THEMEN DER ZEIT
Prof. Dr. med. Fritz Beske, Di- rektor des Instituts für Gesundheits- System-Forschung (gsf) in Kiel, ge- stattete den Podiumsteilnehmern keine langen Statements. Als Mode- rator eröffnete er die Runde mit ge- zielten Fragen und wollte zum Bei- spiel wissen, ob die Sicherheit nur im Fall der Selbstversorgung eines Lan- des zu gewährleisten sei und ob es ei- nen Zielkonflikt zwischen sicherer und optimaler Therapie gebe.
Die Antworten fielen unter- schiedlich aus: So vertrat Rechtsan- walt Knut Hansen die Auffassung, daß es Zielkonflikte nicht geben müsse, aber könne. Als Beispiel nannte er Norwegen, wo die Selbst- versorgung mit Blut und Blutproduk- ten prioritäres Ziel sei, was ange- sichts des beschränkten Plasmaange- bots Folgen für die Versorgung habe.
Der Aufsichtsrats-Vorsitzende der Immuno GmbH warnte davor, Selbstversorgung bereits mit Sicher- heit gleichzusetzen. Sie könne kein Ersatz für adäquate wissenschaftli- che Maßnahmen sein.
Seine kritische Haltung verdeut- lichte Horst Schmidbauer (SPD).
Der Bundestagsabgeordnete meinte:
„Es hat keinen Wert, darauf zu spe- kulieren, daß Sicherheit an der Selbstversorgung vorbei zu realisie- ren ist." Diese Chance habe man in Deutschland vertan. Jetzt müsse man Verantwortung übernehmen und
BERICHTE
sich fragen, ob mit Blut und Blutpro- dukten „weiter so zu aasen ist wie bisher". Ein zweiter Politiker, Dr.
jur. Paul Hoffacker, wie Schmidbau- er Bundestagsabgeordneter und Mit- glied im Gesundheitsausschuß, äu- ßerte sich abwägender. Vermutlich lasse sich eine Selbstversorgung nur mittelfristig in Deutschland realisie- ren. Fraglich sei für ihn noch, wieviel Blut und Blutprodukte tatsächlich notwendig seien. Möglicherweise lie- ße sich ja durchaus sparen.
Auf das Thema Therapiestan- dards ging auch Prof. Dr. med. Wolf- gang Schramm ein. Schramm ist Lei- ter der Hämostaseologischen Abtei- lung des Medizinischen Klinikums Innenstadt der Universität München und Vorsitzender des Ärztlichen Bei- rats der Deutschen Hämophiliege- sellschaft. Der Vorwurf, Hämophilen seien wahllos Blutgerinnungspräpa- rate gegeben worden, könne so nicht stehenbleiben. Eine Überlegung der Ärzte sei gewesen, Hämophile mög- lichst weit in den Alltag zu integrie- ren und Blutungen sowie dadurch be- dingt Operationen weitestgehend zu vermeiden. Inzwischen denke man auch in anderen Ländern in diese Richtung um. Außerdem sei es be- denkenswert, ob eine medikamentö- se Behandlung wie bisher nicht auch ökonomisch sinnvoll ist, wenn man dadurch teure Operationen vermei- det. Um dies besser beurteilen zu
können, habe man bereits mit pro- spektiven Studien begonnen.
Ausführlich wurde in Bonn auch über die Bezahlung von Spendern und über die Sicherheit von Spender- populationen debattiert. Die Frage der Anerkennung spiele bei der Blut- spende eine große Rolle, äußerte Dr.
Hoffacker. Die Frage sei: „Reicht ei- ne immaterielle Anerkennung, oder kommen wir an einer materiellen nicht vorbei?" Da die Zeit dränge, befürworte er eine materielle Aner- kennung. Ein Verbot der Bezahlung fordere er nicht, da er Realist sei (und, wie er am Rande anmerkte, als Student auch für Geld Blut gespen- det habe). Sein Ziel sei jedoch die immaterielle Belohnung.
Horst Schmidbauer sprach sich hingegen für ein gesetzlich veranker- tes Verbot einer Bezahlung aus. Nur diejenigen Spender seien sicher, die nicht auf materielle Anreize ange- wiesen seien. Außerdem ließen sich Menschen durchaus auch anders mo- tivieren, wie Erfahrungen des Deut- schen Roten Kreuzes und die Praxis in anderen Ländern zeigten: „Wieso sollten die Menschen in der Bundes- republik Deutschland anders sein als die in Norwegen?"
Debatte um
Spender-Bezahlung Die Politikeräußerungen, beson- ders die von Schmidbauer, kritisier- ten zahlreiche Teilnehmer. Es gebe keinen Risikounterschied zwischen bezahlten und unbezahlten Spen- dern, warf ein Tagungsteilnehmer ein. Außerdem schließe man Spen- der aus und teste sie. Rechtsanwalt Hansen meinte, daß Dauerspender sichere Spender seien, und sagte:
„Ein Mensch, der zwanzig Mal pro Jahr spendet, kann mehr erwarten als Dankbarkeit und Diskriminie- rung."
Ein anderer Teilnehmer gab zu bedenken, daß man doch nicht Spen- dern die Schuld in die Schuhe schie- ben könne, wenn mit Blutprodukten etwas nicht in Ordnung sei. Die Pro- bleme müsse man exakt diskutieren.
Dazu gehöre auch die Einsicht, daß es in den vergangenen Jahren keine ausreichenden Kontrollen gegeben habe. Sabine Dauth
Arzneimittel aus Blut und Plasma
Diskusssionen
um Selbstversorgung und Sicherheit
Die Sicherheit von Blut und Blutprodukten in Deutschland wird inzwischen eher wieder am Rande diskutiert. Dennoch folgten rund 150 Vertreter von Fir- men, Verbänden, Blutspendezentralen sowie Politiker einer Einladung des In- stituts für Gesundheits-System-Forschung nach Bonn. Die Kieler veranstalteten im März ein Symposium zum Thema „Arzneimittel aus Blut und Plasma:
Selbstversorgung und Sicherheit". Am Vormittag referierten zahlreiche Exper- ten. Der Nachmittag war dann Diskussionsrunden vorbehalten.
A-1032 (28) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 15, 15. April 1994