• Keine Ergebnisse gefunden

4 Zwischen Kriegsende und “Ausbruch” des Kalten Krieges - Ziele der Alliierten

Als am 8. Mai 1945 die Waffen in Europa schwiegen und der Zweite Weltkrieg für Deutsch-land beendet war, schien das Deutsche Reich “als Staat, als Nation, als Volk [...] am Ende zu sein” [...].142 Der “Totale Krieg”, zu dem Goebbels im Februar 1943 aufgerufen hatte, endete an jenem Maitag des Jahres 1945 mit der totalen Niederlage des Deutschen Reiches, sowohl in politischer wie auch militärischer Hinsicht. Für Millionen Deutsche wird die Kriegsgefan-genschaft zu einer der prägendsten Erfahrungen ihres Lebens werden. Insgesamt gerieten 3,2 Millionen deutsche Soldaten in sowjetische, 3,8 Millionen in amerikanische, 3,7 Millionen in britische und 245 000 in französische Kriegsgefangenschaft.143 Mit der Niederlage und der bedingungslosen Kapitulation ist das deutsche Abenteuer, der “Griff nach der Weltmacht”144, beendet.

Eine Darstellung der Gründungsgeschichte der Bundeswehr ist ohne die vorher dargelegte Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges nicht verständlich. Während des Zweiten Weltkrie-ges wurden die Grundlagen für das Phänomen gelegt, das später als “Kalter Krieg” in die Geschichte eingehen sollte.145 Die Bundeswehr, die Geschichte ihrer Gründung, aber auch die schnelle Gründung der Bundesrepublik Deutschland wären ohne den Kalten Krieg nicht denkbar. Daher erscheint eine kurze Darstellung der Umstände, die zum Entstehen des Kalten Krieges führten, sowie die Erweiterung dieser Darstellung um die formativen Jahre des Kalten Krieges sinnvoll.

“[...] In der Anti-Hitler-Koalition fanden sich Staaten zusammen, die von ihren Gesellschaftssy-stemen und ihren langfristigen Interessen her gegensätzliche Positionen vertraten; die Allianz gegen Deutschland gingen sie in erster Linie als ein Zweckbündnis auf Zeit ein. Erst die Bedro-hung ihrer nationalen Existenz bzw. ihrer existentiellen Interessen durch die verbündeten Mächte Deutschland, Italien und Japan brachte dieses heterogene Bündnis zustande; zusammengehalten wurde es vor allem durch die Abhängigkeit von gegenseitiger Unterstützung während der Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen. [...]”146

146 zitiert nach: Choi, Hyung-Sik: Zur Frage der Rolle des Korea-Krieges bei der westdeutschen Wiederaufrü-stungsdebatte und des Einflusses auf die prinzipielle Entscheidung für die Wiederaufrüstung im Kontext der Aktualisierung des Ost-West-Konfliktes; Diss. Düsseldorf 1994, S. 27; im folgenden zitiert als: Choi:

Rolle des Korea-Krieges..., in ähnlicher Form äußert sich Norbert Wiggershaus: Wiggershaus, Norbert:

Von Potsdam zum Pleven-Plan. Deutschland in der internationalen Konfrontation 1945 - 1950; in: Foerster, Roland G.; Greiner, Christian et al. [Hrsg.]: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 - 1956, Bd. 1.

145 Die Etymologie des Begriffs “Kalter Krieg” ist an sich schon sehr interessant. In den allgemeinen Sprach-gebrauch ging dieser Begriff erst seit 1947 ein; der damalige inoffizielle Kriegsminister der USA, Bernard Baruch, gebrauchte diesen Begriff in einem Vortrag vor dem “Industrial College of the Armed Forces, Washington”: “[...] Russia is waging a cold war against us”. Der Begriff hatte zwar viele Väter, doch Baruch machte ihn öffentlich. vgl.: Martin, Bernd: Verhandlungen über separate Friedensschlüsse 1942 bis 1945. Ein Beitrag zur Entstehung des Kalten Krieges; in: Militärgeschichtliche Mitteilungen; Heft 2 / 1976, S. 95 - 113, hier S. 95, Endnote 1; im folgenden zitiert als: Martin: Friedensschlüsse...

