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Mit der Wahl der Betrachtungsperspektive in der Studie wird bestimmt, welche Kostenparameter in die Analyse einbezogen und welche Preise bzw. Bewertungs-parameter angesetzt werden. Die von sämtlichen Guidelines zur gesundheits-ökonomischen Evaluation empfohlene gesellschaftliche Perspektive ist umfassend.

Dennoch kann es im Hinblick auf das Untersuchungsziel bzw. zu Vergleichszwecken angebracht sein, die Evaluation auch aus anderen Perspektiven vorzunehmen (Adam et al. 2003, AG-Rehaökonomie 1999a, Greiner und Schöffski 2008). Wird die Krankenkassen- oder die Krankenhausperspektive eingenommen, verlieren einige Kosten- und Nutzenkomponente an Bedeutung und werden nicht mehr in die Berechnung einbezogen. Zum Beispiel werden die Budgetsteuerung und -planung der Kranken-kassen und der Krankenhäuser nicht von den Investitionskosten berührt, wenn die Finanzierung der Investitionskosten von den Bundesländern im Rahmen ihrer Haushalts-planung erfolgt, wie dies bei öffentlichen Krankenhäusern (Bundesgesetzblatt 1991) der Fall ist. Bei einer Evaluation aus einer der beiden Perspektiven würden die vorliegenden ermittelten stationären Versorgungskosten pro AMI-Patient im Initialindex um 13,7% auf 6.567 Euro zurückgehen.

Aus der Kassenperspektive ist noch zu berücksichtigen, dass zum einen die Kosten der Arbeitsunfähigkeit erst nach der 6. Woche von den Krankenkassen übernommen werden (Bundesgesetzblatt 1994). Die durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitstage pro Patient liegen in vorliegender Studie bei 105 (± 89) Tagen. Dies bedeutet für die vorliegende Studienpopulation, dass 3/5 der Arbeitsunfähigkeitskosten von den Krankenkassen getragen wurden. Ermittelt wurden die AU-Kosten von 5.731,60 Euro im Durchschnitt je berufstätigen bzw. 3.782,85 Euro je arbeitslosen AMI-Probanden. Zum anderen werden die Kosten der Frühverrentung (aufgrund vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit in Folge der Erkrankungen) von einem anderen Träger - der Rentenversicherung - übernommen. Aus der Kassenperspektive wären somit die vorliegenden gesamten Folgekosten im Durchschnitt um 1.522,11 Euro pro Patient nach unten zu korrigieren.

Ferner wären aus Kassenperspektive Patientenzuzahlungen für Medikamente und Krankenhausaufenthalte von den direkten medizinischen Kosten abzuziehen. Eine konkrete Ermittlung des Abzugsbetrags wäre nur mit probandenbezogenen Routinedaten der Krankenkassen möglich. Dies würde allerdings über den Rahmen vorliegender Studie hinausgehen.

Aus Patientensicht wären die Kosten, die durch Fahrtzeiten und Behandlungszeiten bei Arztbesuchen anfallen, zu berücksichtigen. Diese direkten nicht-medizinischen Kosten wurden allerdings in die Kostenevaluation nicht einbezogen, da entsprechenden Daten aus studienfremden Gründen nicht vorlagen. Relevant für Patienten wären zusätzlich die Kosten für Zuzahlungen bei stationären Behandlungen und Medikamenten sowie die Kosten für nicht erstattungsfähige Medikamente. Eine genaue Bestimmung der Kosten, die in diesem Zusammenhang von den Patienten zu tragen sind, ist in diesem Rahmen allerdings nicht möglich, da patientenindividuelle Zahlungsvorrausetzungsdaten, wie Bruttoeinkommen und Gesamtausgaben für Gesundheitsleistungen, erforderlich wären, um Zuzahlungen bzw. Zuzahlungsgrenzen zu ermitteln, was nicht Gegenstand vorliegender Untersuchung war.

Bei vorliegender prospektiv angelegter Studie erstreckte sich die Befragung im Follow-up-Index über einen Zeitraum von einem Jahr - von Juli 2003 bis Juni 2004.

