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Die Bedeutung des Einsatzes neuer Technologien für die Kosten im Gesundheitswesen am Beispiel des akuten Myokardinfarkts: eine gesundheitsökonomische Analyse

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Academic year: 2022

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Aus dem Zentrum für öffentliche Gesundheitspflege der Medizinischen Hochschule Hannover

Die Bedeutung des Einsatzes neuer Technologien für die Kosten im Gesundheitswesen am Beispiel des akuten Myokardinfarkts - eine gesundheitsökonomische Analyse

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades Public Health der Medizinischen Hochschule Hannover

Vorgelegt von

Okyta Véronique A’Walelu aus Demokratischer Republik Kongo

Hannover 2008

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover

Am 11.03.2009

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer: PD Dr. Christian Krauth

Referent: Prof. Dr. Volker Eric Amelung

Koreferent: Prof. Dr. Siegfried Geyer

Koreferent: PD Dr. Christa Meisinger

Tag der mündlichen Prüfung: 07.04.2009

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Danksagung

Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung für die fachliche Unterstützung und auch für die vielen Gesprächen danken.

Danken möchte ich auch Prof. Dr. F.W. Schwartz, der die Arbeit ermöglicht hat und PD Dr. C. Krauth und Dr. I Brandes für ihre Hilfsreichen Anregungen.

Zudem möchte ich auch allen meinen Freunden für ihre praktische Unterstützung bei der Arbeit und im Privaten danken.

Insbesondere danke ich auch meinen Kindern, die sich verständnisvoll verhalten und die mich jederzeit unterstützt haben.

(4)
(5)

Gliederung

1 Einleitung...9

1.1 Problemstellung... 9

1.2 Stand der Forschung... 12

2 Hintergrund...16

2.1 Grundlagen der gesundheitsökonomischen Evaluation... 16

2.1.1 Ziele und Aufgaben der Gesundheitsökonomie ... 16

2.1.2 Arten von gesundheitsökonomischen Evaluationen ... 19

2.1.2.1 Vorbemerkungen ... 19

2.1.2.2 Nicht-vergleichende Studien... 19

2.1.2.3 Vergleichende Studien... 21

2.1.3 Studiendesign ... 26

2.1.4 Kosten... 31

2.1.4.1 Kostenarten... 31

2.1.4.2 Kostenerfassung ... 32

2.1.4.3 Bewertung... 35

2.1.4.4 Kostenermittlungsansatz... 36

2.1.5 Outcome-Messung... 37

2.1.5.1 Arten von Outcomes ... 37

2.1.5.2 Erhebungsinstrumente zur Lebensqualität ... 38

2.1.5.3 Europe Quality of Life – EQ-5D ... 40

2.1.5.4 Bewertungskonzepte von Lebensqualität... 42

2.1.5.5 Das QALY-Konzept... 43

2.2 Medizinische Grundlagen... 44

2.2.1 Epidemiologie der koronaren Herzkrankheiten und des Myokardinfarkts ... 44

2.2.2 Medizinische Versorgung und Behandlungstechnologien ... 47

2.2.3 Exkurs: kardiologische Register... 50

2.3 Ökonomische und gesetzliche Rahmenbedingungen... 51

(6)

3 Ziele und Hypothesen der Arbeit ...57

4 Methodisches Vorgehen ...60

4.1 Studiendesign ... 60

4.2 Daten und Kostenevaluation... 61

4.2.1 Initialindex ... 61

4.2.2 Follow-up-Index ... 69

4.3 Therapieverfahren und Subgruppen... 72

4.4 Lebensqualitätsmessung... 74

4.5 Kosten-Effektivitäts-Analyse ... 74

4.6 Statistische Verfahren ... 75

4.6.1 Kostenanalyse... 75

4.6.2 Univariate Analyse - Signifikanztests ... 75

4.6.3. Regressionsanalyse ... 76

4.6.4. Behandlung von Missings ... 81

5 Studienpopulation...82

5.1 Studienpopulation im Initialindex... 82

5.2 Studienpopulation im Follow-up-Index... 84

6 Ergebnisse...87

6.1 Leistungen, Ressourcen und Gesamtkosten im Initialindex... 87

6.1.1 Leistungsinanspruchnahme und Ressourcenverzehr... 87

6.1.1.1 Diagnostik ... 87

6.1.1.2 Therapeutische Prozedur... 90

6.1.1.3 Arzneimittel ... 91

6.1.1.4 Sonstige medizinische Leistungen ... 92

6.1.1.5 Stationspersonal ... 93

6.1.1.6 Overhead ... 94

6.1.1.7 Kapitalkosten ... 94

6.1.2 Gesamtkosten ... 94

(7)

6.1.3 Kosten nach Therapieverfahren ... 97

6.2 Kosten und Outcomes im Follow-up-Index... 98

6.2.1 Leistungen und Folgekosten ... 98

6.2.2 Folgekosten nach Therapieverfahren... 105

6.2.3 Lebensqualitätseffekte ... 107

6.2.3.1 Gesamtergebnisse... 107

6.2.3.2 Lebensqualitätsergebnisse nach Therapieverfahren... 108

6.2.4 Kosten-Effektivität ... 110

6.3 Technologie und Einflussfaktoren auf Kosten... 113

6.3.1 Ergebnisse der Regressionsanalyse im Initialindex ... 113

6.3.2 Ergebnisse der Regressionsanalyse im Follow-up-Index ... 116

6.4 Subgruppenanalyse... 118

6.4.1 Nach Geschlecht... 118

6.4.2 Nach Alter ... 121

7 Diskussion ...125

7.1 Methodische Aspekte ... 125

7.1.1 Studiendesign und Daten... 125

7.1.2. Kostenevaluation ... 127

7.1.3. Statistische Verfahren ... 128

7.1.4 Behandlung von Missings ... 129

7.2 Versorgungspfad und Kosten in der Akutversorgung ... 130

7.3. Folgekosten und Outcomes... 131

7.3.1 Höhe und Struktur der Folgekosten... 131

7.3.2 Beurteilung der Lebensqualitätseffekte ... 132

7.3.3 Kosten-Effektivität ... 134

7.4. Einflussfaktoren auf Kosten ... 136

7.4.1. Technologie und Kosten ... 136

7.4.2. Patientencharakteristika und Kosten... 138

(8)

7.4.3. Krankenhauscharakteristika und Kosten... 139

7.4.4 Ökonomische Rahmenbedingungen und Kosten... 140

7.4.5 Medizinische Rahmenbedingungen und die Kosten... 141

7.5. Subgruppenunterschiede... 143

7.6. Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der Studienergebnisse ... 144

8 Ausblick ...147

9 Zusammenfassung...149

10 Literaturverzeichnis ...153

11 Abbildungsverzeichnis ...164

12 Tabellenverzeichnis ...165

13 Abkürzungsverzeichnis ...167

14 Anhang ...169

(9)

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Wie in allen westlichen Industrieländern lassen sich auch in Deutschland zwei langfristige Trends deutlich erkennen: Die Lebenserwartung der Bevölkerung nimmt kontinuierlich zu und gleichzeitig steigen die Gesundheitsausgaben – sowohl absolut als auch als Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Dabei werden die technologischen Innovationen zum einen als wichtigster Faktor für Kostensteigerungen im Gesundheitswesen angesehen und zum anderen gelten sie auch als maßgeblich für die Verbesserung der Gesundheitsergebnisse (vor allem der Lebenserwartung). Trotz dieser herrschenden Meinung besteht eine Kontroverse über den Anteil des medizinisch-technischen Fortschritts an den Gesundheitsausgaben. Die Quantifizierung der Technologieeffekte bereitet Schwierigkeiten, vor allem, weil es schwierig ist den Beitrag des medizinisch- technischen Fortschritts zur historischen Ausgabenentwicklung im Gesundheitssektor eindeutig zu erfassen und weil sich die Wechselwirkungen zwischen Technologiewandel und demographischer Entwicklung nicht ohne weiteres messen lassen (Schlander et al.

2005). Auch in makroökonomischen Erklärungsversuchen lassen sich die Technologieeffekte schwer quantifizieren, so dass die Kostenauswirkungen des technologischen Wandels in einigen Studien nicht Modellendogen abgeleitet, sondern als Restgröße ausgewiesen werden (Schlander et al. 2005). Die Zusammenhänge zwischen Technologiewandel und Wachstum der Gesundheitsausgaben sind quantitativ noch umfassend zu untersuchen, um zu gesicherten Ergebnissen zu kommen.

Ökonomisch und epidemiologisch nehmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen1 aufgrund ihrer Krankheitslast eine besondere Stellung ein. Nach Angaben der WHO waren im Jahr 2002 weltweit 16,7 Mio. Todesfälle auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen, dies macht 29,2% aller Todesfälle aus (WHO 2004). Auch in Deutschland zeigen die Todesursachenstatistiken, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen zählen. Im Jahr 2002 entfielen nahezu 20% aller

1 Krankheiten des Herzens und der Blutgefäße, GBE 2006a. Dazu zählen ischämische Krankheiten (auch koronaren Herzkrankheiten genannt), wobei der Myokardinfarkt (Herzinfarkt) darunter fällt. Zur Auflistung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen siehe die Klassifikation des Statistischen Bundesamts:

http://www.gbe-bund.de/gbe10/

(10)

Todesfälle auf ischämische Herzkrankheiten bzw. 8,2% allein auf Myokardinfarkt (GBE 2006b). In Deutschland stiegen die Gesundheitsausgaben von 1995 bis 2004 um 25,5% und machten damit einen Anteil von 10,6% am BIP aus (GBE 2006e). Im Jahr 2004 entfielen auf die Herz-Kreislauf-Erkrankungen 15,7% der gesamten Krankheitskosten. Sie belegten damit den 1. Platz von 19 Krankheitsklassen, wobei ischämische Krankheiten (einschließlich der Myokardinfarkt) 2,75% ausmachten (GBE 2006e).

