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Archiv "Rehabilitationskliniken: Auf der Suche nach dem eigenen Profil" (27.06.2008)

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A1426 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 26⏐⏐27. Juni 2008

D

ie Ausstattung der Suite

„Gustav Albrecht“ kann sich sehen lassen: dunkelbraune Massiv- holzmöbel, cremefarbene Lederses- sel, eine Terrasse mit Blick ins Grü- ne – nicht zu vergessen die beiden Flachbildfernsehgeräte im Wohn- und Schlafbereich sowie die Mini- bar. Auf die Waschlappen und Handtücher im Bad ist gut sichtbar der Buchstabe „H“ gestickt. Doch spätestens, als der Blick auf ein Plas- tiktöpfchen für Urinproben fällt, ist klar: Das Zimmer befindet sich nicht in einem Hilton-Hotel, sondern in ei- ner Klinik – um genau zu sein in der Herz-Kreislauf-Klinik in Bad Berle- burg. Das „H“ steht für Helios, denn die Einrichtung gehört zum dortigen Rehazentrum des Konzerns. In der Suite, benannt nach dem Prinzen Gustav Albrecht aus dem ortsansäs- sigen Adelsgeschlecht Sayn-Witt- genstein, werden Rehabilitations- patienten untergebracht, die sich ein luxuriöses Ambiente während ihres Aufenthalts einiges kosten lassen:

120 Euro pro Nacht müssen gesetz- lich Kranken- oder Rentenversicher- te zuzahlen, 80 Euro für ein „norma- les“ Komfortzimmer. „Wir wissen, dass solche Angebote in Akutkran- kenhäusern angenommen werden.

Für Rehapatienten ist eine besonde- re Unterbringung auf Top-Hotelni- veau noch interessanter, weil ihr Aufenthalt länger ist“, sagt Helios- Sprecher Tobias Pott.

Zusätzliche Angebote und Ein- nahmequellen sind für Rehabilitati- onseinrichtungen wichtiger denn je:

Dem Reha-Rating-Report 2007 zu- folge sind rund ein Viertel der 1 255 Rehakliniken von Insolvenz be- droht. Die Studie des Rheinisch- Westfälischen Instituts für Wirt- schaftsforschung in Essen kommt zwar zu dem Schluss, dass die Zahl der Rehafälle in den kommenden

Jahren steigt, eine Finanzierung zu- sätzlicher Leistungen durch die So- zialversicherungssysteme sei aber unwahrscheinlich, so die Gutachter.

Die Komfortstation der Herz- Kreislauf-Klinik in Bad Berleburg soll Selbstzahler ansprechen und außerdem privat Krankenversicher- te anziehen. Erst vor wenigen Tagen fand die offizielle Eröffnung statt.

16 Zimmer gibt es, davon zwei Sui- ten. Für die Klinik sei die neue Sta- tion unter Marketingaspekten wich- tig, erläutert Chefarzt Dr. med. Frank Melz. Der Kardiologe weiß, dass die Rehabilitation in den vergange- nen Jahren aus unternehmerischer Sicht ein schwieriges Geschäftsfeld geworden ist. Umso wichtiger sei es für die Kliniken, eine Strategie zu entwickeln, um sich von anderen Einrichtungen abzuheben.

Besondere Konzepte sollen die Zuweisung sichern In Bad Berleburg tut man das aber nicht nur durch die Komfortstation, sondern auch mit besonderen medi- zinischen Angeboten. Seit 2006 hat die Herz- Kreislauf-Klinik zum Bei- spiel eine Diabetologieabteilung.

Wenn notwendig, erhalten die Pati- enten während ihrer kardiologi- schen Reha hier eine fachärztlich diabetologische Betreuung und eine individuelle Schulung. In der Ver- gütung nach tagesgleichen Pflege- sätzen und Pauschalen spiegelt sich das jedoch nicht wider. Trotzdem ist Melz von dem Konzept überzeugt:

„Wir wollen mit Inhalten und Qua- lität überzeugen.“ Die Diabetologie sichere die Zuweisung von Patien- ten. Die Rehabilitanden seien zu- dem mit der umfassenden medizini- schen Betreuung sehr zufrieden.

Das spreche sich herum.

