich verlief wohl ebenso die Historie in Bezug auf die Gebärdensprache.

GebärdensprachdolmetscherInnen wurden, wie Humphrey und Alcorn (1995:91) etwas überspitzt andeuten, wahrscheinlich schon vom ersten gehörlosen/gebärdenden Höhlenmenschen gebraucht, als dieser einem hörenden/sprechenden Höhlenmenschen etwas Wichtiges mitteilen musste und eine familienangehörige Person, die hören, sprechen und gebärden konnte, als VermittlerIn diente.

Grundsätzlich muss daher festgestellt werden, dass Gebärdensprachen schon immer zu den Weltsprachen gehörten, auch wenn sie sich, aufgrund der Tatsache, dass sie durch den visuellen Kanal empfangen und durch den manuellen und nicht-manuellen Kanal (wie

2 Es ist eine noch unbestätigte Hypothese dieser Diplomarbeit, dass die Tätigkeit des „Übersetzens“ auch im Zusammenhang mit der Gebärdensprache ausgeübt wird. Daher wird im theoretischen Teil der Terminus Übersetzen im Zusammenhang mit der Gebärdensprache stets unter Anführungszeichen gesetzt.

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Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

beispielsweise durch Mimik) produziert werden, grundlegend von den Laut- und Schriftsprachen unterscheiden (vgl. Baker 1998:231).

Gebärdensprachdolmetschen wird bei Shuttleworth/Cowie (1997:154) als Form des Dolmetschens bezeichnet, bei der (meist) mit einer gesprochenen Sprache und einer Gebärdensprache gearbeitet wird, wobei Gebärdensprachen vollständige Sprachen mit einer eigenen Grammatik sind, die von Systemen, welche die Lautsprachen mit Gebärden lediglich unterstützen, zu unterscheiden sind. Im Falle der Verwendung dieser Form des Gebärdens wird im Englischen von ‚transliteration’ und im Deutschen kurz von LBG (Lautsprach-Begleitendes-Gebärden) gesprochen. Diese Technik des LBG Dolmetschens (vgl. Shuttleworth/Cowie 1997:154f., Pöchhacker 2004:18, Grbić/Pöllabauer 2006:254) unterscheidet sich vom Dolmetschen dadurch, dass jedes Wort bzw. gegebenenfalls sogar einzelne Morpheme transkodiert werden. LBG ist im Gegensatz zu Gebärdensprachen keine eigenständige und vollwertige Gebärdensprache, sondern ein Hilfssystem, eine so genannte ‚gebärdete Lautsprache3’ (vgl. Boyes-Braem 1992:147f.) und kann daher in diese Arbeit nicht weiter einbezogen werden.

Zum generellen Verständnis der vorherrschenden Bedingungen und Abläufe beim Gebärdensprach- und Lautsprachdolmetschen werden diese nun kurz vergleichend portraitiert, da zwar viele Übereinstimmungen aber zugleich auch ein paar grundlegende und zu berücksichtigende Unterschiede existieren.

Im Allgemeinen gibt es beim Dolmetschen – wie beim Übersetzen – verschiedene Typen, Subtypen und Techniken4. Die erste große Unterscheidung beim Lautsprachdolmetschen passiert durch die Differenzierung in das Konferenz- und Verhandlungsdolmetschen. Bei Ersterem werden meist monologische Vorträge simultan gedolmetscht und bei Zweiterem werden dialogische Unterhaltungen meist konsekutiv wiedergegeben (vgl. Kadrić et al.

2007:65f.).

Im Prinzip umfasst das Gebärdensprachdolmetschen die gleichen grundlegenden Aufgaben, Prozesse, Settings und Herausforderungen wie das beschriebene Lautsprachdolmetschen. Ein grundlegender Unterschied liegt allerdings, wie bereits erwähnt, in der Modalität der Sprachen und den unterschiedlichen Kommunikationskanälen. Da sich beim Gebärdensprachdolmetschen die Sprachen im Falle ihrer gleichzeitigen Ausführung nicht behindern, wird (im Gegensatz zu

3 Es sei hier erwähnt, dass ‚transliteration’ im Englischen auch noch weitere Konnotationen hat (vgl.

Frishberg 1986:18f., Baker 1998:232f., Humphreys 2004:25, Humphrey/Alcorn 1995:133f.,152, Braem 1992:147f.).

4 Im Zusammenhang mit einer detaillierten Typologisierung von Laut- und Gebärdensprachen sei auf die Diplomarbeit von Obermayer (2004) verwiesen.

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Lautsprachdolmetschungen) meist simultan gedolmetscht5 (vgl. Napier 2002:xif, Shuttelworth/Cowie 1997:154, Grbić/Pöllabauer 2006:252). Weiters involviert das Lautsprachdolmetschen auditive und vokale Kanäle, wohingegen beim Gebärdensprachdolmetschen visuelle und gestische Kanäle zum Einsatz kommen (Bi- Modalität). Das wiederum bedingt spezifische kognitive und physische Anforderungen (vgl. Napier et al. 2006:4, Grbić/Pöllabauer 2006:253f.). Aufgrund der unterschiedlichen Sprachkanäle ist es beim Gebärdensprachdolmetschen ferner nicht üblich, wie beim Lautsprachdolmetschen, Notizen zu machen, da die Hände beim Dolmetschen in Verwendung sind (vgl. Napier 2002: xif., Grbić/Pöllabauer 2006:252).

Das so genannte Vom-Blatt-Dolmetschen, also die Verdolmetschung eines schriftlichen Ausgangstextes6 (AT) kommt jedoch auch beim Gebärdensprachdolmetschen zum Einsatz, wodurch dennoch auch konsekutiv gedolmetschte Sequenzen möglich sind (vgl. Kadric et al. 2007:65,67).

Weiters nehmen GebärdensprachdolmetscherInnen oft – vor allem wenn in die Gebärdensprache gedolmetscht wird – eine sichtbarere und zentralere Rolle in der Kommunikationssituation ein als beispielsweise ihre KollegInnen, die in der Kabine mit Lautsprachen arbeiten (vgl. Shuttleworth/Cowie 1997:154, Grbić/Pöllabauer 2006:254).

