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Die Anfänge der Bundeswehr vor dem Hintergrund der internationalen Lage 1949 - 1953

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Academic year: 2022

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der internationalen Lage 1949 - 1953

UNIVERSITÄT KONSTANZ GEISTESWISSENSCHAFTLICHE SEKTION FACHBEREICH GESCHICHTE UND SOZIOLOGIE

GUTACHTER:

HERR PROFESSOR DR. LOTHAR BURCHARDT HERR PROFESSOR DR. WOLFGANG SCHULLER

VORGELEGT VON:

PHILIPP FRAUND

PHILIPP FRAUND, MARTIN-SCHLEYER-STR. 5, 78465 KONSTANZ TEL.: (+49) 07531 / 955460

EMAIL: PFRAUND@T-ONLINE.DE / PHILIPP.KONRAD.FRAUND@UNI-KONSTANZ.DE

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70 7.1 Erste Studien zur Information der politischen Entscheidungsträger . . . .

69 7 Beurteilung der sicherheitspolitischen Lage durch die Bundesrepublik . . . .

64 6 Erste alliierte Planungen für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag . . . .

62 5.2.1 Diplomatische Schritte zur UNO-Mission . . . .

61 5.2 Der Korea-Krieg - Auswirkungen des Konfliktes auf internationaler Ebene . . . .

57 5.1 Der Korea-Krieg - Ursachen des Konfliktes . . . .

57 5 Der Korea-Schock - Initialzündung für eine deutsche Sicherheitspolitik? . . . .

48 4.3 Beurteilung der sicherheitspolitischen Lage durch die USA . . . .

44 4.2.2 Der Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und der “Ausbruch” des Kalten Krieges . . . . .

41 4.2.1 Die Potsdamer Konferenz . . . .

36 4.2 Die Besatzungszeit und der “Beginn” des Kalten Krieges in Deutschland . . . .

34 4.1 Das Kriegsende in Deutschland und der Kalte Krieg . . . .

33 4 Zwischen Kriegsende und “Ausbruch” des Kalten Krieges - Ziele der Alliierten . . . .

29 3.1.2 Der Präzedenzfall in Europa - Polen . . . .

27 3.1.1 Der Iran - Präzedenzfall des Kalten Krieges? . . . .

26 3 Das Kriegsende außerhalb Deutschlands . . . .

19 2.2.2 Deutsche Hoffnungen auf einen Seperatfrieden . . . .

15 2.2.1 Das britisch-amerikanische Verhältnis zur Sowjetunion . . . .

14 2.2 Mit Amerika und England vereint im Kampf gegen den Kommunismus? . . . .

11 2.1.1 “Deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu retten” - Die Regierung Dönitz und die Kapitulation . . . . 2.1 Das “letzte” Gefecht - Die Ardennenoffensive als Beispiel für den Zustand der 6 Wehrmacht . . . .

4 2 Die Wehrmacht und die Wirren gegen Kriegsende . . . .

3 1.1 Anmerkungen zur verwendeten Literatur . . . .

1 1 Einführung . . . .

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117 11.2.5 Die NATO bis 1956 . . . .

116 11.2.4 Interessen der Bundesrepublik beim NATO-Beitritt . . . .

114 11.2.3 Entwicklung eines militärischen Instrumentes und der politischen Kontrolle . . . .

113 11.2.2 Entstehung der NATO 1948/49 . . . .

111 11.2.1 Sicherheitspolitische Lage 1947-1949 . . . .

111 11.2 Vortrag Dr. Winfried Heinemann “Entstehung und frühe Geschichte der NATO” . .

110 11.1 Verzeichnis der Abkürzungen . . . .

110 11 Anhang . . . .

97 10.2 Literatur . . . .

95 10.1.2 Edierte Quellen: . . . .

93 10.1.1 Unedierte Quellen: . . . .

93 10.1 Quellen: . . . .

93 10 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . .

89 9 Nachwort . . . .

84 8.2 Die Himmeroder-Konferenz . . . .

83 8.1 Die Zentrale für den Heimatschutz . . . .

82 8 Die Vorbereitung der Wiederbewaffnung . . . .

73 7.2 Das Entscheidungsjahr 1950 . . . .

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Diese Arbeit entstand auf Anregung der Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Potsdam. Ihnen allen sei für die freundliche Unterstützung und die Bereitschaft auf meine Fragen einzugehen, herzlich gedankt.

Den Herren Professoren Dr. Burchardt und Dr. Schuller sei für die Betreuung dieser Arbeit besonders gedankt.

Ferner danke ich allen, die mir in den Jahren meines Studiums ihre Freundschaft und Unterstützung schenkten.

Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die es mir ermöglichten, ohne Zwang in bestimmte Fächerrichtungen das zu studieren, was meinen Neigungen entsprach.

Konstanz, im Oktober 2002 Philipp Fraund

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1 Einführung

Seit dem Ende des Kalten Krieges und den Ereignissen des 11. September 2001 sieht sich die Bundeswehr mit einem umfangreichen Spektrum an Aufgaben konfrontiert, die bei ihrer Gründung nicht geplant und teilweise nicht einmal angedacht waren. Bei ihrer Gründung als Armee zur Landesverteidigung gedacht, ist diese Aufgabe heute in den Hintergrund ihres vielfältigen Aufgabenspektrums getreten. Die Bundeswehr des Jahres 2002 ist an vielen Krisenherden der Welt präsent und versucht dort, den Frieden wiederherzustellen und zu garantieren. Gerade die Diskussionen um eine, wie auch immer geartete, Unterstützung durch Deutschland bzw. durch die Bundeswehr am “Krieg gegen den Terror” zeigt, daß die Bundeswehr mittlerweile gerne als Mittel zur Präsentation deutscher Zuverlässigkeit und Bündnisfähigkeit genutzt wird, während gleichzeitig über die Fortsetzung von Beschaffungs- vorhaben diskutiert wird. Der Eindruck täuscht sicherlich nicht, daß die Bundeswehr zu einer Zweiklassen-Armee geworden ist. Die Einheiten, die in “out of Area” Einsätze geschickt werden, meistens Einheiten der Krisenreaktionskräfte, haben das modernste Gerät und die beste persönliche Ausrüstung, um ihren Auftrag zu erfüllen, während die Einheiten der Terri- torialverteidigung mit Gerät leben und arbeiten müssen, das veraltet, marode und unzuverläs- sig ist. Innerhalb der Truppe ist der Frust über diese Arbeitsbedingungen nicht mehr zu überhören, wie der Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages beweist.1

Noch immer werden die Bundeswehr und jeder einzelne Soldat, was nach den katastrophalen Kriegen des letzten Jahrhunderts verständlich ist, mit Vorbehalt betrachtet. Es war zwar der politische Wille da, eine Armee aufzubauen, aber nie der politische Wille, sie auch finanziell so auszustatten, daß sie ihren Auftrag auch zuverlässig erfüllen kann. Wer sich mit der deutschen Militärgeschichte, insbesondere mit der Geschichte der Bundeswehr beschäftigt, wird die Erfahrung machen, daß ein Großteil der Literatur den Ansprüchen an den neuesten Forschungsstand nicht gerecht wird.

“[...] Wohl kaum zuvor in der deutschen Militärgeschichte hat sich das Bild des Soldaten - Stellung in Staat und Gesellschaft, politischer und militärischer Auftrag, Bewaffnung, Ausrüstung und Selbstverständnis - so tiefgreifend verändert wie den in wenigen Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts. [...]2

Es ist festzustellen, daß sich die Zäsur des Jahres 1945 auch in der Literatur wiederholt. Sind die Arbeiten über alle Aspekte des Zweiten Weltkrieges heute kaum noch zu zählen, kommt es für die Zeit nach 1945 zu einem regelrechten Bruch in der Literatur. Die direkte Nachkriegszeit erschließt sich am ehesten über die Geschichte einzelner Städte und Gemein- den. Der Versuch einer Gesamtdarstellung des Kriegsendes und der unmittelbaren Nachkriegszeit ist bisher nur in Ansätzen unternommen worden.3 Die Geschichte des begin- nenden Kalten Krieges ist in Deutschland bisher kaum rezipiert worden. Die Ursache dafür liegt wahrscheinlich darin begründet, daß auch die Arbeit der Historiker modischen Schwan- kungen unterliegt. So sind ab ca. 1980 kaum noch deutschsprachige, wirklich verwertbare Publikationen über die Entstehungsphase des Kalten Krieges nachzuweisen. Offenbar wird über diesen Zeitraum in den USA wesentlich intensiver geforscht als in Deutschland, wie das

3 Hillmann, Jörg; Zimmermann, John [Hrsg.]: Kriegsende 1945 in Deutschland; München 2002

2 de Maizière, Ulrich: In der Pflicht, Lebensbericht eines deutschen Soldaten im 20. Jahrhundert; Herford, Bonn 19892, S. 7; im folgenden zitiert als: de Maizière: In der Pflicht...,

1 Deutscher Bundestag, Der Wehrbeauftragte: Jahresbericht 2001, Drucksache 14 / 8330, vom 12. 03. 2002

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Cold War International History Project (CWIHP) zeigt. Gerade nach dem Ende des Kalten Krieges und nach der verbesserten Zugänglichkeit zu östlichen Archiven hätten auch deutsche Wissenschaftler die Chance nutzen können, hieraus neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Inhaltlich zerfällt diese Arbeit in zwei Teile. Im ersten Teil soll im Überblick die Geschichte der Endkämpfe des Zweiten Weltkrieges beleuchtet werden, um daraus dann der Frage nach der Aufstellung einer deutschen Armee unter alliiertem Oberbefehl in der Fortsetzung des Zweiten Weltkrieges als Krieg gegen die Sowjetunion nachzugehen. Daran schließt sich eine Übersicht über die Ereignisse an, die zum Kalten Krieg und, damit auch indirekt, zu Gründung der Bundeswehr führten.

