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Heiri, C., Hallenbarter, D., Tinner, R., & Brang, P. (2011). Windwurf und Wiederbewaldung im Urwald von Derborence. In P. Brang, C. Heiri, & H. Bugmann (Eds.), Waldreservate. 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in der Schweiz (pp. 162-173). Haupt.

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Academic year: 2022

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Heiri, C.; Hallenbarter, D.; Tinner, R.; Brang, P. 2011. Windwurf und Wiederbewaldung im Urwald von Derborence. In: Brang, P.; Heiri, C.; Bugmann, H. (Red.). Waldreservate. 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in der Schweiz. Birmensdorf, Eidg.

Forschungsanstalt WSL; Zürich, ETH Zürich. Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 162-173.

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6.7

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Windwurf und Wiederbewaldung im Urwald von Derborence

Derborence – bekannt geworden durch den gleichnamigen Roman von Charles Ferdinand Ra- muz von 1934 [1] – ist ein Talkessel zu Füssen des Diablerets-Massivs, ähnlich einem Amphitheater.

Der Talboden mit dem kleinen Bergsee liegt auf etwa 1450 m ü.M. Trümmerfelder zeugen von den legendären Bergstürzen der Jahre 1714 und 1749.

Diese Bergstürze sind auch der Grund, weshalb der Fichten-Tannenwald am Steilhang oberhalb des Sees von Nutzungen weitgehend verschont blieb. Heute gilt das insgesamt 52 ha grosse Reser- vat als das urtümlichste Urwaldrelikt der Schweiz.

Es ist auch eines der wenigen Waldreservate, in dem der Sturm Vivian im Februar 1990 wütete.

Nur 22,3 ha des Reservates sind Wald; die restli- chen Flächen verteilen sich auf mehrere Lawinen- züge, die den Wald durchziehen, sowie auf unbe- stockte Felspartien [2].

Unmittelbar nach dem Orkan Vivian 1990 lagen die Bäume kreuz und quer.

Caroline Heiri, Dionys Hallenbarter, Raphaela Tinner und Peter Brang

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Dramatisch, unbezwingbar, Respekt einflössend:

So wird der Talkessel von Derborence in der Lite- ratur beschrieben. Die Felsblöcke, die schroffen Felswände und der See schaffen eine spannungs- volle Szenerie (Abb. 6.7.1). Ein Pionierwald aus Lärche, Bergföhre, Birke und bereits etwas Fichte ist zwischen den Felsblöcken am See gewachsen.

Weiter oben am Hang stehen mächtige Fichten und Tannen unter einer hohen Felswand. Sie blie- ben von den Felsmassen verschont, die von der anderen Talseite herabstürzten. Lawinen halten aber mehrere Runsen baumfrei und unterbrechen den geschlossenen Urwald.

Der Talkessel von Derborence wird einerseits durch das trockene und heisse Klima des Rhone- tales, andererseits durch das feuchte und fast oze- anische Klima des Unterwallis (zwischen Martigny und Genfersee) beeinflusst. Feuchte Luftmassen kommen über den Pas-de-Cheville und die Diable-

sauer basisch

dürrtrockenfeuchtnass

obersubalpin

subalpin

hochmontan

obermontan

untermontan

submontan

kollin Aletsch-

wald 57, 59

Derborence 50

National- park

69 Nationalpark

58, 59

Leihubelwald 46, 49 Leihubel-

wald 19 Sihlwald

7, 8

Tariche 12, 14 Josenwald

40

Follatères 38

St. Jean 21 Bois de

Chênes, Josenwald 15

Scatlè, Seeliwald, Bödmerenwald

57

Seeliwald 71

Pfynwald 65

Scatlè, Bödmerenwald

60

Bois de Chênes, Josenwald,

Sihlwald 9 Sihlwald, Bois de Chênes

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Position des Reservats Derborence im Wasserhaushalt-Basengehalt- Ökogramm.

rets (=Teufelsberge) und sind für das frisch-kühle Lokalklima verantwortlich. Die Sommer sind zeit- weise warm und durch das Klima des Rhonetales geprägt. Die mittlere Jahrestemperatur liegt zwi- schen 5 und 6 °C und die jährliche Niederschlags- summe beträgt 1200 bis 1800 mm [3].

