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Archiv "Hormonell aktive Tumoren des Verdauungstrakts" (23.10.1975)

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Hormonell aktive Tumoren des Verdauungstrakts

Wolfgang Rösch, Ludwig Demling

Als Friedrich Feyrter 1938 sein Sy- stem der hellen Zellen als diffuse endokrine epitheliale Organe im Gastrointestinaltrakt vorstellte, wa- ren nur wenige intestinale Polypep- tidhormone bekannt. Heute werden 18 verschiedene Substanzen als Hormonkandidaten (Grossmann, 1974) diskutiert, elektronenmikro- skopisch und zytochemisch lassen sich mindestens zwölf unterschied- liche endokrine Zellen nachweisen.

Auf Grund dieser Zellmasse stellt heute der Verdauungskanal das größte hormonell aktive Organ des Menschen dar. Die radioimmunolo- gische Bestimmung der Hormon- spiegel, die bislang bei sieben Hor- monen möglich ist (Gastrin, Sekre-.

tin, Cholezystokinin-Pankreozymin, Enteroglukagon, Motilin, gastric in- hibitory polypeptide (GIP), vasoac- tive intestinal polypeptide (VIP)), er- laubt interessante Einblicke in die physiologische Bedeutung und die gegenseitige Interaktion dieser Hormone. Von entsprechender kli- nischer Bedeutung sind die Radio-

immunoassays bei der Diagnostik hormonell aktiver Tumoren des Verdauungstrakts, die aus An- sammlungen sogenannter APUD 1 )- Zellen neuroektodermalen Ur- sprungs bestehen.

Entsprechend der entwicklungsge- schichtlichen Entstehung der ein- zelnen Darmabschnitte werden Tumoren des Vorderdarms (Spei- cheldrüsen, Ösophagus, Magen, Duodenum, Pankreas und Gallen- wege) von denen des Dünn- und Dickdarms, bei welchen es sich fast ausschließlich um Karzinoide handelt, differenziert; ferner wird entsprechend der klinischen Sym- ptomatik zwischen monohormona- len und multi-hormonalen Syndro- men unterschieden. Im folgenden sollen die wichtigsten Krankheitsbil- der, die ihre Ursache in hormonell aktiven Tumoren des Verdauungs- trakts haben und die häufig durch

1) APUD (amine content and/or amine precurson uptake and decarboxylation)

dung. Da sich die epithelaus- gekleideten Räume nicht über die Hauptmuskelschicht hinaus er- strecken, handelt es sich nicht um Divertikel. Die Befunde ähnelten den abnormen Drüsenausführungs- gängen bei chronischer Bronchitis und den Veränderungen bei Colitis cystica.

Ätiologie und Pathogenese dieser Pseudodivertikulose sind noch un- klar. Meist wird vermutet, daß eine lokale Oesophagitis vorausgeht, durch die entzündlichen Infiltrate die Drüsenhälse komprimiert und hierdurch die Drüsenampullen dila- tiert werden. Diese Entzündung mag teilweise auch für die allge- mein verminderte Oesophagusmo- tilität und die Strikturbildung ver- antwortlich sein.

Andererseits ist durchaus auch möglich, daß die lokalen entzünd- lichen Veränderungen auf die Abnormität der Schleimdrüsen hin entstanden sind. Weiter wurde über Candidiasis als Ursache die- ser Veränderungen berichtet. Bei einem 83jährigen wurde auf Grund des Biopsiepräparates sogar der Verdacht auf ein Squamosazellkar- zinom geäußert und eine Röntgen- bestrahlung begonnen. Pz

Boyd, R. M., Bogoch, A., Greig, J. H., Tri- tes, A. E. W.:

Esophageal intramural Pseudodiverticulosis Radiology 113, (1974) 267-270

James H. Greig, M. D.

Department of Radiology, Shaughnessy Hospital Vancouver, B. C., Canada Lupovitch, A., Tippins, R.:

Esophageal

intramural Pseudodiverticulosis:

A Disease of Adnexal Glands Radiology 113 (1974) 271-272 Department of Pathology, Holy Cross Hospital 4777 E. Outer Drive Detroit, Mich. 48234

Beauchamp, J. M., Nice, Ch. M., Belanger, M. A., Neitzschman, H. R.:

Esophageal intramural Pseudodiverticulosis Radiology 113, (1974) 273-276

Department of Diagnostic Radiology Charity Hospital of Louisiana 1532 Tulane Ave.

