• Keine Ergebnisse gefunden

2.1 Grundlagen der gesundheitsökonomischen Evaluation

2.1.5 Outcome-Messung

Ein Outcome stellt ein „klar definiertes Ereignis, das als Effekt beobachtet wird“ dar (Brand et al. 2006). Die Outcomes einer medizinischen Maßnahme stellen neben den Kosten den zweiten Hauptbestandteil der gesundheitsökonomischen Evaluation dar.

Dabei kommen verschiedene Outcomeparameter in Frage. In Anlehnung an Wasem und Hessel 2000 wären exemplarisch zu nennen:

- epidemiologisch orientierte Outcomes, die globaler Natur sind, z. B.: Mortalitätsrate, Rehospitalisationsrate, Überlebenszeit

- medizinisch-klinische Outcomes, die die direkten medizinischen Effekte messen, z. B. Blutdrucksenkung, Laborwerte, , schmerzfreie Zeit

- ökonomisch orientierte Outcomes, die den wirtschaftlichen Nutzen erfassen, z. B. Arbeitsunfähigkeitsdauer, Kostenersparnis bei Behandlungen

- gesundheitsbezogene Lebensqualität, die die intangiblen Effekte umfassen (Hoffmann 1998), z. B. Schmerzen, psychische Befindlichkeit, Mobilität.

Die Outcomes können Analog zu den Kosten nach dem Marginal- oder Durchschnittsansatz in der gesundheitsökonomischen Evaluation erfasst werden, wobei

die entsprechenden Ausführungen zu den Kosten hier sinngemäß anzuwenden sind (siehe Abschnitt 2.1.4.4). Es wird dann zwischen Grenznutzen, Inkrementalnutzen oder Durchschnittsnutzen unterschieden.

Je nach Erfassung und Bewertung finden die verschiedenen Outcomes Eingang in die entsprechenden gesundheitsökonomischen Studien(AG Reha-Ökonomie 1999b). Die Outcomes in natürlichen Einheiten werden in Kosten-Effektivitäts-Analysen herangezogen.

Berechnet werden beispielsweise: Kosten pro gewonnenes Lebensjahr, Kosten pro 1%

Blutdrucksenkung, Kosten pro verhinderte Exazerbation. Sind die Effekte zunächst in Nutzwerten transformiert worden – wie bei der Lebensqualität – werden sie in Kosten-Nutzwert-Analysen verwendet. Es können z. B. die Kosten pro zusätzliches QALY – qualitätskorrigiertes Lebensjahr (mehr dazu siehe Abschnitt 2.1.5.5) berechnet werden.

Monetär bewerte Effekte – wie beispielsweise die Veränderungen der Gesundheit mittels Zahlungsbereitschaftsansatz oder Akzeptanzbereitschaftsansatz (mehr dazu siehe Krauth und Rieger 2000, Schöffski 2008c) – werden in Kosten-Nutzen-Analysen verwendet. Der Nutzen ergibt sich aus der Zahlungsbereitschaft, z. B. für die Senkung des Sterberisikos um 1% oder für die Verlängerung der Lebenszeit um 1 Jahr. Da die die gesundheitsbezogene Lebensqualität als Outcome in der vorliegenden Studie einbezogen wurde, wird in den nachfolgenden Abschnitten (2.1.5.2 - 2.1.5.5) auf die Konzepte zur Erfassung und Bewertung von Lebensqualität näher eingegangen.

2.1.5.2 Erhebungsinstrumente zur Lebensqualität

In der Gesundheitsökonomie wird verstärkt die Lebensqualität zur Beurteilung der Effekte von medizinischen Maßnahmen herangezogen. Es gibt allerdings keine einheitliche Definition der Lebensqualität (Hoffmann 1998), wohl aber ein internationaler Grundkonsens über ihre Komponenten, nämlich die psychische, die körperliche und die soziale Dimension (Bullinger 2000). Andere Dimensionen werden je nach Instrumenten einbezogen, z. B. mentale oder spirituelle Aspekte (Bullinger 2000). Für die praktische Anwendung kann die gesundheitsbezogene Lebensqualität quantitativ mittels psychometrischer Methoden erfasst werden (Böhmer und Kohlmann 2000), die nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert werden können.

Nach Krankheitsbezug wird üblicherweise unterschieden zwischen:

(1) Generischen Instrumenten

Dabei handelt es sich um krankheitsübergreifende standardisierte Fragebögen zur Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Hoffmann 1998). Sie werden sowohl für Bevölkerungsstudien als auch zum Vergleich verschiedener Patienten-Populationen eingesetzt (Ravens-Sieberer und Cieza 2000, Hoffmann 1998). Der Vergleich kann sowohl zwischen zwei Krankheitsgruppen (z. B. HIV- vs. Krebspatienten) als auch zur Normpopulation (z. B. Krebspatienten vs. „gesunde“ Bevölkerung) erfolgen.