Obwohl der Myokardinfarkt zu den häufigsten Todesursachen gehört, wird in fast allen Industrienationen, so auch in Deutschland, beobachtet, dass die Inzidenzraten des Myokardinfarkts sowie die Mortalitätsraten in den letzten drei Jahrzehnten stetig abnehmen (GBE 2006a, OECD Health Data 2007). Hinzu kommt eine Steigerung der Prävalenz an Überlebenden nach kardialen Akutereignissen (GBE 2006c). Parallel dazu wurde beobachtet, dass bei den medizinischen Technologien für die Akut- und Postakutversorgung des Myokardinfarkts enorme Veränderungen stattgefunden haben.

Um der Frage nach dem Zusammenhang zwischen innovativen Technologien und Gesundheitsergebnissen nachzugehen, wurde im Jahr 1998, ausgehend von einer Initiative der Stanford University, eine internationale Studie – „Technological Change in Health Care – TECH“2 – gestartet. Es sollte dabei in 17 Ländern – darunter 10 europäischen, einschließlich Deutschland – nach standardisierten Verfahren die gleichen Daten zur Versorgung von akutem Myokardinfarkt erhoben werden. Die meisten dieser Länder – so auch Deutschland - verwendeten für ihre Erhebungen Daten des MONICA-Registers3, die als besonders valide gelten. Ziel der internationalen „TECH“-Studie war es, die Entwicklungstendenzen in der Nutzung und Verbreitung von Technologien zur Herzinfarktversorgung aufzuzeigen sowie Outcomes und Determinanten der Technologiennutzung zu bestimmen.

Für die deutsche Untersuchung wurde der Forschungsansatz durch eine Kosten- bzw. Kosten-Effektivitäts-Analyse erweitert. Dazu förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine entsprechende Kooperation zwischen dem Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der

2 Mehr zu TECH-Forschnungsnetzwek: Anhang 1

3 Mehr zu MONICA-Studie – Anhang 2

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Medizinischen Hochschule Hannover, dem KORA4-Herzinfarktregister und dem Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit. Ziel dieser im internationalen Rahmen eingebetteten Studie war es, mögliche Verbesserungen der Behandlung unter medizinischen und gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten zu erkennen, gesundheitlichen Outcomes von unterschiedlichen Therapiemaßnahmen und Kosten zu untersuchen. Daran knüpft die vorliegende Arbeit mit dem Ziel an, die quantitativen Zusammenhänge sowohl zwischen Kosten und Technologien als auch zwischen Kosten und Outcomes zu untersuchen.

Gerade in Zeiten zunehmender Budgetierung - bei gleichzeitig wachsenden Gesundheitsausgaben - in welchen ökonomische Aspekte bei der medizinischen Versorgung stärker denn je eine Rolle spielen, ist die genaue Kenntnis der Kosten von medizinischen Maßnahmen – sowohl in ihrer Höhe als auch in ihrer Struktur – von großer Bedeutung. Ebenso wichtig sind die Kenntnisse über das Verhältnis zwischen Kosten und Outcomes von medizinischen Maßnahmen. Am Beispiel der Versorgung von akutem Myokardinfarkt sollen Ergebnisse aus der vorliegenden gesundheitsökonomischen Analyse dazu beitragen, Erkenntnisse für Allokationsentscheidungen und Prozesssteuerungen für die unterschiedlichen Akteure im Gesundheitswesen zu liefern. Demgemäß soll der kurzfristige Versorgungsaufwand beim akuten Herzinfarktereignis mittels verbrauchter Ressourcen, erbrachten Leistungen und entstandenen Kosten sichtbar gemacht werden und der Einfluss von Technologie auf diese Kosten aufgezeigt werden. Weiter soll aus der gesellschaftlichen Perspektive dargelegt werden, welche Folgekosten mittelfristig direkt durch medizinische Folgebehandlungen und indirekt infolge der Erkrankung entstehen und in welchem Verhältnis sie zu den Outcomes stehen. Für die Outcome-Analyse zielt die Arbeit auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität ab, welche bei der Beurteilung von medizinischen Maßnahmen - vor allem aus der Patientenperspektive - zunehmend eine zentrale Rolle einnimmt. Zudem sollen durch eine differenzierte Betrachtung die Subgruppenunterschiede herausgearbeitet werden.

4 Mehr zu KORA = Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg - Anhang 2

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1.2 Stand der Forschung

Es herrscht ein Grundkonsens darüber, dass aufgrund der Mittelknappheit auch im Gesundheitswesen – wie in anderen Bereichen – ein ökonomisches Handeln erforderlich ist. Das ökonomische Handeln erfordert, dass die Ressourcen im Gesundheitswesen dort eingesetzt werden, wo der Nutzen am größten ist (Schöffski 2008a). Die Gesundheitsökonomie knüpft daran an und beschäftigt sich, u. a. im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bzw. ökonomischen Evaluationsstudien, mit der Frage der ökonomischen Effizienz von (medizinischen) Maßnahmen im Gesundheitswesen. Je nach Fragestellung und Untersuchungsziel gibt es unterschiedliche Studienarten (siehe Abschnitt 2.1). Im Vergleich zu den USA und Großbritannien gibt es in Deutschland noch wenige gesundheitsökonomische Evaluationsstudien (Schöffski 2008a), weil sie bis Anfang der 90er Jahre eine untergeordnete Rolle innehatten. Eine genaue Quantifizierung der Studien in Deutschland ist zurzeit nicht möglich, es wird jedoch beobachtet, dass die stärker werdende ökonomische Relevanz im Gesundheitswesen zunehmend zur Durchführung von Evaluationsstudien beiträgt (Schöffski 2008a). Die Qualität der Studien ist recht unterschiedlich und reicht von einfachen Berechnungen bis hin zu komplexen Analysen (Schöffski 2008a).

Da es sich bei der gesundheitsökonomischen Evaluation nicht um eine einheitliche Methode handelt, sondern um eine Vielzahl von Studienarten, wird auf nationaler und internationaler Ebene versucht, mit Guidelines zur Durchführung von gesundheits- ökonomischen Evaluationen bestimmte zu beachtende Mindestanforderungen zu definieren und Empfehlungen zu geben, um Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen. Eine Zusammenstellung von Adam et al. 2003 für den Zeitraum von 1990- 2003 gibt einen Überblick über internationale Guidelines, mit einer vergleichenden Darstellung ihrer Empfehlungen, vor allem hinsichtlich der Methodik. In Deutschland sind beispielsweise die Empfehlungen der Konsensgruppe „Gesundheitsökonomie“ 1996, der AG Reha-Ökonomie 1999a, der Arbeitsgruppe „Methoden der gesundheitsökonomischen Evaluation“ (Krauth et al. 2005) und der Hannoveraner Konsensgruppe 2007 zu nennen.

Die Mehrzahl der Studien, die sich mit der ökonomischen Evaluation von Technologien bei der Versorgung von akutem Myokardinfarkt (AMI) befassen,

(13)

untersuchen die Kosten bzw. die Kosten-Effektivität, ohne jedoch näher methodisch oder inhaltlich auf die Ermittlung der einbezogenen Kosten einzugehen (Adam et al.

2003). Bei der Kostenberechnung werden meistens nur singuläre Parameter wie Personalkosten (Ärzte und Pflegekräfte), Prozedurkosten oder Medikamentenkosten berücksichtigt. Einige wenige Vollkostenstudien – wie bei Heery et al. 2001 - ziehen auch Overheadkosten und Kapitalkosten mit heran. Zudem erfolgt die Erfassung der einbezogenen Ressourcen und Leistungen in den einzelnen Studien uneinheitlich, wie auch der Überblick über Kostenermittlungsmethoden von Doug 1997 zeigt; ihre Bewertung wird oftmals nicht offen gelegt oder ist nicht nachvollziehbar (Adam et al.

2003, Krauth et al. 2005).

Zudem wird meistens die Krankenhaus- oder Krankenkassenperspektive eingenommen (Adam et al. 2003). Evaluationsstudien aus gesellschaftlicher Perspektive, entsprechend den Empfehlungen der überwiegenden Anzahl von Guidelines zur ökonomischen Evaluation, erfolgen dagegen selten. Oft ist die Perspektive weder angegeben noch deutlich ableitbar (Adam et al. 2003).

Entsprechend den Empfehlungen von Guidelines zur ökonomischen Evaluation stellt die vorliegende Studie auf die gesellschaftliche Perspektive ab. Dies bedeutet, dass sämtliche relevanten Ressourcen (inkl. Overhead, Kapitalkosten und Produktivitätsverluste) und Leistungsparameter berücksichtigt und zu gesellschaftlichen Opportunitätskosten bewertet werden.

Die ökonomischen Evaluationsstudien unterscheiden sich auch bezüglich der einbezogenen Therapieverfahren. Obwohl während der stationären Versorgung von AMI-Patienten unterschiedliche Technologien einzeln oder kombiniert zum Einsatz kommen, beschränken sich die meisten Studien auf den Vergleich von lediglich zwei Therapieverfahren. Dabei wird vorrangig die Perkutane Transluminale Koronare Angioplastie (PTCA) bzw. die Stentimplantation der Thrombolyse gegenübergestellt, wie z. B. in den Studien v. de Boer et al. 1995, Every et al. 1996, Hagmann et al. 1999, Le May et al. 2003, Machecourt et al. 2005, Müllner et al. 1999, Parmley 1999, Grines et al. 1993, Reeder et al. 1994, Zijlstra et al. 1996. Patienten, die mit anderen Technologien, wie dem Aorto Koronaren Venenbypass (ACVB) oder mittels einer Technologiekombination behandelt werden, werden als Gruppen in Kostenvergleichen

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oft vernachlässigt. Trotz der zunehmenden Nutzung technologieintensiver Behandlungsverfahren wird immer noch eine substanzielle Anzahl von AMI-Patienten ohne die Verwendung von PTCA, Stent, ACVB und Thrombolytika therapiert (Löwel et al. 2006). Die vorliegende Studie schloss diese Patientengruppe mit ein und weitete die Analyse auf neuere technologische Entwicklungen, wie die Nutzung von medikamentenbeschichteten Stents, aus.

