• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Der „AIDS-Skandal“ aus Sicht eines Transfusionsmediziners: Eine absolute Sicherheit gibt es nicht" (03.12.1993)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Der „AIDS-Skandal“ aus Sicht eines Transfusionsmediziners: Eine absolute Sicherheit gibt es nicht" (03.12.1993)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

THEMEN DER ZEI AUFSÄTZE

Der „AIDS-Skandal" aus Sicht eines Transfusionsmediziners

Eine absolute Sicherheit gibt es nicht

In Deutschland entwickelte sich das Transfusionswesen erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Von Beginn an bestanden die Bemühungen darin, ausreichend Spender zu rekrutieren, die gespendeten Blutbe- standteile steril zu konservieren, die Übertragung von Infektionen

zu vermeiden und Unverträglichkeitsreaktionen beim Empfänger zu verhindern. Wie andere Bereiche der Medizin machte das Transfusi- onswesen große Fortschritte: Gezielte Hämotherapie beziehungs- weise Hämotherapie nach Maß wurde zum Therapiestandard.

Z

u entscheidenden Entwicklun- gen des Transfusionswesens ge- hört die sterile Auftrennung, Lagerung und Konservierung von Blut und Blutkomponenten. Die Versorgung der Patienten mit Frisch- blut, Vollblut, Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten sowie Frischplasma (FFP) wurde in Deutschland seit langem flächendek- kend aus eigenem Spendenaufkom- men sichergestellt. Die Zahl der Un- verträglichkeitsreaktionen konnte drastisch gesenkt werden; sie liegt heute unter ein Prozent. Gefährliche hämolytische Transfusionsreaktio- nen treten nur noch sehr selten auf (1 : 9 000 Blutkonserven; tödliche 1 : 176 000).

Insbesondere durch industrielle Fraktionierung des Blutplasmas wur- den sehr bald so wichtige Präparate wie Albumin, Immunglobuline und Gerinnungsfaktorenkonzentrate her- gestellt. Im Gegensatz zu den zellulä- ren Blutkomponenten und FFP aus Blutspendeeinrichtungen reichte das nationale Plasmaaufkommen für die- se Präparate jedoch bei weitem nicht aus, um die anspruchsvolle Therapie in den (west)deutschen Kliniken ab- zusichern. Die Pharmaindustrie ist noch immer gezwungen, etwa 70 Pro- zent des Rohplasmas aus dem Aus- land zu importieren.

Durch hohe Sicherheitsstan- dards bei der Spenderuntersuchung und -auswahl, die seit Anfang der 60er Jahre durch Richtlinien von Bundesärztekammer (BÄK) und Bundesgesundheitsamt (BGA) regel- mäßig dem aktuellen Wissensstand angepaßt werden, konnte auch die Infektionsgefährdung der Empfänger von zellulären Blutbestandteilen und

FFP ständig gesenkt werden. Insbe- sondere wurde das hohe Risiko der posttransfusionellen Hepatitis durch folgende Tests jeder Spende redu- ziert: 1964 GPT (ALAT)-Bestim- mung (in den USA erst 1985), 1970 HBs-Antigentest, Oktober 1991 HCV-Antikörpertest.

Während das posttransfusionelle Hepatitis-Risiko in Deutschland 1985 noch mit cirka ein Prozent (be- zogen auf Blutkonserven) angegeben wurde, wird heute nach Einführung des HCV-Antikörpertestes nur noch eine Inzidenz von 1 : 15 000 ange- nommen (Hepatitis B 1 : 50 000, He- patitis C 1 : 20 000). Bei einer Letali- tät zwischen ein bis zehn Prozent konnte damit die Mortalität der post- transfusionellen Hepatitis von 1 : 1 000 bis 1 : 10 000 auf 1 : 150 000 bis 1 : 1,5 Millionen Blutkonserven gesenkt werden. Diese positive Ent- wicklung wurde durch das Auftreten von HIV-Infektionen Anfang bis Mitte der 80er Jahre unterbrochen.

Die ersten AIDS-Erkrankungen als Folge von Bluttransfusionen traten 1982 in den USA auf. Aufgrund der günstigen epidemiologischen Situati- on in Deutschland spielten zu dieser Zeit die Transfusionen zellulärer Blutbestandteile und FFP für die Übertragung von HIV bis 1982 keine nennenswerte Rolle.

