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Archiv "Ein Landarzt aus Markoldendorf" (03.04.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Die Vollendung des 65. Lebensjah- res — willkürliche Schwelle zum Ruhestand für Millionen Menschen

— zwingt jedermann zum Rück- blick. Das gilt auch für im freien Beruf Engagierte und ihre Freunde, obwohl diese willkürliche Alters- grenze gerade für im freien Beruf intellektuell und intuitiv Schöpferi- sche nicht gilt.

Rund fünfundzwanzig Jahre, die fruchtbarsten dieser fünfundsech- zig, haben wir miteinander gespro- chen, gemeinsame Ziele auf ge- trennten und auf gemeinsamen Wegen verfolgt, uns beobachtet und uns beraten. Und wir haben uns dabei in der uns eigenen Be- hutsamkeit und Eigenwilligkeit freundschaftlich verbunden. Der Versuch, den Weg Gerhard Jung- manns bis zum 4. April 1975 wer- tend und würdigend nachzuzeich- nen, kann also nur im Bewußtsein subjektiver Befangenheit unter- nommen werden.

Auch die zum 65. Geburtstag vorge- legte Auswahl von Reden und Auf- sätzen Gerhard Jungmanns') ist subjektiv. Aber sie spiegelt doch wohl exemplarisch das Wollen und das Werk dieses Mannes, der in ländlicher Praxis und in weltläufi- ger Politik immer der grübelnde und zupackende Landarzt aus dem niedersächsischen Markoldendorf geblieben ist: Ein Idealist und Prag-

1) Gerhard Jungmann, Beiträge zur Ge- sundheits- und Sozialpolitik. Herausge- geben von der Friedrich-Thieding-Stif- tung des Verbandes der Ärzte Deutsch- lands (Hartmannbund) e. V., Bonn-Bad Godesberg, Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, 5023 Köln-Lövenich, 1975, brosch., 288 Seiten.

matiker zugleich, seinen Patienten zugewandt, der medizinischen Wissenschaft und Praxis verfallen, seinen Kollegen in mühevollen Äm- tern dienend und immer in der Pflicht für das Ganze von Staat und Gesellschaft.

Nach Kindheit, Jugend, Studium, Lehr- und Wanderjahren in Elber- feld, München, Bonn, Kiel, Osna- brück und Wernigerode beginnt der eigentliche Lebensweg mit der Niederlassung als praktischer Arzt 1933 in Markoldendorf, Kreis Ein- beck. Eigentlich muß man sagen:

Er hätte beginnen sollen; denn schon bald nach der Niederlas- sung brach der Zweite Weltkrieg aus, und der Dienst als Sanitätsof- fizier in der Luftwaffe erzwang wei- tere sechs Jahre anderweitigen ärztlichen Einsatzes. Sicher haben auch diese Jahre den Menschen und Arzt entscheidend vorgeprägt für den besonderen Weg in seiner ärztlichen Praxis und in die Politik.

Die ersten Schritte in die Politik sind ebensowohl Schritte in der ärztlichen Berufspolitik als auch Schritte des dem Gemeinwohl ver- pflichteten Engagements: 1950 Vor- sitzender im ärztlichen Kreisverein Einbeck und 1952 Mitglied des Ge- meinderates Markoldendorf sowie Mitglied des Kreistages in Einbeck.

Dieses doppelte Engagement für Berufsstand und Gemeinwohl ne- ben der Erfüllung der ärztlichen Pflichten in der Landarztpraxis ist für den ganzen weiteren Lebens- weg ebenso typisch geblieben wie

die das ärztliche und das politische Handeln stets begleitende Refle-

xion: Die redaktionelle Mitarbeit an der Zeitschrift „Der Landarzt" — später „Zeitschrift für Allgemein- medizin" — beginnt ebenfalls be- reits 1950.