Während das medizinische Ange- bot in Bad Berleburg ein großes Pati-

entenklientel anspricht, gibt es auch Rehakliniken, die gezielt Nischen besetzen, um sich am Markt zu be- haupten. So auch die Mediclin See- park Klinik im niedersächsischen Bad Bodenteich, eine Einrichtung für psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit dem Schwer- punkt Essstörungen. Die Klinik bie- tet im neu gegründeten Norddeut- schen Adipositas-Zentrum ein Reha- konzept für extrem Übergewichtige an. Patienten bis zu einem Gewicht von 400 Kilogramm können hier be- handelt werden. Zunächst musste dafür eine besondere Ausstattung ge- schaffen werden, zum Beispiel spe- zielle Betten sowie extrem tragfähige Patientenlifter. Das interdisziplinäre Team besteht unter anderem aus Internisten, Psychotherapeuten und Orthopäden. „Mit spezialisierten Fachkliniken ergänzen wir gezielt unser medizinisches Angebot“, erklärt Dr. Ulrich Wandschneider, Vorstandsvorsitzender der Mediclin Aktiengesellschaft (AG). Das Kon- zept geht offenbar auf: 2007 schrieb die Rehasparte des Unternehmens erstmals wieder schwarze Zahlen.

Rehabilitationskliniken müssen unternehmerisch handeln, wenn sie bestehen wollen. Das war nicht im- REHABILITATIONSKLINIKEN

Auf der Suche nach dem eigenen Profil

Die Rehabilitationskliniken stehen unter wirtschaftlichem Druck.

Wer bestehen will, muss rechtzeitig die richtige Strategie entwickeln.

Den Einrichtungen, die das versäumen, droht die Pleite.

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Fotos: fotolia

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dung, wie sich im Nachhinein her- ausstellte, denn der Trend geht im- mer mehr in diese Richtung: 2006 fanden beispielsweise 29,6 Prozent der medizinischen Rehabilitation zulasten der gesetzlichen Renten- versicherung als AHB statt. „Trotz- dem war der Einbruch in den Jahren 1997 bis 1999 für uns deutlich spür- bar“, sagt Melz.

Die Spargesetze von 1996 1996 wurden zwei Gesetze verab- schiedet, die in den Rehakliniken ei- ne Endzeitstimmung auslösten: das Wachstums- und Beschäftigungsför- derungsgesetz – mit Auswirkungen auf die gesetzlichen Rentenversiche- rungsträger – sowie das Beitragsent- lastungsgesetz, das spürbare Folgen für die Reha zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hatte.

Das Ziel: Deutliche Einsparungen im Bereich der Rehabilitation. Unter an- derem wurden die Dauer von Reha- maßnahmen begrenzt, die Zuzahlun- gen für die Patienten erhöht. Durch die Neuerungen brach der Reha- markt in der Folge um rund 30 Pro- zent ein (Grafik 1).

Diese schwierige Zeit hat Rainer Mertel, Kurdirektor und Vorstand der AG Bad Neuenahr, nicht verges- sen. Für ihn steht seitdem fest, dass er sich als Unternehmer nicht mehr vom sozialen Leistungsrecht abhän- gig machen will. „Es wird immer zu-

erst bei der Reha gespart“, weiß Mertel. Anfang der Neunzigerjahre waren rund 600 Mitarbeiter in sei- nem Unternehmen beschäftigt. Heu- te sind es weniger als die Hälfte.

„Daran kann man ablesen, wie schwer uns die Spargesetzgebung getroffen hat“, sagt Mertel. Die AG Bad Neuenahr hatte damals vier ei- gene Kliniken, unter anderem die Klinik Hochstaden – Fachklinik für Orthopädie, Innere Erkrankungen und Diabetes, die aufgrund des wirt- schaftlichen Drucks schließen muss- te. Heute ist an dem Standort die Fachklinik Tönisstein der Allgemei- nen Hospitalgesellschaft beheimatet – eine Einrichtung für Abhängig- keitserkrankungen und psychoso- matische Störungen. Die AG Bad Neuenahr hat mittlerweile alle Klini- ken abgegeben und sich aus der sta- tionären Rehabilitation vollkommen zurückgezogen. In den Krisenjahren hat Mertel die Erfahrung gemacht, dass die Kostenträger zunächst ein- mal die eigenen Kliniken über Was- ser halten und erst dann in andere Einrichtungen einweisen.