Was die Studienpopulation angeht, werden in vielen Studien ganze Gruppen von AMI-Patienten von der Evaluation ausgeschlossen, da entweder von einem hypothetischen Durchschnittspatienten (Gandjour et al. 2002) ausgegangen wird, oder nur einzelne klinische Parameter, wie ST-Hebungs-Infarkte (z. B. bei Le May et al.

2003, Kaul et al. 2005, Parmley 1999) einbezogen werden. Daneben werden nur einzelne DRG-Gruppen, wie z. B. unkomplizierte AMI-Fälle (wie bei Dormont und Milcent 2004) berücksichtigt. Dabei gehen Kosteneffekte verloren, die auf unterschiedlichen Patientencharakteristika beruhen.

In der vorliegenden Studie stellt die Analyse auf den realen Versorgungspfad unter Einbeziehung aller Patienten in ihrer Heterogenität und aller angewandten Therapieverfahren – einzeln oder in Kombination – ab. Alle Daten wurden auf der Mikro- Ebene erfasst, so dass Potentiale über mögliche Steuerungsmaßnahmen hinsichtlich der akutstationären Behandlung und Folgeversorgung unter medizinischen und gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten erkannt werden können. Dies ist auf Grundlage der im Allgemeinen vorhandenen, zu anderen Zwecken gesammelten, Routinedaten in der Regel nicht möglich. Die Analyse umfasst zwei Zeitfenster: die initiale Akutbehandlung nach dem akuten Infarktereignis im Krankenhaus, nachfolgend Initialindex genannt, und der Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr, nachfolgend Follow-up-Index genannt.

Die vorliegende Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Das nächste Kapitel 2 widmet sich den Grundlagen zur Gesundheitsökonomie, zur Epidemiologie der hier untersuchten Erkrankung sowie zu ihrer medizinischen Versorgung hinsichtlich der Behandlungstechnologien und schließlich zu ökonomischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den wissenschaftlichen Hintergrund der vorliegenden Arbeit bilden. Im Kapitel 3 werden die Ziele der Arbeit und die zu untersuchenden Hypothesen

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dargestellt. Im Kapitel 4 wird die methodische Vorgehensweise erörtert. Dies betrifft im Einzelnen: das Studiendesign, die erschlossenen Datenquellen, die Verfahren zur Datenerhebung, die Methodik zur Quantifizierung und Bewertung der Leistungen sowie Ressourcen, die Ermittlung der Kosten und die Erhebungsansätze, die Bildung der Subgruppen für die Subgruppenanalyse, die Messung und Bewertung des Outcomes

„Lebensqualität“, die Untersuchung der Kosten-Effektivitäts-Relationen und schließlich die angewandten statistischen Verfahren zur Berechnung von Kosten, zur ein- sowie multifaktoriellen Analyse und zur Behandlung von Missings. Das Kapitel 5 befasst sich mit der Studienpopulation. Die Ergebnisse der Arbeit werden im Kapitel 6 vorgestellt. Dabei stellt das erste Unterkapitel auf die 1. Hypothese ab und präsentiert die Ergebnisse der stationären Versorgung nach dem akuten Infarktereignis im Initialindex. Das zweite Unterkapitel fokussiert auf die 2. Hypothese und stellt die Ergebnisse des Nachbeobachtungszeitraums von einem Jahr nach dem akuten Infarktereignis im Follow- up-Index dar. Das dritte Unterkapitel bezieht sich auf die 3. Hypothese und zeigt die Ergebnisse der multivariaten Regressionsanalyse zu den Einflussfaktoren, insbesondere der Technologie, auf die Kosten auf. Das letzte Unterkapitel 4 geht auf die 4. Hypothese ein und analysiert die Subgruppenunterschiede nach Geschlecht und Alter. Im Anschluss daran werden im Kapitel 7 die methodischen Aspekte und die Ergebnisse der Arbeit kritisch gewürdigt. Dabei wird vergleichend auch auf die Ergebnisse anderer Studien eingegangen. Schlussfolgerungen und Erkenntnisse aus vorliegender Untersuchung werden im Kapitel 8 abgehandelt. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung im Kapitel 9 ab.

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2 Hintergrund

2.1 Grundlagen der gesundheitsökonomischen Evaluation 2.1.1 Ziele und Aufgaben der Gesundheitsökonomie

Die Knappheit der verfügbaren Mittel einerseits und die Unbegrenztheit der Bedürfnisse nach umfassenden und besseren Gesundheitsleistungen andererseits erfordern ein ökonomisches Handeln im Gesundheitswesen (Schöffski 2008a, Adam und Henke 2006, Sangha und Schneeweiß 2000, Lauterbach und Lüngen 2000). An der Lösung des Knappheitsproblems setzt die Gesundheitsökonomie an, die verstanden wird als „die Analyse der wirtschaftlichen Aspekte des Gesundheitswesens unter Verwendung von Konzepten der ökonomischen Theorie“ (Schulenburg 2008). Die Gesundheitsökonomie baut hauptsächlich auf Ansätzen aus der Volkswirtschaftslehre, der Betriebswirtschaftslehre und aus der Versicherungswissenschaft auf, wobei Erkenntnisse aus anderen Disziplinen, wie u. a. Medizin, Psychologie, Soziologie und Technik, einfließen (Wasem und Hessel 2000). In der Literatur sind andere Begriffe wie Pharmakoökonomie und Versicherungsökonomie anzutreffen. Da pharmakoökonomische Studien mit dem Schwerpunkt auf Arzneimittel methodisch und inhaltlich deckungsgleich mit gesundheitsökonomischen Evaluationsstudien sind, wird es für nicht notwendig erachtet, diese Unterscheidung zu machen (Schöffski 2008a). Die Versicherungsökonomie dagegen wird als Teildisziplin der Gesundheitsökonomie angesehen (Schöffski 2008a).

Ungeachtet der unterschiedlichen Begrifflichkeiten gilt im Allgemeinen, dass die Gesundheitsökonomie mehrere Themengebiete mit beschreibendem und/oder mit analytischem Charakter umfasst, die nach Wasem und Hessel 2000 wie folgt gegliedert werden können:

(1) die Beschreibung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens und der dazu gehörigen Finanzströme

(2) die Ermittlung und Beschreibung der Einflussfaktoren auf die Gesundheitsmärkte und der damit verbundenen Steuerungsmechanismen

(3) die Beschreibung des Gesundheitsverhaltens der Bevölkerung

(4) die Beschreibung der Möglichkeiten der „Produktion“ des Gutes „Gesundheit“

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(5) die ökonomische Analyse gesundheitspolitischer Entscheidungsprozesse und deren Folgen und

(6) die ökonomische Analyse verschiedener Organisationsformen sozialer Absicherungssysteme (z. B. Krankenversicherung).

Die Gesundheitsökonomie beinhaltet zwei Grundausrichtungen (Wasem und Hessel 2000). Zum einen beschäftigt sich der betriebswirtschaftliche Zweig mit dem Management von Gesundheitseinrichtungen (z. B. Krankenhäuser, Arztpraxis). Dabei stehen die individuellen oder kollektiven Interessen der Leistungserbringer im Vordergrund. Zum anderen befasst sich die medizinisch- und patientenorientierte Richtung mit der

„Bewertung definierter präventiver, therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen in Form der gesundheitsökonomischen Evaluation“ (Wasem und Hessel 2000) mit dem Ziel der Wohlstandsmaximierung aus der gesellschaftlichen Perspektive, wobei auch andere Sichtweisen möglich sind.

Das theoretische Fundament der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die ökonomische Wohlfahrtstheorie (Greiner 2006, Leidl 2003), die normativ die Bedingungen für das Erreichen des gesellschaftlichen Optimums in der Allokation von Ressourcen beschreibt (Leidl 2003). Im Gesundheitswesen impliziert es, die begrenzten Mittel dort einzusetzen, wo der Nutzen am größten ist (Schöffski 2008a). Basierend auf der Vorstellung der Wohlstandsmaximierung werden in der gesundheitsökonomischen Evaluation die Effizienz und die Effektivität von medizinischen Maßnahmen im Gesundheitssektor bzw. von Gesundheitstechnologien gemessen und beurteilt (Wasem und Hessel 2000). Allerdings stellt die gesundheitsökonomische Evaluation „keine einheitliche Methode und kein einheitliches Studiendesign dar“ (Wasem und Hessel 2000).

Die gesundheitsökonomische Evaluation ist vielmehr ein „Überbegriff für alle Studien im Gesundheitswesen“ (Schöffski 2008a), die der ökonomischen Bewertung von medizinischen Maßnahmen zum Ziel haben. Die gewählte Methode und das Studiendesign hängen vom jeweiligen Untersuchungsziel ab. Generell stellen die Kosten als bewerteter Ressourcenverbrauch (Krauth 2008) und Effekte bzw. Nutzen von medizinischen Maßnahmen die Hauptkomponenten der gesundheitsökonomischen Evaluation dar (Leidl 2003), die dabei einander gegenübergestellt werden.

