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7.3.1 Höhe und Struktur der Folgekosten

Die Kosten für Medikamente stellen mit einem Anteil von 18,1% an den gesamten Folgekosten den drittgrößten Posten von sechs Kostenkomponenten - vor den Kosten für Rehospitalisationen, Herzeingriffen und Arztkontakten - dar. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass alle eingenommenen Medikamente unabhängig davon einbezogen wurden, ob sie unmittelbar mit der Herzerkrankung zusammenhingen oder nicht. Steht - wie in der vorliegenden Studie - die Frage nach den von Herzinfarktpatienten verursachten Folgekosten im Vordergrund, ist eine solche Trennung der unmittelbaren herzerkrankungsbedingten Arzneimitteln von den anderen nicht erforderlich. Schließlich wurde die gesamte Inanspruchnahme von Leistungen und Ressourcen bewertet.

Ungeachtet dessen wiesen die Medikamente mit Wirkung auf das kardiovaskuläre System und auf Blut- sowie blutbildende Organe sehr niedrige Tageskostensätze – im Gegensatz zu den übrigen Mitteln – auf. Geordnet nach Höhe der Tageskostensätze belegt das erste Präparat aus diesen Wirkungsbereichen mit 3,48 Euro den 30. Platz, während der höchste Satz 19,45 Euro betrug. Die Tageskostensätze der meisten Präparate aus diesen beiden Wirkungsbereichen (z. B. bei Antithrombozyten, Betarezeptorenblocker, Lipidsenker und Diuretika) lagen im Cent-Bereich. Würden nur Mittel des kardiovaskulären Systems und der Blut- sowie der blutbildenden Organe einbezogen, würden die Medikamente 10,7%

der gesamten Folgekosten ausmachen. Differenziert nach Subgruppen wiesen diese Medikamentenkosten allerdings keine signifikanten Unterschiede, weder nach Geschlecht (P-Wert=0,241), nach Alter (P-Wert=0,287) noch nach Therapieverfahren (P-Wert=0,567), auf.

Die Kosten der Produktivitätsausfälle aufgrund der Arbeitsunfähigkeit stellen mit einem Gesamtkostenanteil von 32 % den wichtigsten Kostenfaktor des einjährigen Follow-up-Zeitraums dar. Differenziert nach Erwerbsstatus lagen die gesamten durchschnittlichen Folgekosten bei den Erwerbstätigen bei 12.696 (± 9.423) Euro pro Proband, während sie bei den Nicht-Erwerbstätigen bei 4.515 (± 5.355) Euro pro Proband lagen. Die geringen Folgekosten der Altersgruppe von 65-74 Jahre sind zum größten Teil darauf zurückzuführen, dass diese Kosten hier gänzlich wegfallen. Die Erwerbsunfähigkeitskosten spielen eine untergeordnete Rolle, da nur insgesamt 2% der

Probanden die Frühverrentung in Anspruch nahmen. Darüber hinaus hatten 5,1% der Probanden einen Antrag auf Frühverrentung gestellt, über den zum Zeitpunkt der Studie noch nicht entschieden worden war.

Der Vergleich nach Therapieverfahren zeigt, dass die Folgekosten signifikant unterschiedlich waren. Bei einer differenzierten Betrachtung bestand solch ein Unterschied allerdings nur zwischen der ACVB-Guppe auf der einen und den drei übrigen Gruppen auf der anderen Seite. Zwischen der PCI-, Thrombolyse- und Pharmako-Gruppe gab es keine signifikanten Kostenunterschiede. Während sich bei der Akutversorgung die Kostenstruktur der Therapieverfahren stark voneinander unterscheiden, beruhen die Unterschiede bei Folgekosten nur auf zwei Kostenparameter – die Arbeitsunfähigkeit und die Rehabilitation. In der PCI-Gruppe konzentrieren sich aufgrund des hohen Anteils der Erwerbstätigen (71% aller Erwerbstätigen) die meisten Arbeitsunfähigkeitsfälle. Die anderen drei Gruppen hatten jeweils eine geringe Anzahl von Arbeitsunfähigkeitsfällen, so dass die statistische Aussagekraft des Vergleichs stark eingeschränkt ist. Bei der Erwerbsunfähigkeit war die Fallzahl (8) so gering, dass ein statistischer Vergleich entfiel.