Mertel glaubt nicht, dass künftig mehr Geld für Rehabilitation zur Verfügung stehen wird. Für den Ge- sundheitsstandort Bad Neuenahr sind die 16 ansässigen Akut- und Rehabilitationskliniken wichtige Standortfaktoren, aber die Aktien- gesellschaft wird sich in den Markt mer so. Chefarzt Melz aus Bad Ber-

leburg erinnert sich noch gut an die

„goldenen Zeiten“ der Rehabilitati- on. „Früher kamen die Patienten ja praktisch automatisch“, sagt er.

Dann aber kam Ende der Neunzi- gerjahre mit der damaligen Sparge- setzgebung der Einbruch. „Seitdem ist die Akquise von Patienten ein ganz entscheidender Faktor gewor- den. Man muss auf Krankenhäuser als Zuweiser und die Kostenträger offensiv zugehen“, berichtet Melz.

In der Herz-Kreislauf-Klinik in Bad Berleburg hatte man sich schon vor der Krise in erster Linie auf An- schlussheilbehandlungen (AHB) ausgerichtet. Eine richtige Entschei-

GRAFIK 1

Entwicklung zentraler Indikatoren der stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen (1991 = 100 %)

Fallzahl

Aufgestellte Betten

Zahl der Einrichtungen

Bettenauslastung

Verweildauer

Quelle:Statistisches Bundesamt

Der Einbruch 1997:Die damalige Spargesetzgebung ließ die durch- schnittliche Betten- auslastung erheb- lich sinken.

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nicht mehr einklinken. Man hat ein anderes Klientel im Blick: die Selbstzahler. Wichtige Standbeine für die AG Bad Neuenahr sind unter anderem betreutes Wohnen für Se- nioren. Außerdem setzt man auf Medical Wellness und Medical Fit- ness. Anfang 2009 soll das „Ahr- Resort“ fertig sein: Derzeit entsteht ein unterirdisches Wegesystem, das die Ahr-Thermen, das Badehaus

„Sinfonie der Sinne“ und ein Hotel miteinander verbinden wird. In Mertels Planungen kommen Kos- tenträger, wie die GKV, nicht vor.

Sein Motto: Wenn Angebote zum Beispiel als Präventionsleistungen erstattet werden, dann ist das gut.

Wenn nicht, darf das keine spürba- ren Auswirkungen auf sein Unter- nehmen haben. „Denn, wenn die Kostenträger Schnupfen kriegen, dann bekomme ich eine Lungenent- zündung“, erklärt Mertel.

Nach dem Einbruch in den Neun- zigerjahren hat sich die Lage der Rehabranche mittlerweile wieder etwas erholt. Beispielsweise steigt die Zahl von Anträgen und Bewilligungen von Leis- tungen zur medizinischen Rehabilitation zulasten der gesetzlichen Rentenversi- cherung (GRV) wieder – unter anderem bedingt durch die positive konjunk- turelle Entwicklung. 2006 lagen die Ausgaben der GRV für medizinische Reha- bilitation bei 3,59 Milliarden Euro (Grafik 2). Im vergangenen

Jahr dürfte es eine weitere Steige- rung gegeben haben.

Die Zahlen der GKV für 2007 lie- gen bereits vor: 2,55 Milliarden Euro gaben die Krankenkassen für Vorsor- ge- und Rehabilitationsleistungen aus. In erster Linie dürfte auch dieser Zuwachs auf die positive wirtschaft- liche Entwicklung zurückzuführen sein. Zwar sind seit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgeset- zes (GKV-WSG) alle Rehabilita- tionsleistungen Pflichtleistungen der Krankenkassen. Doch in der Bewilli- gungspraxis hat sich bislang kaum et- was geändert, da die meisten gesetzli- chen Neuerungen noch nicht greifen (dazu DÄ, Heft 16/2008).

Im Gegensatz zu den Rehabilitati- onsleistungen nach § 40 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V), haben die sogenannten Vorsorgeleistungen der GKV nach § 23 SGB V an Be- deutung verloren. Sie kommen in Betracht, wenn eine Krankheit droht oder eine Verschlimmerung verhin- dert werden soll, die Erkrankung aber nicht so akut ist, dass sie bei- spielsweise zur Arbeitsunfähigkeit führen könnte. Mit dem GKV-WSG wurden lediglich die Vorsorgeleis- tungen für Mütter und Väter (§ 24 SGB V) zu einer Pflichtleistung.