Ein Hauptunterschied zur Translation in Laut- und Schriftsprachen bestand früher des Weiteren darin, dass GebärdensprachdolmetscherInnen selten die Aufgabe einer

„klassischen“ schriftlichen Translation übernahmen, da Gebärdensprachen auf visuell- gestischer Ebene produziert werden und nicht in einer standardisierten, orthographischen Schriftsprache niedergeschrieben werden können (vgl. Napier 2002:xif., Shuttleworth/Cowie 1997:155, siehe 1.4.1). Das führt in weiterer Folge oft zu Herausforderungen, wenn es gilt „Übersetzungen“ bzw. vorbereitete Dolmetschungen festzuhalten (vgl. Shuttleworth/Cowie 1997:155).

Diese zusammenfassende Beschreibung des Gebärdensprachdolmetschen und seiner Charakteristiken hätte vor einigen Jahren noch ausgereicht, um einen Einblick in das Berufsfeld von GebärdensprachdolmetscherInnen zu geben. Die sich wandelnde Praxis des Gebärdensprachdolmetschens und die damit verbundenen Herausforderungen werden jedoch in der täglichen Arbeit immer präsenter. Auf diese soll im nächsten Punkt genauer eingegangen werden.

5 Hier sei Russells (2005) Forschung erwähnt, die sich mit der Verwendung des konsekutiven Stils und mit Notizentechnik beim Gebärdensprachdolmetschen auseinandersetzt.

6 Pöchhacker (2004:20) verweist in diesem Zusammenhang auf die Form der „Vom-Blatt-Dolmetschung“, die aufgrund des alternierenden Gebärdens und Lesens des Textes von ihm, im Vergleich zum ansonsten meist simultanen Gebärdensprachdolmetschverlauf, als Konsekutivdolmetschung beschrieben wird.

(14)

Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

1.2 Das Berufsfeld der Gebärdensprach-

dolmetscherInnen im Wandel – ein kurzer Rückblick

Bevor auf die neuesten Veränderungen im Berufsfeld der GebärdensprachtranslatorInnen eingegangen wird, erfolgt die Darstellung einiger (geschichtlicher) Faktoren, die die Entwicklung des Gebärdensprachdolmetschens mitbestimmt haben. Dies dient dazu, die Hintergründe, mit denen sich Gehörlose und GebärdensprachdolmetscherInnen auseinanderzusetzen haben und die alle Beteiligten beeinflussen, verständlich zu machen.

Zunächst wird dabei die Verwendung der Termini Dolmetschen und Übersetzen genauer beleuchtet. Dies dient dazu, die Ausgangslage für divergierende Entwicklungen in der Praxis und der Forschung in der Gebärdensprachtranslation im Vergleich zu jener in den Laut- und Schriftsprachen besser verstehen zu können. Im Anschluss daran wird auf das sich wandelnde Berufsfeld der GebärdensprachdolmetscherInnen eingegangen.

Im Englischen war es ebenso wie im Deutschen lange Zeit üblich, den Terminus

„translation“ bzw. „Übersetzung“ als Überbegriff für das Transferieren von Gedanken und Ideen von einer Sprache in die andere zu verwenden – unabhängig davon, ob es sich um Laut-, Schrift- oder Gebärdensprachen handelte (siehe Kapitel 2). Ein Mitgrund für diese undifferenzierte Benennung könnte sein, dass das Dolmetschen im Allgemeinen, trotz seiner langen Geschichte, erst spät öffentliche Anerkennung erlangte (vgl. Gile 2004:15).

Auch VertreterInnen der so genannten Leipziger Schule betrachteten Dolmetschen vor nicht allzu langer Zeit im Vergleich zum schriftlichen Übersetzen als minderwertigeren Untersuchungsgegenstand (vgl. Pöchhacker 2004:107). Dies kann wahrscheinlich als Mitgrund dafür gelten, weshalb die Entwicklung der Dolmetschforschung erst viel später einsetzte.

Ebenso wie das Dolmetschen und Übersetzen eine unterschiedliche geschichtliche Entwicklung vorzuweisen haben, ist das gleichfalls beim Gebärdensprachdolmetschen im Vergleich zum Lautsprachdolmetschen der Fall. Im Zusammenhang mit Dolmetschungen für Gehörlose ist dabei zu erwähnen, dass hier für eine sprachliche Minderheit gearbeitet wird, die jedoch von der Gesellschaft nur als Behindertengruppe kategorisiert wird. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die kommunikativen Merkmale der Gruppe als auch die Wahrnehmung durch die Umwelt dazu beigetragen haben, dass sich GebärdensprachdolmetscherInnen (Verhalten, Arbeitsaufträge, Erwartungen, etc.) und deren Berufsfeld von ihren KollegInnen, die mit Lautsprachen arbeiten, sichtlich unterscheiden. Letztere erlangten u.a. durch die Nürnberger Kriegsprozesse plötzlich Anerkennung (vgl. Cokely 1995:16).

Im Gegensatz dazu ergab sich im pädagogischen, juristischen, medizinischen und sozialen Bereich erst durch die Forderungen nach einem Miteinbeziehen von Gehörlosen in das öffentliche Leben und die Integration dieser Bedürfnisse in die Gesetzgebung ein

(15)

steigender Bedarf an GebärdensprachdolmetscherInnen. Dadurch wurde ferner eine schrittweise Verbesserung des Status dieser sprachlichen Minderheit erlangt. In Folge wurden im Jahr 1982 in Nordamerika zum ersten Mal 80 Ausbildungsmöglichkeiten für dieses Tätigkeitsfeld angeboten (vgl. Cokely 1995:13f., Frishberg 1986:7).

Es entwickelte sich langsam ein Bewusstsein dafür, dass die Erstsprache der Gehörlosen nicht mit jener der Hörenden ident ist und sie daher auf DolmetscherInnen angewiesen sind, um in das öffentliche Leben eingebunden werden zu können. Nur so können sie mit Hörenden kommunizieren und erhalten die ihnen zustehenden Informationen, die ansonsten nur in der Sprache der ‚starken Kultur7’ zugänglich sind.