Dagegen wurde die HIV-Infekti- on in den Jahren 1983 bis 1985, bevor der Nachweis der Infektion mit ei- nem HIV-Antikörpertest überhaupt möglich wurde, zu einem ernsthaften Risiko der Bluttransfusion, weil eine exponentielle Ausbreitung der HIV- Infektion stattfand. Dem BGA wur- den bis zum 3. Quartal 1993 insge- samt 462 HIV-Infektionen (206

AIDS-Erkrankte) gemeldet, die auf Transfusionen zurückgeführt wer- den. Der Peak der Meldung lag in den Jahren 1987 bis 1990, so daß bei Berücksichtigung einer gewissen Dunkelziffer maximal mit 600 Fällen aus dieser Zeit zu rechnen ist (Dietz, Tübingen). Allerdings schließen die- se Fälle die nicht-virusinaktivierten Gerinnungspräparate mit ein. Die anonymisierten Labormeldungen las- sen keine Klärung zu, ob die Infek- tionen eventuell durch gleichzeitig oder ausschließlich verabreichte nicht-virusinaktivierte Gerinnungs- produkte hervorgerufen wurden.

Auf jeden Fall ergeben sich für die nicht-virusinaktivierten Gerin- nungspräparate, die bis 1985 produ- ziert und aufgrund fehlenden Rück- rufs vereinzelt bis 1986 verwendet wurden, völlig andere Grundvoraus- setzungen. Diese oder das Ausgangs- material stammten überwiegend aus den USA und wurden aus riesigen Plasma-Pools (mehr als 20 000 Ein- zelspenden) hergestellt. Diese Prä- parate waren bis 1985 nicht virus- inaktiviert.

In der Folge erkrankten vor al- lem die Hämophilen, die in der Bun- desrepublik besonders hochdosiert therapiert wurden. So wurde hier mehr als 30 Prozent des Weltaufkom- mens an Faktor VIII verbraucht. Oh- ne Frage waren auch Patienten be- troffen, die diese und andere nicht- virusinaktivierte Gerinnungskonzen- trate im Rahmen von großen Opera- tionen, Massivtransfusionen, Blu- tungskomplikationen und Gerin- nungsstörungen erhielten. So sind heute nach Erhebungen von Hämo- philiebehandlern (Schramm) etwa 1 400 Hämophile HIV-infiziert, wo- Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 48, 3. Dezember 1993 (31) A1-3211

(2)

THEMEN DER ZEIT

von etwa ein Drittel bereits an AIDS erkrankt ist. Die vom BGA publizier- te, aufgrund von anonymisierten La- bormeldungen erfaßte Zahl von 1 843 dürfte deutlich zu hoch liegen.

Für die übrigen Empfänger von nichtvirusinaktivierten Gerinnungs- konzentraten sind noch weniger ge- naue Zahlen zu ermitteln, da diese Fälle mit den Transfusionen nicht-virusinaktivierbarer Präparate zusammen erfaßt wurden und die überwiegende Zahl dieser Patienten neben Gerinnungspräparaten auch Bluttransfusionen erhalten haben dürfte. In diesem Zusammenhang muß es als Glück angesehen werden, daß deutsche Pharmafirmen sehr früh virusinaktivierte Gerinnungs- präparate auf den Markt brachten, die allerdings aufgrund ihres höhe- ren Preises und der begrenzten Men- ge nicht breit eingesetzt wurden.

Diese Präparate wurden vor al- lem im Hinblick auf die posttransfu- sionelle Hepatitis hergestellt, da AIDS zu dieser Zeit noch gar nicht bekannt oder zunächst noch nicht als Viruserkrankung identifiziert war.

Das erste virusinaktivierte Gerin- nungspräparat war 1976 PPSB der Firma Biotest. Anhand von großen klinischen Studien konnte bei herz- chirurgischen Patienten gezeigt wer- den, daß durch die Einführung dieses Präparates die Häufigkeit der post- transfusionellen Hepatitis von 50 bis 60 Prozent auf drei bis fünf Prozent gesenkt werden konnte. Die verblei- bende Inzidenz entsprach dem He- patitisrisiko bei Bluttransfusionen.

Es ist geradezu als tragisch zu bezeichnen, daß von diesem Gerin- nungspräparat, das zwischen 1976 und 1989 viele Patienten vor schwer- wiegenden Blutungskomplikationen bewahrte, im Oktober 1989 eine Charge auf dem Markt kam, die HIV-kontaminiert war. Bis heute bleibt unklar, warum mit dieser Charge keine Hepatitiden auftraten, wenn das verwendete Kaltsterilisati- onsverfahren versagt hat, da diese Viren weit resistenter als HIV gegen- über Virusinaktivierungsverfahren sind. Von den 2 305 Ampullen (je 500 E) dieser Charge konnten 452 Ampullen von Biotest im April 1990 nach Auftreten der HIV-Infektionen noch zurückgerufen werden. 60 Pro-

AUFSÄTZE

zent der verwendeten Ampullen wur- den in den Hämophiliezentren einge- setzt, wodurch insgesamt neun Pa- tienten mit Hepatitis B infiziert wur- den.