Dadurch konnte ein probandenspezifischer Folgezeitraum von einem Jahr exakt erfasst werden. Da der Erhebungszeitpunkt jedoch über diesem Jahr lag, musste ein Datenschnitt bei quantitativen Variablen mit überschreitender Dauer (wie Krankenhausaufenthalte) sowie ohne genaue Datumsangabe (wie Arbeitsunfähigkeiten und Arztkontakte) vorgenommen werden. Es wurde eine Gleichverteilung unterstellt und die entsprechenden quantitativen Angaben wurden auf 12 Monate zurückgerechnet. Ein Nachteil bei diesem Verfahren könnte sein, dass die tatsächliche Verteilung der Leistungsinanspruchnahme innerhalb des Befragungszeitraums sowohl einen links- als auch einen rechtsschiefen Verlauf aufweisen könnte.

7.1.2. Kostenevaluation

Da Kosten einen bewerteten Ressourcenverbrauch darstellen (Krauth 2008), spielen die zugrundeliegenden Mengen und Bewertungsansätze für die Kosten-bestimmung neben der einbezogenen Parameter eine wichtige Rolle. Zur Quantifizierung des Medikamentenverbrauchs sowohl im Initialindex als auch im Follow-up-Index wurden DDD’s durchgängig bei allen verwendeten Präparaten (außer bei Thrombolysemitteln) verwendet. Dadurch wurde erstens eine systematische Erfassung aller Darreichungs-formen mit einer einheitlichen Maßeinheit möglich. Zweitens konnten Schwankungen beim individuellen Verbrauch der Patienten ausgeglichen werden. Es ist jedoch zu vermuten, dass zumindest bei der Akut- und Intensivmedikation im Krankenhaus die Verbrauchsmengen etwas höher liegen. Dies könnte zu einer Unterschätzung der Medikamentenkosten führen, wenn dies vor allem teuere Präparate, wie Aggrastat, betreffen würde, das bei einer Mehrzahl der Patienten verwendet wurde. Da aber die meist verordneten Präparate zu den Low-cost-Mitteln zählen und der Verbrauch über einen begrenzten Zeitraum lag (z. B. die ersten 12 Stunden, bei einer Liegedauer auf der Intensivstation von durchschnittlich 4,3 Tagen), dürfte eine mögliche Kosten-unterschätzung sehr gering ausfallen.

Der ermittelte Medikamentenanteil an den Gesamtkosten in Höhe von 10,2% bei der Akutversorgung im Initialindex wurde auf Basis adjustierter Apothekenpreise als Näherung zu gesellschaftlichen Opportunitätskosten errechnet. Werden jedoch die tatsächlich verwendeten Bezugspreise des Krankenhauses angesetzt, würden die Medikamentenkosten um 30,5% auf 535 Euro je Patient sinken und 8,1% der Gesamtkosten in Höhe von 6.576 Euro aus Kassen- und Krankenhausperspektive ausmachen. Diese niedrigeren Medikamentenkosten sind darauf zurückzuführen, dass Krankenhäuser in Deutschland die Arzneimittelpreise in der Regel weit unter dem Marktniveau aushandeln und Medikamente den Krankenhäusern teilweise zum Nulltarif überlassen werden.

Aufgrund mangelnder Probandendaten konnte bei Rehospitalisationen mit Herzeingriffen im Follow-up-Index nicht unterschieden werden, ob es sich dabei um eine reine Herzkatheterintervention oder eine PTCA bzw. eine aufwendige ACVB und dementsprechend um unterschiedlich teuere Maßnahmen handelte. Die ermittelten

Kostensätze für Herzeingriffe stellen daher gewichtete Durchschnittswerte dar und könnten zur Kostenunterschätzung in diesem Bereich führen, wenn in der Folgeperiode mehr kostspielige Interventionen stattfanden, als im vorliegenden Fall angenommen wurde.

Beim Produktivitätsausfall infolge der Erkrankung kann es zu unterschiedlich hohen Kosten kommen, in Abhängigkeit davon, ob die Ausfalldauer nach dem Humankapital-ansatz oder nach dem FriktionskostenHumankapital-ansatz gemessen wird. Im vorliegenden Fall spielte diese Unterscheidung keine Rolle, da es sich um einen kurzfristigen Betrachtungszeitraum handelte, in dem die relevante Dauer deckungsgleich war.