Die Gleichzeitigkeit dieses publizi- stischen, berufspolitischen und all- gemeinpolitischen Engagements ergab sich für Gerhard Jungmann wie für viele Männer dieser Gene- ration aus dem Gefühl der Ver- pflichtung, die Gestaltung der Zu- kunft nicht allein denen überlassen zu können, die in Opposition oder Opportunität die Katastrophe von 1933 bis 1945 nicht hatten verhin- dern können. Auch Gerhard Jung- mann hat es schon damals nicht für hinreichend gehalten, im gene- rativ angelegten Konflikt nur zu op- ponieren.

Er war daher von vornherein bereit, selbst Verantwortung zu überneh- men — sei es im Gemeinderat oder im Kreistag, sei es in den Be- zirksstellenvorständen der Ärzte- kammer und der Kassenärztlichen Vereinigung, in den Kammerver- sammlungen und in den Vertreter- versammlungen der Kassenärztli- chen Vereinigung. Das galt nicht zuletzt auch für den Hartmann- bund, in dem er sich vor allem Friedrich Thieding als einen ver- ehrten Freund und Mentor ver- band.

Auf dem Fundament einer breitan- gelegten Allgemeinbildung, einer vielgestaltigen Ausbildung und Weiterbildung, der verantwortungs- vollen Lebenserfahrung in Kriegs- und Nachkriegszeit und aus dem erfüllten beruflichen Wirkungskreis einer großen Landpraxis ergab sich damit schon in den fünfziger Jahren eine Fülle von Wirkungs- möglichkeiten weit über den enge- ren Bereich von Gemeinde und Kreis hinaus. Siebzehn Jahre lang hat Gerhard Jungmann an der Zeit- schrift „Der Landarzt" mitgearbei- tet und hat diese Zeitschrift damals entscheidend mitgestaltet. Länger als fünf Jahre hat er das Mittei- lungsblatt des Hartmannbundes in Niedersachsen allein redigiert und geschrieben.

Ein Landarzt

aus Markoldendorf

Dem Gesundheitspolitiker Gerhard Jungmann zum 4. April 1975

J. F. Volrad Deneke

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1975 977

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Dem Gesundheitspolitiker Jungmann zum 4. April 1975

Als Gerhard Jungmann 1956 in den Niedersächsischen Landtag nach- rückte, war der damals 46jährige den sich hier bietenden Aufgaben in einem Landesparlament eigent- lich längst entwachsen. Seine über die Erfüllung der ärztlichen Praxis- aufgaben hinausgehende Aktivität galt damals schon der Auseinan- dersetzung mit grundsätzlichen Fragen der Gesundheitspolitik und der Sozialpolitik. Die große Ausein- andersetzung um die Krankenversi- cherungsreform bot den Ausgangs- punkt für eine geistige Grundle- gung, die dann als Fundament für die Arbeit im Deutschen Bundestag der Jahre 1961 bis 1972 diente.

Als aufmerksamer Beobachter der Gesundheitspolitik der sechziger Jahre, der ich zugleich zeitweise

— wenn auch in einer anderen Bundestagsfraktion — mit Gerhard Jungmann zusammen Abgeordne- ter im Deutschen Bundestag war, halte ich mich kompetent für die Feststellung: Gerhard Jungmann hat in den sechziger Jahren die Gesundheitspolitik in der Bundes- republik Deutschland auch in vie- len Einzelzügen entscheidender geprägt und mitbestimmt als man- cher für die Gesundheits- und So- zialpolitik verantwortlich zeichnen- de Ressortminister. Seine großen Reden und seine Diskussionsbe- merkungen im Plenum des Deut- schen Bundestages spiegeln diese Wirkung nur unvollkommen wider.

Die mühevolle, unermüdliche und zähe Kärrnerarbeit des parlamenta- rischen Alltags, in der allein Ge- setzgebungsvorhaben gestaltet wer- den können, wird in den Plenarde- batten nur höchst unvollkommen sichtbar. Aber gerade dieser mühe- vollen Kärrnerarbeit hat Gerhard Jungmann sich stets unterzogen, um den höher gestellten Zielen möglichst nahe zu kommen.

