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Wie in allen westlichen Industrieländern lassen sich auch in Deutschland zwei langfristige Trends deutlich erkennen: Die Lebenserwartung der Bevölkerung nimmt kontinuierlich zu und gleichzeitig steigen die Gesundheitsausgaben – sowohl absolut als auch als Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Dabei werden die technologischen Innovationen zum einen als wichtigster Faktor für Kostensteigerungen im Gesundheitswesen angesehen und zum anderen gelten sie auch als maßgeblich für die Verbesserung der Gesundheitsergebnisse (vor allem der Lebenserwartung). Trotz dieser herrschenden Meinung besteht eine Kontroverse über den Anteil des medizinisch-technischen Fortschritts an den Gesundheitsausgaben. Die Quantifizierung der Technologieeffekte bereitet Schwierigkeiten, vor allem, weil es schwierig ist den Beitrag des medizinisch-technischen Fortschritts zur historischen Ausgabenentwicklung im Gesundheitssektor eindeutig zu erfassen und weil sich die Wechselwirkungen zwischen Technologiewandel und demographischer Entwicklung nicht ohne weiteres messen lassen (Schlander et al.

2005). Auch in makroökonomischen Erklärungsversuchen lassen sich die Technologieeffekte schwer quantifizieren, so dass die Kostenauswirkungen des technologischen Wandels in einigen Studien nicht Modellendogen abgeleitet, sondern als Restgröße ausgewiesen werden (Schlander et al. 2005). Die Zusammenhänge zwischen Technologiewandel und Wachstum der Gesundheitsausgaben sind quantitativ noch umfassend zu untersuchen, um zu gesicherten Ergebnissen zu kommen.

Ökonomisch und epidemiologisch nehmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen1 aufgrund ihrer Krankheitslast eine besondere Stellung ein. Nach Angaben der WHO waren im Jahr 2002 weltweit 16,7 Mio. Todesfälle auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen, dies macht 29,2% aller Todesfälle aus (WHO 2004). Auch in Deutschland zeigen die Todesursachenstatistiken, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen zählen. Im Jahr 2002 entfielen nahezu 20% aller

1 Krankheiten des Herzens und der Blutgefäße, GBE 2006a. Dazu zählen ischämische Krankheiten (auch koronaren Herzkrankheiten genannt), wobei der Myokardinfarkt (Herzinfarkt) darunter fällt. Zur Auflistung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen siehe die Klassifikation des Statistischen Bundesamts:

http://www.gbe-bund.de/gbe10/

Todesfälle auf ischämische Herzkrankheiten bzw. 8,2% allein auf Myokardinfarkt (GBE 2006b). In Deutschland stiegen die Gesundheitsausgaben von 1995 bis 2004 um 25,5% und machten damit einen Anteil von 10,6% am BIP aus (GBE 2006e). Im Jahr 2004 entfielen auf die Herz-Kreislauf-Erkrankungen 15,7% der gesamten Krankheitskosten. Sie belegten damit den 1. Platz von 19 Krankheitsklassen, wobei ischämische Krankheiten (einschließlich der Myokardinfarkt) 2,75% ausmachten (GBE 2006e).

Obwohl der Myokardinfarkt zu den häufigsten Todesursachen gehört, wird in fast allen Industrienationen, so auch in Deutschland, beobachtet, dass die Inzidenzraten des Myokardinfarkts sowie die Mortalitätsraten in den letzten drei Jahrzehnten stetig abnehmen (GBE 2006a, OECD Health Data 2007). Hinzu kommt eine Steigerung der Prävalenz an Überlebenden nach kardialen Akutereignissen (GBE 2006c). Parallel dazu wurde beobachtet, dass bei den medizinischen Technologien für die Akut- und Postakutversorgung des Myokardinfarkts enorme Veränderungen stattgefunden haben.

Um der Frage nach dem Zusammenhang zwischen innovativen Technologien und Gesundheitsergebnissen nachzugehen, wurde im Jahr 1998, ausgehend von einer Initiative der Stanford University, eine internationale Studie – „Technological Change in Health Care – TECH“2 – gestartet. Es sollte dabei in 17 Ländern – darunter 10 europäischen, einschließlich Deutschland – nach standardisierten Verfahren die gleichen Daten zur Versorgung von akutem Myokardinfarkt erhoben werden. Die meisten dieser Länder – so auch Deutschland - verwendeten für ihre Erhebungen Daten des MONICA-Registers3, die als besonders valide gelten. Ziel der internationalen „TECH“-Studie war es, die Entwicklungstendenzen in der Nutzung und Verbreitung von Technologien zur Herzinfarktversorgung aufzuzeigen sowie Outcomes und Determinanten der Technologiennutzung zu bestimmen.

Für die deutsche Untersuchung wurde der Forschungsansatz durch eine Kosten- bzw. Kosten-Effektivitäts-Analyse erweitert. Dazu förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine entsprechende Kooperation zwischen dem Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der

2 Mehr zu TECH-Forschnungsnetzwek: Anhang 1

3 Mehr zu MONICA-Studie – Anhang 2

Medizinischen Hochschule Hannover, dem KORA4-Herzinfarktregister und dem Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit. Ziel dieser im internationalen Rahmen eingebetteten Studie war es, mögliche Verbesserungen der Behandlung unter medizinischen und gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten zu erkennen, gesundheitlichen Outcomes von unterschiedlichen Therapiemaßnahmen und Kosten zu untersuchen. Daran knüpft die vorliegende Arbeit mit dem Ziel an, die quantitativen Zusammenhänge sowohl zwischen Kosten und Technologien als auch zwischen Kosten und Outcomes zu untersuchen.

Gerade in Zeiten zunehmender Budgetierung - bei gleichzeitig wachsenden Gesundheitsausgaben - in welchen ökonomische Aspekte bei der medizinischen Versorgung stärker denn je eine Rolle spielen, ist die genaue Kenntnis der Kosten von medizinischen Maßnahmen – sowohl in ihrer Höhe als auch in ihrer Struktur – von großer Bedeutung. Ebenso wichtig sind die Kenntnisse über das Verhältnis zwischen Kosten und Outcomes von medizinischen Maßnahmen. Am Beispiel der Versorgung von akutem Myokardinfarkt sollen Ergebnisse aus der vorliegenden gesundheitsökonomischen Analyse dazu beitragen, Erkenntnisse für Allokationsentscheidungen und Prozesssteuerungen für die unterschiedlichen Akteure im Gesundheitswesen zu liefern. Demgemäß soll der kurzfristige Versorgungsaufwand beim akuten Herzinfarktereignis mittels verbrauchter Ressourcen, erbrachten Leistungen und entstandenen Kosten sichtbar gemacht werden und der Einfluss von Technologie auf diese Kosten aufgezeigt werden. Weiter soll aus der gesellschaftlichen Perspektive dargelegt werden, welche Folgekosten mittelfristig direkt durch medizinische Folgebehandlungen und indirekt infolge der Erkrankung entstehen und in welchem Verhältnis sie zu den Outcomes stehen. Für die Outcome-Analyse zielt die Arbeit auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität ab, welche bei der Beurteilung von medizinischen Maßnahmen - vor allem aus der Patientenperspektive - zunehmend eine zentrale Rolle einnimmt. Zudem sollen durch eine differenzierte Betrachtung die Subgruppenunterschiede herausgearbeitet werden.

4 Mehr zu KORA = Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg - Anhang 2