Dagegen zeigten zwölf Hämo- phile trotz Applikation von PPSB dieser Charge keine HIV-Serokon- version. Aufgrund der angewandten Dosierung von PPSB kann geschätzt werden, daß die restlichen 730 Am- pullen dieser Charge etwa 80 bis 100 Patienten erhielten. Wenn die Infek- tiosität von etwa 40 Prozent bei den Hämophilen zugrundegelegt wird, wäre mit circa 30 bis 40 weiteren HIV-Infizierten zu rechnen, was im Hinblick auf die unterschiedliche Dosierung eher zu hoch angesetzt ist.

Bis auf die oben bereits erwähn- ten zwei zusätzlichen Fälle wurden

trotz entsprechender Recherchen und Nachuntersuchungen bisher kei- ne weiteren gefunden. Die von Bio- test veranlaßte Nachuntersuchung al- ler noch vorhandenen Rückstellmu- ster früherer Chargen erbrachte bei einer 84er Charge den Nachweis von p24-Antigen, was lediglich als Hinweis auf die Verunreinigung des Ausgangsmaterials mit HIV, nicht aber auf Infektiosität dieser Charge nach Virusinaktivierung schließen läßt. Darüber hinaus zeigte ein Pool von sieben weiteren Chargen, die einzeln getestet unauffällig waren, nach 40facher Ankonzentrierung ebenfalls Positivität des p24-Antigen- testes. Dieses Ergebnis ist jedoch selbst nach Meinung des Gutachters (Pettenkofer Institut) nicht zu wer- ten, da der Test primär für Serum

Rückstellproben sind inzwischen untersucht

Im Skandal um den Vertrieb von nicht ausreichend auf HIV getestetem Blutplasma sind in den vergangenen Tagen neue Details bekanntgeworden. Im Falle der Koblenzer Firma UB Plasma wurden jeweils zwei bis vier Proben von verschiedenen Einzelspendern zusammen getestet, sagte der leitende Ober- staatsanwalt Norbert Weise. Durch dieses Vorgehen sei die Sensitivität des An- tikörpertests vermindert worden. „Wir vermuten, daß bei dieser Methode das diagnostische Fenster um etwa sechs Wochen verlängert wird,"

Eine weitere gravierende Verletzung der Vorschriften war das sogenannte

„visuelle Testen", bei dem eine mögliche Verfärbung der Teströhrchen zu- nächst nur mit dem bloßen Auge abgeschätzt wurde. „Nur wenn eine Verfär- bung sichtbar war, hat man den kompletten Test durchgeführt; wenn nicht, ging man davon aus, daß die Proben HIV-negativ seien", erklärte Weise. Vorge- schrieben ist dagegen eine exakte maschinelle Bestimmung der optischen Dichte.

Bei den drei bekanntgewordenen Infektionen, die mit Spender Nummer 2 505 in Verbindung gebracht wurden, hätten zwei womöglich vermieden wer- den können, wenn entsprechend den Vorschriften getestet worden wäre, mut- maßte Weise. Das Plasma eines weiteren HIV-positiven Spenders ist vermutlich nie auf den Markt gelangt. Eine Niederlassung der Koblenzer Firma im rumäni- schen Bukarest hatte die zugehörige Blutprobe zum Testen nach Deutschland eingeschickt, wobei die Infektion erkannt wurde. Hinweise darauf, daß Plasma dieses Spenders vertrieben wurde, gibt es laut Schmidt bisher nicht.

Mittlerweile wurden alle 25 000 Rückstellproben bei UB Plasma, die eine Überprüfung der ursprünglichen Testergebnisse gestatten, an der Universitäts- klinik Mainz überprüft. Zwei Spender waren HIV positiv, bei neun Proben ist dies unwahrscheinlich, aber aufgrund der unzureichenden „Lagerbedingungen"

nicht völlig auszuschließen. Auch dem Testlabor der Firma Haemoplas im nie- dersächsischen Osterrode wird vorgeworfen, die einschlägigen Vorschriften ver- letzt zu haben. Laut Thomas Steg, Sprecher im Gesundheitsministerium, sind in diesem Fall jedoch keine Rückstellproben vorhanden, die einen Vergleich der Testergebnisse ermöglichen würden.