GebärdensprachdolmetscherInnen sind somit nicht nur SprachmittlerInnen, sondern ebenso KulturmittlerInnen in hierarchisch stark asymmetrischen Beziehungsgeflechten für Gruppen, die oft sehr niedriges Prestige haben (vgl. Grbić 1998:612). Aufgrund der jahrhundertlangen Unterdrückung dieser sprachlichen Minderheit hatte das Gebärdensprachdolmetschen lange Zeit nur „Notdienstcharakter“ (vgl.

Ebbinghaus/Hessmann 1989:119). Erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es Angebote für Gebärdensprachkurse und GebärdensprachdolmetscherInnenaus- und -weiterbildungen in den USA, wo sich im Jahre 1963 auch der erste GebärdensprachdolmetscherInnenverband etablierte (vgl. Humphrey/Alcorn 1995:92). Dieser Verband trug maßgeblich zur Anerkennung und Professionalisierung dieser Dienstleistung für Gehörlose bei und 1965 veröffentlichten dessen Mitglieder das erste Buch zum Thema Gebärdensprachdolmetschen (vgl. Roy 1999:140).

Gebärdensprachdolmetschen weist also aus den verschiedensten Gründen eine andere Entwicklung als Lautsprachdolmetschen auf. GebärdensprachdolmetscherInnen hatten bzw. haben daher noch heute mit anderen (u.a. gesellschaftlichen) Problemen zu kämpfen als ihre Laut- und SchriftsprachkollegInnen – wie auch in den nächsten beiden Punkten gezeigt wird.

1.3 Das traditionelle Berufsfeld

Im Folgenden wird das traditionelle Berufsfeld der GebärdensprachdolmetscherInnen umrissen. Dies beinhaltet eine Darstellung der GebärdensprachdolmetscherInnen selbst und deren bis jetzt vorwiegenden Einsatzbereiche und soll dazu dienen, die im Laufe der Arbeit präsentierten Veränderungen der Gebärdensprachtranslation besser verstehen bzw.

7 Beim Gebärdensprachdolmetschen handelt es sich um das Dolmetschen in eine und aus einer Minderheitssprache. Die hörende Mehrheit wird deshalb in diesem Zusammenhang als ‚starke Kultur’

bezeichnet (vgl. Grbić 1997).

(16)

Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

mit den für lange Zeit vorherrschenden Aufgaben und Tätigkeitsbereichen der GebärdensprachdolmetscherInnen vergleichen zu können.

1.3.1 Die GebärdensprachdolmetscherInnen

Zur Frage, wer für Gehörlose dolmetscht, erklärt Frishberg (1986:10) anschaulich:

Few of the ‘interpreters’ were compensated for their time and work, fewer of them had been educated in any formal way for the role they fulfilled. Often the interpreters were family members, neighbours, or friends who obliged a deaf relative or friend by

‘pitching in’ during a difficult personal communication situation.

Bis in die frühen 1970er waren die DolmetscherInnen für gehörlose Menschen meist deren Angehörige. Es wurde jede Kommunikationsunterstützung verwendet, die von Nöten war, um einen Austausch mit Hörenden zu gewährleisten. Nicht selten fungierten auch Schwerhörige, die eine verständliche Aussprache hatten, als DolmetscherInnen. Häufig dolmetschten so genannte CODAs (Children of Deaf Adults8) (vgl. Humphreys 2004:26),

„die ‚das Leben selbst’ darauf vorbereitet hatte, in besonders dringlichen oder prekären Fällen Mittlerfunktionen zu übernehmen“ (Hessmann 2005:117). Dass es hier zu verschwimmenden Grenzen zwischen „sprachlicher Vermittlung und stellvertretendem Handeln“ kam (ibid.), ist verständlich. Viele CODAs lehrten später Gebärdensprache, boten erste Kurse für DolmetscherInnnen an und trugen in der Geschichte der Gebärdensprachtranslation maßgeblich dazu bei, dass Dolmetschen für Gehörlose forciert bzw. professionalisiert wurde (vgl. Humphreys 2004:26). Viele von ihnen sind heute noch aktiv in der Arbeit mit Gehörlosen tätig.

Aufgrund dieser für lange Zeit vorherrschenden Vermischung von Dolmetschen und stellvertretendem Handeln für Gehörlose werden GebärdensprachdolmetscherInnen bis heute des Öfteren mit Aufgaben konfrontiert, die über das Dolmetschen hinausgehen (Beratung, Organisation u.ä.). Außerdem arbeiten sie für gewöhnlich in face-to-face Interaktionen für zwei KundInnen, die oft verschiedene Interessen durchsetzen wollen, woraus sich natürlich häufig auch Rollenkonflikte ergeben. Dies kann in weiterer Folge zu Macht-, Interessens- und Kulturkonflikten führen (vgl. Moretti 2001, Grbić 1999:323).

Leider trugen einige DolmetscherInnen in der Vergangenheit ferner hinter der „Maske der Barmherzigkeit9“ dazu bei, Gehörlose zu unterdrücken. So kam es zur Verbreitung eines

8 CODA (Children of Deaf Adults) ist ein Terminus, der verschiedenste Variablen miteinander verbindet.

So werden als CODAs beispielsweise hörende Kinder bezeichnet, deren gehörlose Eltern mit ihnen in Gebärdensprache kommunizieren. Weiters wird ein Kind CODA genannt, wenn es die Gebärdensprache flüssig beherrscht oder aber auch wenn es sich einfach als Teil der Gemeinschaft sieht und die gehörlose Gemeinschaft dessen „Mitgliedschaft bestätigt“ (vgl. Stone 2007:59).

9 Hier sei auf Lane (1994) verwiesen.

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negativen Bildes der GebärdensprachdolmetscherInnen unter Gehörlosen, wie Cokely (1995) anschaulich darstellt.

Schodterer (1997:192), der die Situation des Gebärdensprachdolmetschen aus Sicht der DolmetscherInnen in Österreich beleuchtete, machte hierzu eine interessante Beobachtung.