(18)

In der Literatur werden unterschiedliche Begriffe im Sinne einer gesundheits- ökonomischen Evaluation verwendet, da es kein einheitliches Verständnis für die Evaluation im Gesundheitswesen gibt (Schwartz et al. 2006). Bezeichnungen wie

„Kostenanalyse“, „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Gesundheitswesen“, „Kosten- Nutzen-Analyse“ (die gleichzeitig für eine Evaluationsgrundform verwendet wird) und

„Nutzen-Kosten-Analyse“ werden Synonym zur gesundheitsökonomischen Evaluation verwendet (Schöffski 2008a). Zur Herstellung der Vergleichbarkeit und der Transparenz von gesundheitsökonomischen Evaluationsstudien werden sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene grundsätzliche Empfehlungen gegeben bzw. durch entsprechende Standards einheitliche Anforderungen für die Durchführung von gesundheits- ökonomischen Evaluationen aufgestellt (CADTH 2006, COCHTA 1997, Balas et al. 1998, Drummond und Jefferson 1996, Glaser 1998, Graves et al. 2002, Hannoveraner Konsensgruppe 2007, Krauth et al. 2005, Walker 2001, Wasem und Hessel 2000). Die Standards beziehen sich vor allem auf den Aufbau und die Methodik der Studien. Im nachfolgenden Abschnitt wird ein Überblick über die Grundformen der gesundheitsökonomischen Evaluation, die Grundbestandteile eines Studiendesigns, die Kosten und Effekte, die mit einer gesundheitsökonomischen Evaluation einhergehen, gegeben.

Auch wenn unterschiedliche Begrifflichkeiten in der Literatur verwendet werden, wird im Allgemeinen die zentrale Aufgabe der gesundheitsökonomischen Evaluation darin gesehen, die ökonomischen Grundlagen zur Fundierung von Entscheidungen im Gesundheitswesen zu liefern (Sachverständigenrat 1998, Wasem und Hessel 2000).

Zudem liefern Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluation die Grundlagen für sekundäre Analysen wie Health Technology Assessment (HTA) und Evidence Based Medicine (Wasem und Hessel 2000). Darüber hinaus können Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluation dazu beitragen, Versorgungsdefizite und unwirtschaftliche Maßnahmen aufzudecken (Sachverständigenrat 1998). Das Kosten- Leistungsverhältnis kann durch die gesundheitsökonomische Evaluation transparenter gemacht werden (Sachverständigenrat 1998). Ferner können die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluation dazu dienen, die Öffentlichkeit zu informieren und damit deren Verhalten zu beeinflussen (Schöffski 2008a, Sachverständigenrat 1998).

(19)

2.1.2 Arten von gesundheitsökonomischen Evaluationen 2.1.2.1 Vorbemerkungen

Die gesundheitsökonomische Evaluation ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Methoden mit unterschiedlichen Studiendesigns zur Bewertung der Kosten und gegebenenfalls der Effekte von medizinischern Maßnahmen, Behandlungstechnologien und Krankheiten (Wasem und Hessel 2000, Schöffski 2008b). Im Allgemeinen werden zwei Hauptunterscheidungsmerkmale für die Einteilung der Evaluationsarten verwendet.

Zum einen können sich die Studienformen dadurch unterscheiden, ob sie einen vergleichenden Charakter haben oder nicht (Schöffski 2008b). Zum anderen darauf, ob die Studienformen beide Parameter - Kosten und Nutzen - gleichzeitig in die Analyse einbeziehen oder nicht (Greiner 2006). Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Evaluationsgrundformen nach beiden Unterscheidungskriterien. Nachfolgend werden zwei Studiengrundformen ohne vergleichenden Charakter und vier mit vergleichendem Charakter kurz dargestellt.

Abbildung 1: Grundformen gesundheitsökonomischer Studien

Krankheits- kostenanalyse

Kostenanalyse

Kosten- Nutzen- Analyse

Kosten- Effektivitäts-

Analyse

Kosten- Nutzwert-

Analyse Effekte in

Geldeinheit

Effekte in natürlicher Einheit

Effekte in Nutzwert- einheit Vergleichende Studien

Kosten- Kosten- Analyse

Studien nur mit Kosten Studien mit Kosten und Effekten Nicht-vergleichende Studien

2.1.2.2 Nicht-vergleichende Studien (1) Die Kosten-Analyse (cost-analysis)

ist eine Studienform, in der ausschließlich die Kosten einer medizinischen Maßnahme evaluiert werden. Dabei können die direkten und die indirekten Kosten einbezogen werden (Schöffski 2008b). Es erfolgt kein Alternativvergleich mit einer

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anderen Maßnahme und die Effekte bleiben außer Acht. Ermittelt werden z. B. die Kosten einer Nierentransplantation oder die Kosten einer Chemotherapie bei Brustkrebs. Als nachteilig bei dieser Methode wird angesehen, dass die reine Kenntnis der Kosten eine Entscheidung zugunsten oder zuungunsten der untersuchten Maßnahme nicht begründen kann (Schöffski 2008b). Eine noch kritischere Betrachtung in der Literatur empfiehlt, solche Analyseformen ohne Vergleichscharakter - wie die Kosten-Analyse - nicht zu den Evaluationsstudien zu zählen (Wasem und Hessel 2000). Dies wird damit begründet, dass die Bezeichnung „Evaluation“ eine Wertung unterstellt (Wasem und Hessel 2000), was bei der Methode „Kosten-Analyse“ unterbleibt. Es wird dennoch auf die Bedeutung dieses Studientyps hingewiesen, da er die Grundlage für weitere Evaluationsformen bildet (Greiner 2006). Daneben wird ein Vorteil darin gesehen, dass die Kostenanalyse Erkenntnisse über den durchschnittlichen Ressourcenverbrauch für Pauschal- vergütungssysteme im Gesundheitssektor liefert (Greiner 2006).

(2) Die Krankheitskosten-Analyse (cost-of-illness studies)

ist eine Studienform, in der die Kosten einer Krankheit oder einer Krankheitsgruppe als Ganzes evaluiert werden (Schöffski 2008b). Diese Studienform ist in Deutschland gebräuchlich, um die volkswirtschaftliche Bedeutung einer Krankheit aufzuzeigen (Schöffski 2008b). Dabei werden die volkswirtschaftlichen Kosten von Krankheiten ermittelt, indem die direkten und indirekten Kosten für einen definierten Zeitraum einbezogen werden. Der Kostenerfassungszeitraum kann entweder retrospektiv nach dem Prävalenzansatz oder prospektiv nach dem Inzidenzansatz gewählt werden, wobei meistens ein Jahr als Zeitraum genommen wird (mehr dazu vgl. Greiner 2006, Schöffski 2008b). Für eine Detailanalyse können die ermittelten Gesamtkosten in einzelne Kostenkomponenten (z. B. Rehakosten, Arzneimittelkosten, Arztkosten, Arbeitsunfähig- keitskosten) zerlegt werden. Für die Durchführung von Krankheitskostenstudien können aggregierte Daten oder populationsbezogene Daten auf Patientenebene zugrunde gelegt werden (Schöffski 2008b).

Die Krankheitskosten-Analyse ist keine vergleichende Studie, die alternative medizinische Maßnahmen gegenüberstellt. Ihre Bedeutung wird primär darin gesehen, dass sie Informationen für allokationspolitische Entscheidungen im Gesundheitssektor liefern kann (Schöffski 2008b, Greiner 2006). So kann beispielsweise anhand der

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ermittelten volkswirtschaftlichen Kosten die Notwendigkeit von präventiven, kurativen oder rehabilitativen Maßnahmen zugunsten bestimmter Erkrankungen aufgezeigt werden (Schöffski 2008b). Zudem lassen sich bei dieser Studienform mittels Subgruppenanalysen zusätzliche Erkenntnisse für ein zielgerichtetes, differenziertes Vorgehen gewinnen (Schöffski 2008b). Zu diesem Zweck kann die gesamte erkrankte Population nach bestimmten Merkmalen, wie medizinischen Indikatoren (z. B. Schweregrad der Erkrankung, Symptomen, Risikofaktoren), soziodemographischen Charakteristika (z. B.

Alter, Geschlecht, Berufsstatus) und geographischen Einzugsgebieten (z. B. Land, Stadt) in Gruppen unterteilt und spezifisch untersucht werden.

Ein weiterer Vorteil der Krankheitskosten-Analyse wird darin gesehen, dass die volkswirtschaftlichen Kosten als Grundlage für unternehmenspolitische Entscheidungen, insbesondere aus dem pharmazeutischen und medizintechnischen Bereichen, zur Abschätzung künftiger Investitionsbedarfe dienen können (Schöffski 2008b).

Die Hauptkritik an der isolierten Betrachtung von Krankheitskostenstudien setzt an den Umstand an, dass sie nur absolute Kostenbeträge liefern, jedoch keine „ökonomische Überlegenheit einer Handlungsalternative gegenüber der anderen“ (Greiner 2006) aufzeigen kann. Es wird darin die Gefahr von gesundheitspolitischen Fehlentscheidungen gesehen (Greiner 2006).