144 Weber: Geschichte Deutschlands..., S. 10

143 Zahlen entnommen aus: Weber: Geschichte Deutschlands..., S. 10; vgl.: Wolff, Helmuth: Die deutschen Kriegsgefangenen in britischer Hand. Ein Überblick; in: Maschke, Erich: Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, Band XI / 1; München 1974, im folgenden zitiert als: Wolff:

Die deutschen Kriegsgefangenen...,

142 Weber, Jürgen: Kleine Geschichte Deutschlands seit 1945; München 2002, S. 9; im folgenden zitiert als:

Weber: Geschichte Deutschlands...;

Vor allem die beiden Hauptprotagonisten, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, waren Antagonisten, wie sie grundverschiede-ner kaum sein konnten.

Auf der einen Seite des Globus befand sich ein Staat, der sich von Beginn an als Hort der Demokratie und der Menschenrechte definierte; auf der anderen Seite des Globus ein Staat, dessen oberstes Ziel es seit seiner Gründung war, die Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus zu beweisen.

“[...] There are now two great nations in the world, which starting from different points, seem to be advancing toward the same goal: the Russian and the Anglo-Americans ... Each seems called by some secret design of Providence one say to hold in its hands the destinies of half of the world [...]”147

Die Nebenrollen in diesem Stück spielten Großbritannien und Frankreich, beides Staaten, die auf die Vormachtstellung in Europa eine Art natürlichen Anspruch zu haben schienen. Alle diese Staaten taten sich nun zusammen, um Hitler, die Achsenmächte und den Faschismus und Nationalsozialismus zu bekämpfen. Dieses Bündnis jener Staaten sollte nicht nur die Geschichte des Zweiten Weltkrieges, sondern auch die Geschichte nach dem Krieg entschei-dend beeinflussen.

Das wichtigste Ziel der Alliierten war, wie schon erwähnt, Hitler, die Achsenmächte und den Faschismus und Nationalsozialismus zu bekämpfen. Das strategische Kriegsziel der Alliier-ten: die “unconditional surrender”, die auf die “totale” Kapitulation Deutschlands setzte, resultierte daraus. Auf dieses Ziel konzentrierten sich alle Anstrengungen der Alliierten:

“[...] Es war nur natürlich, daß mit dem Sieg über Deutschland, Italien und Japan die latenten Divergenzen wieder scharf hervortraten. Ausgehend von dieser grundlegenden Konkurrenz- und Konfliktsituation erklärt sich die kurze Periode der formalen Fortdauer des Kriegsbündnisses, des schnellen Zerfallsprozesses der Koalition. [...]”148

4.1 Das Kriegsende in Deutschland und der Kalte Krieg

Die Tatsache, daß binnen 25 Jahren zweimal Krieg von deutschem Boden ausgegangen war, die Tatsache, daß in deutschem Namen die bisher schwersten Verbrechen gegen die Mensch-lichkeit begangen worden waren, die Tatsache, daß die Deutschen, die zwar den Krieg genau-sowenig wie alle anderen Völker gewollt, aber Hitler und seinen Getreuen zugejubelt hatten,

148 Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 10

147 Dieser Ausspruch des französischen Staatstheoretikers Alexis de Tocqueville stammt bereits aus dem Jahre 1835, zeugt aber aus heutiger Perspektive von einer enormen Hellsichtigkeit, obwohl Tocqueville wohl niemals an so etwas wie den “Kalten Krieg” gedacht haben mag. Bedauerlicherweise konnte keine französi-sche Originalversion dieses Zitates gefunden werden. Zitiert nach: Gaddis, John Lewis: We know now.

Rethinking Cold War History; Oxford, New York 1998, S. 1; im folgenden zitiert als: Gaddis: We know now...; siehe auch: Boog, Horst: Die Anti-Hitler-Koalition; in: Boog, Horst; Rahn, Werner et al. [Hrsg.]:

Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6, Der Globale Krieg, Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative 1941-1943; Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1990, S. 3 - 86, hier S. 3; im folgenden zitiert als: Boog: Anti-Hitler-Koalition...

Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan; München 1982, S. 1 - 118, hier S. 10, im folgenden zitiert als Wiggershaus: Von Potsdam...

all dies führte in den Augen der Siegermächte zu dem Entschluß, zu verhindern, daß von Deutschland je wieder ein Krieg begonnen werden könne.

Während Deutschland noch in Trümmern lag, drehte sich das Rad der Geschichte immer schneller weiter. Das alte Bündnis der Alliierten zeigte schon kurz nach dem Sieg über Deutschland erste Ermüdungserscheinungen, der gemeinsame Wille zum Sieg über Hitler und den Faschismus stellte den Kitt dar, der dieses in vielerlei Hinsicht seltsame und unglei-che Bündnis zusammenhielt.

Nachdem das Ziel nun erreicht war, kristallisierte sich im Verlauf des Jahres 1945 immer mehr heraus, daß dieses Bündnis in eine gewaltige Schieflage geraten war. Man war sich innerhalb des Bündnisses der Sieger solange einigermaßen einig, wie es den gemeinsamen Feind, den Nationalsozialismus, gab. Als dieser Feind besiegt war, zeigten sich die ersten Risse im Bündnis. Man stimmte zwar in den großen abstrakten Zielen, “der Vernichtung des deutschen Militarismus und Nazismus als Voraussetzung für eine “würdige Existenz und auf einen Platz in der Gemeinschaft der Nationen””149 überein, aber nicht darin, wie man diese erreichen wollte.

Am deutlichsten traten diese Differenzen bei der Potsdamer Konferenz (17.Juli – 2. August 1945) zu Tage. Man schaffte es zwar, sich auf Kompromisse zu einigen, die in ihrer pauscha-len Formulierung nichts weiter waren als der kleinste gemeinsame Nenner aller Parteien.

Konnte mit diesen Formelkompromissen wenigstens nach außen hin noch der Schein einer Einigkeit erzielt werden, so war dies bei der Frage der Reparationen schon nicht mehr möglich.150 Auf der Konferenz in Jalta einigte man sich auf die Summe von 20 Milliarden US-Dollar. Diese Summe war zwar nur als Diskussionsgegenstand gedacht, sozusagen damit eine Zahl in den Dokumenten stand. Diese Zahl jedoch wurde von sowjetischer Seite immer als Zusicherung der entsprechenden Summe betrachtet.

Offen sichtbar wurden die Risse in diesem Bündnis bei der Frage, wie mit den Ländern Osteuropas zu verfahren sei. Stalin unterdrückte die nichtkommunistische Opposition nach Kräften. Präzedenzfall war hier Polen. Stalins Absichten zur Sowjetisierung Polens waren so offenkundig, daß sie selbst bei wohlwollendster Betrachtung nicht zu ignorieren waren. In der SBZ wurde für den außenstehenden Betrachter immer offensichtlicher, daß Stalin in

“seiner” Zone außer der KPD / SED keine weiteren Parteien zulassen würde und auch sonst die Zone nach sowjetischem Vorbild formen wollte mit dem Ziel, zu gegebener Zeit einen eigenständigen kommunistischen Seperatstaat zu gründen.

150 Zur Problematik der Reparationen siehe: Gaddis, John Lewis: The United States and the Origins of the Cold War, 1941 - 1947; New York 2000, S. 126 - 129; im folgenden zitiert als: Gaddis: The United States...