Die „Aufwandsentschädigungen" in Höhe von etwa DM 50 pro Spende, die sowohl von UB Plasma als auch von Haemoplas gezahlt wurden, bringen nach Meinung von DRK-Sprecher Fritz Duppe ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich und sollten deshalb abgeschafft werden. Duppe zitierte eine Studie, wonach in Deutschland etwa jeder hunderttausendste unbezahlte Spender HIV-infiziert ist. Bei den bezahlten Spendern seien Infektionen dagegen achtmal häufiger an- zutreffen. Michael Simm

A1-3212 (32) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 48, 3. Dezember 1993

(3)

THEMEN DER ZEIT

ausgelegt ist und die Anreicherung unspezifische Reaktionen hervorru- fen kann. Dennoch wurden auch die- se Chargen vom Markt zurückgeru- fen. Bisher wurden keine HIV- oder andere Infektionen nach Anwendung dieser Chargen bekannt.

Es muß allerdings festgestellt werden, daß es als ein ausdrückliches Versäumnis der Gesundheitsbehör- den anzusehen ist, daß nicht frühzei- tig angeordnet wurde, daß nur noch virusinaktivierte Gerinnungspräpara- te auf den Markt kamen und der Rückruf nicht-virusinaktivierter Prä- parate spätestens für 1986 vorge- schrieben wurde. Im Hinblick auf die Laufzeit der Präparate wäre es nicht zu verstehen, wenn noch nach 1986 nicht-virusinaktivierte Gerinnungs- präparate vertrieben und eingesetzt worden sein sollten.

Ab 1. Oktober 1985 mußte auf- grund der Anweisung durch das BGA der HIV-Antikörpertest (ELI- SA) bei allen Spendern durchgeführt werden. In vielen Spendeeinrichtun- gen geschah dies bereits ab März 1985, obwohl damit in den ersten Jahren erhebliche Probleme wegen falsch positiver Befunde auftraten und auch der Westernblot aus heuti- ger Sicht in zahlreichen Fällen über- interpretiert wurde. Andererseits kann aufgrund der seit 1986 vom Deutschen Roten Kreuz (Glück, Ku- banek) und seit 1991 retro- und pro- spektiv von den staatlich-kommuna- len Blutspendediensten in Koopera- tion mit dem AIDS-Zentrum des BGA (Maurer, Kiehl) durchgeführ- ten Erhebungen über HIV-Inzidenz und -Praevalenz bei Stammspendern das HIV-Risiko für Bluttransfusio- nen zellulärer Bestandteile und nicht inaktiviertes FFP seit 1987 weitge- hend unverändert mit 1 : 1 Million (1 : 300 000 bis 1 : 3 Millionen) Blut- konserven beziffert werden.

Es ergeben sich keine Unter- schiede hinsichtlich Spendern, die ei- ne pauschalierte Aufwandsentschä- digung erhielten oder „ehrenamt- lich" spendeten. Genausowenig lie- ßen die epidemiologischen Daten Unterschiede hinsichtlich der Institu- tion zu, in der Blut gespendet wurde.

Allerdings wurden private Plasma- pheresezentren nicht mit einbezo- gen, so daß die Zahlen dafür nicht

AUFSÄTZE

gelten können. Ohne Frage stehen solche kommerziellen Einrichtungen unter einem größeren Kostendruck.

Im Rahmen des marktwirtschaftli- chen Wettbewerbs ist die Verfüh- rung groß, wirtschaftliche Aspekte über medizinische Standards und Er- fordernisse zu stellen. Das Poolen von Seren mehrerer Spender, das der Firma UB Plasma Koblenz vorgewor- fen wird, ist nicht nur arzneimittel- rechtlich nicht erlaubt, sondern aus Gründen der geringeren Sensitivität der Tests gefährlich, da frische HIV- Infektionen auf diese Weise nicht oder zumindest erst später erfaßt werden.

Frischblut hat ein geringes Restrisiko Fazit ist, daß der sogenannte AIDS-Skandal zunächst keiner war, sondern von Politikern und Medien dazu gemacht wurde. Anlaß war die ungenügende Bearbeitung und Do- kumentation der HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte vor 1986. Hier liegen Versäumnisse aller Beteiligten, auch der Transfusions- mediziner und der behandelnden Ärzte vor. Anhand der dokumentier- ten Fälle sowie der Epidemiologie kann jedoch mit hoher Wahrschein- lichkeit geschlossen werden, daß es keine große Dunkelzahl von HIV-In- fektionen durch Blut und Blutpräpa- rate gibt.

