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Archiv "Landarzt aus Passion" (28.11.1974)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT

Man kann einen Esel ans Wasser zwingen, aber nicht, daß er säuft.

So einfach ist die Sache nicht. Fra- ge des Bewerbers an sich selbst:

Bin ich ausreichend vorbereitet?

Frage an die Ausbilder: Habt ihr dem Kandidaten neben dem wis- senschaftlichen Rüstzeug auch den Zugang zur Allgemeinbildung auf breiter Grundlage verschafft?

Sprechstunden und Hausbesuche in der Landpraxis unterscheiden sich nämlich in ihrer Vertraulich- keit wesentlich von der Distanz und Anonymität einer Stadtpraxis.

Es ist daher keineswegs damit ge- tan, durch Gesetz oder Maßnah- men der Standesorganisationen ir- gendwelche Ärzte auf dem Land zu verteilen. Wer das Zeug zum Land- arzt nicht mitbringt, wird seine Pa- tienten enttäuschen und früher oder später scheitern. Das gilt in gesteigertem Maße für . beamtete Ärzte eines möglicherweise ver- staatlichten Heilwesens, die aufs Land geschickt werden würden.

Schon die erste Sprechstunde kann dem Landarzt die Augen öff- nen, daß er es mit Bauern, Hand- werkern, Gewerbetreibenden, Un-

ternehmern und deren Angehöri- gen zu tun hat, die sich tagtäglich mit den Widrigkeiten des einfachen Lebens herumschlagen und zu ausgeprägten Individualitäten ge- worden sind. Da hilft kein wissen- schaftlicher Dogmatismus und kei- ne Ideologie weiter, sondern nur weitherzige Toleranz, die alle Un- terschiede und Eigenheiten der Menschennatur hinzunehmen ver- steht. Deshalb steht unsichtbar über dem Eingang zur Landpraxis:

Nihil humanum mihi alienum.

Aus der Fülle wissenschaftlicher Ausbildung, aus fortlaufend stu- dierter Fachliteratur und regelmä- ßiger Teilnahme an Fortbildungs- veranstaltungen lernt der Landarzt und wer ein solcher werden will, schon bald — wie die Rosinen aus dem Kuchen — das Praktikable herauszuholen.

Mit den Medikamenten, die er in der Klinik kennengelernt hat, wird er in Kürze nicht mehr auskom- men. Es täte ihm daher gut, wenn er einige Erfahrungen aus der Hy- drotherapie, der Phytotherapie, der Diätetik, sonstigen Heilverfahren und aus der Krankenpflege mitbrin- gen würde oder doch zu sammeln Strukturanalyse Nordrhein

Funkgeräten im Notfalldienst er- weist sich die Zuteilung nur einer Funkfrequenz als ein erheblicher Mangel. Durch nicht-ärztliche Be- nutzer, aber auch durch benach- barte ärztliche Sender im Notfall- dienst, die die gleiche Frequenz benutzen müssen, werden erhebli- che Störungen verursacht. Die KV Nordrhein hat daher bereits Anfang dieses Jahres beim Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Zuteilung von weiteren Fre- quenzen beantragt. Bisher waren diese Bemühungen allerdings noch nicht erfolgreich.

Die derzeitige Entwicklung in der ambulanten ärztlichen Versorgung läßt die Annahme rechtfertigen, daß die Sicherstellung nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ gewährleistet und weiterentwickelt werden kann. Insofern stimmt die KV Nordrhein mit den von der Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung getroffenen Fest- stellungen und Empfehlungen überein. Auf diesem Boden läßt sich sehr wohl eine Weiterentwick- lung der Krankenversicherung und ärztlichen Versorgung erreichen.

Unter Berücksichtigung der Pro- gnosen über die Ausbildung von Medizinstudenten wird auch von der Zahl her eine Verbesserung der gesamtärztlichen Versorgung erreicht werden. Diese Vermutung ist auch auf die Trendbeobachtung zu stützen, wonach die Zahl der er- teilten Approbationen 1961 mit 1526 einen Tiefstand hatte und sich bis 1972 auf rund 7200 erhöhte.