Im Zentrum des ersten Teils steht zum einen die Frage nach dem Zustand der Wehrmacht gegen Kriegsende. Zum anderen aber die Frage, inwieweit das Bündnis der Alliierten wirklich stabil war, und wann die ersten Spannungen innerhalb dieses Bündnisses auftraten.

Im zweiten Teil soll dann, anhand der hierzu einschlägigen Quellen insbesondere des Bestan- des BW 9 im Bundesarchiv-Militärarchiv, versucht werden, die Überlegungen zu Gründung der Bundeswehr in den globalen Kontext des Kalten Krieges einzuordnen. Hierbei sind insbesondere folgende Fragestellungen von Interesse:

Hatte eine gewisse Konzeptionslosigkeit in der alliierten Deutschlandpolitik Auswirkungen auf die spätere Entscheidung, eine deutsche Armee zuzulassen? In dem Protokoll der Potsda- mer Konferenz waren sich alle Alliierten einig gewesen, daß Deutschland nie wieder eine Bedrohung des Weltfriedens werden sollte. Die Art und Weise, wie dieses Ziel in den einzel- nen Besatzungszonen umgesetzt wurde, läßt vermuten, daß jede der alliierten Mächte zwar konkrete Vorstellung vom Sieg über Hitler hatte, doch nur wenig bis gar keine Vorstellungen von dem, was mit Deutschland nach dem Sieg über Hitler anzufangen sei.

Dienten die Überlegungen zur Gründung der Bundeswehr nicht nur der Sicherung des deutschen Bundesgebietes, sondern auch der außen- und sicherheitspolitischen Emanzipation der Bundesrepublik? Wäre die Gründung einer neuen deutschen Armee, nur wenige Jahre nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, ohne den Kalten Krieg im Hintergrund überhaupt möglich gewesen? Wirkte der Krieg in Korea als Katalysator für die Ängste vor dem Kommunismus? Waren diese Ängste dem Plan, eine neue Armee aufzustellen, förder- lich?

Allerdings soll der Schwerpunkt dieses Kapitels nicht auf der zweifellos interessanten, aber für diese Arbeit zu umfangreichen, Militär- bzw. Operationsgeschichte des Koreakrieges liegen, sondern eher die Auswirkungen und diplomatiegeschichtlichen Aspekte dieses Konfliktes aufzeigen.

In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: Konnte eine deutsche Armee überhaupt aufgebaut werden, schließlich war ja fast das gesamte Führungspersonal der Wehrmacht, das für einen Wiederaufbau in Frage kam, in irgendeiner Weise nationalsoziali- stisch vorbelastet. Wie wurde mit der Vergangenheit der Generäle Hitlers, die später zu

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Adenauers Generälen wurden, umgegangen. Inwieweit wurde mit der Bundeswehr die Tradi- tion der Wehrmacht fortgesetzt?

1.1 Anmerkungen zur verwendeten Literatur

Über die Geschichte der Gründung der Bundeswehr, ihre an Fährnissen reiche Vorgeschichte über die Männer, die die treibenden Kräfte bei ihrer Gründung waren, ist schon viel geschrie- ben worden. Dementsprechend umfangreich ist auch die Literatur. Problematisch ist aller- dings, daß die meiste Literatur nicht mehr den aktuellsten Forschungsstand widerspiegelt.

Jenseits der Betrachtung aus der deutschen Perspektive, stößt man auf weitere Probleme. Zur Geschichte Polens sind kaum neuere Werke erschienen. Noch schlechter bestellt ist es mit Literatur über die sowjetische Besetzung des Irans aus, hier Literatur zu finden, die einiger- maßen aktuell und valide war, erwies sich beinahe als unmöglich.

Ein weiteres Problem ist der Umfang der Arbeiten. Die verdienstvolle Reihe des Militärge- schichtlichen Forschungsamtes “Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik” umfaßt vier Bände und gibt zwar erschöpfend Auskunft, doch, bedingt durch die langen Arbeitszeiten an jedem der Bände, geben sie nicht mehr den neuesten Forschungsstand wieder. Eine übersicht- liche Gesamtdarstellung der Problematik des Kalten Krieges und der mit dieser Problematik zusammenhängenden Gründungsgeschichte der Bundeswehr fehlt. Die Schriften, die unter der Ägide des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes entstanden sind, geben zwar ein umfassendes Bild von der Gründung der Bundeswehr und dem gesamtgesellschaftlichen Umfeld wieder, stammen allerdings aus der Zeit zwischen Ende der siebziger und Ende der achtziger Jahre. Daher können sie, von Band 4 abgesehen, wohl kaum den neuesten Forschungsstand wiederspiegeln.

Der für diesen Zeitraum grundlegende Bestand BW 9 im Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA / BW 9, Dienstellen zur Vorbereitung des westdeutschen Verteidigungsbeitrages 1950 - 1955) ist über Findbücher zwar sehr gut erschlossen, die Logik, mit der die Bestands- signaturen vergeben wurden, ist allerdings nicht klar ersichtlich. Die meisten Akten dieses Bestandes sind bereits auf Mikrofiche verfilmt worden. Dieses Verfahren hat zwar aus archi- valischer Sicht große Vorteile, für den Historiker ergibt sich aber das Problem, daß die Dokumente aufgrund ihres desolaten Zustandes teilweise kaum zu entziffern sind.

Der grundlegende (und bisher einzige) Aufsatz zum Ablauf der Himmerroder Konferenz von Rautenberg und Wiggershaus hat, obwohl er auch die Vorgeschichte dieser Konferenz sehr gut beleuchtet, einen gravirenden Nachteil. Die Autoren geben zwar die Bestandssignatur im Bundesarchiv-Militärarchiv an, verzichten aber auf die Nennung der Seiten. Eine Nachprü- fung ihrer Ergebnisse ist daher nur mir großem Zeitaufwand und großer Mühe möglich.

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2 Die Wehrmacht und die Wirren gegen Kriegsende

Während der letzten Monate des Zweiten Weltkrieges zeigte sich immer deutlicher, daß der Krieg für die deutsche Seite nicht mehr zu gewinnen war. Die Herrschaftsordnung des Natio- nalsozialismus verfiel, lange bevor die Wehrmacht die Waffen streckte.4 Spätestens seit der Kapitulation von Stalingrad befanden sich die deutschen Verbände an der Ostfront fast nur noch in der Defensive. Nachdem die deutsche Frontlinie immer mehr den Windungen einer Schlange glich und die Sowjetunion die deutsche Taktik der Kesselschlachten zu kopieren gelernt hatte, kam es zu immer heftigeren Schlachten, bei denen ganze Frontabschnitte, die aus der Frontlinie herausragten, eingekesselt wurden.5

Ab Spätsommer 1942, nach dem Scheitern des zweiten deutschen Ostfeldzuges, muß der deutschen Führung klar gewesen sein, daß dieser Krieg nicht mehr zu gewinnen war.6 Am 1.

Mai 1945 stand der Hauptteil der noch verbliebenen deutschen Truppen, ca. 3 1/3 Millionen Soldaten, an der Ostfront.7 Die Zahlen der Gefallenen und Kriegsgefangenen stiegen rapide an, der Januar 1945 war mit 450 000 gefallenen Soldaten der verlustreichste Monat des gesamten Krieges. In den Monaten zwischen dem Sommer 1944 und der Kapitulation 1945 starben genauso viele Soldaten wie in den vorangegangenen Jahren dieses Krieges.8

Die Wehrmacht war längst nicht mehr der monolithische Block, der sie zu Anfang des Krieges gewesen war. Die Kriegsführung lag nicht, wie anzunehmen, in einer Hand, sondern war auf mehrere Instanzen verteilt. Nach Beginn des “Unternehmens Babarossa” hatte Hitler die Zuständigkeit für diesen Krieg auf den Generalstab des Heeres beschränkt. Die Operati- onsleitung an allen anderen Fronten wurde dem OKW übertragen, das diese Aufgabe mit dem Wehrmachtführungsstab löste. Auch wenn es paradox klingt, Hitler führte den Krieg an der Ostfront als Oberbefehlshaber der Heeres und den Krieg an den anderen Fronten als Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Diese Aufsplitterung war eine Konsequenz des Führer- staates und wurde - ironischerweise - auch durch den Führerstaat als solchen behoben. Getreu dem Motto “divide et impera” verfügte Hitler als einziger über einen vollständigen Überblick über die laufenden Operationen. Ferner erlaubte ihm diese Anordnung, die Macht in seinen Händen zu konzentrieren. So konnte er beispielsweise Anordnungen des Heeres mit dem Verweis auf die anderen OKW-Kriegsschauplätze ablehnen und so beide gegeneinander

8 vgl.: KUNZ: Ein Kampf..., S. 65, zu Verlusten allgemein siehe: OVERMANS, RÜDIGER: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg; München 1999; im folgenden zitiert als: Overmans: Militärische Verluste...; siehe auch: JUNG, HERMANN: Die Ardennenoffensive 1944/45. Ein Beispiel für die Kriegführung Hitlers: Göttingen 1971, S. 23; im folgenden zitiert als: Jung: Ardennenoffensive...; ferner: KUNZ, ANDREAS: Die Wehrmacht in der Agonie der nationalsozialistischen Herrschaft 1944/45. Eine Gedankenskizze; in:

Hillmann, Jörg; Zimmermann, John [Hrsg.]: Kriegsende 1945 in Deutschland; München 2002, S. 97 - 114, hier S. 100, im folgenden zitiert als Kunz: Die Wehrmacht...