2006 gaben die Krankenkassen 356,8 Millionen Euro für Vorsorge- leistungen aus. Das entspricht einem Anteil von 14,7 Prozent an den Ge- samtausgaben für Vorsorge und Re- ha (1991: 26 Prozent). Ein Großteil dieser Leistungen sind Mutter-/Vater- Kind-Maßnahmen. Eine untergeord-

nete Rolle spielt die stationäre Vor- sorge. Für ambulante Vorsorgeleis- tungen in anerkannten Kurorten (früher „offene Badekuren“) wandte die GKV 2006 93,6 Millionen Euro auf (1991: 270,5 Millionen). Kurdi- rektor Mertel sieht in diesem Be- reich kein interessantes Geschäfts- feld. „Das ist zu bedauern“, sagt er.

Bei der ambulanten Vorsorgeleis- tung zahlt der Patient seine Unter- kunft selbst – bis auf einen Zuschuss von bis zu 13 Euro pro Tag. Die An- wendungen werden von einem orts- ansässigen Badearzt verordnet. Bei der Versorgung mit Heil-/Kurmitteln ist eine Zuzahlung in Höhe von zehn Euro je Verordnung sowie von zehn Prozent der Heilmittelkosten zu leis- ten. „Die Zahl der offenen Badekuren ist deutlich gesunken, und ein Groß- teil von ihnen findet mittlerweile im Ausland statt“, kritisiert Mertel.

Höhere Anforderungen bei stagnierender Vergütung Mit dem Begriff „Kur“ hat Mertel überhaupt kein Problem – im Gegen- satz zu den meisten Rehabilitations- kliniken, die weg wollen von dem Image „Morgens Fango, abends Tango“. Im Sozialgesetzbuch taucht der Begriff „Kur“ nicht mehr auf, sondern es wird in Vorsorge und Re- habilitation unterschieden, wobei die GRV keine Vorsorgeleistungen, son- dern nur medizinische Rehabilitation finanziert sowie weitere Leistungen zur Teilhabe. Festzustellen ist, dass sich die Rehabiliationsmedizin in den vergangenen Jahren deutlich GRAFIK 2

Ausgaben für medizinische Rehabilitation

Medizinische Rehabilitation der gesetz- lichen Rentenversicherung

(Zahlen für 2007 liegen noch nicht vor)

Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Millionen

Euro Licht am Ende

des Tunnels:

Seit 2006 steigen die Ausgaben für Rehabilitation wieder.

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weiterentwickelt hat. Die Qualitäts- anforderungen an die Rehabilita- tionskliniken sind gestiegen. Vorreiter bei Maßnahmen zur Qualitätssiche- rung und der Implementierung von Leitlinien ist dabei sicherlich die Rentenversicherung (dazu DÄ, Heft 23/2007).

Die Anforderungen an die Reha- bilitation steigen – nicht zuletzt seitdem sich die Liegezeiten in den Krankenhäusern mit der Einführung der Fallpauschalen verkürzt haben.

Die Rehakliniken beklagen unter- dessen, dass sich die höheren Aus- gaben, wie etwa durch Tarifab- schlüsse und steigende Energieprei- se, in der Vergütung nicht wider- spiegeln. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen dürfte es vielen Re- hakliniken schwerfallen, sich in den nächsten zehn Jahren am Markt zu behaupten“, heißt es im Reha-Rating- Report. Viele Kliniken seien nicht rentabel, überschuldet und kaum in- vestitionsfähig. „Aus unserer Sicht wird es daher zu einer Marktbereini- gung kommen, die einerseits durch das Aussscheiden einer großen Zahl von Rehakliniken und andererseits durch verstärkte Kettenbildung (. . .) gekennzeichnet sein dürfte“, schlussfolgern der Gutachter.

Wenn von Marktbereinigung die Rede ist, dann muss man sich aller- dings fragen, inwieweit es sich über- haupt um einen Markt handelt. Die Mehrheit der Rehakliniken ist in pri- vater Trägerschaft, jedoch unterhal- ten auch die Kostenträger eigene Einrichtungen. Das hat zwei Konse- quenzen: eine Ungleichbehandlung bei der Belegung und eine wettbe- werbsfeindliche Quersubventionie- rung. Zu diesem Schluss kommt zu- mindest die neue Studie des Fritz- Beske-Instituts für Gesundheitssys- temforschung Kiel. Die Gutachter dürften mit ihren Überlegungen kaum auf Gegenliebe bei den Kos- tenträgern stoßen. „Integration von sozialer Pflegeversicherung und me- dizinischer Rehabilitation der ge- setzlichen Rentenversicherung in die gesetzliche Krankenversiche- rung – ein Rationalisierungskon- zept“ lautet der Titel der Untersu- chung, die einiges an Sprengstoff birgt. Die Autoren fordern eine Neu- organisation der Trägerstrukturen:

Pflegeversicherung und GKV sollen zusammengelegt werden. Die Kran- kenkassen sollen außerdem für die Leistungen zur medizinischen Reha- bilitation zuständig sein, die bisher die Rentenversicherung verantwor- tete. So könne man effizientere Ver- waltungsstrukturen schaffen.