Eine Übersicht der krankheitsübergreifenden Instrumente auf Deutsch ist bei Ravens-Sieberer und Cieza 2000 zu finden, dazu zählen z. B. der Short Form 36, der EQ-5D, der Quality of Well-Being Scale. Der Hauptvorteil von generischen Instrumenten wird in deren Verwendbarkeit für gesundheitsökonomische Analysen und für die Unterstützung von Allokationsentscheidungen gesehen (Hoffmann 1998).

(2) Krankheitsspezifischen Instrumenten

Dies sind Fragebögen zur Erhebung von Lebensqualität bei einer bestimmten Patientenpopulation in Bezug auf eine bestimmte Krankheit oder Therapie (Hoffmann 1998), wie z. B. Patienten mit HIV, Asthma, Krebs, Nierenerkrankung oder Patienten mit Chemotherapie vs. mit Operation. Der Vorteil dieser Instrumente liegt in der hohen Sensitivität, sie werden daher im Wesentlichen in klinischen Studien verwendet (Hoffmann 1998).

Nach Aggregierbarkeit der Lebensqualitätseffekte werden die Instrumente differenziert in:

(1) Indexinstrumenten

Sie zielen auf die Aggregation der erfassten unterschiedlichen Dimensionen zu einer Größe und ordnen der Lebensqualität einen Wert, genannt Index, zu (Greiner und Uber 2000). Indexinstrumente können generisch oder krankheitsspezifisch sein. Die meist-verwendeten generischen Indexinstrumente sind der Health Utility Index und der EQ-5D (Greiner und Uber 2000). Der EQ-5D, der zur Erhebung der Lebensqualität in vorliegender Studie verwendet wurde, wird nachfolgend detailliert dargestellt. Der Vorteil von Index-instrumenten wird in der Unterstützung von Allokationsentscheidungen gesehen, während Profilinstrumente für klinische Studien geeigneter sind (Hoffmann 1998).

(2) Profilinstrumenten

Sie beschreiben die Lebensqualität durch unterschiedliche Gesundheitsdimensionen in mehrdimensionalen Messwerten, auch Profile genannt (Greiner und Uber 2000, Böhmer und Kohlmann 2000). Dazu zählen z. B. das Nottingham Health Profile (NPH), das Sickness-Impact-Profile (SIP), der Short Form 36 (SF36). Auch Profilinstrumente können generisch oder krankheitsspezifisch sein. Als Hauptnachteile der Profilinstrumente aus ökonomischer Sicht wird neben der fehlenden Vergleichbarkeit bei der Verwendung der Werte unterschiedlicher Dimensionen auch die fehlende Verdichtungsmöglichkeit der unterschiedlichen Dimensionen zu einem Lebensqualitätswert genannt (Greiner und Uber 2000).

Darüber hinaus können die Instrumente danach unterschieden werden, ob sie der Selbsteinschätzung der Patienten oder der Fremdeinschätzung, z. B. durch Verwandte, Freunde oder Ärzte, dienen (Hoffmann 1998).

2.1.5.3 Europe Quality of Life – EQ-5D

Der EQ-5D, welcher in vorliegender Studie verwendet wurde, ist ein standardisiertes und krankheitsübergreifendes Indexinstrument zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Es wurde Ende der 80er Jahre von Wissenschaftlern aus 5 europäischen Ländern entwickelt (EuroQol Group 1990, Greiner und Uber 2000) und ist ein nutzenorientiertes Konzept. Die Originalversionen wurden in 5 Sprachen verfasst (Englisch, Holländisch, Finnisch, Norwegisch und Schwedisch) und können über die Homepage der Euroqol-Gruppe eingesehen werden (www.euroqol.org). Inzwischen wurde dieser EQ-5D-Fragebogen in über 30 verschiedene Sprachen übersetzt, davon sind 19 Versionen, darunter auch die deutsche, ab 1995 von der Euroqol-Gruppe anerkannt worden (Greiner und Uber 2000). Die deutsche EQ-5D Version, die dem Anhang 3 zu entnehmen ist, wurde erstmalig in einer nationalen Bevölkerungsstudie im Jahr 1994 und zur Validierung ein weiteres Mal in 1997 eingesetzt (Greiner und Uber 2000).

Der EQ-5D enthält 4 Komponenten (Greiner und Uber 2000). Der Hautbestandteil ist ein Fragebogen mit 5 Fragen, welche 5 unterschiedliche gesundheitsbezogene Lebensqualitätsdimensionen erfassen. Diese sind:

- „Beweglichkeit/Mobilität“

- „Für sich selbst sorgen“

- „Allgemeine Tätigkeiten“

- „Schmerzen/körperliche Beschwerden“ und - „Angst/Niedergeschlagenheit“.