7 Diese teilten sich in die in Kurland und Westpreußen abgeschnittenen Truppenteile sowie die Heeresgrup- pe Weichsel, die 9. und 12. Armee, die Heeresgruppen Mitte, Süd und Südost auf. Zahlen entnommen aus:

Hansen, Reimer: Die Kapitulation und die Regierung Dönitz; in: Becker, Winfried [Hrsg.]: Die Kapitula- tion von 1945 und der Neubeginn in Deutschland; Köln, Wien 1987, S. 31 - 43, hier S. 32; im folgenden zitiert als: Hansen: Die Kapitulation...

6 vgl.: Kunz: Ein Kampf..., S. 63

5 vgl. Meyer, Georg: Adolf Heusinger. Dienst eines deutschen Soldaten 1915 - 1964; Hamburg, Berlin, Bonn 2001, S. 215; im folgenden zitiert als: Meyer: Adolf Heusinger...

4 Kunz, Andreas: Ein Kampf bis zum Äußersten? Die Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkrieges; in:

DAMALS 4 / 2002, S. 63 - 69, S. 63; im folgenden zitiert als: Kunz: Ein Kampf...

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ausspielen. Das Miteinander der beiden Stäbe, des OKH und des OKW, wurde daher oftmals zu einem Gegeneinander, was den Verlauf des Krieges negativ beeinflußte. Die Generäle in den Stäben waren faktisch entmachtet, sie führten einen Krieg, konnten jedoch die ihnen vorgegebenen Ziele nicht mehr bestimmen.9

Trotz des sich immer klarer abzeichnenden Zusammenbruchs arbeiteten die Dienststellen der Wehrmacht weiter, als stünde der Feind nicht schon längst auf deutschem Boden und als gäbe es noch irgendetwas zu befehlen, das über örtliche Abwehrkämpfe hinausging. Die Wehrmachtsbürokratie war immer noch intakt und arbeitete noch immer, als existiere noch etwas, das diesen Aufwand rechtfertigte. Dies belegt die Zahl von 120 000 Ferngesprächen und 33 000 Fernschreiben, die an einem einzigen Tag, Ende Januar 1945, allein in den zentralen militärischen Führungsbereichen getätigt wurden.10

Mit der Landung in der Normandie (“Overlord”) befand sich das Deutsche Reich nun auch im Westen in der Defensive. Hitlers Strategie war gescheitert. Impliziert der Begriff Strategie doch

“[...] nicht nur das Vorhandensein eines Plans für das genaue Vorgehen zum Erreichen eines Ziels, sondern auch das nüchtern rationale Kalkül. Trotz aller Kriegsanstrengungen, die das NS-Regime bis in die letzten Tage seiner Existenz unternahm, flossen in dessen Betrachtungen zur Kriegführung zunehmend eine Abfolge von Wenn-dann Vermutungen als das Ergebnis von Teilwirklichkeiten oder ideologischer Zwänge bzw. Wunschvorstellungen ein. Von einer Strategie im herkömmlichen Sinn wird man daher für die Schlußphase des Krieges in der Tat nicht mehr sprechen können. [...]”11

Die Landung in der Normandie hatte auch nicht zu unterschätzende psychologische Auswir- kungen auf den Zustand der Heimatfront. Waren bisher lediglich die feindlichen Bomberver- bände als direkte Auswirkung des Krieges an der Heimatfront erlebbar gewesen, so brachen mit der Landung in der Normandie zum ersten Mal alliierte Interventionstruppen in die

“Festung Europa” ein. Im Februar 1942 hatte Hitler das Konzept der “Festung Europa”

entwickelt, das sich bei ihm in den folgenden Jahren immer mehr zur beherrschenden Idee auswuchs.

Am Anfang war dies noch ein eher unspezifischer, für die Propaganda gedachter Begriff, eine uneinnehmbare “Festung Europa”, die durch -mehr oder minder imaginäre- Wälle geschützt war. Die Umgrenzungsmauern dieser Festung bildeten der Atlantikwall, der Westwall, der Nordwall und die Ostfront. Durch die Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie war nun auch der Atlantikwall gefallen. Der Gedanke von der “Festung Europa” verfestigte sich bei Hitler immer mehr. Das wohl schrecklichste Resultat dieser idée fixe waren jene Durchhaltebefehle, die ganze Städte zu Festungen erklärten, die bis zum allerletzten Bluts- tropfen verteidigt werden sollten:12

12 zur Genese des Begriffs “Festung Europa” siehe: Meyer: Adolf Heusinger..., S. 223; Bernhard Wicki zeigt in seinem 1959 entstandenen Antikriegsfilm “Die Brücke” die Sinnlosigkeit dieses Befehls am Beispiel von sieben sechzehnjährigen Kindern, die im April 1945 eingezogen werden und eine strategisch vollkommen wertlose Brücke verteidigen müssen. Nach dem Tod eines Jungen bei einem Fliegerangriff stellen sich die Verbliebenen in einer fatalen Mischung aus jugendlichem Ungestüm, Fanatismus und blindwütigem Haß

11 Kunz: Die Wehrmacht..., S. 98

10 Zahlen entnommen aus Kunz: Die Wehrmacht..., S. 109, leider macht Kunz keine weiteren Angaben, die eine genauere Datierung zuließen.

9 vgl. Jung: Ardennenoffensive..., S. 7 - 8; Kunz: Die Wehrmacht..., S. 99

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“[...] “Jeder Bunker, jeder Häuserblock in einer deutschen Stadt, jedes deutsche Dorf” müsse zu einer Festung werden, “an der sich der Feind entweder verblutet oder die Besatzung im Kampf Mann gegen Mann unter sich begräbt.” [...]”13

Wie stellt sich die Lage an der Westfront nach Beginn von “Overlord” dar? Nach der Landung in der Normandie schreiten die alliierten Verbände schnell vorwärts und treiben die deutschen Verbände regelrecht vor sich her: Am 23. August wird Paris, bereits zwei Monate später wird, als erste deutsche Stadt, Aachen befreit. Die Wehrmacht ist nicht mehr in der Lage die Front zu halten, auch wenn Befehle aus dem Hauptquartier dies immer wieder unter Androhung schärfster Strafen verlangen. Es kommt zwar noch zu einzelnen Erfolgen, jedoch werden diese durch einen sehr hohen Blutzoll erkauft.14 Anfang September 1944 ergibt sich folgender Verlauf der Westfront: Scheldemündung - Westwall - Mosel - westlich der Burgundischen Pforte - Schweizerische Grenze.15

2.1 Das “letzte” Gefecht - Die Ardennenoffensive als Beispiel für den Zustand der Wehrmacht

Die Zerfallsprozesse der Wehrmacht wurden nun für jeden sicht- und erlebbar, ganze Divisionen des Feldheeres lösten sich in nichts auf. Es wurden zwar immer neue Divisionen ausgehoben und aufgestellt, aber der innere Zusammenhalt dieser Einheiten war gering, bestanden sie doch aus eiligst ausgebildeten Rekruten, aus Resten versprengter und zertrüm- merter Einheiten, aus Soldaten der Luftwaffe und Marine. Der Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall Model, schrieb am 29. August 1944 dem WFSt, daß er über 11 Inf.

Div. verfüge, aus deren Resten er 4 volle Infanteriedivisionen bilden könne. Noch düsterer sah das Lagebild bei Materialangaben aus: seine 11 Inf.- und Panzergrenadierdivisionen verfügten durchschnittlich noch über je 5 - 10 Panzer.16

Die deutsche Propaganda malte zwar immer das, zum Teil bis heute noch nachwirkende Bild einer modernen Armee, die, aus furchteinflößenden Panzern bestehend, in der Lage war, jeden Feind zu besiegen. In Wahrheit sah die Situation jedoch vollkommen anders aus.17 Die

17 Wie verzerrt dieses Bild war, zeigt ausführlich: Frieser, Karl-Heinz: Die Blitzkrieg-Legende. Der Westfeld- zug 1940; München 19962; siehe auch KUNZ: Die Wehrmacht..., S. 109; Zimmermann, John: Die Kämpfe gegen die Westalliierten 1945 - Ein Kampf bis zum Ende oder die Kreierung einer Legende?; in: Hillmann, Jörg; Zimmermann, John [Hrsg.]: Kriegsende 1945 in Deutschland; München 2002, S. 115 - 133, hier S.

119, im folgenden zitiert als: Zimmermann: Die Kämpfe 1945...

16 vgl. Jung: Ardennenoffensive..., S. 31

15 vgl. Jung: Ardennenoffensive..., S. 31

14 Vom Invasionsbeginn bis zum 31. August 1944 zählte man beim Westheer 23 019 Tote, 198 616 Vermißte und 67 240 Verwundete; Zahlen entnommen aus: Jung: Ardennenoffensive..., S. 30

13 zitiert nach: Jung: Ardennenoffensive..., S. 13

den anrollenden amerikanischen Panzern entgegen. Das folgende Hinschlachten überleben nur zwei der Jugendliche. Im Begleittext der FSK heißt es: "Der Film demonstriert Wahnwitz und Widersinn des Krieges am nutzlosen Opfer einer Gruppe von Jungen, die wenige Tage vorher noch auf der Schulbank saßen. Die einzelnen Stationen auf dem Weg in den sinnlosen Tod spiegeln gleichnishaft den ganzen gewaltigen Sturz in die Katastrophe wider. Die Parallelität von Einzelschicksal und Völkerschicksal verleiht dem Film seine überzeugende Wucht und sein moralisches Gewicht. Die für die Endphase der deutschen Kriegsführung charakteristischen Erscheinungen im menschlichen wie im militärischen Schicksal sind bis in die feinste szenische Nuance hinein glaubhaft und auch von der jüngeren Generation nachvollziehbar, die den Weltkrieg nur vom Hörensagen kennt." zitiert nach:

www.zdf.de/programm/31349/index.asp?pa1nr=B68E270592AF4000

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Einsatzbereitschaft der Heeresverbände war durch einen schon zum ständigen Begleiter gewordenen Mangel bei allem, von der Motorisierung über die Bewaffnung und Ausrüstung bis hin zur allgemeinen Versorgungslage, außerordentlich fraglich. “Auf Befehl des Führers”

wurden nun ganz Bataillone, die sonst motorisiert waren, mit Fahrrädern ausgestattet!