New Orleans, La. 70140

Aus der Medizinischen Klinik mit Poliklinik (Direktor: Professor Dr. Ludwig Demling) der Universität Erlangen-Nürnberg

Hormonproduzierende Tumoren des Verdauungstrakts stellen ein faszinierendes Kapitel der pathologischen Physiologie dar, bei dem die Wirkung intestinaler Hormone auf den Organismus in pharma- kologischer Dosierung von der Natur vorgezeichnet ist. Auch wenn es sich um relativ seltene Krankheitsbilder handelt, erlaubt die kli- nische Symptomatik in vielen Fällen eine rechtzeitige Diagnosestel- lung. Moderne Radioimmunoassays tragen zur Frühdiagnostik die- ser vorwiegend in der Bauchspeicheldrüse lokalisierten Tumoren bei.

(2)

Tabelle 2: Diagnostik des Insulinoms

Test Hinweis auf Insulinom (Richtwerte)

0

Nüchternblutzucker

© BZ nach 15stündigem Fasten

® Seruminsulinspiegel nach Fasten

nach 15 g Alkohol/h

® Proinsulinspiegel

0

Provokationstests:

100 g Glukose oral*

25 g Glukose i.v.

1 g Tolbutamid i.v. (25 mg/kg)** • 150 mg/kg L-Leucin p.o.

in 0.1 nHCI

1 mg Glukagon i.v. (20ug/kg) "*"

® Suppressionstests 600 mg Diazoxid/h i.v.

< 40 mg/100 ml

< 40 mg/100 ml

normale oder leicht erhöhte Insulinwerte

> 25% des Plasmainsulins Insulin

> 150 ,uU/m1

> 150 /./U/m1

> 120 ,uU/m1

> 40 ,uU/m1

> 150 4/m1 nach 5-10 min Abfall des Plasmainsulins

* Blutentnahme nach 30', 60', 90', 120', 180'.

** Blutentnahme nü, nach 15', 30', 45', 60', 90', 120', 150', 180'.

**" Blutentnahme nü, nach 10', 20', 30', 45', 60', 90'.

Tabelle 1: Diagnostik des Zollinger-Ellison-Syndroms

Test Hinweis auf Z.E.Syndrom

0

Magensekretionsanalyse:

nächtliche HCI-Produktion > 100 mval HCI/12 h Basalsekretion (BAO) > 15 mval HCl/h Basalkonzentration (BAC) > 100 mval HCl/1

BAO : PAO* > 0.6

BAC : MAC** > 0.6

® Mukosabiopsie Belegzellhyperplasie

® Serumgastrin > 100-200 pg/ml C) Stimulationstests:

12-15 mg Ca/kg i. v. über 3 h > 80% der Histamin-stim. HCI 2 mg/kg Ca i. v. als Bolus steiler Anstieg von HCI und

Gastrin

1-2 U/kg Sekretin nach 5-10 min Verdoppelung des

i.v. über 30 sec Gastrins

1-3 U/kg/h Sekretin Anstieg von Säure und Serumgastrin

30 ug/kg/h Glukagon Anstieg von Säure und Serumgastrin

* peak acid output (maximal stimulierte Sekretion)

maximal acid concentration (maximale Säurekonzentration unter Stimulationsbedin- gungen)

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Heft 43 vom 23. Oktober 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tumoren des Verdauungstrakts

eine Entfernung des Tumors ge- heilt werden können, aufgeführt werden. Die Tatsache, daß klini- sche Syndrome mit hormonellem Hintergrund relativ selten sind, darf allerdings nicht darüber hinweg-

täuschen, daß Adenome aus argent- affinen Zellen im Pankreas zum Beispiel in 1,5 Prozent aller unter- suchten Organe oder Karzinoide in 0,03 bis 0,5 Prozent aller entfernten Wurmfortsätze zu finden sind.

Zollinger-Ellison-Syndrom:

Das 1955 von Zollinger und Ellison beschriebene Krankheitsbild eines gastrin-produzierenden Tumors der Bauchspeicheldrüse mit therapie- resistenten peptischen Ulzera infol- ge einer gastralen Hypersekretion hat unter den zu besprechenden Krankheitsbildern die größte Be- deutung erlangt.