Aufgrund des Faktums, dass Gebärdensprache erst so spät in den Ausbildungssektor integriert wurde, fanden nur wenige Personen Zugang zur Berufssparte der GebärdensprachdolmetscherInenn, wenn sie keine gehörlosen Angehörigen hatten.

Dadurch waren DolmetscherInnen damals auf „das eigene Talent und die Zugangschancen zur Sprache angewiesen“ (ibid.). Dolmetschungen, denen es an Qualität fehlte und gehörlose wie hörende GesprächsteilnehmerInnen, die sich mit diesen mangelhaften Darbietungen zufrieden gaben, waren die Folge (vgl. ibid.). Hinzu kam, dass es bis vor kurzem in vielen Ländern keine Ausbildung und kein klar definiertes Berufsbild für GebärdensprachdolmetscherInnen gab. Das Fehlen von Ehrenkodizes und Leistungskontrollen führte wiederum nicht selten zu einem negativen Bild der GebärdensprachdolmetscherInnen in der Öffentlichkeit (vgl. Grbić 1998:615)10.

Wie also festgestellt werden konnte, ist der Arbeitsplatz von GebärdensprachdolmetscherInnen spannungsgeladen und komplex. Nur durch eine sukzessive Professionalisierung kann der nötige Respekt in der Gesellschaft erreicht (vgl.

Grbić 1998:613) und dadurch in weiterer Folge eine qualitativ hochwertige Dolmetscharbeit gewährleisten werden (vgl. Roy 1999:140). Dieser Respekt ist wiederum nötig, um DolmetscherInnen eine entsprechende Berufsausbildung zu ermöglichen, eventuell auftauchenden Rollenkonflikten durch eine genaue Definition des Berufsbildes vorzubeugen und so KundInnen vor unprofessionellem Verhalten zu schützen (vgl. Grbić 1998:613). Zur Professionalisierung in diesem Gebiet trägt neben einer Ausbildung ebenso die Gründung eines Berufsverbandes bei, der Kontrollmechanismen sowie Verhaltensstandards entwickelt und Weiterbildungsmaßnahmen ermöglicht. So kann unqualifizierten Personen die Ausübung der Tätigkeit erschwert werden (vgl. ibid.:614).

Turner meint dazu: „Man sagt, professionell zu sein bedeutet, sich in eine Berufskultur

‚einzukaufen’, die auf ethische Kontrolle im Interesse der Allgemeinheit drängt“

(1996b:558). Umso erfreulicher ist es, dass auch Österreich seit 1998 einen Berufsverband für GebärdensprachdolmetscherInnen vorzuweisen hat (vgl. ÖGSDV [o.J.b]).

Aufgrund dieser Entwicklung wird Gebärdensprachdolmetschen heute glücklicherweise meist nicht mehr als Sonderfall betrachtet (vgl. Ostrycharcyzk 2001:43).

GebärdensprachdolmetscherInnen können in Österreich mittlerweile sogar eine

10 Auch wenn die Rolle der GebärdensprachdolmetscherInnen (bzw. -übersetzerInnen) einen entscheidenden Einfluss auf jede Dolmetschung hat (siehe Roy 1993:133,138), kann nicht weiter auf dieses Thema eingegangen werden, da das Miteinbeziehen dieses Aspektes die Arbeit sprengen würde.

(18)

Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

universitäre Ausbildung erhalten (vgl. ITAT [o.J.c]) und sehen sich im Regelfall als DienstleisterInnen, die mehr oder weniger die gleiche Aufgabe wie LautsprachdolmetscherInnen zu erfüllen haben (vgl. Baker 1998:231).

1.3.2 Die Einsatzbereiche

Um die Arbeit der GebärdensprachdolmetscherInnen besser verstehen zu können, ist es nötig auch ihre Einsatzbereiche genauer zu untersuchen. Prinzipiell gibt es das Dolmetschen für Gehörlose in den so genannten „traditionellen“ Settings in der einen oder anderen Form schon lange:„Interpreting for deaf people had [...] always been taking place in the doctor’s office, in church and in other settings, in a haphazard and ad hoc manner”

(Frishberg 1986:10).

Vor 1965 gab es aber noch keinen offiziellen Arbeitsmarkt für GebärdensprachdolmetscherInnen und bei etwaigem Bedarf wurde deren Dienstleistung im Regelfall privat organisiert. Erst in den 1980ern begannen GebärdensprachdolmetscherInnen in medizinischen oder/und sozialen Bereichen gegen Bezahlung tätig zu werden (vgl. Humphrey/Alcorn 1995:349). Die Mehrheit der GebärdensprachdolmetscherInnen arbeitet bis heute freiberuflich im so genannten Kommunaldolmetschbereich11, also bei Ämtern und Behörden, bei Arztbesuchen und von Zeit zu Zeit auch bei Gericht (vgl. Ostrycharcyzk 2001:43, Grbić 2004:147,150). Dieser größte und traditionelle Tätigkeitsbereich hat möglicherweise ebenfalls mit der geringeren Bezahlung im Vergleich zu den KollegInnen, die mit Lautsprachen in prestigeträchtigeren Betätigungsfeldern arbeiten, zu tun (vgl. Baker 1998:232).

Neben dem Kommunaldolmetschen zählt heute das Bildungsdolmetschen12 zu den häufigsten Arbeitsaufträgen von GebärdensprachdolmetscherInnen, was aber nicht immer der Fall war. In Österreich kann erst seit ungefähr 1993 eine stetige Steigerung von Gebärdensprachdolmetschungen im Bildungssektor verzeichnet werden (vgl. Grbić 2004:147ff.). Dies kann laut Schodterer (1997:194) ein Zeichen dafür sein, dass die Gleichberechtigung von Gehörlosen und die Wahrung ihrer Rechte voranschreiten, da der Bildungssektor einen Hauptankerpunkt für gesellschaftliche Umstrukturierungen darstellt.