Nördlich des Talkessels von Derborence erstrecken sich die Hänge der Diablerets, östlich das Der- bonnetal und westlich das Chevilletal. Der See im tiefsten Punkt des Kessels wird aufgestaut durch die Geröllmassen der Bergstürze aus den Jahren 1714 und 1749.

Geologisch liegt Derborence in den «Hautes Alpes calcaires». Der Untergrund besteht fast ausschliesslich aus kalkhaltigem Muttergestein (Kreidekalke), dazu kommen Flysch, Gips und Rauwacke [3]. Der Boden im Reservat wird als feinkrümelige Braunerde mit stellenweise dicker Streuauflage beschrieben [4].

Steckbrief Naturwaldreservat Derborence

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Steckbrief Naturwaldreservat Derborence

0 0.5 1 2 Kilometer

Abb. 6.7.1. Blick über den See mit dem Urwaldreservat Derborence auf der rechten Talflanke.

Kanton Wallis Gemeinde Conthey

Landeskarte 1:25 000 1285 Les Diablerets Koordinaten 582.900 / 124.950 Reservatsfläche 52 ha

Waldfläche 22,3 ha Meereshöhe 1430 bis 1650 m

0 0,5 1 Kilometer

6.7

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166 Waldreservate

Waldgesellschaft

Das Reservat kann vegetationskundlich in zwei Teile aufgeteilt werden [5]. Am tiefsten Punkt des Reservates östlich des Sees stockt auf dem Berg- sturzmaterial ein wenig wüchsiger Pionierwald aus Lärchen, aufrechten Bergföhren, Fichten, Bir- ken und Aspen (Schneeheide-Bergföhrenwald, Erico-Pinetum montanae, EK 67). Im eigentlichen Urwald, am Steilhang oberhalb des Sees, domi- niert der Alpendost-Fichten-Tannenwald (Aden- ostylo-Abietetum, EK 50). In der Strauchschicht wachsen der Vogelbeerbaum, der Rote Holunder und das Alpengeissblatt. Die üppige Krautschicht enthält oft Hochstauden wie den Grauen Alpen- dost (Adenostyles alliariae), den Hasenlattich (Prenanthes purpurea), den Alpenmilchlattich (Ci- cerbita alpina) und den Dreiblatt-Baldrian (Valeri- ana tripteris).

Die Bestandesstruktur und die Baumartenzu- sammensetzung sind typisch für einen hochmon- tanen Wald am Übergang von den Voralpen zu den Zentralalpen. Mit einem Grundflächen-Anteil von 34 % ist die Tanne sehr häufig. Die Lärche hin- gegen als typische Vertreterin der Zentralalpen ist im Reservat eher schwach vertreten. Sie ist nur im Talgrund auf dem ehemaligen Bergsturzkegel, im obersten Teil unter der Felswand und entlang der Lawinenrunsen häufig. Im Gegensatz zum konti- nental geprägten Wallis zieht das Wetter in Der- borence von Westen her über den Pas-de-Cheville oder vom südlichen Berner Oberland über die Di- ablerets ins Tal. Somit ist das Lokalklima in Derbo- rence stark ozeanisch geprägt, was der Tanne viel besser entspricht als der Lärche, welche kontinen- tales Klima bevorzugt [6].

Bewegte Vergangenheit

In den Jahren 1714 und 1749 lösten sich Teile der Felswand unterhalb des Diableretsgletschers. Die beiden Felsstürze verschütteten insgesamt 95 Alp- hütten, und 14 Personen verloren ihr Leben. Der zweite Bergsturz schnitt dem Bach Lizerne den Weg ab und schuf so den Lac de Derborence. Na- turliebhaber, Botaniker und Geologen waren von diesem wilden und abgelegenen Talkessel seit je- her fasziniert. Sie erreichten das Tal nur zu Fuss, meistens über den Pas-de-Cheville von Westen her. Erst 1967 wurde eine Strasse bis nach Derbo-

rence eröffnet. Heute erschliesst eine Postautoli- nie das Tal touristisch.

Um 1955 wurden auch Forstwissenschaftler der ETH Zürich auf den urtümlichen Wald mit vielen mächtigen Tannen und Fichten aufmerksam (Abb.