Gruppen von Soldaten, die, nur mit persönlicher Waffe und Panzerfäusten bewaffnet, auf - meist in der nächsten Ortschaft requirierten - Fahrrädern durch die Gegend fuhren und Panzerjagdkompanien bildeten, waren die direkte Folge dieses Befehls.18

Erschwerend kommt hinzu, daß alle die Mängel von einem weit gravierenderen Mangel überdeckt wurden: von dem Mangel an Kompatibilität. Gelang es, einmal an einer Stelle genügend Panzer zu versammeln, fehlten Treibstoff und / oder Munition. Wenn Munition vorhanden war, dann war es meist solche, die nicht zum verwendeten Geschütz paßte. Hatte man aber einmal Glück und waren genügend Panzer, genügend Treibstoff und die richtige Munition vorhanden, dann fehlten mit Sicherheit die geeigneten Bedienungsmannschaften.19 Das wohl kurioseste Mittel, um die Kampfkraft der Wehrmacht zu erhöhen, das aber auch gleichzeitig die Verzweiflung dieser Stunde beschreibt, war die Wiederauflage des Merkblat- tes “Kriegserfahrungen eines Frontoffiziers von 1917”. Die Ratschläge, die in diesem Merkblatt gegeben werden, stehen in seltsam anachronistischem Gegensatz zu den Prinzipen eines modernen Massen- und Bewegungskrieges. Die Erfahrungen, die in den Grabenkämp- fen des Ersten Weltkrieges gemacht worden waren, waren nun auf einmal wieder aktuell.20 Die Artillerie bot folgendes vom Chef des Generalstabes der H. Gr. G, Generalmajor Staedke, ziemlich eindrücklich beschriebene Bild:

“[...] Diese stellt eine Musterkollektion des Waffen-Arsenals aller europäischen Staaten dar (Franzosen, Tschechen, Polen, Italiener und Russen), für deren Kaliber in der Masse fast keine oder auch nur annähernd genügende Munition für die Führung einer Abwehrschlacht vorhanden ist. Außerdem mußte die Munitionskontigentierung für die deutschen Kaliber auch in einer untragbaren Weise eingeschränkt werden. [...]”21

Die Festungswerke des Westwalls wurden Ende August, Anfang September von, in aller Eile ausgehobenen, Sicherungstruppen besetzt.22 Man hatte buchstäblich alle verfügbaren Perso- nen zusammengesucht. Diese Truppen bestanden aus “[...] Ausbildungs und Ersatzeinheiten, Festungstruppen, Polizeiverbänden, Luftwaffenbataillonen, Geneseneneinheiten, “Magen”- und “Ohren-Bataillonen” und Sonderformationen [...]”.23 Bedingt durch den Mangel an Offizieren und Unteroffizieren, die Kampferfahrung besaßen, war der tatsächliche Nutzen dieser Einheiten außerordentlich gering:24

“[...] Die Wehrmacht bot demgegenüber und vor allem in der Retrospektive auf “bessere” Tage ein jämmerliches Bild: Sie bestand aus zusammengewürfelten Heeres-, Luftwaffen-, Volkssturm-, Waffen-SS-, ja sogar aus landkämpfenden Marine-Verbänden, die eher mehr als weniger aufge- füllt, eher weniger als mehr, teilweise gar nicht ausgebildet sowie äußerst mäßig ausgerüstet

24 vgl.: Meyer: Adolf Heusinger..., S. 229

23 zitiert nach: Jung: Ardennenoffensive..., S. 33

22 Zur Effektivität des Westwalls siehe Zimmermann: Die Kämpfe 1945..., S. 121

21 zitiert nach: Jung: Ardennenofffensive..., S. 45, siehe auch: Zimmermann: Die Kämpfe 1945..., S. 120

20 vgl. Kunz: Die Wehrmacht..., S. 110

19 vgl. Zimmermann: Die Kämpfe 1945..., S. 120

18 vgl. Jung: Ardennenoffensive..., S. 44

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waren. Aufgrund dieses vermischten Einsatzes von Soldaten besaßen ihre Oberbefehlshaber an der Front nicht einmal die uneingeschränkte Befehlsgewalt über sie. [...]”25

So stellte der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine (OBdM), Karl Dönitz, Marineverbände für die Landkriegsführung zur Verfügung. Am 18. April, der Durchbruch der Roten Armee an der Oderfront in Richtung Berlin stand kurz bevor, verfügte Dönitz, daß alle Marinesoldaten und Marinewaffen, die wegen des Verlusts ihrer Schiffe nicht mehr für den Seekrieg gebraucht wurden, im Landkampf einzusetzen seien.26 Eine “kurze Einweisung von wenigen Tagen”27 sollte als Ausbildung im Landkampf vollkommen genügen. Am 25. April schickte Dönitz, nach der Weisung Hitlers, daß der Kampf um Berlin jetzt höchste Priorität habe, ca.

10 000 Marinesoldaten, die mit ausländischen Handwaffen nur notdürftigst ausgerüstet waren, in Richtung Berlin an die Front. Er schien dabei genausowenig Skrupel zu haben, diese Leute an die Front zu beordern, wie er die Besatzungen seiner U-Boote in den beinahe sicheren Tod schickte.

Hinzu kommt noch der extreme Mangel an Gerät. Die Einheiten der gesamten Wehrmacht waren größtenteils entmotorisiert und somit ein leichtes Ziel für gegnerische Tiefflieger.28 Die Truppen des OB West verfügten beispielsweise über fast keine Handfeuerwaffen mehr:

es kam soweit, daß andere Truppenteile, die östlich des Rheins lagen, 90% ihrer Ausrüstung an Handfeuerwaffen, zugunsten der Truppenteile westlich des Rheins abgeben mußten. Mitte September standen der Heeresgruppe B, bei einer Frontlänge von 400 Kilometern, 12 Divisionen mit 84 einsatzbereiten Panzern und Sturmgeschützen gegen 20 alliierte Divisio- nen mit ca. 1700 Panzern zur Verfügung.29 Nochmals erschwert wurde die ganze Situation durch den eklatanten Mangel an Treibstoff.

Die letzte große Offensive im Westen, sozusagen das letzte Gefecht, die Ardennen-Offensive, scheiterte nach anfänglichen Erfolgen, kaum daß sie richtig begonnen hatte. Dieses letzte Aufbäumen vor dem endgültigen Niedergang verdient daher eine genauere Betrachtung.

Eigentlich als Versuch gedacht, die Initiative im Westen wieder zu gewinnen, brachen die erkämpften Frontabschnitte unter den massierten Gegenangriffen der Alliierten wieder zusammen.30 Hitlers Ziel, den Alliierten Antwerpen zu entreißen und damit ein “neues Dünkirchen” zu schaffen, ist ein letzter, verzweifelter Versuch, den rasend schnellen Fortschritt der alliierten Truppen zu bremsen. Der Plan, an dem Hitler persönlich viele

30 Zur Ardennenoffensive (Operation “Wacht am Rhein”) siehe: Kunz: Ein Kampf..., S. 65; JUNG, HERMANN: Die Ardennenoffensive 1944/45. Ein Beispiel für die Kriegführung Hitlers: Göttingen 1971; VOGEL, DETLEV: Deutsche und alliierte Kriegführung im Westen; in: Boog, Horst; Krebs, Gerhard et al. [Hrsg.]:

Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 7. Das Deutsche Reich in der Defensive, Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien 1943 - 1944/45; Stuttgart, München 2001, S. 502 - 634, hier S. 619 - 634; im folgenden zitiert als: Vogel: Deutsche und alliierte Kriegführung...

29 Zahlen entnommen aus Jung: Ardennenoffensive..., S. 33, siehe auch S. 34, S. 37, S. 44

28 vgl.: Kunz: Ein Kampf..., S. 65

27 zitiert nach: Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 14

26 vgl.: SCHWENDEMANN, HEINRICH: “Deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu retten”: Das Programm der Regierung Dönitz und der Beginn einer Legendenbildung; in: Hillmann, Jörg;

Zimmermann, John [Hrsg.]: Kriegsende 1945 in Deutschland; München 2002, S. 9 - 33, hier S. 14; im folgenden zitiert als: Schwendemann: “Deutsche Menschen”...; HILLMANN, JÖRG: Die Reichsregierung in Flensburg; in: Hillmann, Jörg; Zimmermann, John [Hrsg.]: Kriegsende 1945 in Deutschland; München 2002, S. 35 - 65, hier S. 39, im folgenden zitiert als: Hillmann: Die Reichsregierung...

25 Zimmermann: Die Kämpfe 1945..., S. 119

(13)

Details ausgearbeitet hatte, sah vor, in einem konzentrierten Stoß zweier Panzerarmeen (6.

