Mechanik I / Prof. Popov / Vorlesung 12.
Seile und Ketten - Fortsetzung, Schnittgrößen bei Bogen, Fachwerkoptimierung I. Seil unter Eigengewicht
In der vorigen Vorlesung ha- ben wir festge- stellt, dass die Form yy x( ) eines freihän- genden homo- genen Seils (oder einer Kette) der folgenden Differential- gleichung genügt (Kettengleichung):
2 2 0 2
d d
d 1 d
q
y y
x H x
oder y q0 1
y 2 H . Bezeichnen wir y u, dann gilt yu und die Kettengleichung nimmt die Form
0 2
q 1
u u
H oder d 0 1 2
d u q
x H u an.
Trennung der Variablen ergibt
0 2
d d
1 u q
H x u
.
Diese Gleichung kann nun integriert werden:
0 0
1 1
2
d d
1
q q
u x C x C
H H
u
.Das Integral auf der linken Seite berechnen wir mit der Substitution sinh
d cosh d
u u
:
2 2
d cosh cosh
1 1 sinh cosh
u d d
u
.Somit erhalten wir
0 1
q x C
H sinh q0 1
u x C
H
.
Diese Gleichung schreiben wir in der Form
0 1
d sinh d
q
y x C
x H
Integration ergibt
sinh q0 1 d 2y x x C x C
H
oder
0 1 20
cosh q
y x H x C C
q H
(1)
Die Form eines frei hängenden Seils oder ei- ner frei hängenden Kette wird durch einen Kosinus Hyperbolicus beschrieben (Kettenli- nie).
B1. Ein Kabel (q0 120N m/ ) soll zwischen zwei Masten im Abstand l300m so aufge- hängt werden, dass der Durchhang f 60m
beträgt. Wie groß sind die maximale Seilkraft und die Seillänge
L?
Lösung: Wir legen das Koordinaten- system so, daß der
Koordinatenur- sprung mit dem tiefsten Punkt des Seils zu- sammenfällt. Dann gilt:
(0) sinh 1 0
y C C1 0 und
2 0
(0) H cosh 0 0
y C
q 2
0
C H
q . Die Form des Kabels ist
0 00 0 0
cosh q cosh q 1 .
H H H
y x x x
q H q q H
Die unbekannte Konstante H folgt aus der Forderung y l( / 2) f :
0 0
cosh 1
2 q l
H f
q H
oder 0 0 2
cosh 1
2 2
q l q l f
H H l
. (2) Indem wir einen neuen Parameter 0
2 z q l
H
einführen, erhalten wir
coshz 1 2zf l/ . Mit f l/ 60 / 3002 / 5 folgt cosh 1 4
5 z z. Numerische oder grafi- sche Lösung dieser Glei- chung ergibt: z*0, 762 0 0, 762
2 q l
H
0 120 300 3
23, 6 10 23, 6 . 2 0, 762 2 0, 762
H q l N kN
Die Seilkraft errechnet sich zu S H 1y2 . Sie nimmt den maximalen Wert bei x l/ 2
an: 1 sinh2 0 cosh 0
2 2
q l q l
S H H
H H
.
Aus (2) folgt, dass cosh 0 1 0 2
q l q f
H H
ist.
Für die Seilkraft ergibt sich
0
cosh 0 30,8
2
S H q l H q f kN
H
.
Die Länge des Kabels berechnet sich zu x
y
/ 2 / 2
2 0
0 0
/ 2
0 0
0 0 0
3
2 1 ( ) d 2 cosh d
2 2
sinh sinh
2 2 23, 6 10
sinh 0, 762 330 150
l l
l
L y x x q x x
H
q q l
H H
q H x q H
m
II. Momentenfreie Bögen
Ein Seil kann keinen Biegemomenten wider- stehen. Seine Gleichgewichtsform gibt daher die Form eines momentenfreien Bogens, wel-
cher auf Zug beansprucht ist, an. In der vori- gen Vorlesung haben wir die Form eines Brückenseils zu
2 2
y 4hx
L berech- net. Sie hängt nicht von der Größe der Stre- ckenlast q ab! Bei einer beliebigen homoge-0 nen Änderung der Streckenlast (q0 konst) behält das Seil die gleiche Form und bleibt momentenfrei. Das gilt auch für negative q0. In diesem Fall haben wir es mit einem mo-
mentenfreien Bogen zu tun, welcher auf Druck beansprucht ist. In der Baustatik nennt man diese Form Stützlinie.
III. Schnittgrößen bei Bögen
Gegeben sei ein gebo- gener Balken (Bogen), dessen Form durch die Funktion y y x( ) ge- geben ist.
Auf ihn wirke in verti- kaler Richtung eine Streckenlast q x( ). Zu bestimmen ist der Verlauf des Biegemo- mentes im Bogen.
Lösung: Wir schneiden ein infinitesimal kleines Element des Bogens frei. Aus dem Kräftegleichgewicht in horizon- taler Richtung folgt
( d ) ( )
H x x H x H x( )konst H . (3) Gleichgewicht in vertikaler Richtung ergibt
( d ) ( ) ( ) d 0 V x x V x q x x . Daraus folgt
d ( ) d ( )
V x q x
x . (4)
Das Momentengleichgewicht lautet
( d ) ( ) d d 0
M x x M x H y V x oder
d ( ) d
( ) d
M x y
V x H
dx x. (5)
Integration von (4) und Einsetzen in (5) ergibt V x( )
q x x C( )d 11
d ( ) d
d ( )d d
M x y
q x x H C
x
x (6) B2. Die Form des Trägers sei
2 2y x R x , die Streckenlast sei kon- stant mit q x( )q0. An den Rändern sei er gelenkig gelagert.
Lösung: Integration von (6) ergibt
2 0
1 2
( ) ( )
2
M x q x Hy x C x C .
Falls wir den Koordinatenursprung in der Mit- te des Trägers wählen, wird C10. Aus der Randbedingung M R( )0 ergibt sich
2
2 0 / 2
C q R . Der Momentenverlauf lautet
2 2 2 2
( ) 0( ) / 2
M x q R x H R x . IV. Fachwerkoptimierung
Eine Brücke ist so zu optimieren, dass sie minimales Eigengewicht hat.
Lösung: Indem wir die Knoten ver- schieben, ändern wir die Länge der Stäbe. Außerdem kann der Querschnitt geändert werden. Nehmen wir an, alle Stäbe haben einen runden Querschnitt.
Dann haben wir für das skizzierte Fachwerk 20 Knotenkoordinaten und 27 Radien als frei wählbare Parameter. Bei jeder Wahl bekom- men wir einen Satz von Stabkräften. Die Zug- kräfte müssen die Bedingung F a2 pl und die Druckkräfte die Bedingung
2 4 2
/
F Ea l erfüllen. Das Gesamtgewicht des Fach- werkes M
l ai 2 ist zu minimieren. Mögliche opti- mierte Formen:0
x