6.7.2). Die Gemeinde Conthey stellte 19 ha Wald für eine Dauer von 50 Jahren für Forschungs- zwecke unentgeltlich zur Verfügung. Ziel war es, Aufbau und Entwicklung eines Fichten-Tannen- Urwaldes langfristig zu beobachten. Schliesslich konnte der Schweizerische Bund für Naturschutz (heute Pro Natura) im Jahre 1959 ein Gebiet in der Grösse von 52 ha erwerben, welches auch das Na- turwaldreservat einschliesst.

Abb. 6.7.2. Baumriesen in der Derborence: Das Messen des Brusthöhendurchmessers dieser dicken Tanne von 148,5 cm benötigt drei Messhelfer (v.l.n.r. Raphaela Tinner, Sonja Zimmermann und Raffaele Pellegrino hinter dem Stamm).

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Derborence 167

Nutzungsgeschichte

Über die Waldnutzung im heutigen Waldreservat ist nur sehr wenig bekannt. Die stattliche Anzahl an Gebäuden lässt aber vermuten, dass das Gebiet bis ins 18. Jahrhundert während der Sommermo- nate intensiv alpwirtschaftlich genutzt wurde.

Wie in den meisten Wäldern der Alpen wurde vermutlich auch im heutigen Urwald von Derbo- rence Brennholz gesammelt, und das Vieh weide- te zeitweise dort. Vereinzelt wurden auch Tannen zur Schindelherstellung genutzt. Eine Postkarte von 1905 (Abb. 6.7.3) zeigt zahlreiche Schafe und Kühe und auch ein Weidegatter im heutigen Na- turwaldreservat.

Waldstruktur

Der eigentliche Urwald am Steilhang oberhalb des Sees wurde durch den Bergsturz nicht be- einflusst, so dass hier Tannen und Fichten lange ungestört wachsen und ausserordentlich alt und gross werden konnten (Abb. 6.7.2). Bei der Tanne wurden Baumhöhen bis 42 m, bei der Fichte bis 44 m gemessen, was für diese Höhenlage viel ist. Im Jahr 1955 zählte man im Reservat noch 89 Bäume von mehr als 100 cm BHD (dickste Tanne 150 cm, dickste Fichte 142 cm). Heute sind noch 84 solcher Baumriesen im Reservat zu finden. Ge- nerell hat die Tanne den grössten Anteil an dicken Bäumen, die Fichte dominiert dagegen klar bei den dünnen (Tab. 6.7.1).

Abb. 6.7.3. Eine Postkarte von 1905 belegt, dass die untersten Lagen des heutigen Reservats intensiv als Viehweide genutzt wurden.

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168 Waldreservate

Insgesamt ist die Waldstruktur in Derborence sehr heterogen. Runsen mit Steinschlag und Lawinen unterteilen den Wald in vier kleinere Waldstücke (Abb. 6.7.4). Das Umfallen einzelner grosser Bäu- me, Sturmschäden und Absterben infolge Bor- kenkäferfrass sind massgeblich für die kleinräu- migen Strukturunterschiede verantwortlich. Das Naturwaldreservat Derborence macht daher nicht den Eindruck eines geschlossenen Waldgebiets, sondern eher den eines Mosaiks aus mehreren kleinen «Wäldchen». Stammzahl und Grundflä- che variieren daher auch zwischen den 19 Kern- flächen stark. In einzelnen Teilflächen zählte man 1990 fast 2000 Bäume pro ha (KF 5), während in anderen Teilflächen nur knapp 300 Bäume pro ha vorzufinden waren (KF 15). Die Grundflächen lagen im Jahr 1990 in Kernfläche 13 bei bloss 12 m2 pro ha, in Kernfläche 6 hingegen bei fast 100 m2 pro ha.

Zur Veranschaulichung der kleinräumigen Strukturdynamik werden in den folgenden Abbil- dungen Daten aus zwei nebeneinander liegenden Kernflächen gezeigt, wovon die eine stark vom Sturm Vivian am 26./27. Februar 1990 getroffen Tab. 6.7.1. Baumartenanteile an der Stammzahl im

Reservat Derborence im Jahr 1981 (vor den Sturmschä- den), aufgeschlüsselt nach «dünnen» und «dicken»

Bäumen. Daten der Vollkluppierung auf 21,3 ha.

