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2.1 Grundlagen der gesundheitsökonomischen Evaluation

2.1.2 Arten von gesundheitsökonomischen Evaluationen

2.1.2.3 Vergleichende Studien

(1) Die Kosten-Vergleichs-Analyse - auch Kosten-Kosten-Analyse (cost-cost analysis) bzw. Kostenminimierungs-Analyse (cost-minimization analysis) genannt

ist eine Studienform, in der die Kosten von alternativen medizinischen Maßnahmen gegenübergestellt werden (Wasem und Hessel 2000). Es werden dabei zwei separate Kostenberechnungen vorgenommen, mit dem Ziel, die kostengünstigere Alternative zu ermitteln, wobei direkte und auch indirekte Kosten einbezogen werden können (Schöffski 2008b). Vorraussetzung zur Anwendung dieses Studientyps ist, dass die medizinischen Effekte der betrachteten Alternativen gleich sind und die Kostenbewertung unter gleichen Studienbedingungen erfolgt (Greiner 2006, Schöffski 2008b). In der Realität zeigt sich aber im Allgemeinen, dass die Behandlungsmethoden und die medizinischen Technologien sich hinsichtlich ihrer Outcomes unterscheiden (Greiner 2006), z. B. durch

klinische Ergebnisse, adverse Ereignisse, Krankheitsverläufe und Lebensqualität. Eine Kostenvergleichsanalyse kann auch durchgeführt werden, wenn die Vorteilhaftigkeit einer Vergleichsalternative hinsichtlich der Effekte bereits nachgewiesen wurde und es nur noch darum geht, ihre Kostenvorteile herauszustellen (Wasem und Hessel 2000). Der Effektnachweis kann allgemeiner Natur sein und z. B. durch die Ergebnisse von klinischen Prüfungen oder Experteneinschätzungen erfolgen (Schöffski 2008b). Die Kostenvergleichsstudie stellt die einfachste Form der vergleichenden Studien dar (Wasem und Hessel 2000) und wird häufig aufgrund ihrer Praktikabilität in Auftrag gegeben (Schöffski 2008b).

(2) Die Kosten-Nutzen-Analyse (Cost-benefit analysis)

ist eine Studienform, in der alle relevanten Kosten und Nutzen einer Maßnahme einander gegenübergestellt werden, wobei der Nutzen in Geldeinheiten bewertet wird (Schöffski 2008b, Wasem und Hessel 2000). Es wird der Nettonutzen (Nutzen ./. Kosten) einer Maßnahme ermittelt, der Aufschluss darüber gibt, ob eine Maßnahme – bei positivem Nettonutzen – durchzuführen ist oder – bei negativem Nettonutzen – nicht (Krauth und Rieger 2000). Als Nutzen können unterschiedliche monetäre sowie nicht-monetäre Outcomeparameter (Greiner 2006, Wasem und Hessel 2000, Schöffski 2008b) verwendet werden, wie: Kosteneinsparungen durch den Einsatz einer Behandlungsmethode, Lebensqualitätsverbesserungen, Auswirkungen auf die Lebenszeit, klinische Ergebnisse, schmerzfreie Tage, vermiedene Rehospitalisationen, vermiedene Restenosefälle bei Herzinfarkt, vermiedene Arbeitsunfähigkeitstage.

Zur Bewertung der nicht-monetären Nutzen in Geldeinheiten können verschiedene Bewertungsmethoden wie der Akzeptanzbereitschafts-Ansatz, der Humankapital-Ansatz (human capital -approach) und der auf die Wohlfahrtsökonomik basierende Zahlungs-bereitschafts-Ansatz (willingness to pay-approach,) herangezogen werden (Krauth und Rieger 2000, Wasem und Hessel 2000). Auf eine detaillierte Darstellung dieser Bewertungsansätze wurde an dieser Stelle aufgrund mangelnden Bezugs zur vorliegenden Arbeit verzichtet (mehr dazu vgl. Krauth und Rieger 2000, Greiner 2006).

Zum Verständnis der nachfolgend angeführten Kritik an der Kosten-Nutzen-Analyse als Evaluationsform sei jedoch angemerkt, dass bei der häufig verwendeten Zahlungs-bereitschafts-Methode ein konkreter Geldbetrag – beispielsweise für einen bestimmten

Gesundheitszustand und die damit verbundene Gesundheitsleistung – ermittelt wird, den die Probanden zu zahlen bereit sind (Greiner 2006).