Klinik: Atypisch postbulbär gelege- ne (25 Prozent) oder multiple (10 bis 20 Prozent) Ulzera sowie Ulkus- rezidive nach chirurgischen Ein- griffen sind ebenso verdächtig wie eine exzessive Säuresekretion (über 100 mval 2) nächtliche Nüch- ternsekretion; über 15 mval/h Ba- salsekretion; über 100 mval/1 basa- le Säurekonzentration; eine Basal- sekretion, die 60 Prozent der sti- mulierten Sekretion erreicht). Häu- fig finden sich Durchfälle, die ent- weder auf eine direkte Schleimhaut- reizung durch Säure im Dünndarm oder eine vermehrte Sekretinfreiset- zung zurückgehen, entweder inter- mittierend oder mit einer Steator- rhoe (Inaktivierung der Enzyme durch Säure) einhergehend oder als profuse wässrige Durchfälle mit Hypokaliämie.

Diagnostik: Die Diagnose beruht heute weitgehend auf dem Nach- weis erhöhter Serumgastrinspiegel, da kritische Säurewerte und eine Belegzellhyperplasie auch beim UI- cus-duodeni-Leiden gefunden wer- den. Bei Serumgastrinwerten im Grenzbereich werden Stimulations- tests durchgeführt (Tabelle 1), da sich gezeigt hat, daß Patienten mit einem Zollinger-Ellison-Syndrom auf gastrinsenkende Polypeptid- hormone abnorm reagieren.

Bei 30 Prozent der Patienten ge- lingt eine angiographische Lokali- sation des Pankreastumors, über 60 Prozent sind maligne. Bei über 50 Prozent finden sich multiple Adenome bis hin zur diffusen Insel- zellhyperplasie (Nesidioblastose), so daß man heute mit Ausnahme

2) Milligramm äquivalent

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,s.,menumnizza_

Abbildung 1: Rezidivierende Anastomosenulzera bei 32jährigem Patienten mit piuriglandulärem Syndrom (Gastrinom der Bauchspeicheldrüse und pri- märer Hyperparathyreodismus)

der in zwölf Prozent ektop in der Duodenalwand gelegenen Tumoren primär eine Gastrektomie, also die Entfernung des Erfolgsorgans, an- strebt. Eine momentane, durch die exzessive Säureproduktion beding- te Inoperabilität läßt sich durch Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten oder Somatostatingabe überbrük- ken.

Differentialdiagnose: Differential- diagnostisch ist vom Zollinger-Elli- son-Syndrom eine G-Zell-Hyperpla- sie des Antrums (Polak, 1972) ab- zugrenzen, bei der es nach einer proteinreichen Nahrung zu einer exzessiven Gastrinfreisetzung kommt, und die mit einer Zweidrit- tel-Resektion des Magens geheilt werden kann.

Da das Pankreasadenom verschie- dene Hormone wie Insulin, Gluka- gon, Serotonin, Melanozyten-stimu- lierendes Hormon (MSH) und ACTH neben Gastrin produzieren kann, sollten immer möglichst viele Hormone analysiert werden. Wich- tiger ist jedoch die Suche nach as- soziierten Tumoren im Rahmen ei- ner multiplen endokrinen Adeno- matose (MEA 1), die sich in 20 bis 30 Prozent in Nebenschilddrüse, Hypophysenvorderlappen, Neben- niere und Schilddrüse nachweisen lassen, sowie nach einer familiären Belastung in Richtung Ulkusdiathe- se und Nierensteinleiden (familiäre endokrine Adenomatose — Wer- mer-Syndrom).

Verner-Morrison-Syndrom (WDHA-Syndrom, Pankreatische Cholera, Vipoma)

Klinik: Profuse wäßrige Durchfälle mit Hypokaliämie und eine Achlor- hydrie oder Hypochlorhydrie trotz morphologisch intakter Magen- schleimhaut kennzeichnen das 1958 von Verner und Morrison be- schriebene Krankheitsbild, bei dem sich ebenfalls ein Inselzelltumor der Bauchspeicheldrüse findet. Ein Drittel aller Patienten mit einem gutartigen Adenom verstarben im hypokalämisch bedingten Nieren- versagen, bevor eine exakte Dia-

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B-Zelle des Pankreas Insulin