2.1.2.3 Vergleichende Studien

(1) Die Kosten-Vergleichs-Analyse - auch Kosten-Kosten-Analyse (cost-cost analysis) bzw. Kostenminimierungs-Analyse (cost-minimization analysis) genannt

ist eine Studienform, in der die Kosten von alternativen medizinischen Maßnahmen gegenübergestellt werden (Wasem und Hessel 2000). Es werden dabei zwei separate Kostenberechnungen vorgenommen, mit dem Ziel, die kostengünstigere Alternative zu ermitteln, wobei direkte und auch indirekte Kosten einbezogen werden können (Schöffski 2008b). Vorraussetzung zur Anwendung dieses Studientyps ist, dass die medizinischen Effekte der betrachteten Alternativen gleich sind und die Kostenbewertung unter gleichen Studienbedingungen erfolgt (Greiner 2006, Schöffski 2008b). In der Realität zeigt sich aber im Allgemeinen, dass die Behandlungsmethoden und die medizinischen Technologien sich hinsichtlich ihrer Outcomes unterscheiden (Greiner 2006), z. B. durch

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klinische Ergebnisse, adverse Ereignisse, Krankheitsverläufe und Lebensqualität. Eine Kostenvergleichsanalyse kann auch durchgeführt werden, wenn die Vorteilhaftigkeit einer Vergleichsalternative hinsichtlich der Effekte bereits nachgewiesen wurde und es nur noch darum geht, ihre Kostenvorteile herauszustellen (Wasem und Hessel 2000). Der Effektnachweis kann allgemeiner Natur sein und z. B. durch die Ergebnisse von klinischen Prüfungen oder Experteneinschätzungen erfolgen (Schöffski 2008b). Die Kostenvergleichsstudie stellt die einfachste Form der vergleichenden Studien dar (Wasem und Hessel 2000) und wird häufig aufgrund ihrer Praktikabilität in Auftrag gegeben (Schöffski 2008b).

(2) Die Kosten-Nutzen-Analyse (Cost-benefit analysis)

ist eine Studienform, in der alle relevanten Kosten und Nutzen einer Maßnahme einander gegenübergestellt werden, wobei der Nutzen in Geldeinheiten bewertet wird (Schöffski 2008b, Wasem und Hessel 2000). Es wird der Nettonutzen (Nutzen ./. Kosten) einer Maßnahme ermittelt, der Aufschluss darüber gibt, ob eine Maßnahme – bei positivem Nettonutzen – durchzuführen ist oder – bei negativem Nettonutzen – nicht (Krauth und Rieger 2000). Als Nutzen können unterschiedliche monetäre sowie nicht- monetäre Outcomeparameter (Greiner 2006, Wasem und Hessel 2000, Schöffski 2008b) verwendet werden, wie: Kosteneinsparungen durch den Einsatz einer Behandlungsmethode, Lebensqualitätsverbesserungen, Auswirkungen auf die Lebenszeit, klinische Ergebnisse, schmerzfreie Tage, vermiedene Rehospitalisationen, vermiedene Restenosefälle bei Herzinfarkt, vermiedene Arbeitsunfähigkeitstage.

Zur Bewertung der nicht-monetären Nutzen in Geldeinheiten können verschiedene Bewertungsmethoden wie der Akzeptanzbereitschafts-Ansatz, der Humankapital-Ansatz (human capital -approach) und der auf die Wohlfahrtsökonomik basierende Zahlungs- bereitschafts-Ansatz (willingness to pay-approach,) herangezogen werden (Krauth und Rieger 2000, Wasem und Hessel 2000). Auf eine detaillierte Darstellung dieser Bewertungsansätze wurde an dieser Stelle aufgrund mangelnden Bezugs zur vorliegenden Arbeit verzichtet (mehr dazu vgl. Krauth und Rieger 2000, Greiner 2006).

Zum Verständnis der nachfolgend angeführten Kritik an der Kosten-Nutzen-Analyse als Evaluationsform sei jedoch angemerkt, dass bei der häufig verwendeten Zahlungs- bereitschafts-Methode ein konkreter Geldbetrag – beispielsweise für einen bestimmten

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Gesundheitszustand und die damit verbundene Gesundheitsleistung – ermittelt wird, den die Probanden zu zahlen bereit sind (Greiner 2006).

Vorteile der Kosten-Nutzen-Analyse werden zum einen darin gesehen, dass durch die monetäre Bewertung der Effekte eine direkte Vergleichbarkeit mit den Kosten hergestellt wird (Krauth und Rieger 2000). Zum anderen können durch die Bewertung in Geldeinheiten intangible Effekte, wie Schmerzen oder physische Einschränkungen, in die Berechnung einbezogen werden; dies ist ein entscheidender Unterschied z. B. zu Kosten- Vergleichsanalysen (Schöffski 2008b). Darüber hinaus können im Rahmen von globalen allokationspolitischen Entscheidungen intersektorale Vergleiche von Investitions- maßnahmen, z. B. Gesundheitssektor vs. Bildungssektor, durchgeführt werden (Krauth und Rieger 2000).

Obwohl die Kosten-Nutzen-Analyse die klassische Form der ökonomischen Evaluation darstellt, die auch in vielen Bereichen außerhalb des Gesundheitswesens angewandt wird, ist ihre Übertragung auf das Gesundheitswesen mit viel Kritik verbunden (Schöffski 2008b, Wasem und Hessel 2000). Methodisch werden folgende Gefahren mit der Verwendung von Zahlungsbereitschaft zur Nutzenbewertung verbunden (Greiner 2006): (1) strategischer Bias (Verschleierung der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft durch überhöhte Angaben der Probanden in Interviews), (2) Interviewer-bias (Probanden- Antworten orientieren sich daran, dem Interviewer zu gefallen) und (3) range bias (Einflussnahme auf das Antwortverhalten der Probanden durch Interviewer-Vorgaben).

Aufgrund dieser methodischen Schwächen gibt es die Empfehlung, auf die Anwendung dieses Studientyps zu verzichten (Schöffski 2008b).

Aus verteilungspolitischer Sicht wird die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit der Zahlungsbereitschaft insofern kritisiert, dass die höhere Zahlungsbereitschaft der einkommensstärkeren Gesellschaftsgruppen die Allokationsentscheidungen maßgeblich beeinflussen kann (Schöffski 2008b, Krauth und Rieger 2000). Aus ethischer Sicht stößt die Zuweisung eines bestimmten Geldbetrags für menschliches Leben (z. B. durch Verbesserung der Lebensqualität oder durch Vermeidung eines krankheitsbedingten Todesfalls) auf geringe Akzeptanz bei Ärzten, Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit (Schöffski 2008b, Greiner 2006).

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Vor diesem Hintergrund kann festgestellt werden, dass bislang die „Reduzierung aller Effekte im Gesundheitswesen auf monetäre Größen sich für allokationspolitische Entscheidungen im Gesundheitswesen nicht durchgesetzt hat“ (Schöffski 2008b).

(3) Kosten-Wirksamkeits-Analyse - auch Kosten-Effektivitäts-Analyse (cost- effectiveness analysis) genannt

ist eine Evaluationsform, in der die Kosten in Beziehung zu den Effekten in natürlichen Einheiten gesetzt werden. Sie stellt die gebräuchlichste Methode in der gesundheitsökonomischen Evaluation dar (Schöffski 2008b) und wurde in vorliegender Arbeit verwendet. Als Effekte können unterschiedliche Outcomeparameter herangezogen werden (mehr dazu siehe Abschnitt 2.1.5.1), z. B. Blutdrucksenkung, Restenoserate, Todesrate oder Arbeitsunfähigkeit.

Zur Beurteilung der Effektivität von medizinischen Maßnahmen bzw. von Programmen werden Kosten-Effektivitäts-Quotienten (cost-effectiveness ratio = CER) gebildet. Es werden z. B. die Kosten je Arbeitsunfähigkeitstag untersucht. Am häufigsten wird dabei der inkrementelle Ansatz verwendet, in der einerseits die Kosten und andererseits die Effekte zweier Maßnahmen gegeneinander gerechnet und die Differenzen anschließend in Relation gesetzt werden (Greiner 2006). Der daraus resultierende Quotient wird als inkrementeller Kosten-Effektivitäts-Quotient (incremental cost-effectiveness ratio = ICER) bezeichnet und gibt die zusätzlichen Kosten einer Maßnahme gegenüber einer anderen je zusätzliche Nutzeneinheit an (McGuire 2001).

Werden z. B. Maßnahmen A und B miteinander inkrementell verglichen, ergibt sich:

ICER= Ca-Cb = ΔC Ea-Eb ΔE

wobei C = Kosten, E = Effekte bzw. Nutzen bezeichnet (McGuire 2001). ICERs können sowohl positive als auch negative Werte annehmen.

Es ergeben sich dabei nach McGuire 2001 vier mögliche Grundkonstellationen:

(1) A hat niedrigere Kosten und höhere Effekte, A ist somit die dominante Alternative;

(2) B hat niedrigen Kosten und höhere Effekte, B ist somit die dominante Alternative;

(3) A hat höhere Kosten und höhere Effekte, es entsteht eine „Trade-off“-Situation, in der Mehrkosten gegen Effektgewinne abzuwägen sind;

(4) B hat niedrigere Kosten und niedrigere Effekte, es entsteht eine „Trade-off“-Situation, in der Kostenersparnisse gegen Effektverluste abzuwägen sind.