Vorteile der Kosten-Nutzen-Analyse werden zum einen darin gesehen, dass durch die monetäre Bewertung der Effekte eine direkte Vergleichbarkeit mit den Kosten hergestellt wird (Krauth und Rieger 2000). Zum anderen können durch die Bewertung in Geldeinheiten intangible Effekte, wie Schmerzen oder physische Einschränkungen, in die Berechnung einbezogen werden; dies ist ein entscheidender Unterschied z. B. zu Kosten-Vergleichsanalysen (Schöffski 2008b). Darüber hinaus können im Rahmen von globalen allokationspolitischen Entscheidungen intersektorale Vergleiche von Investitions-maßnahmen, z. B. Gesundheitssektor vs. Bildungssektor, durchgeführt werden (Krauth und Rieger 2000).

Obwohl die Kosten-Nutzen-Analyse die klassische Form der ökonomischen Evaluation darstellt, die auch in vielen Bereichen außerhalb des Gesundheitswesens angewandt wird, ist ihre Übertragung auf das Gesundheitswesen mit viel Kritik verbunden (Schöffski 2008b, Wasem und Hessel 2000). Methodisch werden folgende Gefahren mit der Verwendung von Zahlungsbereitschaft zur Nutzenbewertung verbunden (Greiner 2006): (1) strategischer Bias (Verschleierung der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft durch überhöhte Angaben der Probanden in Interviews), (2) Interviewer-bias (Probanden-Antworten orientieren sich daran, dem Interviewer zu gefallen) und (3) range bias (Einflussnahme auf das Antwortverhalten der Probanden durch Interviewer-Vorgaben).

Aufgrund dieser methodischen Schwächen gibt es die Empfehlung, auf die Anwendung dieses Studientyps zu verzichten (Schöffski 2008b).

Aus verteilungspolitischer Sicht wird die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit der Zahlungsbereitschaft insofern kritisiert, dass die höhere Zahlungsbereitschaft der einkommensstärkeren Gesellschaftsgruppen die Allokationsentscheidungen maßgeblich beeinflussen kann (Schöffski 2008b, Krauth und Rieger 2000). Aus ethischer Sicht stößt die Zuweisung eines bestimmten Geldbetrags für menschliches Leben (z. B. durch Verbesserung der Lebensqualität oder durch Vermeidung eines krankheitsbedingten Todesfalls) auf geringe Akzeptanz bei Ärzten, Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit (Schöffski 2008b, Greiner 2006).

Vor diesem Hintergrund kann festgestellt werden, dass bislang die „Reduzierung aller Effekte im Gesundheitswesen auf monetäre Größen sich für allokationspolitische Entscheidungen im Gesundheitswesen nicht durchgesetzt hat“ (Schöffski 2008b).

(3) Kosten-Wirksamkeits-Analyse - auch Kosten-Effektivitäts-Analyse (cost-effectiveness analysis) genannt

ist eine Evaluationsform, in der die Kosten in Beziehung zu den Effekten in natürlichen Einheiten gesetzt werden. Sie stellt die gebräuchlichste Methode in der gesundheitsökonomischen Evaluation dar (Schöffski 2008b) und wurde in vorliegender Arbeit verwendet. Als Effekte können unterschiedliche Outcomeparameter herangezogen werden (mehr dazu siehe Abschnitt 2.1.5.1), z. B. Blutdrucksenkung, Restenoserate, Todesrate oder Arbeitsunfähigkeit.

Zur Beurteilung der Effektivität von medizinischen Maßnahmen bzw. von Programmen werden Kosten-Effektivitäts-Quotienten (cost-effectiveness ratio = CER) gebildet. Es werden z. B. die Kosten je Arbeitsunfähigkeitstag untersucht. Am häufigsten wird dabei der inkrementelle Ansatz verwendet, in der einerseits die Kosten und andererseits die Effekte zweier Maßnahmen gegeneinander gerechnet und die Differenzen anschließend in Relation gesetzt werden (Greiner 2006). Der daraus resultierende Quotient wird als inkrementeller Kosten-Effektivitäts-Quotient (incremental cost-effectiveness ratio = ICER) bezeichnet und gibt die zusätzlichen Kosten einer Maßnahme gegenüber einer anderen je zusätzliche Nutzeneinheit an (McGuire 2001).

Werden z. B. Maßnahmen A und B miteinander inkrementell verglichen, ergibt sich:

ICER= Ca-Cb = ΔC Ea-Eb ΔE

wobei C = Kosten, E = Effekte bzw. Nutzen bezeichnet (McGuire 2001). ICERs können sowohl positive als auch negative Werte annehmen.