Baumart

Dünne Bäume BHD 4,0–35,9 cm

Dicke Bäume BHD ≥ 36,0 cm

Fichte 51,4 % 41,8 %

Tanne 21,9 % 47,4 %

Lärche 10,2 % 10,3 %

Andere Nadelbäume

Bergföhre 3,7 % 0,1 %

Waldföhre <0,1 % 0,1 %

Andere Laubbäume

Vogelbeere 6,2 % <0,1 %

Weide 3,9 % –

Hängebirke 1,7 % 0,1 %

Bergahorn 0,3 % –

Buche 0,2 % –

Mehlbeere 0,2 % –

Schwarzpappel 0,2 % 0,1 %

Grünerle <0,1 % –

Total 100,0 % 100,0 %

Abb. 6.7.4. Lawinenzüge durchziehen den Urwald von Derborence, in deren Einflussbereich insbesondere Lärchen und Grünerlen dominieren.

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Derborence 169

Der Rückgang der Grundfläche (und weniger deut- lich der Stammzahlen) in der Aufnahme von 1990 ist hauptsächlich auf den Sturm Vivian zurückzu- führen, welcher insbesondere auf der Kernfläche 2 Spuren hinterlassen hat. Noch eindrücklicher ist der Einbruch der Grundfläche in der letzten Aufnahme 2009, welcher hauptsächlich durch, nach dem Sturm massenhaft auftretende Borken- käfer verursacht wurde. Gleichzeitig haben die Stammzahlen zwischen 1990 und 2009 deutlich zugenommen, da insbesondere Laubbäume von dem nun reichlich vorhandenen Licht profitieren konnten (Abb. 6.7.6, Tab. 6.7.2). Die Durchmesser- verteilung (Abb. 6.7.7) zeigt deutlich, dass zahlrei- che Vogelbeeren und Bergahorne eingewachsen sind. Tannen und Fichten sind hingegen auf der wurde (KF 2; 0,23  ha), die andere hingegen nur

vereinzelte Sturmschäden aufweist (KF 4; 0,25 ha).

Die Stammzahl hat auf beiden Flächen zwi- schen 1955 und 1990 kontinuierlich abgenommen (Abb. 6.7.5). Dabei ist die Stammzahl der Fichte etwas stärker zurückgegangen als die der Tanne.

Hinsichtlich der Grundfläche unterscheiden sich die zwei Kernflächen deutlich: Mit fast 80 m2 pro ha bei der Aufnahme 1955 hat Kernfläche 2 eine wesentlich grössere Grundfläche als Kernfläche 4 mit knapp 50 m2 pro ha (Abb. 6.7.5). Auch in der zeitlichen Entwicklung unterscheidet sich die holzreiche Kernfläche 2, in welcher die Grundflä- che bis 1967 zu- und seither stark abnahm, von der Kernfläche 4 mit einer deutlich geringeren Abnahme der Grundfläche.

Abb. 6.7.5. Entwicklung von Stammzahl und Grundfläche im Reservat Derborence von 1955 bis 2009 nach Baum- arten. Daten der Kernflächen 2 (0,23 ha) und 4 (0,25 ha). Die Kluppschwelle lag 1955 bei 8 cm, ab 1967 bei 4 cm.

1955 1967 1981 1990 2009 1955 1967 1981 1990 2009

1955 1967 1981 1990 2009 1955 1967 1981 1990 2009 Kernfläche 2

Stammzahl [N/ha]

1000 800 600 400 200 0

100 80 60 40 20 0

Kernfläche 4

Grundfläche [m2/ha] Stammzahl [N/ha]

1000 800 600 400 200 0

100 80 60 40 20 0 Grundfläche [m2/ha]

andere Baumarten Bergahorn Vogelbeere Lärche Fichte Weisstanne

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170 Waldreservate

Kernfläche 2 erst spärlich vorhanden. Auch auf der Kernfläche 4 konnten Laubbäume wie Vogel- beere, Bergahorn, Weide und Grünerle vom er- höhten Lichtangebot profitieren und zeigen eine üppige Verjüngung. Da diese Fläche nicht stark vom Sturm betroffen war, ist dafür wohl haupt- sächlich das vermehrte Seitenlicht aus der hang- abwärts angrenzenden Sturmfläche (KF 2) verant- wortlich. Im Gegensatz zur Kernfläche 2 haben auf der Kernfläche 4 Tannen und Fichten schon einen grossen Anteil an den unteren Durchmes- serklassen. Da diese Fläche deutlich strukturierter und lichter bestockt war, konnte sich hier bereits in den Jahrzehnten vor dem Sturm Vorverjün- gung etablieren, welche unmittelbar vom erhöh- ten Lichtangebot profitieren konnte.