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Bei einer graphischen Darstellung lassen sich diese Konstellationen in ein 4-Felder Diagramm transponieren, wie in der Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Inkrementelles Kosteneffektivitäts-Diagramm

II I Rc

niedrige Effektdifferenz hohe Effektdifferenz

III IV

Inkrementelle Kosten/Nutzen A (neu) gegenüber B (alt); Rc = höchstakzeptable ICER bei "Trade-off"

hohe Kostendifferenz

niedrige Kostendifferenz

(Dominanz A) (Trade-off)

(Dominanz B)

niedrigere Kosten und höhere Effekte von A höhere Kosten und

niedrigere Effekte von A

(Trade-off)

höhere Kosten und höhere Effekte von A

niedrigere Kosten und niedrigere Effekte von A

C

(Diagramm in Anlehnung an McGuire 2001, S. 11 f. und Briggs 2001, S. 174)

Im Diagramm stellt C der Punkt dar, in welchem Kosten und Effekte von A und B gleich sind (CA-CB=0 und EA-EB=0). Die Gerade Rc bildet alle Punkte mit gleichen ICERs bei unterschiedlichen inkrementellen Kosten und Effekte ab. Sie stellt dabei der maximal akzeptable Kosten-Effektivitäts-Quotient (ceiling ratio) dar und gilt als Schattenpreis für eine Effekt-Einheit (Briggs 2001). Alle ICERs in Felder I und III (Trade-off-Situationen), die unterhalb Rc liegen (d.h. ICER<Rc), gelten dementsprechend als kosteneffektiv.

Kritisiert wird an der Kosten-Effektivitäts-Analyse zum einen die mangelnde Berücksichtigung der Patientensicht. Zum anderen wird unter Allokationsgesichtpunkten die fehlende Vergleichbarkeit zwischen Programmen aus unterschiedlichen Gesundheitsbereichen bemängelt (Schöffski 2008b, Greiner 2006). Diesen Schwächen wurde in einer anderen Evaluationsform – der Kosten-Nutzwert-Analyse – Rechnung getragen (Greiner und Uber 2000).

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(4) Kosten-Nutzwert-Analyse (cost-utility analysis)

ist eine Form der gesundheitsökonomischen Evaluation, in der die Kosten in Relation zu Nutzwerten der Lebensqualität gesetzt werden (Böhmer und Kohlmann 2000, Schöffski 2008b). Diese Analyseform eignet sich für Untersuchungen der Lebensqualität von Patienten als eines der Hauptziele von medizinischen Maßnahmen (Böhmer und Kohlmann 2000). Sie ergänzt auch Evaluationsmethoden, die auf die Bewertung der medizinischen Effektivität basieren (Greiner 2006). Als Nutzwert werden am häufigsten die QALYs - qualitätskorrigierte Lebensjahre - verwendet, die den subjektiv bewerteten Gesundheitszustand und die mit diesem Gesundheitszustand verbundene Zeitdauer miteinander verknüpfen (Böhmer und Kohlmann 2000, Schöffski 2008b, Greiner 2006).

Das QALYs-Konzept wird im Abschnitt 2.1.5.5 dargestellt.

Die Hauptvorteile der Kosten-Nutzwert-Analyse werden zum einen darin gesehen, dass die Patientensicht im Gegensatz zu den übrigen Ansätzen berücksichtigt wird (Schöffski 2008b) und eine Bewertung der Effekte in Geldeinheiten nicht erforderlich ist.

Zum anderen ermöglicht diese Analyseform prinzipiell einen Vergleich von medizinischen Maßnahmen aus unterschiedlichen Gebieten oder von Therapiegruppen durch eine einheitliche Maßeinheit (Böhmer und Kohlmann 2000, Schöffski 2008b, Greiner 2006).

Die Nachteile dieser Methode hängen mit der Maßeinheit QALY zur Quantifizierung der Effekte zusammen. Hinzu kommt, dass die Kosten-Nutzen-Relationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in Abhängigkeit vom gewählten Ansatz zur Lebensqualitätsbewertung (siehe Abschnitt 2.1.5.4) führen, was die Vergleichbarkeit zwischen zwei Studien ausschließt (Greiner 2006).

2.1.3 Studiendesign

In der gesundheitsökonomischen Evaluation werden unterschiedliche Studien- designs in Abhängigkeit von der Fragestellung verwendet. Aus Transparenzgründen und zur Erhöhung der Interpretationsfähigkeit sowie zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse werden Mindestanforderungen an Studien hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Methodik gestellt (Hannoveraner Konsensgruppe 2007, Greiner und Schöffski 2008). Diese Mindeststandards beziehen sich auf die Offenlegung Studien gestaltender Bestandteile.

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Nachfolgend werden die wesentlichen davon dargestellt, welche auch für die vorliegende Arbeit relevant sind:

Studienform

Es gibt unterschiedliche Studienformen für die gesundheitsökonomische Evaluation, die in Abhängigkeit vom Gegenstand und Ziel der jeweiligen Untersuchung gewählt werden. Die Studienform bestimmt, ob neben den Kosten auch Effekte in die Analyse mit einbezogen werden und welche Ergebnisse zu erwarten sind (Hannoveraner Konsensgruppe 2007). Die unterschiedlichen Grundformen gesundheits-ökonomischer Evaluationsstudien wurden bereits im Abschnitt 2.1.2 dargestellt.

Studienperspektive

Gesundheitsökonomische Evaluationsstudien können aus unterschiedlichen Perspektiven durchgeführt werden. „Als Perspektive wird der Standpunkt bezeichnet, aus dessen Sicht die Kosten und Nutzen erfasst und bewertet werden“ (Hannoveraner Konsensgruppe 2007). Neben der Studienform bestimmt die Perspektive, welche Kosten- und Nutzenparameter in die Analyse einbezogen werden (Glaser 1998, Greiner und Schöffski 2008). Die gesellschaftliche Perspektive, auch volkswirtschaftliche Perspektive bzw. soziale Perspektive genannt, stellt den umfassendsten Ansatz dar (Konsensgruppe

„Gesundheitsökonomie“ 1996, Greiner und Schöffski 2008). Dabei werden sämtliche relevanten Kosten- und Nutzenkomponenten (direkte, indirekte, intangible) berücksichtigt, unabhängig davon, bei wem sie anfallen (Greiner und Schöffski 2008). Die gesellschaftliche Perspektive, die auch in vorliegender Arbeit eingenommen wurde, wird in den meisten nationalen sowie internationalen Guidelines zu gesundheitsökonomischen Evaluationen empfohlen (Adam et al. 2003, AG Reha-Ökonomie 1999a). Zudem sind Betrachtungen aus der Sicht der Leistungserbringer (z. B. Krankenhaus, Arztpraxis), der Leistungsfinanzierer (z. B. Krankenkassen) und der Patienten möglich, wobei nur die aus der jeweiligen Sicht relevanten Kosten- und Nutzenkomponenten einbezogen werden. Die gesellschaftliche Perspektive eignet sich gerade auch für Studienvergleiche im Gesundheitswesen (Greiner und Schöffski 2008). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesellschaftliche Sicht das gesamtwirtschaftliche Optimum zum Ziel hat, während die Sicht der Krankenkassen und der Krankenhäuser die Budgetoptimierung verfolgt (Greiner und Schöffski 2008). Dennoch kann der Vergleich zwischen gesellschaftlicher Perspektive

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und anderen Sichtweisen sinnvoll sein, um die gesellschaftlichen Auswirkungen von medizinischen Maßnahmen herauszustellen (Greiner und Schöffski 2008). Weitere Perspektiven sind z. B. die Sicht der niedergelassenen Ärzte, der Angehörigen von Patienten und der Arbeitgeber (Hannoveraner Konsensgruppe 2007, Greiner und Schöffski 2008, AG-Reha-Ökonomie 1999a).

Daten und Datenquellen

Zur Durchführung einer gesundheitsökonomischen Evaluationsstudie können Daten aus unterschiedlichen Quellen erschlossen werden (Greiner 2008), wie beispielsweise:

amtliche Statistiken (z. B. Statistisches Bundesamt), administrative Quellen (z. B.

Krankenkassen), Daten der Leistungserbringer (z. B. Krankenhäuser), Daten von Patienten, aus klinischen Studien oder aus Anwendungsbeobachtungen.

In zeitlicher Hinsicht wird zwischen retrospektiven Daten, die bereits für andere Zwecke erhoben wurden (vorhandene Vergangenheitsdaten) und prospektiven Daten, die für die Fragestellung neu erhoben werden, unterschieden (Glaser 1998). Retrospektive Daten werden wiederum in Primärdaten, die am Entstehungsort gewonnen werden (z. B.

Patientenakte, epidemiologische Studien, Datenbanken) und in Sekundärdaten, die mehr oder weniger aggregiert sind (z. B. administrative Daten, amtliche Statistiken, Literatur) unterschieden (Glaser 1998). Der Vorteil von retrospektiven Daten wird darin gesehen, dass sie gut verfügbar und kostengünstig sind (Glaser 1998). Dadurch können sie für eine größere Studienpopulation herangezogen werden und die Generalisierung der Ergebnisse ermöglichen (Glaser 1998). Nachteilig ist, dass die Daten für andere Zwecken erhoben wurden und nicht alle relevanten Informationen enthalten, z. B. Lebensqualitätseffekte (Glaser 1998). Prospektive Daten dagegen sind zielgerichtet und können besser dem Untersuchungsgegenstand angepasst werden. Ihnen wird daher den Vorzug gegeben (Glaser 1998).

Nach dem Aggregationsgrad können die Daten zum einen nach dem Top-down- Ansatz erhoben werden (Glaser 1998). Dabei werden hoch aggregierte Daten für die Analyse mittels Verteilungsschlüssel auf einzelne Einheiten heruntergebrochen. Dies ist meistens der Fall bei Sekundärdaten (z. B. Produktivitätsstatistik, Gesundheitsausgaben).