Es ergeben sich dabei nach McGuire 2001 vier mögliche Grundkonstellationen:

(1) A hat niedrigere Kosten und höhere Effekte, A ist somit die dominante Alternative;

(2) B hat niedrigen Kosten und höhere Effekte, B ist somit die dominante Alternative;

(3) A hat höhere Kosten und höhere Effekte, es entsteht eine „Trade-off“-Situation, in der Mehrkosten gegen Effektgewinne abzuwägen sind;

(4) B hat niedrigere Kosten und niedrigere Effekte, es entsteht eine „Trade-off“-Situation, in der Kostenersparnisse gegen Effektverluste abzuwägen sind.

Bei einer graphischen Darstellung lassen sich diese Konstellationen in ein 4-Felder Diagramm transponieren, wie in der Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Inkrementelles Kosteneffektivitäts-Diagramm

II I Rc

niedrige Effektdifferenz hohe Effektdifferenz

III IV

Inkrementelle Kosten/Nutzen A (neu) gegenüber B (alt); Rc = höchstakzeptable ICER bei "Trade-off"

hohe Kostendifferenz

niedrige Kostendifferenz

(Dominanz A) (Trade-off)

(Dominanz B)

niedrigere Kosten und höhere Effekte von A höhere Kosten und

niedrigere Effekte von A

(Trade-off)

höhere Kosten und höhere Effekte von A

niedrigere Kosten und niedrigere Effekte von A

C

(Diagramm in Anlehnung an McGuire 2001, S. 11 f. und Briggs 2001, S. 174)

Im Diagramm stellt C der Punkt dar, in welchem Kosten und Effekte von A und B gleich sind (CA-CB=0 und EA-EB=0). Die Gerade Rc bildet alle Punkte mit gleichen ICERs bei unterschiedlichen inkrementellen Kosten und Effekte ab. Sie stellt dabei der maximal akzeptable Kosten-Effektivitäts-Quotient (ceiling ratio) dar und gilt als Schattenpreis für eine Effekt-Einheit (Briggs 2001). Alle ICERs in Felder I und III (Trade-off-Situationen), die unterhalb Rc liegen (d.h. ICER<Rc), gelten dementsprechend als kosteneffektiv.

Kritisiert wird an der Kosten-Effektivitäts-Analyse zum einen die mangelnde Berücksichtigung der Patientensicht. Zum anderen wird unter Allokationsgesichtpunkten die fehlende Vergleichbarkeit zwischen Programmen aus unterschiedlichen Gesundheitsbereichen bemängelt (Schöffski 2008b, Greiner 2006). Diesen Schwächen wurde in einer anderen Evaluationsform – der Kosten-Nutzwert-Analyse – Rechnung getragen (Greiner und Uber 2000).

(4) Kosten-Nutzwert-Analyse (cost-utility analysis)

ist eine Form der gesundheitsökonomischen Evaluation, in der die Kosten in Relation zu Nutzwerten der Lebensqualität gesetzt werden (Böhmer und Kohlmann 2000, Schöffski 2008b). Diese Analyseform eignet sich für Untersuchungen der Lebensqualität von Patienten als eines der Hauptziele von medizinischen Maßnahmen (Böhmer und Kohlmann 2000). Sie ergänzt auch Evaluationsmethoden, die auf die Bewertung der medizinischen Effektivität basieren (Greiner 2006). Als Nutzwert werden am häufigsten die QALYs - qualitätskorrigierte Lebensjahre - verwendet, die den subjektiv bewerteten Gesundheitszustand und die mit diesem Gesundheitszustand verbundene Zeitdauer miteinander verknüpfen (Böhmer und Kohlmann 2000, Schöffski 2008b, Greiner 2006).

Das QALYs-Konzept wird im Abschnitt 2.1.5.5 dargestellt.

Die Hauptvorteile der Kosten-Nutzwert-Analyse werden zum einen darin gesehen, dass die Patientensicht im Gegensatz zu den übrigen Ansätzen berücksichtigt wird (Schöffski 2008b) und eine Bewertung der Effekte in Geldeinheiten nicht erforderlich ist.

Zum anderen ermöglicht diese Analyseform prinzipiell einen Vergleich von medizinischen Maßnahmen aus unterschiedlichen Gebieten oder von Therapiegruppen durch eine einheitliche Maßeinheit (Böhmer und Kohlmann 2000, Schöffski 2008b, Greiner 2006).

Die Nachteile dieser Methode hängen mit der Maßeinheit QALY zur Quantifizierung der Effekte zusammen. Hinzu kommt, dass die Kosten-Nutzen-Relationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in Abhängigkeit vom gewählten Ansatz zur Lebensqualitätsbewertung (siehe Abschnitt 2.1.5.4) führen, was die Vergleichbarkeit zwischen zwei Studien ausschließt (Greiner 2006).