7.3.2 Beurteilung der Lebensqualitätseffekte

Die Bewertung der Gesundheitszustände der vorliegenden Studienpopulation wurde mit Hilfe einer Ratingskala - der VAS - erfasst. Die theoretische Fundierung von Ratingskalen wird jedoch im Allgemeinen gering betrachtet (Greiner und Uber 2000, Böhmer und Kohlmann 2000). Es wird daher für die Bewertung der Gesundheitszustände als Alternative zu VAS, die aus dem Bewertungsteil des EQ-5D modellierten Indexwerte, verwendet. Aus Komplexitätsgründen wird wiederum die Modellierung der LQI-Werte anhand des Bewertungsteils des EQ-5D als problematisch angesehen (Greiner und Uber 2000). Um diesen Nachteil entgegenzuwirken, hat sich International überwiegend durchgesetzt, die Modellierung der EQ-Indexwerte mittels wohlfahrtstheoretisch fundierten Bewertungen wie der Time Trade Off (TTO-) vorzunehmen (Greiner und Uber 2000).

Der Vergleich mit modellierten Werten anhand der bevölkerungsbasierten Lebensqualitätsindexwerte (LQI-Werte) des EQ-5D nach dem Deutschen Schätzmodell (Schulenburg et al. 1998) und anhand der TTO-Werte für Deutschland (Greiner et al.

2005) ergab signifikant höhere Bewertungen der Gesundheitszustände (P-Wert<0,001) als

die vorliegenden VAS-Werte (siehe Anhang 19). Beispielsweise lag die gesamte durchschnittliche VAS-Bewertung mit 0,65 signifikant niedriger als der LQI- bzw. TTO-Wert von 0,85. Nur bei wenigen Gesundheitszuständen ergaben sich ähnlich hohe Bewertungen wie z.B. für die Gesundheitszustände 22322,11132,und 22333. Die Subgruppenvergleiche nach Therapieverfahren, Geschlecht und Alter zeigten ebenfalls - höhere LQI-Werte (siehe Anhang 20). Allerdings führte die modellierte LQI- bzw. TTO-Bewertung zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich der Signifikanz wie die VAS-TTO-Bewertung.

In der Abbildung 10 sind für ausgewählte Gesundheitszustände die VAS-Bewertungen den modellierten Werten gegenübergestellt.

Abbildung 10: Gesundheitszustände der Probanden mit Bewertung nach VAS, LQI und TTO – Auswahl

0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20

11111 11132

11211 11221

22123 22221

22222 22233

22322 22333 Gesundheitszustand

Bewertung VAS

EQ-LQI TTO

EQ-5D - Probandendaten 2003/2004 VAS = Visuelle Analogskala

LQI = Lebensqualitätsindex

Es wird in der Literatur allerdings darauf hingewiesen, dass die (nutzen-) theoretische Fundierung und der hohe Komplexitätsgrad der Bewertungsansätze keine Garantie für ihre Validität darstellen, wie auch Untersuchungen zu den

Anwendungsvoraussetzungen einiger nutzentheoretischer Konzepte gezeigt haben (Böhmer und Kohlmann 2000, Guillemin 1999, Bala et al 1999, Lenert et al. 1999). Das Instrumentarium zur Lebensqualitätsbewertung wird noch als entwicklungsfähig angesehen (Wasem und Hessel 2000). Da der EQ-5D als generisches Instrument keine krankheitsspezifischen Gesundheitsdimensionen erfasst, wird empfohlen, ergänzend krankheitsspezifische Instrumente hinzuzuziehen, falls zusätzliche Aspekte miterfasst werden sollen (Greiner und Uber 2000). Diese Notwendigkeit bestand im vorliegenden Fall nicht, da krankheitsspezifische Zusatzaspekte nicht Gegenstand der Untersuchung war.

Die VAS- bzw. die LQI- oder TTO-Werte werden für die Berechnung der qualitätsadjustierten Lebensjahre, genannt QALYs verwendet. Dabei drückt ein QALY den gewonnenen Wert eines Lebensjahres in einer bestimmten Lebensqualität aus (Wasem und Hessel 2000). Die QALYs finden als Nutzwert Anwendung in Kosten-Nutzwert-Analysen. Die probandenindividuellen QALYs errechnen sich aus dem Produkt von Zeit und standardisierten VAS-Wert bzw. LQI-Wert. Je größer der VAS- bzw. der LQI-Wert ist, umso höher fällt der QALY-Wert aus. Es wurde an dieser Stelle auf den Ausweis von QALYs verzichtet, da bei einem Zeitraum von einem Jahr, wie im vorliegenden Fall, QALY-Werte und VAS-Werte identisch sind.