Insulinom Hypoglykämie Psychose, Paranoia Demenz

Serotonin Bradykinin

Enterochrom- affine

Zellen des Darms Karzinoid-

Syndrom

Flush Durchfälle Endokardfibrose

Tabelle 3: Hormonproduzierende Tumoren des Verdauungstrakts Krankheits-

bild

Klinische Symptomatik

Hormon- produktion

endokrin aktive Zellen

Zollinger-Elli- son-Synd rom

peptische Ulzera HCI-Hyper- sekretion Durchfälle

D(?)-Zelle des Pankreas Gastrin

Verner-Morri- son-Syndrom WDHA-Syndrom

wäßrige Durch- fälle

Hypokaliämie

Vasoactive intestinal polypeptide (VIP)

? Pankreas

Pankreatische Cholera Vipom

A-, Hypochlor- hydrie

Glukagonom nekrolytisches Erythem Stomatitis Diabetes mellitus

Glukagon A-Zelle des Pankreas Tumoren des Verdauungstrakts

gnose gestellt werden konnte.

Die cholera-ähnlichen Durchfälle mit einem Flüssigkeitsverlust von vier bis sechs Litern und bis zu 300 mval Kalium/24 h führen zu einer schweren metabolischen Azidose. Weitere häufig zu beob- achtende Symptome sind Flush (25 Prozent), eine pathologische Glukosebelastung (50 Prozent), ei- ne Hyperkalzämie, eine Hypo- magnesiämie mit Tetanie, eine ato- nische Gallenblase und Psychosen.

Diagnostik und Therapie: Das Rät- sel, ob Sekretin, Enterogastrone, Glukagon, Prostaglandine oder GIP für die klinische Symptomatik ver- antwortlich zu machen sind, ist durch die Untersuchungen von Bloom (1973) weitgehend geklärt.

Sowohl im Serum wie in Tumoren ließen sich große Mengen an vaso-

aktivem intestinalem Polypeptid nachweisen, weshalb auch der Name Vipoma geprägt wurde. Die lebensbedrohliche Diarrhoe sistiert unter einer Glukokortikoidtherapie (Seif, 1975), die chirurgische Ent- fernung der meist benignen Ge- schwülste ist anzustreben.

Insulinom

Klinik: Das Krankheitsbild des in- sulinproduzierenden B-Zell-Tumors der Bauchspeicheldrüse mit hypo- glykämischen Anfällen, bedingt durch eine Neuroglykopenie, ist bereits seit 1927 bekannt. Trotzdem vergehen im Schnitt immer noch drei bis vier Jahre zwischen erster Symptomatik und Diagnosestel- lung, wobei nicht wenige Patienten wegen psychotischer oder paranoi-

der Züge in einer entsprechenden Fachabteilung behandelt werden.

Die morgendliche Hypoglykämie mit Blutzuckerwerten unter 40 mg°/o ist charakteristisch, sie ist je- doch selten so dramatisch wie die iatrogen induzierte, sondern ver- birgt sich in der chronischen oder subchronischen Form zumeist hin- ter Änderungen der Persönlich- keitsstruktur, Gedächtnisschwund und zunehmender Demenz. Selte- ner sind periphere Neuropathie und progressive Muskelatrophie.

Diagnostik: Diagnostisch bewei- send ist ein normaler oder leicht erhöhter Seruminsulin-Spiegel zum Zeitpunkt einer hypoglykämischen Phase. Verschiedene Stimulations- und Suppressionstests (Tabelle 2) erleichtern die Diagnose, eine an- giographische Lokalisationsdia- gnostik gelingt in rund 30 Prozent.

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Heft 43 vom 23. Oktober 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Bei den 10 bis 15 Prozent malignen Insulinomen mit Lebermetastasen kann eine Pharmakotherapie mit Diazoxid (3 bis 8 mg/kg/d), Prota- min-Zink-Glukagon, somatotropem Hormon (STH) und Streptozotocin (200 bis 1600 mg/m 2 Körperoberflä- che) versucht werden, wobei beim Diazoxid auf Nebenwirkungen wie Knochenmarksdepression, Ödeme, Hirsutismus und Hypertrichose, beim Streptozotocin auf Nieren-, Leber- und Knochenmarksschäden zu achten ist.

Glukagonom

Glukagon-produzierende A-Zell- Tumoren der Bauchspeicheldrüse stellen Raritäten dar, nicht zuletzt auch deshalb, weil die klinische Symptomatik nicht sehr charakte- ristisch ist.