149 Weber: Geschichte Deutschlands..., S. 12

4.2 Die Besatzungszeit und der “Beginn” des Kalten Krieges in Deutschland Im Jahre 1847 beschloß Leopold von Ranke sein Werk über die preußische Geschichte mit dem Satz:

“[...] Nur in Preußen war eine große, zugleich Deutsche [sic!] und europäisches Selbständigkeit gegründet, welche das volle Gefühl der Unabhängigkeit seit Jahrhunderten zum erstenmal wieder in die Gemüter brachte, durchdrungen von dem Stolze, auch in Bezug auf die Weiterbildung der Welt anderen voranzugehen. [...]”151

Ein Jahrhundert später, im Jahre 1947, erklärten die Alliierten im Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates:

“[...] Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört. Geleitet von dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker und erfüllt von dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern, erläßt der Kontrollrat das folgende Gesetz: [...]”152

Preußen hatte tatsächlich aufgehört zu bestehen, allerdings nicht durch jenes Gesetz vom 27.

Februar 1947, sondern bereits am 27. März 1933, jenem Datum, das als “Tag von Potsdam”

in die Geschichte eingehen sollte. An diesem Tag wurde der neugewählte Reichstag in der Garnisonskirche von Potsdam eröffnet. Hitler, in Frack und Zylinder, schritt neben Hinden-burg in die feierlich geschmückte Kirche. Dieser Akt und dieser Tag sollte Deutschland und aller Welt zeigen, daß nun auch das alte Preußen, verkörpert durch Generalfeldmarschall Hindenburg, seinen Frieden mit der neuen Kraft des Nationalsozialismus gemacht hatte, der

“Geist von Weimar” überwunden war.

Die Sichtweise des alliierten Kontrollrates, daß Preußen “seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen” sei, greift indes viel zu kurz. Wirft man einen Blick in die Geschichte Preußens, so scheint der Kontrollrat, beim Anblick eines “Soldaten-königs”, jenem König, dessen Lieblingsspielzeug seine Soldaten waren, durchaus recht zu haben. Aber dennoch ist die Ansicht, vom Soldatenkönig über Friedrich den Großen und Bismarck führe eine Linie geradewegs zu Hitler, einfach falsch. Hitler war Österreicher, hielt sich zwar für einen Deutschen, war vielleicht auch einer, war aber eines ganz gewiß nicht -ein Preuße!

Zu den “preußischen Tugenden”, sofern man überhaupt explizit von solchen sprechen kann, gehörte das, was später als “Recht auf Befehlsverweigerung” einer der Grundsätze des Konzepts der Inneren Führung werden sollte. In einer Armee, die persönlich auf Hitler, den Führer, vereidigt war und auf deren Koppelschlössern graviert war “Für Führer, Volk und Vaterland”, war Widerspruch von vorneherein nicht erwünscht. Kleists Prinz von Homburg hätte seinen Alleingang in der Wehrmacht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Leben bezahlen müssen.

Das, was die Nationalsozialisten an jenem Märztag 1933 in Potsdam veranstalteten, war eine Pervertierung des Preußischen Staates. Preußen war zur Zeit Friedrichs des Großen der Inbegriff eines modernen Staates mit einem aufgeklärtem Herrscher an der Spitze, so

152 Gesetz Nr. 46 “Auflösung des Staates Preußen”

151 Ranke, Leopold von: Preußische Geschichte; Leipzig, Hamburg 1934, S. 869

modern, daß der Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, vom Zeitalter der Aufklärung als dem “Jahrhundert Friedrichs” sprach.

Insofern ist das Urteil des Kontrollrates gleichzeitig falsch und dennoch in der Sache richtig:

Falsch deshalb, weil es Preußen mit dem Begriff Militarismus gleichsetzt und jene These, nach der sich vom Alten Fritz über Bismarck bis Hitler eine direkte Linie ziehe, gesell-schaftsfähig machte. In der Sache aber richtig, weil das deutsche Soldatentum, so wie es bis zum Kriegsende als Tradition verstanden wurde, nach den unsäglichen Exzessen des Zweiten Weltkrieges für alle Ewigkeit diskreditiert war.