Etwa 1 400 Hämophile wurden fast ausschließlich mit nicht-virus- inaktivierten Gerinnungsprodukten vor 1986 infiziert. Etwa 600 Patienten dürften ebenfalls überwiegend vor 1986 und vor allem durch nicht-virus- inaktivierte Gerinnungsprodukte, die häufig in diesen Fällen in Verbin- dung mit Bluttransfusionen verab- reicht wurden, mit HIV infiziert wor- den sein. Nach Einführung des HIV- Antikörpertests 1985 ist das Restrisi- ko für die Transfusion von zellulären Blutprodukten und FFP unverändert klein (im Mittel 1 : 1 Million). Für sachgemäß virusinaktivierte Gerin- nungsprodukte mit den heute aner- kannten Inaktivierungs-Verfahren besteht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit von Virussicher- heit.

Daher sind Empfehlungen zur generellen Austestung der Patienten, die nach 1985 Blut und/oder Blutprä- parate erhielten, unbegründet und tragen lediglich zur Panikmache bei den Patienten bei. Wenn Stamm- spender HIV-positiv werden, muß ein vollständiges Look-back mit Nachuntersuchung aller Patienten erfolgen, die negativ getestete Blut- konserven des Spenders bis sechs Monate vor „Positivwerden", bei län- geren Spendeintervallen bis zur letz- ten Spende erhielten.

Wenn fraglich durch Bluttrans- fusionen infizierte Patienten auftau- chen, sind die in Frage kommenden Spender nachzutesten und bei HIV- Positivität eines Spenders das Look- back-Verfahren auf die vorher ent- nommenen Bluteinheiten auszudeh- nen. Wo durch unsachgemäße Auste- stung Zweifel an der Sicherheit nicht-virusinaktivierter Präparate auftauchen (z.B. UB Plasma), sind zunächst alle Spender nachzuunter- suchen. Nur bei HIV-Positivität der Spender oder wenn diese nicht gete- stet werden können, besteht die Ver- pflichtung zur Patiententestung.

Patienten und Ärzte müssen da- mit leben, daß Bluttransfusionen ein geringes Restrisiko haben, das we- sentlich kleiner als das Operationsri- siko und noch mehrfach niedriger als das Narkoserisiko ist. Man muß sogar akzeptieren, daß selbst für virusinak- tivierte Plasmapräparate keine 100 prozentige Sicherheit garantiert wer- den kann. Allerdings muß in Zukunft der Einsatz dieser Präparate nach strengeren Maßstäben und allgemein gültigen, zum Teil noch festzulegen- den, Therapiestandards erfolgen.

Hier ist Handlungsbedarf für die Ärzteschaft allgemein und die Trans- fusionsmediziner im besonderen an- gesagt.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Volker Kretschmer, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immun- hämatalogie, Abteilung für Transfu- sionsmedizin und Gerinnungsphysio- logie des Universitäts-Klinikums, Conradisstraße, 35033 Marburg

In ungekürzter Form wird dieser Artikel in

„Infusionstherapie und Transfusionsmedizin"

Heft 6 (1993) erscheinen.

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 48, 3. Dezember 1993 (33) A1-3213

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für den persönli- chen Gebrauch bestimmte Arzneimittel können auch dann nach Deutschland ein- geführt werden, wenn sie hier nicht zugelassen sind. Dies gilt vor allem, wenn die

Unerwarteter Befund Herr Daschner bezieht sich in seiner Kritik des Brita- Wasserfilters auf Angaben der Stiftung Warentest und führt aus: „daß das filtrierte Wasser nicht

Er soll für diejenigen Ärzte gelten, die ab Januar 1996 eine Weiterbildung be- ginnen.. Die Prüfung soll durch ein Gremium erfolgen, das von der jeweiligen wissen-

Ein Verbot der Bezahlung fordere er nicht, da er Realist sei (und, wie er am Rande anmerkte, als Student auch für Geld Blut gespen- det habe).. Sein Ziel sei jedoch die

Achten Sie darauf, dass die Kinder das Kinn zur Brust nehmen und den Rücken krümmen („Macht euch ganz rund!“). Außerdem sollten die Beine während der Rolle geschlossen

Wir müssen endlich Verantwortung übernehmen, für uns und für zukünftige Generationen“, so Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern e.V., nach

Rot oder Rosa, das ist hier die Frage   Heute können Frauen nicht nur zwischen tau- senden Farben wählen, sondern auch zwischen Produkten zum Aufkleben oder Abziehen.. Doch nach

Schließ- lich sind psychische Ursachen häufig sehr wichtig: Kinder und Jugendliche, die sich nicht wohl- fühlen, zum Beispiel, weil es Pro- bleme in der Familie oder im so-