Klinik: Zumeist bestehen ein Dia- betes mellitus sowie bullöse oder ekzematoide Hautveränderungen, die mit Entfernung des Tumors wieder verschwinden. Gewichtsver- lust und Anämie sind häufig. Als relativ typisch werden die Hautver- änderungen im Sinne eines nekro- lytischen wandernden Erythems angesehen, wobei die Veränderun-

(5)

Abbildung 2 (oben): Inselzelladenom der Bauchspeicheldrüse— Abbildung (Mitte): „Riesenfaltengastritis" (glanduläre Hyperplasie) bei Zollinger Ellison-Syndrom Abbildung 4 (unten): Karzinoid der Duodenalwand

gen innerhalb von 7 bis 14 Tagen abheilen. Histologisch findet sich eine Nekrolyse der Oberflächenan- teile des Stratum Malpighi und eine gerihggradige perivasale lympho- zytäre Infiltration (Mallinson et al, 1974).

Diagnostik: Laborchemisch weisen diese Patienten erniedrigte Amino- säurenspiegel im Serum und deut- lich erhöhte Glukagonwerte auf.

Wird die Glukagonsekretion durch Somatostatin unterdrückt, kommt es zu einer Hypoglykämie.

0,5 mg Glukagon i. v. gegeben füh- ren hingegen zu keinem Anstieg der Insulin- oder Glukosespiegel.

Auf eine Stimulation mit Arginin und Alanin wird gelegentlich eine supranormale Glukagonfreisetzung gesehen.

Differentialdiagnose: Auch bei die- sem Tumor muß nach assoziierten Adenomen im Rahmen einer mul- tiplen endokrinen Adenomatose gefahndet werden. Daneben ist dif- ferentialdiagnostisch an eine pri- märe oder sekundäre A-Zell-Hyper- plasie bei Adenomen der Neben- schilddrüse, der Hypophyse und des Nebennierenmarks zu denken.

Karzinoid-Syndrom

Während Karzinoide mit Ausnahme der Speiseröhre im gesamten Ver- dauungstrakt, mit besonderer Be- vorzugung in Appendix, Ileum und Rektum anzutreffen sind, ist das Karzinoid-Syndrom weitgehend an Lebermetastasen gebunden. 1953 wies Lembeck 5-Hydroxy-Trypta- min in einem Karzinoidtumor nach;

die klinische Symptomatik mit Flush, Durchfällen, rechtsseitigen Endokard- und Klappenverände- rungen sowie Bronchokonstriktion wurde lange Zeit auf dieses Amin zurückgeführt, doch glaubt man heute, daß eher Bradykinin, Hista- min oder Prostaglandine hierfür verantwortlich zu machen sind.

Ödeme, Pellagra-ähnliche Hautver- änderungen, peptische Ulzera und Arthralgien werden gelegentlich beobachtet.

(6)

DIE GLOSSE

Klinik: Während beim solitären Karzinoid mit einem Durchmesser zwischen 1,5 und 3,5 Zentimeter die Primärsymptomatik allenfalls in einer chronischen Lumenobstruk- tion beziehungsweise einer intesti- nalen Blutung bei Oberflächenexul- zeration besteht, löst nach einer Metastasierung eine Nahrungsauf- nahme, insbesondere Alkohol, Auf- regung sowie Palpation des Abdo- mens eine Flushsymptomatik mit Tränenfluß, Hypotonie und Tachy- kardie aus, die sich durch alpha- adrenerge Blocker verhindern läßt.

Auf der anderen Seite lassen sich diese Anfälle durch 10 ml konzen- trierten Alkohol, 15 bis 20 «g Nora- drenalin oder 5 bis 10 pg Adre- nalin provozieren (Grahame-Smith, 1974).

Die häufig profusen Durchfälle, die jedoch nur selten mit einer Malab- sorption einhergehen, lassen sich zumeist mit Methysergid (Deseril®), einem 5-HT-Antagonisten, oder Pa- rachlorophenylalanin, beherrschen.

Diagnose: Der Nachweis einer er- höhten Ausscheidung von 5-Hydro- xyindolessigsäure im Urin orien- tiert grob über eine gesteigerte 5- HT-Produktion, wobei der Patient kein Chlorpromazin und keine Ba- nanen zu sich nehmen sollte. Die quantitative Bestimmung von 5- HTP, 5-HT und 5-HIE oder Bradyki- nin ist entsprechenden Laboratori- en vorbehalten.