Mit dieser gerade in der Gesund- heitspolitik unerläßlichen Beharr- lichkeit im Detail hängt es wohl auch zusammen, daß in der breite- ren Öffentlichkeit nie ganz deutlich wurde, was Gerhard Jungmann für die Weiterentwicklung der Gesund- heitspolitik geleistet hat. Aus der

Fülle der gesundheits- und sozial- politischen Aktivitäten, die immer an dem Ziel der Verwirklichung ei- ner freiheitlichen Gesellschaftsord- nung orientiert waren, seien hier nur einige erwähnt: die Arbeit am Arzneimittelrecht, die Arbeit am Lebensmittelrecht, der Beginn der Gesetzgebung für Umweltschutz und Umweltgestaltung, Berufs- rechtsfragen der Heilberufe. An den Novellen zum Arzneimittelge- setz 1965/75 hat Jungmann ebenso starken Anteil gehabt wie an den Ordnungsgesetzen für die Heilbe- rufe (Tierärzte 1965, Apotheker 1966, Ärzte 1969/70).

Jungmann hat besonders darauf hingewirkt, daß wegen der Ver- wandtschaft der Heilberufe in den grundsätzlichen Fragen eine mög- lichst große Übereinstimmung in den entsprechenden Gesetzeswer- ken erreicht werden konnte. Ganz besonders schwierig war das bei der Bundesapothekerordnung, für die vom Wissenschaftsrat damals unter Beschränkung auf die naturwissen- schaftlichen Fächer die Herabset- zung der Ausbildungszeit auf drei Jahre verlangt wurde. Das hätte das Ende der Zugehörigkeit der Apotheker zu den approbierten Heilberufen bedeutet. Jungmann hat hier eine Fehlentwicklung ver- hindert, die tief in die Ordnungs- struktur unseres gesamten Ge- sundheitswesens eingegriffen hät- te. Die Apothekerschaft hat ihm dies später durch die Verleihung ihrer Ehrengabe gedankt.

Ebenso wie bei der Apothekerord- nung ging es auch bei der Bundes- tierärzteordnung nicht zuletzt um die Einbeziehung der praktischen Ausbildung in die akademische Ausbildung dieser Berufe. Ver- gleichbare Grundsätze galt es bei den Berufsgesetzen der verschie- densten Assistenzberufe zu ver- wirklichen. Der Einfluß, den Ger- hard Jungmann damit auf die Schaffung des gesamten Berufs- rechtes der Heilberufe genommen hat, kann gar nicht überschätzt wer- den. Gerade weil dies minuziöse parlamentarische Kleinarbeit war, kann dieser Teil der Lebenslei-

stung Gerhard Jungmanns auch in der jetzt vorgelegten Auswahl von Reden und Aufsätzen kaum sicht- bar werden.

Der praktische Arzt, Landarzt, Arzt für Allgemeinmedizin Gerhard Jungmann hat innerhalb dieses be- rufsrechtlichen Ordnungsvorgan- ges entscheidend dazu beigetra- gen, daß die Eingliederung des All- gemeinarztes in die Weiterbil- dungsordnung und damit auch die gesetzliche Gleichstellung der All- gemeinärzte mit den Fachärzten möglich werden konnte.

Innerhalb der ärztlichen Öffentlich- keit ist weniger deutlich geworden, welche entscheidende Rolle Ger- hard Jungmann bei der Gestaltung des Arzneimittelrechtes und des Lebensmittelrechtes gespielt hat.

Diese Beratungen, die sich zum Teil jahrelang hingezogen haben, müssen aber noch immer als Grundlage auch der jetzt diskutier- ten Weiterentwicklung dieses schwierigen Rechtsgebietes ange- sehen werden. Stets war es die Rolle Gerhard Jungmanns, in den zuständigen Ausschüssen und Un- terausschüssen den spezifisch ärztlichen Sachverstand einzubrin- gen.