Jede Dimension hat 3 Skalenniveaus:

- Level 1 = ohne Probleme - Level 2 = einige Probleme und

- Level 3 = extreme Probleme bzw. nicht in der Lage.

Daraus lassen sich insgesamt 243 (drei hoch 5) theoretische Gesundheitszustände mit 5-stelliger Kennzahl konstruieren (Greiner und Uber 2000). Ein Gesundheitszustand mit der Kennzahl 11223 z. B. gibt an: keine Probleme bei der Mobilität, keine Probleme bei der Körperpflege, einige Probleme bei Alltagsaktivitäten, einige Beschwerden und extreme Ängste. Der EQ-5D Fragebogen kann sowohl bei Interviews wie auch zum eigenen ausfüllen im Rahmen von postalischen Befragungen verwendet werden.

Der zweite Teil besteht aus einer visuellen Analogskala (VAS), die der subjektiven Bewertung des Gesundheitszustands dient. Die VAS hat eine Thermometerform mit den Werten zwischen 0 als schlechtester denkbarer Gesundheitszustand unten und 100 als bestmöglich denkbarer Gesundheitszustand oben (Siehe Anhang 3). Die Verwendung der VAS-Werte ist nicht zwingend erforderlich. Werte aus anderen Bewertungsmodellen wie dem Time-Trade-Off-Ansatz (TTO) können zur Bewertung der Gesundheitszustände herangezogen werden (Greiner und Uber 2000).

Der 3. Teil von EQ-5D ist ebenfalls ein fakultativer Evaluationsteil für die Modellierung von Indexwerten der 5 Lebensqualitätsdimensionen. Im Allgemeinen wird bei Studien auf dessen Verwendung verzichtet (Greiner und Uber 2000). Für Deutschland wurden im Rahmen einer Bevölkerungsstudie Lebensqualitätsindexwerte (LQI) für alle 243 Gesundheitszustände mit einem multiplikativen Schätzmodell ermittelt (mehr dazu siehe Schulenburg et al. 1998, Greiner und Claes 2008). Der 4. und letzte Teil des EQ-5D enthält soziodemografische Fragen (Alter, Geschlecht), die in Abhängigkeit vom Untersuchungsziel eingesetzt werden können, auf welche aber auch verzichtet werden kann.

Der EQ-5D wurde bereits sowohl in bevölkerungsbasierten Studien als auch für spezifische Krankheiten in Deutschland und international eingesetzt und gilt als ein valides, reliables und praktikables Instrument (Greiner und Uber 2000, Greiner und Claes 2008). Falls zusätzliche Aspekte mit erfasst werden sollen, lassen sich ergänzend krankheitsspezifische Instrumente gut hinzuziehen (Greiner und Uber 2000, Greiner 2006). Kritisiert wird am EQ-5D die mangelnde Änderungssensitivität (Greiner 2006).

2.1.5.4 Bewertungskonzepte von Lebensqualität

Bei nutzenorientierten Instrumenten zur Erfassung von Lebensqualität werden die erfassten Lebensqualitätsdimensionen, die einen Gesundheitszustand darstellen, bewertet und somit zu einer Maßzahl verdichtet. Zur Bewertung von Gesundheitszuständen stehen unterschiedliche Ansätze zur Verfügung, die die quantitative Bestimmung der Nutzwerte bzw. Präferenzwerte zum Ziel haben. Es wird unterschieden zwischen empirischen Erhebungsmethoden, die auf eine direkte Nutzwertbestimmung abstellen und deskriptiven Verfahren, die modelltheoretisch indirekt den Nutzwert bestimmen.

Bei empirisch orientierten Verfahren werden die Präferenzen vorgegeben und die Probanden geben systematisch darüber ihr Präferenzurteil ab. Es wird so vorgegangen, dass Gesundheitszustände miteinander verglichen werden. Es gilt dabei, je mehr ein Gesundheitszustand gegenüber dem anderen bevorzugt wird, desto größer ist der Nutzen und er erhält dementsprechend einen höheren Wert. Durch geeignete Algorithmen werden anschließend Nutzwerte gebildet (Böhmer und Kohlmann 2000, Wasem und Hessel 2000). Die Methoden unterscheiden sich in der theoretischen Fundierung der Präferenz-bildung und in der praktischen Durchführbarkeit.

Zu den empirisch orientierten Methoden zählen beispielsweise:

- die Rating Skala. Die Zuordnung zu einem Punktwert erfolgt entweder numerisch oder durch eine visuelle Analogskala. Zwei Zustände werden dabei vorgegeben: 0 = schlechtester Zustand (= Tod) und 100 = bester Zustand (Böhmer und Kohlmann 2000).