Wie wichtig und (aus diesem Grund) auch oft besprochen das Thema Bildungsdolmetschen ist, zeigt Grbić (2007:33f.) in ihrer bibliometrischen Analyse, in der

11 Im Englischen spricht man von Community Interpreting. Es wird u.a. auch als Dolmetschen für Einzelpersonen oder Kleingruppen (Familien), für Gespräche in Schulen (vgl. Bowen 1999:319), für Medien wie Radio und Fernsehen und auch für Theateraufführungen beschrieben (vgl. Kadrić et al.

2007:67).

12 Hier muss angemerkt werden, dass die Kategorisierung der Dolmetschsettings unterschiedlich gehandhabt wird und das Bildungsdolmetschen des Öfteren zum Kommunaldolmetschen gezählt wird.

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sie u.a. Publikationen zu „Settings & Modes“ in zehn Kategorien unterteilt, wobei 71 von 239 Items („Artikeln“) auf das Bildungsdolmetschen entfallen.

Das sich erweiternde Aufgabengebiet der GebärdensprachdolmetscherInnen beinhaltet heutzutage jedoch neben dem Bildungsdolmetschen ebenso eine steigende Zahl an Dolmetschungen für Kunstveranstaltungen, Musikauftritte, Festivals bis hin zu Reisetouren und -berichten (vgl. Humphrey/Alcorn 1995:353, Napier et al. 2006:5).

Diese Übersicht sollte einen Einblick in das Tätigkeitsfeld von GebärdensprachtranslatorInnen gewähren und zeigen, dass ihre Arbeit und das Arbeitsumfeld spannungsgeladen und vielschichtig sind. Glücklicherweise fand im Laufe der Zeit durch das Einbeziehen des Gebärdensprachdolmetschens in das öffentliche Leben und durch die Schulung der DolmetscherInnen und der KundInnen13 sowie aufgrund der Forschung eine Professionalisierung und Sensibilisierung aller Beteiligten statt. Dadurch konnten viele Probleme in Angriff genommen und gelöst werden.

1.4 Rezente Veränderungen in der Berufspraxis:

Zwischen Dolmetschen und Übersetzen

Die eben erfolgte Darstellung des Gebärdensprachdolmetschens und der - dolmetscherInnen kann jedoch nicht als vollständig angesehen werden und bedarf weiterer Ausführungen, da die Aufgaben von GebärdensprachdolmetscherInnen, deren Arbeitsumfeld sowie die Bedürfnisse der KundInnen stets im Wandel sind. Aus diesem Grund wird nun unter 1.4 erläutert, warum und welche Veränderungen in diesem Tätigkeitsbereich zu beobachten sind.

Zu diesem Zweck folgen nun zur Einführung einige Beispiele dafür, warum und was

„übersetzt“ wird, bevor einige neue Arbeitsaufträge in den verschiedenen Settings beschrieben werden. Da in der translationswissenschaftlichen Literatur und in der Forschung noch nicht klar formuliert wurde, welcher Terminus für diese neuartigen Translationsaufträge passend ist (siehe Kapitel 2 und 3 und Fußnote 2), werden in dieser Arbeit vorerst die Begriffe „Übersetzung“ bzw. „übersetzen“ (unter Anführungszeichen) verwendet.

Wie schon erwähnt, wurde das Gebärdensprachdolmetschen in den letzten Jahren hauptsächlich zum Kommunaldolmetschen und Bildungsdolmetschen gezählt (vgl.

Turner/Pollitt 2002:25, Grbić 2004:147f.). Dennoch gibt es immer öfter kommunikative Situationen, in denen TranslatorInnen Aufgaben zu erledigen haben, die nichts mit den

„altbekannten“ Settings des Gebärdensprachdolmetschens zu tun haben. In den letzten

13 Zum Thema KundInnenschulung sei auf Turner (1996a,b) und Schneider (2001) verwiesen.

(20)

Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

Jahren haben beispielsweise das Konferenzdolmetschen, das Mediendolmetschen sowie das Theaterdolmetschen signifikant zugenommen und stellen mittlerweile einen großen Aufgabenbereich des Gebärdensprachdolmetschens dar (vgl. ibid., Stone 2007:53f.).

Es ist daher (mit Ausnahme des Konferenzdolmetschens) ein steigender Bedarf an Translationen verschiedener Art zu verzeichnen, bei denen zwar eine Übertragung in die Gebärdensprache nötig ist, jedoch anstatt mit lautsprachlichen AT – wie beim Dolmetschen – mit schriftlichen AT gearbeitet wird (wie es beim erwähnten Medien- und Theaterdolmetschen der Fall ist). Translationsaufträge mit schriftlichen AT werden auch dank des wachsenden Bewusstseins um die Tatsache, dass es von Signifikanz ist, schriftliche Prüfungen in der bevorzugten Sprache/Erstsprache der Prüflinge abzuhalten, vermehrt in Auftrag gegeben. So wurde beispielsweise in Österreich die theoretische Führerscheinprüfung in die ÖGS „übersetzt“(vgl. ÖGLB 2003)14. Den Bedarf an derartigen Translationen erkannten PsychologInnen in Nordamerika etwas früher und ließen aufgrund dessen psychologische Tests in die ASL übertragen (vgl. McGhee 1995:25f.).

Diese Beispiele sollen als Einführung in diesen sich wandelnden Berufszweig dienen. Die Veränderungen und deren Hintergründe gilt es genauer zu betrachten, da gegebenenfalls ebenso die Rolle, Funktion, Ausbildungsmöglichkeiten und die Bezeichnung der GebärdensprachdolmetscherInnen überdacht werden müssen.

1.4.1 Warum wird in die Gebärdensprache „übersetzt“?

Wie in 1.4 bereits angeschnitten, sollen nun unter 1.4.1 und 1.4.2 kurz einige Gründe für diesen Translationsbedarf und die neu auftauchenden Translationsaufträge angeführt werden.