Störung und Wiederbewaldung

Der Urwald ist für viele Menschen der Inbegriff der ungestörten Natur. In dieser Vorstellung ha- ben Windwürfe und andere Störungsereignisse keinen Platz; sie galten daher oft nicht als natur- nah oder wurden in ökologischen Betrachtungen ausgeblendet. Heute weiss man: Solche Störun-

Abb. 6.7.6. Pionierwald aus Vogelbeeren auf einer vom Orkan Vivian und Borkenkäfern entblössten Fläche.

Tab. 6.7.2. Stammzahlentwicklung [N/ha] von 1955 bis 2008. Daten der Kernflächen 2 (0,23 ha) und 4 (0,25 ha). Die Kluppschwelle lag 1955 bei 8 cm, ab 1967 bei 4 cm.

Kernfläche 2

Baumart 1955 1967 1981 1990 2009 Weisstanne 323 375 328 263 116 Fichte 177 190 138 108 56 Vogelbeere 7 35 22 17 608

Bergahorn 4 4 4 4 142

Weide – 4 – – –

Total 511 608 492 392 922 Kernfläche 4

Baumart 1955 1967 1981 1990 2009 Weisstanne 278 333 274 218 171 Fichte 214 202 167 75 238

Lärche 12 16 16 12 4

Vogelbeere 20 60 56 48 266

Grünerle – – – – 131

Bergahorn – – – – 44

Weide – – – – 20

Total 524 611 511 353 874

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Derborence 171

Stammzahl [N/ha]

400 300 200 100 0

Kernfläche 2 1955 ≥80

78 74 70 66 62 58 54 50 46 42 38 34 30 26 22 18 14 10 6

Stammzahl [N/ha]

0 100 200 300 400

2009 BHD [cm]

Stammzahl [N/ha]

400 300 200 100 0

Kernfläche 4 1955 ≥80

78 74 70 66 62 58 54 50 46 42 38 34 30 26 22 18 14 10 6

Stammzahl [N/ha]

0 100 200 300 400

2009 BHD [cm]

664

607 Weisstanne Fichte Lärche Bergahorn andere Baumarten Vogelbeere

Abb. 6.7.7. Durchmesserverteilung nach Baumarten im Reservat Derborence 1955 und 2009. Dartstellung in 4 cm BHD-Klassen (Achsenbeschriftung bezeichnet Klassenmitte). Daten der Kernflächen 2 (0,23 ha) und 4 (0,25 ha).

Die Kluppschwelle lag 1955 bei 8 cm, 2009 bei 4 cm. Zur besseren Darstellung wird die Vogelbeere in der ersten Durchmesserstufe nicht vollständig abgebildet (angedeutet durch Doppelschrägstrich). Der Maximalwert ist oberhalb der Säule angegeben.

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172 Waldreservate

gen gehören zur natürlichen Waldentwicklung, sie sind oft die Hauptursache dafür, dass Urwälder häufig heterogen strukturiert sind. Mit Stürmen, aber auch Lawinen, Überschwemmungen, Feuern und Borkenkäfern mussten die Wälder schon zu- rechtkommen, bevor der Mensch die Landschaft zu gestalten begann.

Im Urwald Derborence ist exemplarisch zu be- obachten, wie ein hochmontaner Naturwald auf eine solche Störung, in diesem Fall ein Sturmer- eignis reagiert. Als der Sturm Vivian im Februar 1990 viele alte, mächtige Bäume umwarf, wurde Platz für eine üppige Krautvegetation und eine reiche Baumverjüngung geschaffen (Abb. 6.7.6).

Und diese Entwicklung setzte sich fort: Seither hat die Grundfläche in der vom Sturm zerzausten Kernfläche 2 nochmals drastisch abgenommen, was einerseits auf den Borkenkäferbefall in den Jahren nach dem Sturm zurückgeführt werden kann, andererseits starben zahlreiche Bäume, deren Wurzeln und/oder Stämme beim Sturm be- schädigt wurden, in den darauf folgenden Jahren ab (Abb. 6.7.8). Dies zeigt auch die Entwicklung des stehenden Totholzes mit BHD ≥ 36 cm (Abb.

