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2.1 Grundlagen der gesundheitsökonomischen Evaluation

2.1.3 Studiendesign

In der gesundheitsökonomischen Evaluation werden unterschiedliche Studien-designs in Abhängigkeit von der Fragestellung verwendet. Aus Transparenzgründen und zur Erhöhung der Interpretationsfähigkeit sowie zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse werden Mindestanforderungen an Studien hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Methodik gestellt (Hannoveraner Konsensgruppe 2007, Greiner und Schöffski 2008). Diese Mindeststandards beziehen sich auf die Offenlegung Studien gestaltender Bestandteile.

Nachfolgend werden die wesentlichen davon dargestellt, welche auch für die vorliegende Arbeit relevant sind:

Studienform

Es gibt unterschiedliche Studienformen für die gesundheitsökonomische Evaluation, die in Abhängigkeit vom Gegenstand und Ziel der jeweiligen Untersuchung gewählt werden. Die Studienform bestimmt, ob neben den Kosten auch Effekte in die Analyse mit einbezogen werden und welche Ergebnisse zu erwarten sind (Hannoveraner Konsensgruppe 2007). Die unterschiedlichen Grundformen gesundheits-ökonomischer Evaluationsstudien wurden bereits im Abschnitt 2.1.2 dargestellt.

Studienperspektive

Gesundheitsökonomische Evaluationsstudien können aus unterschiedlichen Perspektiven durchgeführt werden. „Als Perspektive wird der Standpunkt bezeichnet, aus dessen Sicht die Kosten und Nutzen erfasst und bewertet werden“ (Hannoveraner Konsensgruppe 2007). Neben der Studienform bestimmt die Perspektive, welche Kosten- und Nutzenparameter in die Analyse einbezogen werden (Glaser 1998, Greiner und Schöffski 2008). Die gesellschaftliche Perspektive, auch volkswirtschaftliche Perspektive bzw. soziale Perspektive genannt, stellt den umfassendsten Ansatz dar (Konsensgruppe

„Gesundheitsökonomie“ 1996, Greiner und Schöffski 2008). Dabei werden sämtliche relevanten Kosten- und Nutzenkomponenten (direkte, indirekte, intangible) berücksichtigt, unabhängig davon, bei wem sie anfallen (Greiner und Schöffski 2008). Die gesellschaftliche Perspektive, die auch in vorliegender Arbeit eingenommen wurde, wird in den meisten nationalen sowie internationalen Guidelines zu gesundheitsökonomischen Evaluationen empfohlen (Adam et al. 2003, AG Reha-Ökonomie 1999a). Zudem sind Betrachtungen aus der Sicht der Leistungserbringer (z. B. Krankenhaus, Arztpraxis), der Leistungsfinanzierer (z. B. Krankenkassen) und der Patienten möglich, wobei nur die aus der jeweiligen Sicht relevanten Kosten- und Nutzenkomponenten einbezogen werden. Die gesellschaftliche Perspektive eignet sich gerade auch für Studienvergleiche im Gesundheitswesen (Greiner und Schöffski 2008). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesellschaftliche Sicht das gesamtwirtschaftliche Optimum zum Ziel hat, während die Sicht der Krankenkassen und der Krankenhäuser die Budgetoptimierung verfolgt (Greiner und Schöffski 2008). Dennoch kann der Vergleich zwischen gesellschaftlicher Perspektive

und anderen Sichtweisen sinnvoll sein, um die gesellschaftlichen Auswirkungen von medizinischen Maßnahmen herauszustellen (Greiner und Schöffski 2008). Weitere Perspektiven sind z. B. die Sicht der niedergelassenen Ärzte, der Angehörigen von Patienten und der Arbeitgeber (Hannoveraner Konsensgruppe 2007, Greiner und Schöffski 2008, AG-Reha-Ökonomie 1999a).

Daten und Datenquellen

Zur Durchführung einer gesundheitsökonomischen Evaluationsstudie können Daten aus unterschiedlichen Quellen erschlossen werden (Greiner 2008), wie beispielsweise:

amtliche Statistiken (z. B. Statistisches Bundesamt), administrative Quellen (z. B.

Krankenkassen), Daten der Leistungserbringer (z. B. Krankenhäuser), Daten von Patienten, aus klinischen Studien oder aus Anwendungsbeobachtungen.

In zeitlicher Hinsicht wird zwischen retrospektiven Daten, die bereits für andere Zwecke erhoben wurden (vorhandene Vergangenheitsdaten) und prospektiven Daten, die für die Fragestellung neu erhoben werden, unterschieden (Glaser 1998). Retrospektive Daten werden wiederum in Primärdaten, die am Entstehungsort gewonnen werden (z. B.

Patientenakte, epidemiologische Studien, Datenbanken) und in Sekundärdaten, die mehr oder weniger aggregiert sind (z. B. administrative Daten, amtliche Statistiken, Literatur) unterschieden (Glaser 1998). Der Vorteil von retrospektiven Daten wird darin gesehen, dass sie gut verfügbar und kostengünstig sind (Glaser 1998). Dadurch können sie für eine größere Studienpopulation herangezogen werden und die Generalisierung der Ergebnisse ermöglichen (Glaser 1998). Nachteilig ist, dass die Daten für andere Zwecken erhoben wurden und nicht alle relevanten Informationen enthalten, z. B. Lebensqualitätseffekte (Glaser 1998). Prospektive Daten dagegen sind zielgerichtet und können besser dem Untersuchungsgegenstand angepasst werden. Ihnen wird daher den Vorzug gegeben (Glaser 1998).