7.3.3 Kosten-Effektivität

Viele randomisierte Studien wie z. B. Grines et al. 1993, Reeder et al. 1994, Hagmann et al. 1999, die die Analyse der Kosteneffektivität der Therapieverfahren zur Behandlung des AMI für ein einjährigen Follow-up-Zeitraum (Rehospitalisation als Outcome) zum Gegenstand hatten, sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der PTCA bzw. das Stenting kosteneffektiver als die primäre Thrombolyse ist. Auch andere randomierten Studien mit anderen Outcomeparametern wie die Sterberate z.B. Müllner et al. 1999 oder mit einem kürzeren Follow-up-Zeitraum von 6 Monaten z.B. Le May et al.

2003 (Stent vs. Thrombolyse) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Die vorliegenden Ergebnisse gehen in die gleiche Richtung, allerdings handelt es sich bei vorliegender Arbeit nicht um eine randomisierte Studie mit dem Ziel, eine Therapiealternative zu bestimmen, wie bereits im Abschnitt 6.2.4 angemerkt wurde. Es geht vielmehr um die Ergebnisse zur Fragestellung hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Technologie, Kosten und Outcomes, wie sie in der 2. Hypothese der vorliegenden Arbeit formuliert

wurde. Es ist daher bei der Interpretation vorliegender Ergebnisse Vorsicht geboten. Bei längeren Follow-up-Zeiträumen können die Ergebnisse der Kosten-Effektivität anders ausfallen. Beispielsweise in der Studie von Zijlstra et al. 1996 mit 31 Monaten Nachbeobachtungszeit fanden sich keine Kostenunterschiede mehr zwischen PTCA und Thrombolyse.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei der vorliegenden Kosten-Effektivitäts-Analyse die Rehospitalisationen wegen Reinfarkte bzw. akuten Herzbeschwerden als „Outcome“

zugrunde gelegt wurden. Durch geringere Differenzzahlen der Effekte (meistens unter 1 bzw. -1) kam es zur Bildung von größeren ICER, d. h. sehr hohen Zusatzkosten pro verhinderte Rehospitalisation. In Fällen mit inkrementellen Effekten gleich null würden die Quotienten gegen unendlich tendieren. Die errechneten ICERs sind daher allein nur eingeschränkt interpretierbar. Eine graphische Darstellung (siehe Abbildung 9) - erweist sich daher als notwendig, um die inkrementelle Kosten-Effektivität besser interpretieren zu können.

Bei der Differenzierung der ICERs nach Geschlecht und Altersgruppe waren einige Vergleiche aufgrund der geringen Fallzahl statistisch nicht aussagefähig. Es wurde daher auf die Darstellung der entsprechenden Ergebnisse verzichtet. Dies war z.B. der Fall bei der Gegenüberstellung der PCI-Gruppe und der Thrombolyse-Gruppe, die nur sechs Fälle umfasste. Rein rechnerisch hätte sich anhand der ICER ergeben, dass die Thrombolyse kosteneffektiver als die PCI sei. Ähnliche kleine Fallzahlen (1 – 14) gab es bei den 4 Altersgruppen für die Thrombolyse-, ACVB- und Pharmakotherapie.

Obwohl die Kosten-Effektivitäts-Analyse gegenwärtig eine der am häufigsten angewandten ökonomischen Evaluationsform darstellt, weist sie einige Schwächen auf.

An ihr wird hauptsächlich zum einen die mangelnde Berücksichtigung der Patientensicht kritisiert, zum anderen wird unter Allokationsgesichtpunkten die fehlende Vergleichbarkeit zwischen Programmen aus unterschiedlichen Gesundheitsbereichen angeführt (Schöffski 2008b, Greiner 2006).

Ergänzend zu der Kosten-Effektivitäts-Analyse kann die Kosten-Nutzwert-Analyse mit QALYs als Effekte durchgeführt werden, um die Sicht der betroffenen Probanden Rechnung zu tragen. Für die vorliegende Studienpopulation konnten QALYs nur für den

Zeitpunkt (t1) von 12 Monaten nach dem Infarktereignis gebildet werden. Aufgrund der fehlenden Daten konnten die QALYs für den Initialzeitpunkt (to) nicht gebildet werden. Es fehlt daher eine zeitliche Vergleichsmöglichkeit, um die Veränderungen von to zu t1 zu erfassen, so dass die inkrementellen Lebensqualitätseffekte der Maßnahmen nicht abgebildet werden konnten. Vor diesem Hintergrund wurde auf diese Evaluations-methode verzichtet.

7.4. Einflussfaktoren auf Kosten