SS-Panzerarmee und 5. Pz-Armee) auf Antwerpen alle feindlichen Verbände nördlich der Linie Bastogne - Brüssel - Antwerpen31 von den im Süden stehenden amerikanischen Armeen zu trennen und zu vernichten. In Antwerpen sah Hitler, ausnahmsweise einmal richtig, die

“Archillesferse” der alliierten Operationen. Diese waren, infolge von Logistikproblemen, in ihrem schnellen Fortschreiten behindert. Der gesamte Nachschub für die alliierten Invasion- struppen lief über den Kanal. Man hatte zwar die künstlichen “Mulberry”-Häfen zur Verfü- gung, doch deren Kapazität war schnell erschöpft. Versorgungsgüter stapelten sich am Strand, konnten wegen mangelnder Kapazität nicht weitertransportiert werden. Die gesamte Treibstoffversorgung lief über eine Pipeline, die quer über den Kanal verlief, an deren Ende Pioniereinheiten versuchten, mit den Panzerspitzen, die im Durchschnitt 300 Kilometer voraus waren, Schritt zu halten. Die anderen Häfen an der Kanalküste mußten erst noch erobert werden, die deutschen Besatzungen leisteten hartnäckigen Widerstand oder die Häfen waren so zerstört, daß sie nicht zu gebrauchen waren.32 Antwerpen war zu diesem Zeitpunkt und aus den oben genannten Gründen das ideale Ziel für die alliierten Truppen.

Aus Gründen der Geheimhaltung und der Logistik konnten die Angriffe nicht vor dem 16.

Dezember 1944 erfolgen. Die alliierte Lufthoheit ermöglichte ein Beziehen der Stellungen und Transporte nur bei einer Schlechtwetterperiode und bei Nacht. Am 16. Dezember traten dann auf einer 170 km breiten Linie zwischen Monschau und Echternach drei Armeen (6.

SS-Pz33, 5. Pz - und 7. Armee) unter dem Oberkommando der Heeresgruppe B zum Angriff an. In der ersten Welle griffen damit 200 000 Mann (13 Volksgrenadier34- und 5 Pz-Divisio- nen) mit 600 Panzern, unterstützt von 1600 Artilleriegeschützen, an. An Reserve standen noch bis zu zehn Divisionen der Heeresgruppe B zur Verfügung. Der Schwachpunkt der gesamten Operationsplanung war der Mangel an verfügbaren Luftstreitkräften. Der traurige Rest der Luftwaffe wurde zu zwei Dritteln, ca. 1770 Jagdflugzeuge, an der Front konzentriert, um die eigenen Panzerspitzen gegen gegnerische Angriffe abzuschirmen.35 Ferner traten schon bei der Vorbereitung der Operation “Wacht am Rhein” erhebliche Probleme bei der Herauslösung der vorgesehenen Truppenteile auf. Diese Truppenteile standen zum Teil noch in heftigen Abwehrkämpfen an anderen Frontabschnitten der Heeres- gruppe B. Die Ardennenoffensive ist auch ein Beispiel dafür, wie sich die für den Erfolg einer Operation notwendige Geheimhaltung auch gegen die eigenen Truppen richten kann.

Erst in der Nacht vor dem Angriff durften viele Verbände in ihre Bereitstellungs- und

35 Zahlen entnommen aus: Vogel: Deutsche und alliierte Kriegführung..., S. 621 - 622, siehe auch Jung:

Ardennenoffensive..., S. 43

34 Anfang Juni 1944 rang sich Hitler zur Aufstellung von 15 neuen Grenadier-Divisionen durch. Hintergrund waren die schweren Verluste an der Ostfront. Diese Einheiten wurden nicht dem Heer, sondern Himmler und der Waffen-SS unterstellt. Als Himmler nach dem 20. Juli zum Befehlshaber des Ersatzheeres wurde, benannte man diese Verbände in “Volks-Grenadier-Divisionen” um. Sollten sie doch das Fundament zu einer “wahrhaft nationalsozialistischen Volksarmee” bilden. vgl. Jung: Ardennenoffensive..., S. 11; siehe auch Kunz: Die Wehrmacht..., S. 102 - 103

33 Zum damaligen Kommandeur der 6. SS-Panzer-Armee siehe Allbritton, William T.; Mitchman, Samuel W.:

SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst der Waffen-SS Joseph (Sepp) Dietrich; in: Ueberschär, Gerd R.

[Hrsg.]: Hitlers Militärische Elite, Bd. 2. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende; Darmstadt 1998, S.

37 - 44

32 vgl. Jung: Ardennenoffensive..., S. 34 - 35; Vogel: Deutsche und alliierte Kriegführung..., S. 567 - 572

31 Es handelte sich hierbei um 20 - 30 Divisionen der 21. britischen Armeegruppe, der 1. und der 9. US-Ar- mee), Zahlen entnommen aus: Vogel: Deutsche und alliierte Kriegführung..., S. 620

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Aufmarschräume einrücken. Eine Erkundung des vor ihnen liegenden Geländes war dann kaum noch möglich.

Letztendlich konnte die Ardennenoffensive den alliierten Vormarsch lediglich verlangsamen.

Diese Verlangsamung um ca. 6 Wochen wurde allerdings mit dem Verlust von ca. 120 000 Mann und 500 Geschützen bezahlt. Die Wirkung auf das alliierte Hauptquartier SHAEF und die dort versammelten Planer, insbesondere auf Eisenhower, war indes groß. Man war geschockt über den kaum erkennbaren Aufgabewillen und über die Fähigkeit der deutschen Führung, noch einmal eine solche zusammenhängende Operation zu planen und durchzufüh- ren. Hatte man doch noch im Oktober 1944 mit einer gegnerischen Streitmacht von sieben Panzer- beziehungsweise Panzergrenadierdivisionen mit ca. 500 Panzern und 17 Inf. Div.

gerechnet.36

Hier hatte die Feindaufklärung offenkundig versagt. Die Gründe für dieses Scheitern sind vielfältig: Zum einen war man sicherlich der Meinung, daß der schnelle Voranmarsch der alliierten Truppen immer so weiter gehe, zum anderen unterschätzte man wahrscheinlich die Fähigkeit der Wehrmacht sich zu reorganisieren. Angesichts des ansonsten beinahe übervor- sichtigen Vorgehens der alliierten Truppen scheint dieses Versagen der Feindaufklärung ein Produkt der Siegeseuphorie zu sein.

Im Nachhinein ist die Ardennenoffensive auch nur als e i n e Episode des Zweiten Weltkrie- ges anzusehen - wenn auch als eine außerordentlich blutige. Kaum war der Widerstand der deutschen Truppen in den Ardennen gebrochen, schritt man in gewohnter Schnelligkeit voran. Nach der Überquerung des Rheins gelang es, 21 deutsche Divisonen einzukesseln.

Danach konnte Montgomerys 21. Armeegruppe weiter nach Norddeutschland stoßen, während General Bradley beinahe ohne Feindberühung weiter nach Osten vordringen konnte, um sich an der Elbe, bei Torgau, mit der Roten Armee zu treffen.37

Die Soldaten der Wehrmacht, die den immer sichtbarer werdenden Untergang am eigenen Leib miterlebten, konnten nur noch von dem immer härter werdenden Militärstrafgesetzbuch und durch Standgerichte bei der Truppe gehalten werden.38 Diese Maßnahmen konnten aller- dings nicht verhindern, daß Kriegsmüdigkeit und Erschöpfung immer weiter um sich griffen.

Generalmajor Staedtke führt weiter aus:

“[...] Die Truppe, soweit man im infanteristischen Bereich von so etwas noch reden kann, scheint am Ende zu sein ... Ich habe den Eindruck, daß aus den vorhangenen Kräften das Letzte heraus- geholt wird. Der physische und psychische Zustand der Infanterie ist erschütternd. Ein Gemisch von deutschen, volksdeutschen, russischen Soldaten, viel unausgebildetes Luftwaffen- und Marinepersonal, in der Hauptsache Männer, die, bis vor kurzem kampfungewohnt, aus einem Zusammenbruch kommend, jetzt 6 bis 8 Wochen im Kampf stehen, bilden die sogenannten Völkergrenadiere [sic!], die nur da noch kämpfen, wo genügend Offiziere vorhanden sind, die sie hart an der Hand halten. Die Masse dieser mehr oder weniger uniformierten Zivilisten hat einen Grad der Apathie erreicht, der die Bedrohung mit der Waffe mit den Worten beantwortet: “Bitte schießt ruhig, irgendwie gehen wir doch kaputt!” [...]”39

39 zitiert nach: Jung: Ardennenoffensive..., S. 42

38 Zu den Repressalien durch das Militärstrafgesetzbuch siehe: Jung: Ardennenoffensive..., S. 14 - 15; siehe auch Absolon: Die Wehrmacht..., S. 559 - 583

37 vgl. Zimmermann: Die Kämpfe 1945..., S. 123 - 124

36 vgl. Zimmermann: Die Kämpfe 1945..., S. 122 - 123

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Die Nachrichten aus der Heimat von ausgebombten Angehörigen und zerbombten Städten, die schon in der Hand der Alliierten waren - Aachen war bereits am 21. Oktober 1944 gefal- len, trugen nicht gerade dazu bei, die Soldaten weiter an den Endsieg glauben zu lassen.40 In den ersten Monaten des Jahres 1945 stellte der Westwall für die alliierten Truppen im Westen kein ernstzunehmendes Hindernis mehr dar. Mit dem Fall der unversehrten Rhein- brücke von Remagen war auch der Rhein ab März kein Hindernis mehr. Die seit Jahresbe- ginn 1945 laufende sowjetische Winteroffensive schritt außerordentlich schnell voran. Bald schon lag die Frontlinie an der Oder. Bei dem kleinen Städtchen Seelow gelang es Mitte April noch einmal, den sowjetischen Vormarsch um ein paar wenige Tage zu verlangsamen.