Bundesregierung sowie Gesund- heitsminister und Senatoren der Länder vertreten schon heute die Auffassung, daß eine solche Zahl von erteilten Approbationen auf längere Dauer zu einem Überange- bot an Ärzten führen würden. Diese Befürchtungen geben der Trendbe- obachtung der KV Nordrhein recht.

Anschrift des Verfassers:

Dieter Pohl

Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein

4 Düsseldorf 30 Tersteegenstraße 31

Landarzt aus Passion

Überlegungen zu dem Ruf „Ärzte auf's Land"

Edmund Drebber

„Ein Landarzt aus Passion — seit 45 Jahren", so stellte der Autor sich und sein Manuskript der Redaktion vor. Von „Passion" handelt und zeugt sein Artikel in mehrfacher Hinsicht. Er schildert die viel- fältigen Aufgaben, Belastungen und mitmenschlichen Verbindun- gen. die den Beruf des Landarztes kennzeichnen. Auch berichtet der Autor über mancherlei, was sich die sprichwörtliche Schulweis- heit nicht träumen läßt.

3494 Heft 48 vom 28. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Landarzt aus Passion

bereit wäre. Selbst die Methoden der Volksheilkunde, wie sie der

„Knochendoktor", der Heilmagneti- seur und der Gesundbeter anwen- den, wollte er nicht mit einem mo- kanten Lächeln abtun, — sondern sich bescheiden eingestehen, daß hier die Landbevölkerung manch- mal bewährte Praktiken kennt, die noch wissenschaftlicher Erfor- schung harren. Durch Zusammen- künfte mit Rutengängern, Brunnen- bauern, Forstleuten, Flurhütern, Jagdpächtern, Schäfern und Im- kern eröffnen sich immer wieder neue, überraschende Einblicke in Naturzusammenhänge, von denen der Städter nichts ahnt und die ei- ner unkonventionellen Therapie zu- gute kommen mit dem Ziel natur- naher Verhaltensweisen. Hierfür gilt das Wort des Evangeliums:

Prüfet alles und das Beste behal- tet.

Eine gut eingerichtete Landpraxis erfordert heute selbstverständlich kostspielige Investitionen, um den Anforderungen der dringlichsten Labor- und Gerätediagnostik genü- gen zu können. Dennoch schätzt es die Landbevölkerung, wenn sich ihr Doktor seiner fünf Sinne zu be- dienen weiß. Schon der ärztliche Blick sollte erste Hinweise auf die Diagnose geben können. Dann folgt bei der Erstuntersuchung ein vollständiger Status mit Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskulta- tion, Messen und Wägen. Erst aus den hierbei auftauchenden weite- ren diagnostischen Fragen leitet sich der Schritt zur „Objektivie- rung" der Befunde her. Aber nicht jede Krankheit ist objektivierbar und die objektivierbaren Parameter sind nicht identisch mit der Krank- heit. Der Kranke will sein Leiden loswerden. Nichts anderes erwartet er von seinem Arzt — sei es mit, ohne oder trotz Wissenschaft.

Die mitmenschlichen Verbindungen ...

Nach und nach lernt der Landarzt auch die Familienzusammenhänge seiner Patienten kennen, die zuge-

hörigen Sippen, die Eigenarten des bodenständigen Volkstums — die durch Vererbung, Lebensgewohn- heiten, Klima und Arbeitsmethoden bedingten Krankheitsanlagen und -dispositionen. All dies erleichtert ihm sein Vorgehen im akuten oder chronischen Krankheitsfall. Selbst der Dorfdepp muß seinen Platz in der Landpraxis finden.