Anteil ambulanter Reha steigt Der Bedarf an Rehabilitation wird in den kommenden Jahren wachsen: Es gibt immer mehr multimorbide Menschen, das Renteneintrittsalter steigt. Wenn die Grundsätze „Reha vor Rente“ und „Reha vor Pflege“

nicht nur graue Theorie sein sollen, die Kostenträger zugleich aber nicht wesentlich mehr Geld aufwenden, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Patienten werden zur Kasse gebe- ten, oder das vorhandene Geld muss gezielter eingesetzt werden. Ein- sparpotenziale sehen die Kieler Gut- achter unter anderem in der Verlage- rung vom stationären in den ambu- lanten und teilstationären Bereich:

„Dies entspricht fast durchgehend der Situtation in anderen Industrie- nationen, in denen eine stationäre Rehabilitation in gesonderten Reha- bilitationseinrichtungen entweder unbekannt oder die Ausnahme ist.“

Der Anteil ambulanter Rehabili- tation ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Bei der Rentenversicherung beispielsweise

lag er 2006 bei 9,3 Prozent. Das Potenzial dürfte weit darüber liegen. Schätzungen zufolge könnten 30 bis 50 Prozent der Maßnahmen ambulant statt- finden. Zweifelsohne kann aber nicht jeder Patient ambu- lant rehabilitiert werden. „Ge- rade bei älteren Patienten sind die Möglichkeiten ambulanter Rehabilitation eingeschränkt“, sagt Chefarzt Melz aus Bad Berle- burg. Besonders, wenn bei den Patienten nach einer Herz-OP bei- spielsweise ein Pleuraerguss oder Wundheilungsstörungen aufträten, dann seien sie in der stationären Reha sicherlich besser aufgehoben.

Bei vielen älteren Patienten kommt aber auch eine geriatrische und weniger eine indikationsbezo- gene Rehabilitation infrage. Für die Rehakliniken scheinen die Zei- ten endgültig vorbei zu sein, in de- nen die Zuweisung von Patienten dauerhaft gesichert ist. Zwar sind die Kosten für medizinische Reha- bilitation, gemessen etwa an den Ge- samtausgaben der GKV, vergleichs- weise gering. Doch die Kosten-Nut- zen-Orientierung wird auch vor der Rehabilitation nicht Halt machen und den Trend in Richtung ambu- lante Reha verstärken. Nur die Kli- niken mit einem überzeugenden Konzept dürften dann überleben. I Dr. med. Birgit Hibbeler

Der Bedarf an medizinischer Rehabilitation wächst. Wer- den die Ausgaben in diesem Bereich steigen?

Beske:Nein, davon gehe ich nicht aus. Wir werden für Reha- bilitation nicht mehr Geld ausge- ben können. Auch in diesem Be- reich müssen wir die begrenzten Mittel künftig zielgerichteter ein- setzen. Angesichts der demogra- fischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts gibt es gar keine andere Möglichkeit.

Wo sehen Sie Einsparpotenziale?

Beske:Vor allem müssen wir die ambulante Rehabilitation stärken sowie frührehabilitative Angebote, die direkt mit der Akutbehandlung verzahnt sind.

Der internationale Vergleich zeigt, dass der hohe stationäre Anteil in Deutschland in erster Linie historisch begründet ist.

Sie fordern eine Zusammen- führung von gesetzlicher

Krankenversicherung (GKV), sozialer Pflegeversicherung und medizinischer Rehabili- tation zulasten der Renten- versicherung. Warum?

Beske:Wir brauchen effiziente- re Trägerstrukturen. Deshalb sollten Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Pflege aus einer Hand koordiniert werden – unter dem Dach der GKV. Da- mit würden Einsparungen durch Prävention und Reha im glei- chen System verbleiben.

3 FRAGEN AN…

Prof. Dr. med. Fritz Beske, Leiter des Fritz-Beske- Instituts für Gesundheitssystemforschung Kiel

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