Die hohen Opfer bei den Seelower Höhen waren letztendlich umsonst gewesen, wenige Tage später war Berlin zum Brennpunkt der Kämpfe geworden.41

2.1.1 “Deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu retten”42 - Die Regierung Dönitz und die Kapitulation

Als sich die ersten sowjetischen Stoßtrupps dem Herzen Berlins näherten, die ersten Grana- teinschläge den Bunker im Garten der Reichskanzlei erschütterten, stahl sich Hitler am 30.

April 1945 durch Selbstmord aus der Verantwortung.43 Die Reste dessen, was einmal

“Deutschland” gewesen war, überließ er seinem Nachfolger, Großadmiral Karl Dönitz44. Dönitz sah sich nun mit der Aufgabe konfrontiert, den Krieg zu beenden und dafür zu sorgen, daß die Wehrmacht ordnungsgemäß in Kriegsgefangenschaft ging. Dönitz verdankt seine Ernennung zum Nachfolger Hitlers wohl der gewissenhaften Erfüllung aller von Hitler gefor- derten Befehle. Seine rücksichtslose Art in der Ausübung seines Kommandos zeigt, daß er vom Nationalsozialismus durchdrungen war.45

45 vgl. den bei Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 9 abgedruckten Tagesbefehl

44 Die Frage, ob Dönitz wirklich Regierungschef war, ist immer noch umstritten, siehe hierzu: STEINERT, MARLIES G.: Die alliierte Entscheidung zur Verhaftung der Regierung Dönitz; in: Militärgeschichtliche Mitteilungen; Heft 2 / 1986, S. 85 - 99, S. 88 im folgenden zitiert als: Steinert: Verhaftung der Regierung Dönitz...; siehe auch HILLMANN: Die Reichsregierung..., S. 36 - 37; zur Biographie von Karl Dönitz siehe KRAUS, HERBERT: Großadmiral Karl Dönitz ; in: Ueberschär, Gerd R. [Hrsg.]: Hitlers Militärische Elite, Bd.

2. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende; Darmstadt 1998, S. 45 - 54

43 Zu den Zuständen und der Stimmung, die sich damals im Bunker breit machte, siehe: de Maizière: In der Pflicht..., S. 106 - 107; siehe auch die Erinnerungen der letzten Sekretärin Hitlers, Traudl Junge: JUNGE, TRAUDEL; MÜLLER, MELISSA: Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben; München 2002, S.

174 - 215, im folgenden zitiert als Junge: Bis zur letzten Stunde...; siehe auch die Erinnerungen eines Arztes der SS in der Reichskanzlei und im Führerbunker: SCHENCK, ERNST-GÜNTHER: Ich sah Berlin sterben.

Als Arzt in der Reichskanzlei; Herford 1970; zu den Kämpfen um Berlin allgemein: LE TISSIER, TONY: Der Kampf um Berlin1945. Von den Seelower Höhen zur Reichskanzlei; Frankfurt, Berlin 1991; nicht zitierfä- hig, nur der Vollständigkeit halber: JOACHIMSTALER, ANTON: Hitlers Ende. Legenden und Dokumente;

München, Berlin 1995;

42 Das Zitat wurde der Überschrift aus Heinrich Schwendemanns Aufsatz entnommen: Schwendemann

“Deutsche Menschen”..., S. 9

41 Kunz: Ein Kampf..., S. 65; siehe auch: Lakowski, Richard: Seelow 1945. Die Entscheidungsschlacht an der Oder; Berlin 1994; zu Verlusten siehe: Overmans: Militärische Verluste...; S. 265

40 Kunz: Ein Kampf..., S. 68, siehe auch: Meyer: Adolf Heusinger..., S. 233; zur psychologischen Bedeutung Aachens siehe auch: Jung: Ardennenoffensive..., S. 37

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Die Rumpfregierung, die sich in Flensburg um Dönitz versammelt hatte, stellt in der neueren deutschen Geschichte ein Unikum dar.46 Es ist sicherlich nicht falsch, von einer “Regierung auf Abruf” zu sprechen, die nur durch Duldung der Alliierten überhaupt so lange, bis zum 23.

Mai 1945, existieren konnte.47 Sie regierte über ein Gebiet, das täglich kleiner wurde, das zudem noch in eine Nord- und Südhälfte geteilt war, die keinerlei Verbindung mehr mitein- ander hatten, da zwischen den beiden Hälften schon alliierte Truppen standen.48 Die Tragik dieser Regierung, von den Unzulänglichkeiten ihres Regierungschefs einmal abgesehen, war der Umstand, daß sie niemals das Heft des Handelns übernehmen konnte. Sie reagierte mehr als daß sie agierte, versuchte mit den aktuellen Ereignissen Schritt zu halten, wurde jedoch am Ende jedesmal von ihnen überrollt.

Es gehört zu den festen Glaubenssätzen der Nachkriegszeit, daß Dönitz, kaum war er von Hitler als sein Nachfolger eingesetzt worden, nur noch das eine Ziel verfolgte, soviel Menschen, Zivilisten und Soldaten als möglich vor dem Bolschewismus zu retten. Lange Jahre wirkte dieses Bild vor dem Hintergrund der Übergriffe der Roten Armee auf die deutsche Zivilbevölkerung außerordentlich glaubwürdig. Diese Übergriffe waren und sind im kollektiven Gedächtnis Deutschlands immer noch tief verankert. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, daß jene Version der beteiligten Offiziere, allen voran Karl Dönitz, zum Allge- meingut im öffentlichen Gedächtnis werden konnte. Nach diesem Rechtfertigungsmuster, den Kampf im Osten hinhaltend fortzusetzen, um möglichst vielen Zivilisten und auch Soldaten den Rückzug zu ermöglichen, ist es allerdings ziemlich verwunderlich, daß der Kampf im Westen ebenfalls verbissen fortgeführt wurde.49

Dönitz gab nach Kriegsende vor, nur das Wohl der Soldaten und der Zivilbevölkerung im Sinn gehabt zu haben, als er, Anfang Mai 1945, zum Nachfolger Hitlers ernannt worden war.

Diese Selbstdarstellung läßt sich aber anhand der vorhandenen Quellen und Untersuchungen nicht halten. In den Akten der Seekriegsleitung, insbesondere im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung, finden sich bis Ende April keinerlei Hinweise darauf, daß Dönitz sich sowohl für das Schicksal der Soldaten als auch für die flüchtende Zivilbevölkerung im Osten besonders interessierte.50 Bis zu diesem Zeitpunkt stand Dönitz, selbst überzeugter National- sozialist, voll hinter der Linie des Führers. Er zeichnete sich vor allem durch die Herausgabe besonders scharfer Durchhaltebefehle aus:

“[...] In dieser Lage gibt es nur eins: Weiterzukämpfen und allen Schicksalsschlägen zum Trotz doch noch eine Wende herbeizuführen ... Fanatischer Wille muß unsere Herzen entflammen ...

Unsere militärische Pflicht, die wir unbeirrbar erfüllen, was auch links und rechts und um uns herum geschehen mag, läßt uns wie ein Fels des Widerstandes kühn, hart und treu stehen. Ein

50 Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 11

49 Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 10

48 siehe auch de Maizière: In der Pflicht..., S. 101: “[...] Der von deutschen Truppen gehaltene Raum war also ein langer, relativ schmaler Streifen vom Nordkap bis zum Mittelmeer. Die größte Gefährdung lag in seiner “Taille” etwa in der Linie Köln - Berlin - Küstrin. [...]”; Zur Aufteilung der Kommandogewalt in die Bereiche Nord (Dönitz) und Süd (Kesselring) siehe auch S. 107; siehe auch Hillmann: Die Reichsregie- rung..., S. 38 - 39

47 vgl.: Eisenberg, Caroline Woods: Drawing the line. The American decision to divide Germany 1944 - 1949; Cambridge 1996, S. 74; im folgenden zitiert als: Eisenberg: Drawing the line...

46 Eine Aufstellung der Ämter im “alten Kabinett” Hitlers, im Kabinett nach Fernschreiben Bormans, dem Kabinett gemäß Hitlers Testament und der tatsächlichen Zusammensetzung findet sich in Hillmann: Die Reichsregierung..., S. 47 - 48

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Hundsfott wer nicht so handelt. Man muß ihn aufhängen und ihm ein Schild umbinden: “Hier hängt ein Verräter”.[...]”51

Dönitz war es auch, der Hitler in seinen Plänen bestärkte, die isolierte, in Lettland kämpfende Heeresgruppe Nord nicht über See zu evakuieren, wie dies vom OKW verlangt wurde, sondern weiterkämpfen zu lassen.

Nachdem gegen Ende Januar 1945 der Heeresgruppe Mitte das gleiche Schicksal widerfuhr, versprach Dönitz, die Versorgung aller eingekesselten Verbände über den Seeweg zu gewährleisten. Schiffstransporte zur Evakuierung von Soldaten hätten seine Pläne, die östli- che Ostsee als Übungsgebiet für neue U-Boot-Typen zu erhalten, durchkreuzt. Dönitz wollte mit diesen neuen U-Booten52 doch noch eine Wende im Seekrieg gegen die amerikanischen und britischen Geleitzüge erreichen. Er stellte mit seinem Versprechen, die Versorgung der eingeschlossenen Truppenteile über See zu gewährleisten, die Weichen für die außerordent- lich wirkungsvolle Umsetzung der Strategie Hitlers, “bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone zu kämpfen”.53 Gleichzeitig unterschrieb Dönitz damit das Todesurteil für viele der eingekesselten Soldaten, die, vor sich die Rote Armee, hinter sich nur die eisigen Fluten der Ostsee, gar nicht anders konnten als ihren Kampf fortzusetzen. Analog zu den Versprechun- gen Görings, die Luftwaffe werde die in Stalingrad eingeschlossenen Soldaten mit allem Nötigen versorgen, blieb auch das gleiche Versprechen Dönitz’ ein weitestgehend leeres Versprechen.