Der Landarzt wird sich auch mit den Nachbarkollegen, mit den nächstwohnenden Fachärzten und mit den Chefärzten der regionären Krankenhäuser verständigen. Von Zeit zu Zeit wird er sich in den Gaststätten seines Dorfes sehen lassen müssen. Er wird in den Schulen als Schularzt und bei Schulunfällen tätig werden und mit den Lehrern Fühlung nehmen. Fer- ner wird er Kontakt pflegen mit den ortsansässigen Geistlichen der Kirchen, mit den Vereinen, ohne doch Mitglied in jedem Schützen- verein, Feuerwehrverein, Turn- und Sportverein, Gesangverein oder Kegelklub sein zu können. Nicht zuletzt erwarten der Ortsbürger- meister und der Gemeindedirektor ein gutes Verhältnis zu ihrem Dok- tor. Hat er gar das Glück, eine Apotheke am Ort oder in der Nähe zu haben, dann ist die Fahrt frei für erfolgreiche Tätigkeit.

Vielfältige Aufgaben und mit- menschliche Verbindungen erwar- ten somit den Landarzt oder den, der es werden will. Um so dringli- cher muß er sich von vorneherein eine straffe Tageseinteilung aufer- legen und konsequent daran fest- halten. Güte und Freundlichkeit werden von kranken Menschen rasch ausgenutzt und mißbraucht, ohne an die begrenzte Leistungs- fähigkeit auch des Arztes zu den- ken.

Der Landarzt sollte daher nicht nur eine robuste Gesundheit mitbrin- gen, sondern durch individuelle Hygiene seine Gesundheit zu er- halten trachten. Abgesehen vom täglichen Umgang mit kranken Menschen ist der Landarzt durch häufigen Wechsel zwischen der Temperatur geschlossener Räume

und der Umwelt, durch Einwirkun- gen von Wind und Wetter, Sturm und Regen, Eis und Schnee, die Glätte aufgeweichter Wege und was es sonst noch sein mag, viel- fältigen Noxen und Unfallgefahren ausgesetzt. All dies stellt hohe An- forderungen an seine Widerstands- kraft, erst recht bei Nachtleistun- gen und Fußwegen in der Dunkel- heit.

Hinzu kommt erschwerend, daß der Landarzt nicht auf eine 40-Stun- den-Woche rechnen kann. Je nach Jahreszeit und Morbidität wird er nicht selten auf eine Arbeitslei- stung bis 80 Wochenstunden kom- men, der er nicht auszuweichen vermag.

Der Arzt und seine Familie wer- den daher fähig sein müssen, zeit- weise auf eigene Erholung, Ent- spannung, Geselligkeit und Teil- nahme an kulturellen Veranstaltun- gen zu verzichten, ohne doch in- nerlich ausgehöhlt zu werden. An jedem Morgen muß er mit seiner Mannschaft wieder frisch und be- reit sein, den Kranken sein Bestes zu geben.

Die „Frau Doktor" — unentbehrlich

Auf seine Hilfskräfte muß er sich stützen und verlassen können. An erster Stelle steht daher für den Landarzt die „Frau Doktor". In vie- len Dingen gilt deren Stimme mehr als eine eigene. Zieht die Ehefrau des Landarztes freudig mit, dann ist die Zukunft schon halb gewon- nen. Wer seine Frau nicht mit aufs Land nehmen kann, wird nie ein rechter Landarzt werden.

Aber auch eine tüchtige Arzthelferin, eine wendige Sekretärin und eine zuverlässige MTA für die Laborar- beit sind nicht zu entbehren, wobei diese ebenfalls dem Landleben zu- geneigt sein müssen.

Die Ausstattung einer Arztpraxis, die Einstellung einsatzfreudiger Mitarbeiterinnen, Auto und Wohn- haus erfordern heute auch für den

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 48 vom 28. November 1974 3495

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Modell einer Psychosomatischen Abteilung

Seite 3496

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

So lange noch „ein Viertel der Pa- tienten Medizinischer Kliniken Fehlbelegungen sind" und „die Fülle jener Erkrankungen, die man im weitesten Sinne ‚funktionell' be- zeichnet", ein Problem darstellt,

„dem weder die Fächer der Inne- ren Medizin noch der Chirurgie, der Gynäkologie und der Pädiatrie ausreichend gewachsen sind"