Einen Großteil der parlamentari- schen Arbeit Jungmanns hat der Sozialpolitische Ausschuß des Deut- schen Bundestages in Anspruch genommen. Diesem Ausschuß hat Gerhard Jungmann während seiner gesamten Zugehörigkeit zum Deut- schen Bundestag als stellvertreten- des Mitglied angehört. Die hier ge- leistete Arbeit der sechziger Jahre ist im Grunde genommen kaum voll gewürdigt und sichtbar geworden, weil die Bemühungen um eine Krankenversicherungsreform da- mals zu keinen greifbaren Ergeb- nissen geführt haben.

Um so deutlicher sichtbar sind die Verdienste Gerhard Jungmanns um den Einbau der Krankheitsvorsorge in den Leistungskatalog der ge- setzlichen Krankenversicherung, nachdem das Dritte Gesetz zur Neuregelung der gesetzlichen Un-

980 Heft 14 vom 3. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Dem Gesundheitspolitiker Jungmann zum 4. April 1975

fallversicherung 1963 zum Ab- schluß hatte gebracht werden kön- nen. Gerhard Jungmann hat ferner wesentlichen Anteil daran, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen zum gesetzlichen Partner der Be- rufsgenossenschaften gemacht wurden und die freie Arztwahl auch für die Unfallversicherung gesetz-

lich verankert wurde.

Zu den der Vorbeugung, Vorsorge und Früherkennung dienenden Ak- tivitäten gehört die Mitwirkung an der Novellierung des Mutterschutz- rechtes und die Einführung der

Schwangeren-Vorsorgeuntersu- chung 1965. Dies war der Beginn eines neuen Denkens und neuen Handelns; denn als logische Kon- sequenz folgten die Vorsorgeunter- suchungen der Neugeborenen, Säuglinge und Kleinkinder, für die Gerhard Jungmann jahrelang ver- gebens warb und die erst 1971 durchgesetzt werden konnten.

Die Verdienste Gerhard Jung- manns um die vorbeugende Ge- sundheitspflege werden in der vor- gelegten Auswahl von Reden und Aufsätzen deutlich. Man muß sich die Jahreszahlen der hier wiederge- gebenen Veröffentlichungen anse- hen, dann wird man erkennen, wie lange und wie beharrlich Jung- mann sich dafür eingesetzt hat,

„Gesundheit" zum Ziel der Politik zu machen neben dem Schutz vor Krankheiten und der Heilung von Krankheiten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Initiative zum Bundesjugendzahnpflegege- setz, das 1965 trotz zweimaliger einstimmiger Annahme im Bundes- tag am Widerstand des Bundesra- tes scheiterte.

Die Bedeutung Gerhard Jung- manns für die Gesundheitspolitik konnte im Rahmen dieser würdi- genden Skizze nur an Beispielen sichtbar gemacht werden. Sehr vie- les von dieser Tätigkeit findet sich vorgeprägt in den publizistischen Arbeiten der fünfziger Jahre, vor allem in der Zeitschrift „Der Land- arzt", die damals von Franz Fiebig redigiert wurde. Seit 1950 hat Ger- hard Jungmann sich in dieser Zeit-

schrift vor allem mit den speziellen Fragen des praktischen Arztes be- schäftigt. Seine Kommentare wa- ren meist mit dem Pseudonym

„Spectator" gezeichnet.

Aus dieser Arbeit entstand 1953 die Arbeitsgemeinschaft der Landärzte im Verband der Ärzte Deutsch- lands (Hartmannbund). In den Ta- gungen dieser Arbeitsgemeinschaft der Landärzte ist im Grunde ge- nommen alles gesagt und gedacht worden, was später zu den ein- schlägigen Themen publiziert wur- de. Wer die Jahresbände der Zeit- schrift „Der Landarzt" der damali- gen Zeit und die Protokolle der Ar- beitsgemeinschaft der Landärzte des Hartmannbundes nachliest, der wird auch die noch heute aktuellen Probleme vorgedacht und vorfor- muliert finden.