Zum anderen kann die Datenerhebung nach dem Bottom-up-Ansatz erfolgen (Glaser 1998). Dabei werden einzeln erhobene Daten verdichtet, um generelle Analyseparameter

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abzuleiten. Dies betrifft Primärdaten, wie z. B. die Schweregradstatistik einer Erkrankung anhand von Patientenakten. Die Aggregation der Daten kann nach Institution (z. B. Reha- Statistik der Rentenversicherung, Arbeitsunfähigkeitstatistik der Krankenkassen, Entlassungsdiagnosenstatistik der Krankenhäuser) oder nach Funktion (z. B. Unfälle, Arbeitsunfähigkeit, Erkrankungstypen) erfolgen (Glaser 1998). Die über den Top-down- Ansatz gewonnenen Daten aus amtlichen oder administrativen Statistiken sind zwar für eine schnelle Kostenermittlung praktikabel, weisen jedoch aufgrund ihrer hohen Verdichtung viele Mängel auf (Glaser 1998), z. B. hinsichtlich des Informationsgehalts, der Aktualität, Vollständigkeit und Homogenität der Daten sowie der Repräsentativität des erfassten Personenkreises (z. B. Datenaggregation nur anhand des Versichertenkollektivs einer Krankenkasse). Um die aggregierten Daten anwenden zu können, sind meistens Annahmen erforderlich. Den mit dem Bottom-up-Ansatz erhobenen Daten wird daher wegen ihrer hohen Validität häufig der Vorzug gegeben (Glaser 1998). Allerdings ist deren Erhebung arbeits-, zeit- und kostenintensiver. Darüber hinaus können Modelle zur Generierung von Daten wie Outcomeparameter verwendet werden, was zu starken interdisziplinären methodischen Kontroversen führte (Glaser 1998).

Alle Datenquellen eignen sich nicht in gleichem Maße für die gesundheits- ökonomischen Analysen (Greiner 2008). Im Zusammenhang mit der Datenqualität wird zwischen innerer Validität und externer Validität unterschieden (Glaser 1998). Eine hohe innere Validität (z. B. bei klinischen Studien unter kontrollierten Bedingungen) bietet den Vorteil, dass die Daten frei von Bias sind, während eine hohe externe Validität - wie dies bei sozialwissenschaftlichen Beobachtungsstudien und Varianzanalysen der Fall ist - eine Generalisierung der Ergebnisse ermöglicht (mehr dazu siehe Glaser 1998).

Kostenermittlung

Dabei geht es um die relevanten Kostenarten, welche in einer Analyse einbezogen werden. Es wird der Ressourcenverzehr ermittelt und nach unterschiedlichen Ansätzen bewertet. Die Kostenarten sowie die Ansätze zu Kostenerfassung und zur Kosten- bewertung werden im Abschnitt 2.1.4.1 bzw. 2.1.4.2 dargestellt.

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Effekte

Es handelt sich um Parameter, die die Ergebnisse von medizinischen Maßnahmen für die gesundheitsökonomische Evaluation erfassen. Deren Auswahl hängt sowohl von der Studienform als auch von der Indikation ab (Konsensgruppe „Gesundheitsökonomie“

1996). Zur Bezeichnung von Effekten werden auch die Begriffe „Nutzen“, „Wirkung“

„Outcome“ und „Ergebnis“ verwendet. Die Art, Messung und Bewertung von Outcomes wird näher im Abschnitt 2.1.5 behandelt.

Zeithorizont

Es geht um den Zeitraum, in dem eine medizinische Maßnahme einen Einfluss auf die Kosten oder auf die Effekte/Ergebnisse (z. B. medizinische Parameter, Lebensqualität) erwarten lässt. Die Länge der Betrachtungsperiode variiert in Abhängigkeit vom Untersuchungsziel und kann einige Wochen oder mehrere Jahre, z. B. bei chronischen Erkrankungen, betragen (Hannoveraner Konsensgruppe 2007).

Sensitivitätsanalysen

Die meisten Daten in Evaluationsstudien gelten als unsicher und sind daher nicht in der Lage, die komplexe Realität vollständig abzubilden (Greiner und Schöffski 2008). Die Analyseergebnisse sind dementsprechend mit Unsicherheiten behaftet. Aus diesem Grund sollten Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, in der die Analyseparameter bzw. die Annahmen variiert werden, um die Auswirkungen der unsicheren Parameter auf die Ergebnisse aufzuzeigen (Greiner und Schöffski 2008). Bei Sensitivitätsanalysen wird als problematisch angesehen, dass die Variation eines Parameters unter der Konstant- haltung aller anderen Parameter vorgenommen wird und die Interaktionen dadurch außer Acht gelassen werden (Greiner und Schöffski 2008). Zudem herrscht methodisch noch Unklarheit über das Ausmaß der erforderlichen Variation (Greiner und Schöffski 2008). Es können anstelle von Sensitivitätsanalysen auch Varianzanalysen oder Entscheidungsbaumanalysen vorgenommen werden (Konsensgruppe

„Gesundheitsökonomie“ 1996).

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2.1.4 Kosten 2.1.4.1 Kostenarten

Die Kosten bilden neben den Effekten die Hauptbestandteile gesundheits- ökonomischer Evaluationen. Es hängt vom Untersuchungsgegenstand und von der gewählten Perspektive ab, welche Kostenkomponenten in die Analyse einbezogen werden. Die Kosten können zum Beispiel nach der Zurechenbarkeit (Greiner 2008) wie folgt unterteilt werden:

Direkte Kosten

Sie stellen den bewerteten Ressourcenverbrauch dar, der unmittelbar der Erbringung der Gesundheitsleistung zugerechnet wird (Greiner 2008). Es handelt sich dabei zum einen um direkte medizinische Kosten, die im medizinischen Versorgungs- sektor (z. B. Krankenhaus, Arztpraxis, Reha-Einrichtung) anfallen. Dazu zählen z. B.

Behandlungskosten, Heil- und Hilfsmittel, Medikamente, Krankentransporte, Physio- therapie. Zum anderen geht es um direkte nicht-medizinische Kosten, welche die Leistungen umfassen, die die gesundheitliche Versorgung unterstützen (Krauth et al.

2003). Darunter fallen beispielsweise die Kosten der Patientenzeiten, Zusatz- anschaffungen, Unterstützung durch Angehörige. Je nach Erkrankung können die direkten nicht-medizinischen Kosten erhebliche Bedeutung erlangen (Greiner 2008).

Indirekte Kosten

Die indirekten Kosten stellen die gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsausfälle durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (auch kurzfristige), Erwerbsunfähigkeit und vorzeitigem Tod dar (Greiner 2008). Dabei ist es unerheblich, ob Lohnersatzzahlungen geleistet werden und von wem sie gezahlt werden (AG Reha-Ökonomie 1999a). Es kommt häufig vor, dass die indirekten Kosten höher als die direkten Kosten ausfallen (Greiner 2008).

Zudem können die Kosten nach „Tangibilität“ (Greiner 2008) unterschieden werden in:

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Tangible Kosten

Sie stellen monetär messbare Kosten dar und können wiederum in direkte Kosten wie z.

B. Operationskosten und indirekte Kosten wie z. B. Arbeitsunfähigkeit unterteilt werden.

Intangible Kosten

Sie umfassen nicht-monetäre messbare Kosten. Auch hier kann theoretisch nach direkten Kosten, wie z. B. Behandlungsschmerzen, und indirekten Kosten, wie z. B. Lebens- qualitätsverlust, unterschieden werden. Diese Kosten spielen vor allem bei chronischen Erkrankungen ohne vollständige Heilungsmöglichkeit oder bei der Verminderung von Mortalität eine große Rolle (Greiner 2008). Da sich die intangiblen Kosten weitgehend mit den Wirkungen einer medizinischen Intervention decken, wird empfohlen, auf deren Erfassung als Kosten zu verzichten und sie stattdessen auf der Outcomeseite in Kosten- Nutzwert-Analysen zu erfassen, um eine Doppelzählung zu vermeiden (AG Reha- Ökonomie 1999a).

2.1.4.2 Kostenerfassung

Der Ressourcenverzehr kann zur Kostenermittlung in unterschiedlichen Detaillierungsgraden je nach Untersuchungsziel quantitativ erfasst werden (AG Reha- Ökonomie 1999a). Die Erfassung kann nach zwei Ansätzen erfolgen, die auch miteinander kombiniert werden können (Brouwer et al. 2001):

Nach dem Micro-Costing-Ansatz

Der Micro-Costing-Ansatz erfasst detailliert und umfassend den erforderlichen Ressourceneinsatz für die Erstellung der Gesundheitsleistungen (Brouwer et al. 2001, Luce et al. 1996). Dazu zählen z. B. folgende Ressourcen: Personal, Sachmittel, Overhead (Gemeinkosten z. B. für Leitung, Verwaltung, Energie u. a.), Kapital. Diese Vorgehensweise entspricht dem bereits oben erläuterten Top-down-Ansatz. Als nachteilig wird angesehen, dass diese Vorgehensweise zeitaufwendig und kostspielig ist. Hinzu kommt, dass die Verallgemeinerung eingeschränkt ist und Annahmen bezüglich der einbezogenen Ressourcenparameter und ihrer Qualität erforderlich sind (Luce et al.

1996). Der Micro-Costing-Ansatz wird dennoch prinzipiell bevorzugt, da zum einen Dritten ein genauer Einblick in die Analyse ermöglicht wird und zum anderen aufgezeigt werden kann, worin sich Behandlungsstrategien oder Behandlungseinheiten bzw. Service- einheiten beim Ressourcenverbrauch unterscheiden (Luce et al. 1996).

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Nach dem Gross-Costing-Ansatz

Der Gross-Costing-Ansatz erfasst aggregierte Leistungen als Indikator für den Ressourcenverbrauch (Brouwer et al. 2001, Luce et al. 1996). Diese Vorgehensweise entspricht dem bereits oben angeführten Bottom-up-Ansatz. Beispielsweise kann der Arztkontakt, der stationäre Krankenhausaufenthalt oder die Operation als Indikator für den Ressourcenverbrauch dienen. Auch die Gebührenordnungsziffern der EBM, GOÄ und G- DRG können zur Quantifizierung des Ressourcenverbrauchs herangezogen werden, was aus Krankenkassenperspektive angebracht ist (Greiner 2008). Diese Vorgehensweise ist kostengünstig und bietet bessere Möglichkeiten für die Verallgemeinerung (Brouwer et al.