Nach dem Aggregationsgrad können die Daten zum einen nach dem Top-down-Ansatz erhoben werden (Glaser 1998). Dabei werden hoch aggregierte Daten für die Analyse mittels Verteilungsschlüssel auf einzelne Einheiten heruntergebrochen. Dies ist meistens der Fall bei Sekundärdaten (z. B. Produktivitätsstatistik, Gesundheitsausgaben).

Zum anderen kann die Datenerhebung nach dem Bottom-up-Ansatz erfolgen (Glaser 1998). Dabei werden einzeln erhobene Daten verdichtet, um generelle Analyseparameter

abzuleiten. Dies betrifft Primärdaten, wie z. B. die Schweregradstatistik einer Erkrankung anhand von Patientenakten. Die Aggregation der Daten kann nach Institution (z. B. Reha-Statistik der Rentenversicherung, Arbeitsunfähigkeitstatistik der Krankenkassen, Entlassungsdiagnosenstatistik der Krankenhäuser) oder nach Funktion (z. B. Unfälle, Arbeitsunfähigkeit, Erkrankungstypen) erfolgen (Glaser 1998). Die über den Top-down-Ansatz gewonnenen Daten aus amtlichen oder administrativen Statistiken sind zwar für eine schnelle Kostenermittlung praktikabel, weisen jedoch aufgrund ihrer hohen Verdichtung viele Mängel auf (Glaser 1998), z. B. hinsichtlich des Informationsgehalts, der Aktualität, Vollständigkeit und Homogenität der Daten sowie der Repräsentativität des erfassten Personenkreises (z. B. Datenaggregation nur anhand des Versichertenkollektivs einer Krankenkasse). Um die aggregierten Daten anwenden zu können, sind meistens Annahmen erforderlich. Den mit dem Bottom-up-Ansatz erhobenen Daten wird daher wegen ihrer hohen Validität häufig der Vorzug gegeben (Glaser 1998). Allerdings ist deren Erhebung arbeits-, zeit- und kostenintensiver. Darüber hinaus können Modelle zur Generierung von Daten wie Outcomeparameter verwendet werden, was zu starken interdisziplinären methodischen Kontroversen führte (Glaser 1998).

Alle Datenquellen eignen sich nicht in gleichem Maße für die gesundheits-ökonomischen Analysen (Greiner 2008). Im Zusammenhang mit der Datenqualität wird zwischen innerer Validität und externer Validität unterschieden (Glaser 1998). Eine hohe innere Validität (z. B. bei klinischen Studien unter kontrollierten Bedingungen) bietet den Vorteil, dass die Daten frei von Bias sind, während eine hohe externe Validität - wie dies bei sozialwissenschaftlichen Beobachtungsstudien und Varianzanalysen der Fall ist - eine Generalisierung der Ergebnisse ermöglicht (mehr dazu siehe Glaser 1998).

Kostenermittlung

Dabei geht es um die relevanten Kostenarten, welche in einer Analyse einbezogen werden. Es wird der Ressourcenverzehr ermittelt und nach unterschiedlichen Ansätzen bewertet. Die Kostenarten sowie die Ansätze zu Kostenerfassung und zur Kosten-bewertung werden im Abschnitt 2.1.4.1 bzw. 2.1.4.2 dargestellt.

Effekte

Es handelt sich um Parameter, die die Ergebnisse von medizinischen Maßnahmen für die gesundheitsökonomische Evaluation erfassen. Deren Auswahl hängt sowohl von der Studienform als auch von der Indikation ab (Konsensgruppe „Gesundheitsökonomie“

1996). Zur Bezeichnung von Effekten werden auch die Begriffe „Nutzen“, „Wirkung“

„Outcome“ und „Ergebnis“ verwendet. Die Art, Messung und Bewertung von Outcomes wird näher im Abschnitt 2.1.5 behandelt.

Zeithorizont

Es geht um den Zeitraum, in dem eine medizinische Maßnahme einen Einfluss auf die Kosten oder auf die Effekte/Ergebnisse (z. B. medizinische Parameter, Lebensqualität) erwarten lässt. Die Länge der Betrachtungsperiode variiert in Abhängigkeit vom Untersuchungsziel und kann einige Wochen oder mehrere Jahre, z. B. bei chronischen Erkrankungen, betragen (Hannoveraner Konsensgruppe 2007).

Sensitivitätsanalysen

Die meisten Daten in Evaluationsstudien gelten als unsicher und sind daher nicht in der Lage, die komplexe Realität vollständig abzubilden (Greiner und Schöffski 2008). Die Analyseergebnisse sind dementsprechend mit Unsicherheiten behaftet. Aus diesem Grund sollten Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, in der die Analyseparameter bzw. die Annahmen variiert werden, um die Auswirkungen der unsicheren Parameter auf die Ergebnisse aufzuzeigen (Greiner und Schöffski 2008). Bei Sensitivitätsanalysen wird als problematisch angesehen, dass die Variation eines Parameters unter der Konstant-haltung aller anderen Parameter vorgenommen wird und die Interaktionen dadurch außer Acht gelassen werden (Greiner und Schöffski 2008). Zudem herrscht methodisch noch Unklarheit über das Ausmaß der erforderlichen Variation (Greiner und Schöffski 2008). Es können anstelle von Sensitivitätsanalysen auch Varianzanalysen oder Entscheidungsbaumanalysen vorgenommen werden (Konsensgruppe

„Gesundheitsökonomie“ 1996).

2.1.4 Kosten