Gemeinsam mit vielen anderen prominenten ärztlichen Berufspoli- tikern hat Gerhard Jungmann da- mals versucht, besondere Fragen bestimmter Arztgruppen nicht in ei- genständigen Interessenvertretun- gen zu diskutieren und zu verfol- gen, sondern in einer Gruppenar- beit, die dem Ganzen einer einigen Ärzteschaft eingebunden blieb.

„Es war meine Idee", heißt es in ei- nem Brief Gerhard Jungmanns an mich, „diese speziellen Fragen als Fragen der Gesamtärzteschaft — im Rahmen des Hartmannbundes

— und nicht nur als Fragen der praktischen Ärzte zu behandeln, was ich später auch in anderer Po- sition — Akademie der praktischen Ärzte in der Bundesärztekammer

— mit Erfolg praktiziert habe".

Mit besonderer Dankbarkeit er- wähnt Jungmann in diesem Brief die Zusammenarbeit mit Dr. Her- mann Kerger, dem heutigen Vor- sitzenden der Fortbildungsakade- mie der Hessischen Landesärzte- kammer in Bad Nauheim.

Es ist nicht zuletzt das Verdienst von Gerhard Jungmann, daß die langjährigen Bemühungen um die allgemeine Anerkennung der Be- deutung des praktischen Arztes

Ein Schnappschuß: Gerhard Jungmann während der Diskussion in einem

„Workshop" der Weltärztebund-Konfe- renz über ärztliche Ausbildung in Kopen- hagen 1972 Foto: Bohnert + Neusch

bzw. des Allgemeinarztes sich so durchgesetzt haben, wie das heute der Fall ist. Die Tätigkeit des Allge- meinarztes als eines Hausarztes hat Jungmann dabei niemals nur in der kurativen Medizin gesehen. Er hat immer wieder betont, wie sehr die vorbeugende Gesundheitspfle- ge zu den Hauptaufgaben des Hausarztes gehört, und daß die Weiterentwicklung der vorbeugen- den Gesundheitspflege sich an der Frage entscheidet, ob der Hausarzt diese Aufgabe auch in Zukunft er- füllen kann oder nicht.

In den Reden und Aufsätzen Jung- manns ist nachzulesen, daß er schon in den fünfziger Jahren vor der unheilvollen Verbindung von Institutionalisierung der Medizin und Vergesellschaftung der ärztli- chen Versorgung gewarnt hat.

Auch die aktuelle Auseinanderset- zung in der Gesundheitspolitik seit Erscheinen der WWI-Studie im Ok- tober 1971 ist praktisch in den frü- hen Schriften Jungmanns bereits vorgeprägt. Dasselbe gilt interes- santerweise auch hinsichtlich der aktuellen Kostenentwicklung in Ge- sundheits- und Sozialpolitik. Die Warnungen von damals sind unge- hört verhallt.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1975 981

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Bei der Erörterung ärztlicher Struk- turprobleme im Krankenhaus wird oft verkannt, wie eng diese mit ökonomischen Zielsetzungen ver- knüpft sind. Für den ärztlichen Nachwuchs — hier wird besonders der sog. Mittelbau älterer Kranken- hausassistenten, Fachärzte und Abteilungsoberärzte angesprochen

— aber auch für viele leitende Krankenhausärzte gibt es kaum Möglichkeiten, in die Grundlagen eines modernen ärztlichen Mana- gement eingewiesen zu werden, in dem neben dem eigentlichen medi- zinischen Fachwissen und ärztli- chen Handeln das Denken in Zweck-/Mittel-Kategorien steht.

Steigende Kosten für ärztlichen und medizinischen Bedarf stellen an den Krankenhausarzt mehr denn je höhere Anforderungen —

über seinen fachärztlichen Aufga- benbereich hinaus, nämlich organi- satorische und administrative Fä- higkeiten, Kenntnisse in haus- haltsrechtlichen Angelegenheiten sowie eine ökonomische Übersicht.