1.4.1.1 Schriftsprachkompetenz

Da die Schriftsprachkompetenz von Gehörlosen unmittelbar mit deren Schulbildung verbunden ist, wird zunächst kurz auf die Gehörlosenbildung eingegangen. Vorweg gilt es zum Thema Gehörlosenbildung anzumerken, dass sich die Meinung bezüglich der Schulbildung von Gehörlosen in den letzten Jahrzehnten dahingehend geändert hat, dass die bilinguale Lehrmethode immer mehr Anklang findet. Dies zeigt etwa die Auszeichnung mit dem „Europasiegel für innovative Sprachenprojekte“, das Österreich aufgrund der Durchführung von bilingualen Schulversuchen verliehen wurde (vgl. Bundesministerium 2008:33). Trotz Auszeichnung muss jedoch angemerkt werden, dass die Barrierefreiheit im Ausbildungsbereich, beispielsweise durch bilinguale Schulversuche, auch in Österreich

14 Welche sprachlichen, visuellen und technischen Herausforderungen sowie neue Translationsaufgaben bei der „Übersetzung“ von Tests in die Gebärdensprache zu bewältigen sind, wurde von Gansinger (2008) analysiert.

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eine Ausnahme darstellt. Das Problem, dass es in Österreich an der tatsächlichen Umsetzung der bilingualen Schulerziehung und Bildung mangelt, kann jedoch in dieser Arbeit nicht genauer beleuchtet werden und wird hier nur insofern erwähnt, als die unzureichende bilinguale Schulbildung in direktem Zusammenhang mit der Schriftkompetenz von Gehörlosen steht.

In der Gehörlosenbildung wurde die Tatsache, dass die Schrift- und Lautsprache nicht die Erstsprache Gehörloser ist, erst nach hunderten Jahren des Verbotes bzw. der Unterdrückung der Gebärdensprache, z.B. im Unterricht15, anerkannt (vgl. Werth/Sieprath 2002:361). Dass das Erlernen der Schriftsprache große Schwierigkeiten für Gehörlose mit sich bringt, wurde erst in den letzten Jahren bekannt und in der Bildung berücksichtigt (vgl. Kaul/Becker 2001:282f.). Dadurch ging erst verhältnismäßig spät der Irrglaube zurück, dass Gehörlosen die Schriftsprache über die Lautsprache gelehrt werden sollte (vgl. Krausneker/Schalber 2007:113), und den an der Bildung von Gehörlosen Beteiligten wird nur langsam klar, dass „der Zugang zu Wissen und Informationen über die [...] Laut- und Schriftsprache für hörbehinderte und gehörlose Personen schwer möglich [ist]“

(ibid.:320)16.

Dass Gehörlose eine Schwäche in der Mehrheitssprache aufweisen, ist aus verschiedensten Gründen (wie das schon erwähnte Fehlen der Gebärdensprache im Unterricht etc.) der Fall und hat ferner unzählige Auswirkungen, wie die Behinderung des Wissenserwerbs, „die eigenständige Wahrung der Rechte, und allgemein die Fähigkeit, sich Hörenden mitzuteilen, die nicht ihrerseits bereits Erfahrung mit Gehörlosen hatten“ (Vollmann et al.

2000). Aus diesen und anderen Gründe, die aufgrund des Fokus und des Umfangs der Arbeit nicht genauer erläutert werden können, wurde schlussendlich klar, dass eine ausreichende Schriftsprachkompetenz17 bei Gehörlosen nicht vorausgesetzt werden kann.

Da also nicht davon ausgegangen werden kann, dass Gehörlose schriftsprachliche Texte verstehen, kommt nur eine Translation dem Recht in der Erstsprache informiert zu werden gleich (vgl. ibid., Krausneker/Schalber 2007:320, siehe 1.4.2).

In der Regel gibt es die Möglichkeit entweder durch schriftliche Übersetzungen oder durch mündliche Dolmetschungen Informationen in der Erstsprache zu erhalten. Da es bis jetzt noch nicht gelungen ist, die Gebärdensprache zu verschriftlichen – was u.a. auf ihre Dreidimensionalität zurückzuführen ist (vgl. Werth/Sieprath 2002:361) – war das Recht auf Information in der Erstsprache für lange Zeit nur durch Beiziehung von

15 Zur Weiterführung der Diskussion, die den so genannten oralen Zugang in der Geschichte der Gehörlosen und der Gebärdensprache (in Europa wie in Amerika) zum Inhalt hat, sei auf McGhee 1995 verwiesen.

16 Mehr zu diesem Thema ist in List/List (2001) nachzulesen.

17 Weitere Ausführungen zum Thema Schriftsprachkompetenz von Gehörlosen sind in Fellner-Rezhak/Podbelsek (2002) nachzulesen.

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Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

DolmetscherInnen zu gewährleisten. Aufgrund der Technik ist es nun jedoch möglich geworden gebärdensprachliche Translate beispielsweise auf Videokassetten und DVDs festzuhalten oder im Internet zugänglich zu machen. Dank der dargestellten Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Sprachkompetenz von Gehörlosen und der technischen Möglichkeiten werden nun in den unterschiedlichsten Bereichen immer mehr Gebärdensprachvideos produziert, um u.a. das Recht auf Information für Gehörlose zu gewährleisten.

Der Vorteil des gebärdensprachlichen Zugangs bestätigte sich beispielsweise auch durch Untersuchungen, die zeigten, dass schriftliche Umfragen einen sehr geringen Rücklauf bei Gehörlosen aufwiesen (vgl. Raule 2004:225). Die Variante, den schriftlichen Fragebogen zusätzlich zu gebärden und zuvor das Ziel der Umfrage gebärdensprachlich zu erklären (vgl. ibid.), hatte bislang mehr Erfolg und erhöhte die Rücklaufrate wesentlich (vgl.

ibid.:226). Dies spricht eindeutig für den Bedarf an der gebärdeten Variante. Weiters erklärten über 89% der Befragten das gebärdensprachliche Video zu benötigen, um den schriftlichen Text zu verstehen (vgl. Raule 2004:227). Dies beweist laut Raule (ibid.),

„dass Gebärdensprache für Anbieter von Inhalten, die sich an Hörgeschädigte richten, quasi ein Muss ist, um die Zielgruppe zu erreichen“.