Als die Alliierten die Deutsche Kapitulation entgegennahmen, hatten sie zwar den Krieg gegen Hitler gewonnen, standen nun aber vor dem Problem, was mit Deutschland anzufangen sei. Ziele, geschweige denn Pläne, existierten - wenn überhaupt - nur in sehr vager Form. Das Grundziel war: “[...] to prevent Germany from ever again becoming a threat to the peace of the world.”153 Während des Krieges hatten die Planer aller Seiten mit einer Aufteilung Deutschlands in verschiedene Staaten geliebäugelt, doch so genau wusste niemand, wie dies anzustellen war. Der einzig brauchbare Vorschlag, wie mit Deutschland zu verfahren sei, um jenes Ziel zu erreichen, stammte aus der Feder des amerikanischen Finanzministers und Roosevelt-Vetrauten, Morgenthau. Dieser sah vor, Deutschland in verschiedene Agrarstaaten zu zerstückeln, um zu verhindern, daß dieses Land jemals wieder in der Lage sein werde, einen Krieg zu beginnen. Im Frühjahr 1945 jedoch begannen zuerst London und Moskau von ihren Teilungsplänen abzurücken, dann verwarf man in Washington zuerst den Gesamtplan Mogenthaus und sah später auch von dessen Teilungsplänen ab.154 Einzig und allein die Wiederherstellung Österreichs als eigenständiger Staat und die geplante Entschädigung Polens mit deutschen Gebieten erinnerten noch an die ursprünglichen Teilungspläne. Nur Frankreich beharrte noch immer auf einer Teilung Deutschlands oder, als Minimalforderung, wenigstens auf einer Abtrennung deutscher Gebiete im Westen. Die bei den maßgebenden Alliierten als einzig sinnvoll anerkannte Methode zur Befriedung Deutschlands war die ständige und andauernde alliierte Kontrolle über Deutschland.

Wie diffizil die Lage in den einzelnen Lagern der Alliierten war, zeigt das Beispiel der ameri-kanischen Regierung. Während des Krieges herrschte dort, innerhalb der ameriameri-kanischen Regierung, keineswegs Einigkeit darüber, wie dem Ziel, Deutschland als Bedrohung für den Weltfrieden auszuschalten, näherzukommen sei. Beinahe jede Regierungsorganisation, die in irgendeiner Weise mit Deutschland beschäftigt war, hatte, um es überspitzt zu formulieren, eigene Pläne mit diesem Land. Die Hauptkonfliktparteien waren das State Department, das

154 Wieso dieser Gesinnungswandel in Washington eintrat, ist nicht genau zu klären. Wahrscheinlich ist jedoch durch die zunehmende Erkenntnis, daß Deutschland als “Bollwerk” gegen den Bolschewismus später einmal nützlich sein werde, einer der Gründe für diesen Umschwung. Vgl. Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 36 - 37

153 Direktive JCS 1067 vom April 1945; in: US Department of State [Hrsg.]: Germany 1947 - 1950, The Story in Documents; Washington D.C. 1950, S. 22 - 33, hier S. 23, im folgenden zitiert als: JCS 1067...; in deutscher Übersetzung findet sich dieses Zitat bei Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 36. Der genaue Wortlaut des betreffenden Abschnittes: “[...] c. The principal Allied objective is to prevent Germany from ever again becoming a threat to the peace of the world. Essential steps in the accomplishment of this objec-tive are the elimination of Nazism and militarism in all their forms, the immediate apprehension of war criminals for punishment, the industrial disarmament and demilitarization of Germany with continuing control over Germany’s capacity to make war, and the preparation for an eventual recontruction of German political life on a democratic basis. [...]”

Treasury Department mit Morgenthau an der Spitze, das Kriegsministerium sowie Roosevelt selbst. Erst im März 1945 kamen das Außen-, das Finanzministerium und das War Depart-ment zu einem Kompromiß. Dieser Kompromiß fand in der Direktive 1067 der amerikani-schen Joint Chiefs of Staff seine Ausformulierung:

“[...] In dieser Direktive überwogen zwar die Strafelemente wie die Forderung nach Bestrafung von Kriegsverbrechern und die restriktiven Zielsetzungen wie die Ausschaltung des Nazismus und Militarismus, die industriellen Beschränkungen und Entmilitarisierung einschließlich entspre-chender langfristiger Kontrollen, aber gleichzeitig war sie auf einen späteren Wiederaufbau des politischen Lebens auf der Grundlage der Demokratie und eines maßvollen, aber stabilen wirtschaftlichen Lebens gerichtet. [...]”155