7.1.3. Statistische Verfahren

Der Signifikanztest bietet eine sinnvolle Möglichkeit, um zu überprüfen, ob die Ergebnisse bzw. die Effekte statistisch gesehen zufällig sind oder nicht. Bei vorliegenden Ergebnissen wiesen in der Regressionsanalyse einige Variablen, wie Komorbidität, Alter, EKG-Infarktdiagnose und Komplikation bei der Krankenhausaufnahme, keinen signifikanten Einfluss auf die stationären Initialversorgungskosten auf. Ebenso zeigten einige Kostenparameter keine signifikanten Unterschiede nach Alter, nach Geschlecht oder nach angewandtem Therapieverfahren. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass theoretische Effekte auch bei nicht signifikanten Ergebnissen nicht mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden können (Schnell et al. 1999). Denn statistisch gesehen besteht die Wahrscheinlichkeit, einen Effekt anzunehmen, obwohl er nicht gegeben ist (sog.

Fehler 1. Art) und einen Effekt zu negieren (zu verneinen), obwohl er existiert (sog. Fehler 2. Art). Die generelle Aussagefähigkeit von Signifikanztests führt nicht zuletzt aus diesem Grund zu kontroversen Debatten (Schnell et al. 1999). Die fehlende Signifikanz von Regressionsvariablen bzw. Kostenparametern in vorliegender Studie ist vor diesem Hintergrund vorsichtig zu interpretieren.

7.1.4 Behandlung von Missings

Es herrscht Einigkeit darüber, dass in sozialwissenschaftlichen Studien fehlende Daten bei Analysenvariablen vorkommen, wobei eine Missingrate von 1 bis 10% als üblich angesehen wird (Schnell et al. 1999). Es wird dabei empfohlen, die Art der Behandlung dieser Missings anzugeben, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Es besteht jedoch keine einheitliche Meinung darüber, wie mit fehlenden Daten richtig umzugehen ist. Es gibt dazu verschiedene Behandlungsmöglichkeiten mit jeweiligen Vor- und Nachteilen. Folgende Verfahren werden mehr oder weniger angewandt:

(1) Fälle mit fehlenden Angaben werden gänzlich ausgeschlossen. Problematisch dabei ist, wenn die Missings auf „Weiß nicht“-Antworten und auf explizite Verweigerungen beruhen. Es kann sich um ein systematisches Verhaltensmuster handeln, das mit bestimmten Fragestellungen zusammenhängt. In diesem Falle wäre ein Ausschluss fragwürdig und könnte zu Fehlschlüssen führen (Schnell et al. 1999). (2) Nur Variablen mit fehlenden Angaben sind auszuschließen. Verfahren 1 und 2 werden meistens empfohlen bei Missings aufgrund von Datenfehlern sowie nicht erhobenen Daten (Schnell et al.

1999). (3) Fehlende Werte werden mit statistischen Verfahren geschätzt (Schnell et al.

1999). Das statistische Auswertungsprogramm SPSS beispielsweise bietet einige Möglichkeiten dazu. Allerdings sind solche Schätzungen mit vielen theoretischen Annahmen verbunden (Schnell et al. 1999), auf deren Darstellung aus Zweckmäßigkeit an dieser Stelle verzichtet wird.

In vorliegender Studie wurde für angemessen erachtet, in Abhängigkeit vom Auswertungsziel und auszuwertenden Variablen die Missings differenziert zu behandeln.

Zum einen wurden im Follow-up-Index 10 Fälle mit Fehlangaben in mehr als 25% der Variablen ausgeschlossen, da eine Vergleichbarkeit mit anderen Fällen nicht mehr gewährleistet war. Zum anderen wurden Variablen mit hohem Missinganteil von der Auswertung ausgeschlossen, vor allem nominal- und ordinalskalierte Variablen. Es konnten aufgrund dessen einige Variablen, die zur Beschreibung der Studienpopulation relevant gewesen wären, wie die Zeitspanne zwischen dem Eintritt des Herzinfarkts und der Krankenhausaufnahme, nicht berücksichtigt werden (so z. B. in der Regressionsanalyse).