All diese Aspekte sprechen für die Notwendigkeit hinkünftig mehr Gebärdensprachvideos zu produzieren und gleichzeitig auf die Qualität dieser Produktionen zu achten.

1.4.1.2 Barrierefreiheit

Nicht zuletzt aufgrund der oben angesprochenen Entwicklungen und Erkenntnisse entstand in letzter Zeit ein „neuer Zugang“ zur gebärdensprachlichen Informations- und Wissensverbreitung, der gern mit dem Schlagwort „Barrierefreiheit“ bezeichnet wird.

Dieser soziopolitische Zugang scheint für die Unterstützung der Emanzipierung von Gehörlosen und der Stärkung der Gebärdensprache geradezu ideal zu sein und mit Hilfe der neuen technischen Möglichkeiten verwirklicht werden zu können.

Der grenzenlose Cyberspace, in dem vom Zeitungslesen bis hin zum Durchführen von Bankgeschäften alles bereits selbstverständlich scheint, steht mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten nun endlich auch sprachlichen Minderheiten, wie etwa Gehörlosen, in ihrer Erstsprache zur Verfügung. Damit jedoch alle InternetbenutzerInnen das volle Potential dieses neuen Mediums ausschöpfen können, müssen deren unterschiedlichen Bedürfnisse berücksichtigt werden (vgl. Fischer 2005:39). Die Implementierung des Rechtes so genannter Minderheiten das Internet barrierefreie nutzen zu können, wurde 1999 durch die Europäische Union mit dem Aktionsplan eEurope gestartet (vgl. ibid.). Dies waren notwendige Schritte, da in Zeiten der so genannten Informationsgesellschaft, Information eine der wichtigsten Ressourcen darstellt und es somit unabdingbar geworden ist, diese

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Ressourcen auch gehörlosen Menschen zugänglich zu machen (vgl. ibid.). Dies auch tatsächlich umzusetzen stellt zwar eine große Herausforderung dar, jedoch stützt sich der Ansatz des barrierenfreien Zugangs auf ein Grundrecht, das gehörlosen Menschen und anderen Minderheiten zu lange vorenthalten wurde und nun endlich nach und nach verwirklicht wird (vgl. Raule 2004:229).

Dieses brisante Thema, das u.a. in Form von EU-Richtlinien Umsetzung findet (vgl.

Europäische Union 2003), wurde von einer ExpertInnengruppe namens eAccessability aufgearbeitet. Die Richtlinien basieren auf den Prinzipien des „Design For All“ (vgl.

Europäische Union [o.J.], Fischer 2005:39). Auf der Webseite der Europäischen Union wird genau erklärt, wie die Anforderungen an eine barrierefreie Webseite aussehen. Dort wird dargestellt, welche Vorkehrungen nötig sind, um BürgerInnen, ob im fortgeschrittenen oder jugendlichen Alter, seh- oder hörbehindert, einen barrierefreien Zugang zur Wissensgesellschaft zu ermöglichen (vgl. Europäische Union [o.J.]).

Auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) in Deutschland setzte sich mit dieser Thematik auseinander und ließ probeweise zwei Textseiten „übersetzen“ (wobei diese geringe Anzahl der Textseiten auf das Fehlen von gebärdensprachkompetenten MitarbeiterInnen zurückzuführen war). Diese gebärdeten Videosequenzen wurden in einem Zeitraum von sechs Monaten 10.177 Mal geöffnet (vgl.

Raule 2004:224), was wiederum auf den Bedarf solcher „Übersetzungen“ hindeutet. Des Weiteren betont der Europarat die Wichtigkeit der Mehrsprachigkeit und deren Förderung, da in einer Vereinigung wie Europa, Offenheit und Vielfältigkeit für ein friedliches und zufriedenes Zusammenleben notwendig sind (vgl. Europarat [o.J.]).

Gleichermaßen ist in Österreich ein deutlicher Trend zu barrierefreien Internetseiten zu verzeichnen, was wohl u.a. auch auf den Erlass des Bundesrechts zurückzuführen ist, den elektronischen Verkehr mit öffentlichen Stellen zu erleichtern (vgl. Bundeskanzleramt 2004, Fischer 2005:39). Webseiten, wie die des Bundeskanzleramtes oder der ÖBB, die dieser Aufforderung nachkommen, indem sie nicht nur blindengerecht gestaltet sind, sondern auch Gebärdensprachvideos enthalten (vgl. ÖBB [o.J.], Bundeskanzleramt [o.J.a]), sind keine Ausnahme mehr. Ob diese Umsetzung der so genannten WAI-Richtlinien (Web Accessibility Initiative) (vgl. Bundeskanzleramt [o.J.b]) aus eigener Initiative oder aufgrund der Bestimmung passierte, dass bis 2008 öffentliche Stellen die internationalen Standards zur Webzugänglichkeit erfüllen müssen (vgl. Fischer 2005:39), sei dahin gestellt.

Auch auf Plattformen zum Thema Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit werden häufig Informationen in ÖGS angeboten. Ferner gibt es Internetagenturen, die ihre Webdesigndienste mit einer „Webseitenübersetzung“ in die ÖGS anbieten (vgl. ZARA [o.J.], Internetagentur: Die Seitenmacher [o.J.]). Schon anhand dieser wenigen Beispiele ist

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Kapitel 1 Die Tätigkeit von TranslatorInnen für Gebärdensprache

zu sehen, dass die Translation in die (Ö)GS von vielerlei Richtungen und Vertretungen von soziopolitischer Ebene bis hin zum privaten Webseitengestalten forciert wird.

Abschließend sei hier aufgrund der Vollständigkeit zum Thema Barrierefreiheit im Internet weiters noch die Technik kurz anzusprechen. Wie Ladstätter (2005:43) erklärt, ergeben sich für die WebseitenanbieterInnen, die auf barrierefreie Seiten umsteigen nur Vorteile.

