Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 45⏐⏐9. November 2007 A3073
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flegeurlaub, Pflege-TÜV und mehr Leistungen für Demenz- kranke: Über diese Themen ist im Zuge der geplanten Pflegereform viel diskutiert worden. Weniger be- kannt ist, dass die anstehenden Ge- setzesänderungen direkten Einfluss auf die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten haben werden. Pflegeheime sollen künftig eigene Ärzte einstellen können. Die Rolle der Pflegekräfte wird gestärkt: In Modellprojekten sollen sie unter anderem Hilfsmittel verordnen dürfen und bestimmte ärztliche Leistungen erbringen.Diese Pläne der Bundesregierung stoßen auf Kritik. Der Einführung des Heimarztes begegnen besonders Ärzteverbände mit Skepsis. Die oft jahrelange und vertrauensvolle Arzt- Patienten-Beziehung werde beim Übergang ins Pflegeheim gekappt, moniert der Deutsche Hausärztever- band. Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) setzt auf Koope- rationen von niedergelassenen Ärz- ten und Pflegeheimen. KBV-Vor- stand Dr. med. Carl-Heinz Müller fordert zudem, die Arbeit von Ärzten in der geriatrischen Versorgung müs- se aufgewertet werden: „Budgetie-
rungen und Regressdruck sind wichtige Ursachen dafür, dass sich Ärzte mitunter scheuen, hier im not- wendigen Maß tätig zu werden.“
Der Entwurf für ein Pflege-Wei- terentwicklungsgesetz sieht darüber hinaus vor, dass Pflegekräfte mehr Kompetenzen erhalten. Im Rahmen von Modellprojekten sollen sie Ver- bandsmaterial, Pflegehilfsmittel so- wie häusliche Krankenpflege ver- ordnen können und außerdem be-
stimmte ärztliche Tätigkeiten aus- üben. Welche Aufgaben das sind, lässt der Gesetzentwurf allerdings offen. Das Bundesgesundheitsminis- terium äußerte sich dazu auf Anfrage nicht. Fest steht aber: Pflegekräfte werden als eigenständige Leis- tungserbringer tätig.
Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt in einer Stellungnahme die Schaffung einer neuen nicht ärztli- chen Versorgungsebene ab. Bezüg- lich der Verordnung von Verbands- material und Pflegehilfsmitteln so- wie der inhaltlichen Ausgestaltung von häuslicher Krankenpflege müs- se eine Folgenabschätzung im Hin- blick auf Budgetverantwortung und haftungsrechtliche Konsequenzen erfolgen. Die Festlegung der Dauer von häuslicher Krankenpflege ist aus Sicht der BÄK eine ärztliche Aufgabe, denn diese sei an die Indi- kationsstellung gebunden. „Anam- nese, Diagnose und Therapie sind und bleiben die zentralen Säulen ärztlicher Tätigkeit“, stellt auch Dr. med. Kuno Winn, Vorsitzender des Hartmannbundes, klar.
Während die Pflegekräfte mit der Reform neue Rechte erhalten, kom- men für die Ärzte weitere Pflichten hinzu. Mit der Pflegereform soll das Sozialgesetzbuch dahingehend ver- ändert werden, dass Ärzte die Kran- kenkassen informieren müssen, wenn sie einen Patienten behandeln, der seine Krankheit „selbst ver- schuldet“ hat. Beispiele dafür sind Komplikationen nach Piercings oder Schönheits-OPs. BÄK-Präsi- dent Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe bezeichnete das Vorhaben als einen „Generalangriff auf die ärztliche Schweigepflicht und das verfassungsrechtlich geschützte Pa-
tientengeheimnis“. I
Dr. med. Birgit Hibbeler
PFLEGEREFORM
Mehr Kompetenzen für Pflegekräfte
Die Pflegereform greift in die ärztliche Versorgung ein: Heime dürfen künftig eigene Ärzte einstellen.
Pflegekräfte können Tätigkeiten übernehmen, die bislang Ärzten vorbehalten waren.
Der Arztvorbehalt bröckelt:Pflege- kräfte sollen in Mo- dellprojekten unter anderem häusliche Krankenpflege ver- ordnen können.
Der Gesetzentwurf im Internet unter:
www.aerzteblatt.de/plus4507
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DER GESETZENTWURF
Geplante Änderungen im SGB V mit direkten Auswirkungen für Ärztinnen und Ärzte:
>HHeeiimmäärrzzttee: Heime sollen eigene Ärzte einstellen dürfen, wenn sonst die Versorgung der Bewohner nicht gewähr- leistet ist (§ 119 b).
>ÜÜbbeerrnnaahhmmee äärrzzttlliicchheerr LLeeiissttuunnggeenn:: Im Rahmen von Mo- dellprojekten dürfen Pflegekräfte Verbandsmaterial, Hilfs- mittel und häusliche Krankenpflege verschreiben sowie bestimmte ärztliche Tätigkeiten ausüben (§ 63).
>VVeerrssoorrgguunnggssmmaannaaggeemmeenntt:: Laut Gesetzentwurf sollen ins- besondere Pflegekräfte die Versorgung koordinieren (§ 11).
>MMiitttteeiilluunngg „„sseellbbsstt vveerrsscchhuullddeetteerr““ KKrraannkkhheeiitteenn: Ärzte müs- sen die Kassen informieren, wenn sie etwa Patienten mit Komplikationen nach Schönheits-OPs behandeln (§ 294 a).
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