Nicht wesentlich anders verhielt es sich mit der Verfolgung der Interessen der ostdeutschen Zivilbevölkerung, sie wurden den ideologischen Erfordernissen des Endkampfes vollkommen untergeordnet. Gegen Ende Januar 1945 befanden sich schon ca. 3 - 4 Millionen Deutsche54 auf der Flucht vor der herannahenden Roten Armee, trotzdem hatten Transporte militärischer Art Vorrang. Flüchtlingstransporte konnten, nach Auffassung von Hitler und Dönitz, nur dann über See erfolgen, “[wenn] der militärische Aufmarsch nicht beeinträchtigt wird.”55 Wenn Dönitz sich nach Kriegsende als Initiator der “größten Rettungstat der Geschichte”56 preisen ließ, so setzt dies schon ein gewaltiges Maß Chuzpe voraus. An der Organisation der Massenflucht, wenn denn überhaupt von einer “Organisation” im Sinne eines geordneten Ablaufes gesprochen werden kann, hatte Dönitz jedenfalls kaum Anteil. Die Organisation bleib dem Improvisationstalent der Dienststellen vor Ort überlassen. Aufgrund der zuvor geschilderten Prioritätensetzung stauten sich die Menschenmassen in den Ostseehäfen, sie konnten jedoch, mangels Schiffsraum, nicht abtransportiert werden. Dönitz lehnte es noch am 25. 4. 1945 ab - die sowjetische Offensive in Richtung Mecklenburg war bereits angelaufen - Schiffsraum für die Überführung von Flüchtlingen nach Dänemark zur Verfügung zu stellen.

In diesem wie auch in anderen Fällen berief er sich auf den herrschenden

“Brennstoffmangel”.57

57 vgl.: Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 11 - 13

56 Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 13

55 zitiert nach Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 12

54 Zahlen entnommen aus Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 12, zur Problematik absoluter Zahlen- angaben bei Flüchtlingstrecks siehe auch S. 13, Fußnote 30

53 zitiert nach Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 12

52 Es handelt sich hier wahrscheinlich um den Typ XXI, dessen erste und einzige Feindfahrt am 30. 4. 1945 stattfand.

51 zitiert nach: Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 9; Bormann zeigte sich von Parolen dieser Art so beeindruckt, daß er diese als vorbildlich für die gesamte NS-Führung übernahm.

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Präsentierte sich Dönitz bis Ende April als bedingungsloser Gefolgsmann Hitlers, so scheint mit dessen Tod eine große Last von ihm genommen worden zu sein. Kaum als Hitlers Nachfolger im Amt, wich Dönitz von der bisher verfolgten Linie, niemals zu kapitulieren und den Kampf bis zum letzten weiterzuführen, ab und schwenkte auf eine andere, neue Strategie ein: “Deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu retten”, sollte die neue Maxime des Handelns werden.58 Der “Urheber” des Krieges war zwar tot, doch es änderte sich wenig, die militärische Lage war genauso verfahren wie in den Tagen und Wochen vor Hitlers Suizid. Der Krieg gegen beide Seiten wurde vorerst weitergeführt, auch wenn die Maxime “Kampf bis zum Sieg oder Untergang”59 nun endgültig nicht mehr befolgt wurde. Man versuchte Zeit zu gewinnen, hinhaltend zu kämpfen, um die Westmächte verhandlungsbereit zu stimmen. Es scheint, als habe man sich in Flensburg einer kollektiven Selbsthypnose hingegeben, den Krieg noch so lange weiterführen zu können, bis die Verhandlungsposition wieder günstiger war.

2.2 Mit Amerika und England vereint im Kampf gegen den Kommunismus?

Churchill deutete in der sogenannten Woodford-Speech (23.11.1954) an, daß sich Bündnisse über die Zeit und durch Gegebenheiten ändern könnten.60 Das, was vor zehn Jahren der Grund für ein Mißverständnis gewesen war, habe sich geändert. Er bezieht sich hier wahrscheinlich auf die sogenannte Stimson-Doktrin von 1932. Die USA sollten nach dieser Doktrin für die Einhaltung internationaler Verträge sorgen.61 Churchill selbst sei es gewesen, der schon 1950 vor dem Unterhaus (House of Commons) gewarnt habe, daß Europa ohne ein wiederbewaffnetes Deutschland nicht verteidigt werden könne.62 Er fährt fort, daß er, noch bevor der Krieg zu Ende war, Feldmarschall Lord Montgomery telegraphiert habe:

“[...] directing him to be careful in collecting the German arms to stack them so that they could easily be issued again to the German soldiers whom we should have to work with if the Soviet advance continued [...]”63.

Churchill führte im Verlauf der Diskussion, die diesem verblüffenden Statement folgte, weiter aus, daß es sein Ziel gewesen sei, eine nach Westen gerichtete sowjetische Aggression zu verhindern. Er sei der Auffassung, daß Rußland vor die Möglichkeit gestellt, deutsche Kriegsgefangene in britischer Hand wiederzubewaffnen, seine Expansionspläne überdenken würde. Er habe 1945 die Wehrmacht nicht, wie andere, nach ihrer politischen Einstellung

63 zitiert nach Smith: Churchills German Army..., S. 11 - 12

62 siehe Smith: Churchills German Army..., S. 11, siehe auch Kapitel 7

61 vgl. Boog: Anti-Hitler-Koalition..., S. 5

60 Diese Rede ist nach dem Ort, an dem sie gehalten wurde, der Mädchenschule Woodford, benannt.

Churchills Frau sollte dort ein Geschenk überreicht werden. Zu diesem Anlaß sprach auch Winston Churchill. Zur Einordnung dessen, was Churchill dort sagte, siehe: Smith, Arthur Lee: Churchills German Army, Wartime Strategy and Cold War Politics 1943 - 1947; Beverly Hills, London 1977, S. 12; im folgen- den zitiert als: Smith: Churchills German Army...; siehe auch: Bode, Thilo: Besorgt um seinen Ruhm und Rang. Ein Hintergrund der sonderbaren Bemerkung Churchills; in: Süddeutsche Zeitung Nr. 271, 24. 11.

1978, S. 11; zu Smith und seinem Buch siehe: Potyka, Christian: Eine Spekulation auf dürftiger Grundlage.

Plante Churchill, mit Hilfe deutscher Soldaten den weiteren Vormarsch der Russen zu behindern?; in:

Süddeutsche Zeitung Nr. 254, 4. 11. 1978, S. 11

59 zitiert nach: Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 17

58 Diese Maxime wurde in der Rundfunkansprache Dönitz und seinem Tagesbefehl zum 1. Mai ausgegeben.

Siehe auch Schwendemann: “Deutsche Menschen”..., S. 16

(19)

betrachtet: “[...] I think that the majority were ordinary people compelled into military service and fighting desperately in defense of their native Land [...]”64

2.2.1 Das britisch-amerikanische Verhältnis zur Sowjetunion

Daß Churchill ein ständiges Mißtrauen gegenüber dem Kommunismus und der Sowjetunion im allgemeinen und Stalin im besonderen hegte, ist mittlerweile bekannt. Wie sah jedoch das britisch-sowjetische Verhältnis vor dem Zweiten Weltkrieg aus? Das beiderseitige Verhältnis war, um dies vorweg zu sagen, alles andere als gut. Das britische Empire hatte sich in der Folge der Oktoberrevolution an einer direkten Intervention zur Wiederherstellung des Status quo ante beteiligt. Nach dem Scheitern dieses restaurativen Versuches schwankte die briti- sche Politik zwischen der Aufnahme diplomatischer Beziehungen und Abbruch derselben:

1924 wurde die Sowjetunion durch ein Labour-Kabinett anerkannt, 1927 folgte der Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch eine konservative Regierung, dann 1929 wiederum die Anerkennung der Sowjetunion durch ein weiteres Labour-Kabinett. Als Folge dieser Politik mißtrauten sich beide Seiten schon aus Überzeugung.65

Auch während der dreißiger Jahre hatte die britische Außenpolitik nach Kräften versucht, die Sowjetunion aus allen europäischen Angelegenheiten herauszuhalten. Seinen Niederschlag fand dieses Bestreben in Chamberlains Appeasementpolitik. Mit dem Scheitern dieser Politik und den britischen Garantieerklärungen an Polen vollzog sich ein Wandel in der britischen Außenpolitik, in dessen Folge die Sowjetunion vom Paria zum Verhandlungspartner aufstieg, während Deutschland vom gesuchten Verhandlungspartner zum geächteten und gehaßten Paria wurde. Aus Sicht Moskaus erweiterte sich nun der außenpolitische Handlungsspielraum beträchtlich, war doch damit die Gefahr einer Verständigung des Westens, auf Kosten Moskaus, auf absehbare Zeit gebannt. In Moskau sah man sich nun in der komfortablen Lage, zwischen zwei potentiellen Verbündeten wählen zu können.

Die britische Taktik, durch Garantieerklärungen an Polen einen Krieg zu verhindern, erwies sich mit der Zeit als wenig produktiv. Das Gegenteil war der Fall: Mit dem britischen Garan- tieversprechen an Polen, das am 25. August 1939 nochmals bestätigt wurde, ebnete das Vereinigte Königreich den Weg für den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Der am 17.