Daher werden mit besonderer Auf- merksamkeit Krankenhäuser mit

„kollegialer ärztlicher Leitung" be- obachtet. Sie versprechen, Kennt- nisse im ärztlichen Management auf breitere Basis zu stellen und eine günstigere interdisziplinäre Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Seit fast vier Jahren, nämlich seit dem 1. Juli 1971, arbeiten die bei- den Autoren in dem kollegial gelei- teten Apothekenausschuß des All- gemeinen Krankenhauses (AK) Al- tona. Der Ausschuß besteht aus sechs Ärzten verschiedener Fach- abteilungen (je ein Kollege aus der Gerhard Jungmann

Die Bedeutung Gerhard Jung- manns für die Gesundheitspolitik in der Bundesrepublik Deutschland läßt sich nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag schon heute skizzieren. Selbst wenn Gerhard Jungmann schon 1969 Ehrenvorsitzender des Ver- bandes der Ärzte Deutschlands (Hartmannbund) e. V. und im gleichen Jahr mit der Paracelsus- Medaille der deutschen Ärzte- schaft ausgezeichnet wurde, so läßt sich seine Bedeutung für die ärztliche Berufspolitik doch noch nicht in vergleichbarer Weise wür- digen und werten: Er ist ja nach wie vor voll im Geschirr. Die Ver- dienste um den Verband der Ärzte Deutschlands (Hartmannbund) e. V., um die Landesärztekammer Niedersachsen und als Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer sol- len daher in der hier versuchten Würdigung ausgespart werden.

Nur auf ein Charakteristikum der berufspolitischen Tätigkeit Jung- manns muß doch noch hingewie- sen werden, weil es auch sein ge- sundheitspolitisches Wirken ge- prägt hat: den Einsatz für das Wag- nis des freien Berufes in der ärztli- chen Praxis.

Das berufspolitische Wirken Jung- manns war von der Erkenntnis durchdrungen, daß die Unabhän- gigkeit der ärztlichen Berufsaus- übung ein unverzichtbares We- sensmerkmal der Gesundheitspoli- tik für eine Gesellschaft freier Men- schen ist. Der Landarzt aus Mark- oldendorf hat in Praxis, Berufspo- litik und parlamentarischer Arbeit vorgelebt, daß die Zweisamkeit von Patient und Arzt, daß die Vertrau- enswürdigkeit der Kollegialität und daß die freundschaftliche Treue Lebenselemente des persönlichen und sozialen Wohlbefindens auch in unserer modernen Massenge- sellschaft sind.

Anschrift des Verfassers:

J. F. Volrad Deneke 5 Köln 41 (Lindenthal)

Haedenkampstraße 1

FORUM

Arzneimittelplanung in einem Allgemeinen Krankenhaus

mit Maximalversorgung

Erfahrungsbericht des Ausschusses eines Großkrankenhauses

Peter Lübcke und Hans-Nikolaus Herden

Die Selbstverwaltungsordnung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Altona, die seit 1971 praktiziert wird, sieht nach der Ge- schäftsordnung die Errichtung von Ausschüssen durch den Ärztli- chen Vorstand vor, die diesen sachkundig beraten sollen. Über die Arbeitsweise und die Erfahrungen des „Apothekenausschusses"

berichten im folgenden Dr. med. Peter Lübcke und Dr. med. Hans- Nikolaus Herden, die diesem Ausschuß seit längerem angehören.

Die Konzeption am Allgemeinen Krankenhaus Altana hat sich bis- her bewährt und wird als vorbildlich angesehen. Nicht zu Unrecht konnte der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Altana und Prä- sident der Ärztekammer Hamburg, Dr. med. Arnold Rimpau, als Er- folg verbuchen, daß es dem Ausschuß gelungen ist, im Jahr 1974 erstmals in der hundertjährigen Geschichte des Krankenhauses auf einen Nachtragshaushalt zu verzichten.

982 Heft 14 vom 3. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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