(Köhler), ist im Allgemeinen Kran- kenhaus eine bedenkliche Versor- gungslücke. Sie entsteht durch die Krankheitsbilder, die durch seeli- sche Momente bedingt oder kom- pliziert sind. Sie wird also gebildet durch die psychisch gestörten Pa- tienten, — ein etwas weiterer und genauerer Begriff als der eingebür- gerte Begriff des „psychisch Kran- ken". Die Bezeichnung psychisch gestörter Patient ist auch insofern sinnvoller, da sie alle Patienten einschließt, um deren bessere Ver- sorgung es geht, sowohl um die Patienten aus der Sicht des Allge- meinen Krankenhauses als auch um die Patienten aus der Sicht des Psychiatrischen Krankenhauses.

Nach Köhler wurden in den Medizi- nischen Kliniken der Stadt Essen 30 Prozent mehr dieser Patienten aufgenommen als in den entspre- chenden Psychiatrischen Kranken- häusern. In solchen Zahlen spie- gelt sich das Problem des Allge- meinen Krankenhauses, da diese Patienten „Fehlbelegungen" sind.

Ihre Krankheitsbilder können dort weder befriedigend diagnostiziert noch günstig therapeutisch beein- flußt werden. Es sind aber Patien- Landarzt aus Passion

Landarzt eine bedrückende Investi- tion bedeutender Geldmittel. Der junge Bewerber wird sich deshalb ausrechnen, wie lange voraussicht- lich seine Berufsfähigkeit in einer solchen Knochenmühle andauern wird, wie groß seine Landpraxis bestenfalls werden kann und in welchem Verhältnis seine Ver- dienstmöglichkeiten zu den unaus- weichlichen Investitionskosten ste- hen.

Die Frage ist zu beantworten, ob innerhalb der angenommenen Frist die laufenden Kosten für Mit- arbeiter, Verzinsung und Tilgung des investierten Kapitals, für die Ausbildung der Kinder, für den un- entbehrlichen Urlaub mit den Auf- wendungen für den ärztlichen Ver- treter und nicht zuletzt für die Al- tersvorsorge seiner Familie über- haupt erarbeitet werden können.

Solange der Arztberuf zu den frei- en Berufen zählt, müssen deshalb diejenigen, die „vom sichern Port"

aus verlangen, was der Landarzt leisten soll, erst einmal klären, ob er nach eingehender Selbstprüfung noch will, was er soll. Niemand wird ein Patentrezept ausfertigen können, wie dieses Dilemma zu lö- sen ist — zumal viele regiona- le Unterschiede zu bedenken sind.

Auch der Landarzt findet sich eben im soziologischen Spannungsfeld zwischen Stadt und Land.

Bevor also in den zuständigen Gre- mien weitere Maßnahmen be- schlossen, abgeändert oder erwei- tert werden, sollte allen Mitwirken- den die leise Frage in den Ohren klingen:

Cui bono?

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Edmund Drebber 5206 Neunkirchen-Seelscheid 2

FORUM

Modell einer Psychosomatischen Krankenhausabteilung

Ein Diskussionsbeitrag

Willi Bepperling

Die Probleme einer besseren Versorgung der psychisch gestörten Patienten und die Reintegration der Psychiatrie in die Gesamtmedi- zin stehen heute im Mittelpunkt breiter Diskussionen. Sie sind für die Krankenhausreform von großer Bedeutung und zentrieren sich gegenwärtig vor allem um die Frage nach der Angliederung Psych- iatrischer Abteilungen an die Allgemeinen Krankenhäuser. Die Durchsicht der einschlägigen Literatur zeigt, daß die ganze Proble- matik vorwiegend aus psychiatrischer Sicht gesehen wird und die Allgemeinen Krankenhäuser eher als reserviert oder gar ablehnend einer solchen Angliederung gegenüber geschildert werden. Dabei haben die Allgemeinen Krankenhäuser sehr wichtige Probleme, die denen Psychiatrischer Kliniken entsprechen und die unbedingt in die Diskussion mit einbezogen werden müssen.

3496 Heft 48 vom 28. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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