September 1939 erfolgte Einmarsch der Sowjetunion in Ostpolen verkomplizierte das britisch-sowjetische Verhältnis erheblich. Bei konsequenter Einhaltung der britischen Garan- tieerklärung an Polen hätte sich England nun auch im Krieg mit der Sowjetunion befinden müssen.

Das Problem wurde dadurch gelöst, daß die sowjetische I n v a s i o n lediglich als sowjeti- sche R e a k t i o n auf den deutschen Angriff interpretiert wurde. So machte der britische Außenminister, Lord Halifax, deutlich klar, daß aus britischer Sicht einzig und allein der deutsche Angriff auf Polen der casus belli sei. Er äußerte ferner Genugtuung darüber, daß Russland an d e r Linie haltgemacht habe, die der damalige Außenminister Curzon schon auf der Versailler Friedenskonferenz als geeignete Grenze zwischen Polen und der

65 Foschepoth: Westverschiebung Polens..., S. 61

64 zitiert nach Smith: Churchills German Army..., S. 16

(20)

Sowjetunion empfunden hatte.66 Durch diese Reihe von diplomatischen Klimmzügen gelang es, auf der einen Seite den englischen Bündnisverpflichtungen für Polen wenigstens auf dem Papier nachzukommen, auf der anderen Seite aber die gerade erst intensivierten Beziehungen zur Sowjetunion nicht schon wieder zu belasten.

Andererseits wird daraus die Rolle Polens in der britischen Außenpolitik sichtbar. Polen war nichts anderes als eine Variable in der jeweiligen britischen Deutschland- bzw.

Rußlandpolitik.67 Dadurch, daß die britisch-sowjetischen Bündnisverhandlungen im August 1939 gescheitert waren, verschlechterte sich das gegenseitige Verhältnis wieder. Wie schon erwähnt, schaffte man es durch etliche Winkelzüge, den sowjetischen Einmarsch in Ostpolen betreffend, das wechselseitige Verhältnis nicht noch mehr zu belasten. Allerdings hielt diese Politik nicht lange vor.

Mit dem Ausbruch des finnisch-sowjetischen Winterkrieges am 30. November 1939 sah man sich auf britischer Seite vor den Trümmern der eigenen Politik stehen.68 Es bestand die Befürchtung, daß sich die Sowjetunion nicht nur mit der Eroberung Finnlands zufrieden gäbe, sondern auch noch die nordschwedischen Eisenerzgebiete69 und den norwegischen Hafen von Narvik besetzen könnte. Die weiteren sowjetischen Expansionen in Ost-, Nordost- und Südosteuropa konnten von England hingegen so lange hingenommen werden, wie sie nicht die britischen Interessen im Krieg gegen Deutschland behinderten. Während sich in den folgenden Monaten die Kriegslage für England, bedingt durch die Serie von “Blitzkriegen”

und ebensolchen “Blitzsiegen”, immer weiter verschlechterte, nutzte die Sowjetunion die Zeit zu weiteren Annexionen. Stalin gliederte die Baltischen Staaten, Bessarabien und die Nordbukowina in die Sowjetunion ein.70 Erneute Versuche von britischer Seite, mit der Sowjetunion in Verhandlungen zu kommen, wurden von sowjetischer Seite mit der Forde- rung gekontert, das bisher eroberte Territorium als Bestandteil der Sowjetunion anzuerken- nen.

Nachdem die Sowjetunion zwei Jahre lang, seit September 1939, von den deutschen Feldzü- gen profitiert hatte, wurde sie durch den deutschen Angriff am 22. Juni 1941 vom Ruch der Komplizenschaft mit Hitler reingewaschen. Als Folge von “Barbarossa” war man auf beiden Seiten, auf der britischen wie auch auf der sowjetischen, spontan bereit, alle das Klima vorher belastenden Anwürfe und Aktionen gegenüber den neuen Gemeinsamkeiten in den Hintergrund treten zu lassen. Churchill versprach noch an jenem 22. Juni der Sowjetunion

70 siehe hierzu, insbesondere zu den “Methoden” dieser Eingliederung: Rohde: Auswirkungen auf Nordosteu- ropa..., S. 150 - 151

69 Die Abbaurechte für diese Erzgruben, die Erzgruben von Petsamo, lagen seit 1934 bei einem britisch-kana- dischen Konsortium. Nach dem Sieg im Winterkrieg -in dessen Verlauf die Sowjetunion auch die Erzgru- ben von Petsamo erobert hatte- mußten die Erzgruben mit Rücksicht auf die Internationalen Beziehungen wieder zurückgegeben werden. Für Deutschland waren diese Erzgruben ebenfalls von eminent wichtiger Bedeutung, immerhin wurden 60% des deutschen Eisenerzbedarfes mit Importen aus diesen Gruben gedeckt. Hierzu siehe auch Petrick, Fritz: Die Eisenerze Skandinaviens, der Erzhafen Narvik und die deutsche Kriegswirtschaft; in: Eichholtz, Dietrich [Hrsg.]: Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939 - 1945; Berlin 1999, S. 279 - 298

68 Zum Winterkrieg siehe: Rohde, Horst: Hitlers erster “Blitzkrieg” und seine Auswirkungen auf Nordosteu- ropa; in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent; Stuttgart 1979, S. 148 - 156; im folgenden zitiert als: Rhode: Auswirkungen auf Nordosteuropa...

67 vgl.: Foschepoth: Westverschiebung Polens..., S. 62

66 siehe: Foschepoth: Westverschiebung Polens..., S. 62

(21)

Hilfe: “[...] Any man or state who fights on against on Nazidom will have our aid ... . It follows, therefore, that we shall give whatever help we can to Russia and the Russian people.

[...]”71

Das neugeschmiedete Bündnis war alles andere als eine Liebesheirat. In Moskau herrschte der Glaubenssatz vor, daß die Westmächte die UdSSR nur aus einem Grund unterstützten: sie wollten der Sowjetunion die Hauptlast der Kämpfe aufbürden. Zweck dieser ganzen Opera- tion sei es, die UdSSR zu schwächen und dadurch das eigene Gewicht besser in die Waagschale werfen zu können.72 Aus dieser Grundüberzeugung heraus ist auch das wieder- holte sowjetische Drängen auf die baldige Eröffnung einer zweiten Front zu verstehen.73 Sowohl in den USA als auch in England sträubte man sich gegen diese Forderung. Die Gründe hierfür waren verschiedener Natur: Zum einen konnte Großbritannien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als bescheidene Hilfslieferungen leisten, zum anderen bewertete man die Kampfkraft der Roten Armee, wie die Wehrmacht im übrigen auch, nach Auswertung der finnischen Erfahrungen mit der Kampfkraft der Roten Armee als ziemlich gering. Daraus resultierte für die Planer auf amerikanischer und britischer Seite eine zu erwartende Kriegs- dauer von nur wenigen Wochen.

Erst nach dem Besuch des Roosevelt Intimus Harry L. Hopkins, der sich selbst ein Bild vom Zustand der Roten Armee machen konnte, kam man zu einer positiveren Einschätzung der Lage. Die daraufhin erfolgte Aufnahme der UdSSR in die Liste der Länder, die im “Interesse der eigenen nationalen Verteidigung”, so der Wortlaut des “Lend-Lease-Act”, liegen, brachte der Sowjetunion die Zusicherung der Leistung jeglicher militärischer Unterstützung ein. Damit wurde auch die Sowjetunion, am 2. August 1941, in den Kreis der Länder aufge- nommen, die vom “Lend-Lease-Act” profitierten. Allerdings lag der Wert der Unterstützung nicht so sehr in der Lieferung militärischen Gerätes, sondern vielmehr in der Lieferung enormer Lebensmittelrationen.74

Auf amerikanischer Seite begann man schon im November 1940, sich über die Auswirkun- gen eines Krieges zwischen den USA und Japan und einer amerikanischen Hilfeleistung für England Gedanken zu machen. Grundlage dieser Überlegungen war das unter dem Tarnna- men “Plan Dog” bekannte Memorandum des amerikanischen Admirals Stark. Stark ging von einem bald bevorstehenden Kriegseintritt der Vereinigten Staaten und daraufhin einsetzender Kooperation zwischen den amerikanischen und britischen Streitkräften aus. Er sah ferner einen Zusammenhang zwischen der militärischen Potenz der USA und einer eventuellen Niederlage Englands. Die USA müßten sich, so Stark, mit dem Gedanken vertraut machen, im ungünstigsten Fall an Englands Seite gegen Hitler zu kämpfen.75 Stark schlug unter anderem vor, daß man Stabsbesprechungen zwischen den USA und England einrichten solle.

Diese im geheimen tagenden Ausschüsse begannen am 27. Januar und endeten am 27. März 1941. Ihre Besprechungen stehen am Übergang zwischen normalen bilateralen Beziehungen und der späteren Kriegsallianz. Man einigte sich auch auf die Formel, daß bei einem

75 vgl. Schreiber: Politik und Kriegführung..., S. 517

74 Zu Details siehe: Hoffmann: Sicht der Sowjetunion..., S. 801

73 Zu Stalins Forderung nach Eröffnung einer Zweiten Front siehe auch Mark, Eduard: Revolution by Degrees. Stalin’s National-Front Strategy for Europe, 1941 - 1947; CWIHP Working Paper No. 31, Washington, D.C. 2001

72 vgl. Hoffmann: Sicht der Sowjetunion..., S. 800

71 zitiert nach: Boog: Anti-Hitler-Koalition..., S. 18

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