2001). Der Nachteil von Gross-Costing liegt darin, dass die aggregierten Werte keinen detaillierten Aufschluss der Interventionskosten ermöglichen (Luce et al. 1996) Aus Leistungserbringer-Perspektive ist jedoch eine ausführliche Erfassung notwendig, um alle relevanten Ressourcenparameter einbeziehen zu können (Greiner 2008). In vielen Studien werden beide Ansätze derart kombiniert, dass Micro-Costing für die Ermittlung der direkten Kosten der Intervention und Gross-Costing für die übrigen Kosten (z. B.

Overhead, Kapitalkosten) eingesetzt werden (Raftery 2000).

Die Produktivitätsausfälle können nach folgenden Ansätzen erfasst werden, die die gesellschaftliche Perspektive darstellen (AG Reha-Ökonomie 1999b):

Nach Humankapitalansatz

Der Humankapitalansatz ist ein potentialorientiertes Konzept, der auf den Verlust an Produktivität infolge der Erkrankung abstellt (Krauth et al. 2005). Dabei umfasst der Produktivitätsverlust Arbeitsausfälle aufgrund von Arbeitsunfähigkeit, vorzeitiger Verrentung und vorzeitigem Tod (AG Reha-Ökonomie 1999b). Als Indikator für den Produktivitätsausfall wird das entgangene Arbeitseinkommen bis zum durchschnittlichen Renteneintrittsalter bzw. bis zum statistischen Lebensende verwendet, wobei das Bruttoeinkommen (einschließlich Lohnnebenkosten und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) zugrunde gelegt wird. Das entsprechende zukünftige Einkommen wird zum Analysezeitpunkt diskontiert (AG Reha-Ökonomie 1999b).

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Nach Friktionskostenansatz

Der Friktionskostenansatz dagegen ist ein empirisch fundiertes Konzept und zielt auf die Messung des tatsächlichen Produktivitätsausfalls ab (Krauth et al. 2005, AG Reha- Ökonomie 1999b, Sculpher 2001). Er berücksichtigt, im Gegensatz zum Humankapitalansatz, dass bei dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft der langfristige Ausfall von Mitarbeitern durch bisherige Arbeitslose kompensiert wird (Greiner 2008, Sculpher 2001). Dementsprechend beträgt der Produktivitätsverlust höchstens die durchschnittliche Dauer, die sog. Friktionsperiode, in der eine Stelle unbesetzt bleibt (Greiner 2008, Sculpher 2001). Als Indikator für die durchschnittliche Friktionsperiode wird die durchschnittliche Dauer aller bei den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen genommen (Greiner 2008).

In der gesundheitsökonomischen Evaluation wird häufig der Humankapitalansatz verwendet (Greiner 2008, Sculpher 2001, AG Reha-Ökonomie 1999b). In der Literatur besteht jedoch eine Kontroverse darüber, welcher der beiden Ansätze – Humankapitalansatz oder Friktionskostenansatz – die indirekten Kosten besser abbildet (Greiner 2008, Krauth et al. 2005). Der Hauptvorteil des Humankapitalansatzes wird vor allem in seiner theoretischen Fundierung gegenüber dem rein empirisch begründeten Friktionskostenansatz gesehen (Sculpher 2001). Daneben ermöglicht der Human- kapitalansatz, die Auswirkungen von gesundheitspolitischen und arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen zu trennen, während der Friktionskostenansatz ein aggregiertes Ergebnis liefert (Krauth et al. 2005). Der Humankapitalansatz führt aufgrund der unrealistischen Annahme der Vollbeschäftigung zur Überschätzung der Kosten des Produktivitätsausfalls, während der Friktionskostenansatz aufgrund der Annahmen zur Friktionsperiode zur Unterschätzung der Produktivitätsausfallkosten führt (Greiner 2008). Die Arbeitsgruppe (AG) „Reha-Ökonomie“ empfiehlt die Anwendung des Humankapitalansatzes mit der Option einer Überprüfung des Friktionskostenansatzes im Rahmen der Sensitivitätsanalyse (Krauth et al. 2005).

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2.1.4.3 Bewertung

Zur Bewertung des Ressourcenverbrauchs werden unterschiedliche Preise bzw.

Bewertungsparameter herangezogen, wie Marktpreise, staatlich administrierte Preise, kollektiv vertraglich vereinbarte Preise, betriebliche Bewertungskennziffern bzw.

Verrechnungspreise und Anschaffungspreise. Die Wahl des angemessenen Preises hängt auch von der jeweiligen Studienperspektive ab (Greiner 2008).

Es wird generell gefordert, die Bewertung der Gesundheitsleistungen auf die Opportunitätskosten (Knappheitspreise) abzustellen (AG Reha-Ökonomie 1999b, Greiner und Schöffski 2008), welche den Wert für die Alternativverwendung der genutzten Ressourcen darstellt. Basiert die Bewertung auf den Nutzen, wird von Alternativkosten gesprochen, welche den Wert für den entgangenen Nutzen der eingesetzten Ressourcen in der nächstbesten Verwendungsalternative darstellen (Greiner und Schöffski 2008).

Auf funktionierenden Märkten wird davon ausgegangen, dass Marktpreise die Opportunitätskosten widerspiegeln (AG Reha-Ökonomie 1999b). Im Gesundheitssektor dagegen – mit weitgehend nicht funktionierenden Märkten – können sog. Schattenpreise als Ersatz für Opportunitätskosten herangezogen werden. Diese Schattenpreise lassen sich nach verschiedenen Methoden bilden, auf die an dieser Stelle aus pragmatischen Gründen nicht näher eingegangen wird (mehr dazu siehe AG Reha-Ökonomie 1999b).

Als Schattenpreise können nach AG Reha-Ökonomie 1999b herangezogen werden:

(1) staatlich administrierte Preise (z. B. Gebührenordnungen), mit oder ohne Korrekturen durch Zu- bzw. Abschläge,

(2) kollektivvertraglich vereinbarte Preise, mit oder ohne Korrekturen durch Zu- bzw.

Abschläge (z. B. Punktwerte bei EBM/GOÄ im ambulanten Versorgungssektor, DRGs und Zusatzentgelte im stationären Versorgungssektor, Arzneimittelpreise in den Apotheken), (3) Selbstkosten der Leistungserbringer, mit oder ohne Korrekturen durch Zu- bzw.

Abschläge (z. B. innerbetriebliche Verrechnungspreise).

(36)

2.1.4.4 Kostenermittlungsansatz

In einer gesundheitsökonomischen Evaluation können Kosten bzw. Nutzen nach dem Gesamtkostenansatz oder nach dem Marginalansatz herangezogen werden. Für den Vergleich von Alternativen wird dem Marginalansatz den Vorzug gegeben (AG Reha- Ökonomie 1999b). Der Marginalanalyse kann in unterschiedlichen Formen erfolgen, z.B.

als

(1) Grenzkostenansatz,

wenn es um die Beurteilung der Veränderungen bei einer sehr kleinen zusätzliche Einheit geht (Leidl 2003). Zielt die Marginalbetrachtung auf die Veränderung der Kosten eines Gesundheitsprogramms je einer zusätzlichen marginalen Einheit, wird von Grenzkosten gesprochen (AG Reha-Ökonomie 1999b). Es wird dabei unterstellt, dass alle Einheiten gleich sind (Wasem und Hessel 2000). Bei der Einheit kann es sich auch um einen zusätzlichen Patient handeln. In diesem Fall ist die Annahme der Gleichheit stark eingeschränkt (Wasem und Hessel 2000). Der Grenzkostenansatz wird zwar als aussagekräftiger als der Durchschnittskostenansatz betrachtet, ist aber aufgrund des hohen Zeit- und finanziellen Aufwands weniger praktikabel (Greiner und Schöffski 2008).

Zielt die Marginalbetrachtung auf den Unterschied zwischen zwei alternativen medizinischen Maßnahmen, indem die zusätzlichen Kosten einer Maßnahme gegenüber einer anderen Maßnahme bestimmt werden, wird von Inkrementalkosten bzw.

inkrementellen Kosten gesprochen (AG Reha-Ökonomie 1999b). Eine isolierte Kostenbestimmung einer zusätzlichen Einheit (z. B. eines weiteren Medikaments) bzw.

einer zusätzlichen Maßnahme (z. B. für den Vergleich) ist möglich (Wasem und Hessel 2000). Beim isolierten Inkrementalansatz ist zwar der Erhebungsaufwand geringer, jedoch schränkt die isolierte Betrachtung die Vergleichbarkeit mit neuen Technologien und die Übertragbarkeit der Studienergebnisse stark ein (Wasem und Hessel 2000). In Guidelines zur gesundheitsökonomischen Evaluation wird daher die Durchführung der Inkrementalanalyse bei gleichzeitiger Bestimmung der Gesamtkosten empfohlen (Wasem und Hessel 2000, AG Reha-Ökonomie 1999b, COCHTA 1997). Eine Verbindung der beiden Ansätze ist möglich und es wird dann von „marginalen Inkrementalkosten“

gesprochen (AG Reha-Ökonomie 1999b). Die Verwendung der beiden Begriffe

„Grenzkosten“ und „Inkrementalkosten“ ist in der Literatur nicht einheitlich. Sie werden teils als identisch, teils als unterschiedlich angesehen (AG Reha-Ökonomie 1999b). In

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