Mit dieser Direktive war nun zum ersten Mal eine Art Programm für eine Besatzungsregie-rung gegeben, das zudem noch den Vorteil hatte, konstruktiv auf eine Lösung der deutschen Frage hinzuarbeiten. Dieses Programm diente gleichzeitig als Entwurf für eine spätere, alle Alliierten umfassende Lösung der deutschen Frage. Getreu den in JCS 1067 festgelegten Zielen standen eine Kooperation mit der Sowjetunion und die Sicherheitskontrolle über Deutschland ganz oben auf der amerikanischen Agenda. Doch das Konzept für Deutschland, so wie es in JCS 1067 dargelegt wurde, mußte zu ernsthaften Komplikationen in der Zusam-menarbeit mit der Sowjetunion führen. Implizierte JCS 1067 doch “die schrittweise Reinte-gration eines zu demokratisierenden und zu entmilitarisierenden Deutschlands in ein weltwirtschaftliches System liberaler Prägung”.156 Hier prallten zum ersten Mal nach dem Krieg die amerikanische Doktrin von der Freiheit des Handels und der Märkte auf die sowje-tische Doktrin der Planwirtschaft. Gleichwohl war jene Direktive ein Novum in der amerika-nischen Politik, bildete sie doch die Grundlage für eine konstruktive Deutschlandpolitik. Hier hatten die Beteiligten wohl aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und der Zwischen-kriegszeit gelernt: Der Wiederaufbau Europas war ohne Einbeziehung des deutschen Wirtschaftspotentials kaum möglich, hatte doch dieser Krieg, wie auch der Erste Weltkrieg, zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden in allen beteiligten Staaten geführt:

“[...] On the sensitive issue of reparations a firm resolve not to repeat past mistakes shaped the State Department’s position. “We were most anxious” Stettinius157 later recalled, “ to avoid the disastrous experiance of reparations after World War I. [...]”158

Ferner konnte eine zu lange andauernde Isolierung Deutschlands in das Gegenteil umschla-gen und die amerikanischen Handels- und Wirtschaftsinteressen nachhaltig schädiumschla-gen. Ein länger dauerndes Engagement in Deutschland und Europa konnte also, sozusagen im Gegen-schluß, den USA nur Vorteile bringen.159

159 Gaddis: The United States..., S. 124 gelangt hier allerdings zu einem anderen Schluß: “[...] By forbidding military government officials from rehabilitating the economy beyond the point necessary to safeguard American troops, JCS 1067 would preclude attainment of a “tolerable” standard of living for the German poeple, one of the major prerequistes, in the State Department’s view, for the emergence of democratic institutions inside Germany. [...]”

158 zitiert nach Gaddis: The United States..., S. 127

157 Harold Stettinius löste Cordell Hull im November 1944 als Secretary of State ab. Vgl. Gaddis: The United States..., S. 124, 126

156 zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S, 37

155 Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 37; Zur Geschichte der Direktive JCS 1067 siehe ausführlich Gaddis, John Lewis: The United States and the Origins of the Cold War, 1941 1947; New York 2000, S. 121 -125, im folgenden zitiert als Gaddis: The United States..., siehe auch Gaddis, John Lewis: We know now.

Rethinking Cold War History; Oxford, New York 1998, S. 117, im folgenden zitiert als Gaddis: We know now...

Auf britischer Seite stand ebenfalls das Ziel, Deutschland so zu formen und zu kontrollieren, daß ein erneuter, von Deutschland begonnener Krieg unmöglich wurde, an erster Stelle. Um

Auf britischer Seite stand ebenfalls das Ziel, Deutschland so zu formen und zu kontrollieren, daß ein erneuter, von Deutschland begonnener Krieg unmöglich wurde, an erster Stelle. Um