6.7.9): In der vom Sturm betroffenen Kernfläche 2 nahm das stehende Totholz nach 1990 drastisch zu, wogegen sich in der Kernfläche 4 die Anzahl tot stehender Bäume nur minimal veränderte.

Abb. 6.7.9. Neu abgestorbene, stehende Bäume mit BHD ≥ 36 cm auf den Kernflächen 2 und 4.

50 40 30 20 10

0 1955 1967 1981 1990 2009 1955 1967 1981 1990 2009

Stammzahl [N/ha]

50 40 30 20 10 0

Stammzahl [N/ha]

Kernfläche 2 Kernfläche 4

Weisstanne Fichte Abbildung 6.7.8. Auf den von Orkan Vivian und nach- folgendem Borkenkäferbefall betroffenen Flächen ragen Dürrständer über ein dichtes Unterholz.

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Derborence 173

Literatur

[1] Ramuz F. 1934. Derborence. Limmat Verlag, Zürich.

[2] Leibundgut H. 1993. Europäische Urwälder. Bern/

Stuttgart, Haupt. 260 S.

[3] dRoz J. 1994. La végétation de la région de Derbo- rence (Conthey, Chamoson, Valais). Geobot. Helv.

70.

[4] HaRtL H. 1967. Die Soziologie der Urwälder Scatlè und Derborence. Schweiz. Z. Forstwes. 11: 737–743.

[5] FReHneR m.; buRnand J. 2009. Bericht über die Standortskartierung 2009 der Naturwaldreserva- te Aletsch wald, Derborence, Follatères, Pfynwald, Scatlè und St. Jean. Sargans und Zürich: 14 S.

[6] eLLenbeRg H. 1996. Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und histo- rischer Sicht (5. Aufl.). Stuttgart, Ulmer. 1095 S.

[7] zoLLingeR n. 2010. Wirkung von Störungen auf die Baumverjüngung im Urwald von Derborence. Mas- terarbeit Departement Umweltwissenschaften, ETH Zürich. 56 S.

Viele dieser Bäume sind inzwischen umgefallen.

Eine Stichprobeninventur im Jahr 2009, die weite Teile des Reservats abdeckte, ergab 384 (± 46) m3 liegendes Totholz pro ha, allerdings mit einer ho- hen räumlichen Variabilität (Mittelwert [± Stan- dardfehler]) [7]. Dies ist ein sehr hoher Wert. Bis ins Jahr 2009 wuchs zwischen den zahlreichen lie- genden Stämmen auf den Sturmflächen ein vier bis acht Meter hoher Jungwald heran. Vom Sturm profitierte in erster Linie die Vogelbeere. Viele der nun aufwachsenden Arten waren vorher nur spär- lich vertreten. Die Dichte der mindestens 10 cm hohen Bäumchen betrug 2009 im ganzen Reservat 18000 (± 2070) pro ha; davon waren 59 % Vogel- beeren, 17 % Fichten, 15 % Tannen, 4 % Weiden und 3 % Lärchen (basierend auf [7]). Unter 10 cm hohe Bäumchen waren sogar 27 700 (± 4870) pro ha vorhanden, in ähnlicher Baumartenzusammen- setzung wie bei den grösseren Bäumchen. Welche Baumarten sich schliesslich durchsetzen werden und welche Strukturen nach solchen Sturmereig- nissen im Fichten-Tannenwald entstehen, werden zukünftige Inventuren zeigen.

Datengrundlage

Forscher der ETH nahmen im Jahr 1955 die ersten Bäume auf. Auf vier Kernflächen wurden alle Bäume einzeln gemessen und angesprochen, in acht Abteilungen der ganze Baumbestand erfasst.

Weitere Inventuren folgten 1967, 1981/1982 und 1990/1991. Insgesamt wurde 1990/1991 der Baum- bestand auf 19 Kernflächen (0,13 bis 1,48 ha gross, total 7,71 ha) detailliert erfasst. Derborence gilt als einer der wichtigsten urwaldähnlichen Wälder der Schweiz. Aus diesem Grunde wird hier das intensive Monitoring weiter betrieben. In den Jahren 2008 bis 2010 wurden die Erhebungen in den meisten Abteilungen und Kernflächen wiederholt.

Referenzen

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