Diese Methode ist einfach und sehr praktikabel, weist aber den Nachteil auf, dass sie wenig theoretisch fundiert ist (Böhmer und Kohlmann 2000).

- die Standard Gamble. Sie greift auf Axiome der Nutzentheorie zurück, die auch auf Entscheidungen und spieltheoretischen Ansätzen angewandt werden. Dabei werden

Entscheidungsalternativen durch Erfolgswahrscheinlichkeiten charakterisiert (Böhmer und Kohlmann 2000). Diese Methode eignet sich insbesondere zur Messung von Präferenzwerten für chronische Gesundheitszustände, die mit dem Tod verglichen werden. Allerdings ist dieses Instrument mit hohem Erhebungsaufwand verbunden und die praktische Anwendbarkeit ist daher begrenzt (Böhmer und Kohlmann 2000).

- der Time-Trade-Off-Ansatz (TTO). Dieser Ansatz ist eine spezielle Methode der gesundheitsbezogenen Nutzenbewertung, die ebenfalls auf die Nutzentheorie zurück-greift. Dabei werden Entscheidungsalternativen durch therapiebedingten Verlust an Lebenszeit charakterisiert (mehr dazu siehe Böhmer und Kohlmann 2000). Das Verfahren ist ebenfalls mit einem hohen Erhebungsaufwand verbunden.

Diese Instrumente können sowohl bei mündlichen wie auch bei schriftlichen Befragungen (postalisch oder am Computer) eingesetzt werden (Böhmer und Kohlmann 2000). Weitere Konzepte der direkten Nutzenbewertung sind „Magnitude estimate“ und

„Person-Trade-Off“ (mehr dazu Wasem und Hessel 2000).

Bei Verfahren zur indirekten Bestimmung von Lebensqualitätsnutzwerten werden die Nutzwerte im Rahmen eines Referenzkollektivs mittels mathematischer und regressionsanalytischer Modelle im Vorfeld bestimmt (Böhmer und Kohlmann 2000).

Dabei werden Gesundheitszustände deskriptiv nach dem Grad der Beeinträchtigung (z. B.

keine/geringe/starke) normiert. Die erhobenen Gesundheitszustände bei der Studien-population werden anschließend mit diesen modellierten Präferenzwerten bewertet (mehr dazu Böhmer und Kohlmann 2000).

2.1.5.5 Das QALY-Konzept

Das Konzept der QALYs (Quality Adjusted Life Years) - qualitätsadjustierte jahre - ist ein Verfahren zur Nutzwertbestimmung, bei dem die bewerteten Lebens-qualitätszuständen bzw. Gesundheitszustände und die Zeit miteinander verknüpft werden (Wasem und Hessel 2000). Die Zeit kann dabei an die Restlebensdauer oder an die Restlebenserwartung anknüpfen. Ein QALY stellt ein Maß für den gewonnenen Wert eines Lebensjahrs in einer bestimmten Lebensqualität dar (Wasem und Hessel 2000). Bei der QALY-Bildung wird die Zeitdauer - z. B. gemessen in Jahren - mit dem bewerteten Gesundheitszustand gewichtet. Die Summe der daraus errechneten Werte (Skalenwerte)

ergeben die „qualitätskorrigierten Lebensjahre“ (QALYs) als Nutzwerte. Ist beispielsweise ein Gesundheitszustand mit 0,7 bewertet und die betrachtete Zeit 1 Jahr bzw. 3 Jahre, so hat der QALY einen Wert von 0,7 x 1 = 0,7 bzw. 0,7 x 3 = 2,1.

Das QALY-Konzept ist das gebräuchlichste Verfahren zur Nutzwertbestimmung (Wasem und Hessel 2000). Die QALYS werden als Effekte von gesundheitsbezogenen Maßnahmen in der Kosten-Nutzwert-Analyse verwendet, in dem sie in Relation zu den Kosten gesetzt werden. Die daraus resultierenden Quotienten geben die Kosten pro QALY an. Eine inkrementelle Analyse kann mit QALYs durchgeführt werden, indem die Effekte von gesundheits-bezogenen Maßnahmen in Relation zueinander bzw. zu den Kosten gesetzt werden. Vergleiche von gesundheitsbezogenen Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen können somit unter Allokations-gesichtspunkten durchgeführt werden (Böhmer und Kohlmann 2000). Methodisch wird am QALY-Konzept kritisiert, dass das Ausgangsniveau bei den jeweiligen QALY-Gewinnen unberücksichtigt bleibt, so dass jeder Nutzengewinn gleich bewertet wird. Gerade bei einem sehr schlechten Ausgangsgesundheitszustand ist jede minimale Nutzen-veränderung bedeutender als bei ursprünglich guter Gesundheit (Greiner 2006).