Prognose: Die Prognose hängt zum einen vom Ausmaß der Metastasie- rung, zum anderen von der kardia- len Beteiligung ab, wobei das Rechtsherzversagen häufig limitie- rend wirkt. Eine symptomatische Therapie ist mit Alpha-Methyldopa, das die 5-HT-Synthese hemmt, mit Alpha-Blockern, die eine 5-HT Frei- setzung verhindern, und mit Kalli- krein-Inhibitoren denkbar. Ein wechselnder Erfolg ist beim meta- stasierenden Karzinoid von einer Streptozotocin-Therapie zu erwar- ten.

Differentialdiagnose: Differential- diagnostisch muß ein Karzinoid des Bronchus und der Ovarien ausgeschlossen werden, die auch ohne Lebermetastasen eine klassi- sche Symptomatik hervorrufen können.

Ferner muß noch erwähnt werden, daß Karzinoide auch eine Reihe an- derer Hormone wie Kortison, ACTH, MSH, antidiuretisches Hormon (ADH) und Insulin zu produzieren vermögen.

Die hormonproduzierenden Tumo- ren des Verdauungstrakts stellen ein interessantes Spektrum der En- dokrinologie dar, bei dem mit im- mer neuen Überraschungen zu rechnen ist.

Die Weiterentwicklung von Radio- immunoassays und immunzytoche- mischen Untersuchungsmethoden läßt die Klärung mancher noch pa- thogenetisch unklarer Erkrankun- gen des Verdauungstrakts erwar- ten. So konnten Polak et al (1975) unlängst Somatostatin-produzieren- de Zellen in Pankreas und oberem Verdauungstrakt nachweisen. Die Anzahl der Hormonkandidaten und die vielen, in ihrer Funktion noch unklaren endokrinen Zellen im Ver- dauungstrakt, die möglicherweise alle ein Tumoräquivalent besitzen, läßt noch viel Raum für Spekula- tionen übrig.

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent

Dr. med. Wolfgang Rösch Prof. Dr. med. Ludwig Demling Medizinische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg 852 Erlangen

Krankenhausstraße 12

Syndromose —

eine neue Krankheit der modernen Medizin

Horst Jungmann*)

Die ersten Fälle wurden vor etwa 100 Jahren von Neurologen be- schrieben. Seither sind weit über 1000 bekannt und ihre Zahl wächst von Jahr zu Jahr, allein 1966 bis 1973 um etwa 250. Blanchard nann- te die Krankheit: „Taufsuchtssyn- drom" (Syndrome de baptöme).

Fischer hatte es 1931 noch relativ leicht, dieses infiltrierend wachsen- de Leiden der modernen Termino- logie zu beschreiben, heute stehen wir ziemlich fassungslos vor dem eindrucksvollen Werk, das Prof. Dr.

Leiber und Frau Dr. Olbrich in der Sammlung „Klinische Syndrome"

zusammengestellt haben. Ein Mi- krozensus in diesem Walhalla der Wissenschaftler läßt schätzen, daß etwa 1270 der aufgeführten Syndro- me mit Eigennamen belegt sind (genaues Zählen ist aus Zeitgrün- den nicht möglich, das Buch ent- hält 975 Seiten!). Die Autoren ge- ben selbst zu, daß die Zahl der Syndrome kaum noch zu überse- hen ist. Aber welcher Kollege soll- te es dann? Und was droht dem Staatsexamenskandidaten? Auf je- den Fall ist es ratsam, das Syn- drom zu kennen, in das, um einen modernen Ausdruck zu gebrau- chen, der Name eines der Prüfer involviert ist.

Überraschend ist die Lektüre des

„Leiber-Olbrich". Allein mit dem Schielen sind 66 Eigennamen ver- bunden. Angeborene Herzfehler haben 55 Eigennamen in der Welt- literatur verankert. Einen der Re- korde halten die Knochenverände- rungen. Nach dem Auszählen von 760 mit Eigennamen belegten Syn- dromen, die unter anderem mit Knochenveränderungen einherge- hen, tränten die Augen, der Ver- dacht auf eins der 66 mit Strabis- mus verbundenen Syndrome tauch- te auf und der Glosseur gab auf. >

*) Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 23. Oktober 1975 2971

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