Dies beginnt damit, dass barrierefreie Seiten flexibler in der Umgestaltung und der Implementierung von neuer Technik sind, AnbieterInnen durch das Angebot von beispielsweise gebärdensprachlichen Videos ihren KundInnenzugang vergrößern und darüber hinaus die Suchmaschine Google barrierefreie Webseiten weiter vorreiht. Dies sind nur ein paar der Gründe, warum Barrierefreiheit eine so genannten win-win-Situation für alle Beteiligten darstellt (vgl. ibid.).

All diese Vorteile sind in der freien Marktwirtschaft von Bedeutung. Es braucht also nicht immer Gesetze, um Unternehmen klar zu machen, dass durch die Implementierung barrierefreier Webseiten neues Klientel und ein weiteres Spektrum an möglichen KundInnen angezogen wird. So ergriffen zum Beispiel die Webagentur WIENFLUSS und putzhuber.net die Initiative und sandten über den ÖGLB einen Fragebogen für Gehörlose in Bezug auf das Einkaufen im Internet aus (vgl. ÖGLB 2008a). Ebenso ermöglichte das Österreichische Jüdische Museum im Burgenland durch die barrierefreie Gestaltung seiner Webseite einem breiteren Feld an InteressentInnen einen unproblematischen Zugang zu Informationen (vgl. OJM [2009b], Reiss 2009a). Aufgrund dieser Punkte ist klar ersichtlich, warum in die Gebärdensprache „übersetzt“ wird bzw. werden muss.

1.4.2 Wo und was wird in die Gebärdensprache „übersetzt“?

Nachdem die Frage, warum Translate schriftlicher Texte in die Gebärdensprache von Bedeutung sind, geklärt wurde, soll nun erläutert werden, was und in welchen Bereichen in die Gebärdensprache “übersetzt” wird.

1.4.2.1. Bilingualer Unterricht

Anfang der 1990er Jahre gab es laut Humphrey/Alcorn (1995:133) noch wenig Verständnis für das Thema „Gebärdensprachübersetzung“. Die beiden erkannten jedoch schon damals, dass durch den bikulturellen und bilingualen Zugang in der Gehörlosenbildung „Gebärdensprachübersetzen“ ein wachsendes Betätigungsfeld für GebärdensprachtranslatorInnen sein könnte. Da grundlegende Aspekte der Gehörlosenbildung schon unter 1.4.1 angesprochen wurden, soll nun auf die Umsetzung des bilingualen Unterrichts eingegangen werden.

Wenn es um die tatsächliche Implementierung bilingualer Unterrichtsmethoden geht, wird deutlich, dass Lehrende ebenso wie DolmetscherInnen dabei beständig mit unbekannten

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Anforderungen konfrontiert werden. Diese können von beiden Berufsgruppen derzeit allerdings nur unzureichend bewältigt werden, da sie für diese Arbeit auch nicht ausgebildet sind. Es bedarf neben translatorischem Wissen nämlich ebenso an Zeit, um beispielsweise die für die hörenden SchülerInnen schriftlich erstellten Testmaterialen so in die Gebärdensprache zu „übersetzen“ (und beispielsweise auf Video oder DVD zu speichern), dass der gebärdete Test mit dem Originaltest gleichzusetzen ist. Das Fehlen von Zeit und translatorischer Kompetenz seitens der Lehrenden und GebärdensprachtranslatorInnen sind somit zumindest zwei der Gründe, warum gehörlose und hörende SchülerInnen keine gleichen Testausgangsbedingungen und damit ferner keine gleichen Ausbildungschancen haben. Gehörlosen SchülerInnen gut ausgearbeitete und für alle gleichermaßen standardisiert gebärdete Aufgabenstellungen zu geben, wäre ein erster Schritt in Richtung einer tatsächlichen Gleichberechtigung (vgl. Tate et al.

2003:6ff.). In diesem Zusammenhang müssen noch unterschiedliche Überlegungen angestellt und schul- bzw. bildungspolitische Forderungen durchgesetzt werden, da ohne mehrheitliche Verwendung der Gebärdensprache im Unterricht nicht das Verständnis des Inhaltes, sondern nur die schrift- bzw. lautsprachlichen Kompetenzen der gehörlosen SchülerInnen überprüft werden (vgl. ibid.:12f.).

Mit Tates (ibid.) Zugang stimmt auch Gibson (2005:381) überein, der das System der so genannten eBooks mitentwickelte. Es war ihm ein Anliegen, Gehörlosen in der Ausbildung gebärdete Texte wiederholbar zugänglich zu machen, um mit dem gebärdeten Material sowie mit schriftsprachlichen Texten arbeiten zu können. Durch die Möglichkeiten der multimedialen Technik konnte dieses Ziel realisiert werden und mit Hilfe der eBooks18 Gebärdensprache in breiterem Maße für pädagogische Zwecke verwendet werden. Gibsons (ibid.) Ziel war es, Zweisprachigkeit zu fördern und das Interesse am Bücherlesen bei Gehörlosen zu wecken. Dies versuchte er zu erreichen, indem er durch eBooks die Möglichkeit eines wiederholbaren Vergleichs von schriftsprachlichen Originalen und gebärdeten „Übersetzungen“ schuf. Nun konnten die Lernenden den Inhalt des Buches bei Verständnisproblemen, ohne um Hilfe bitten zu müssen, über die gebärdensprachlichen eBooks erarbeiten und danach das Lesen eigenständig fortsetzen.

Auch Vaupel (2000:126f.) beschäftigte sich mit der Handhabung und Darstellung von schriftlichen AT in der Gebärdensprache. Vaupels (ibid.) „Übersetzungen“ englischer Fachliteratur, unter Berücksichtigung der einzelnen Kapitel, Fußnoten, Abbildungen und Quellenangaben, wurden von gehörlosen Studierenden als äußerst positiv und hilfreich bezeichnet. Die neue Technologie ermöglicht zudem u.a. das Abspielen von Fußnotenvideos parallel zum Hauptvideo, was einen benutzerfreundlichen und schnellen

18 Weiterführende Informationen zu eBooks, deren Gliederung in Seiten, Einbringung von Illustrationen, Inhaltsverzeichnis und Register sind in der Bibliografie unter dem Eintrag „eBooks“ zu finden.

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