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4.2 Daten und Kostenevaluation

4.2.1 Initialindex

Für die gesundheitsökonomische Evaluation wurden - wie die Abbildung 3 zeigt - Daten aus unterschiedlichen Quellen einbezogen. Aus dem MONICA/KORA-Herzinfarktregister in Augsburg stammen patientenbezogene, soziodemografische Angaben sowie Daten zur validierten Herzinfarktdiagnose, Diagnostik, Verweildauer, angewandtem Akut- bzw. Entlassmedikation, zu Zusatzdiagnosen und angewandten Therapieverfahren. Die quantitativen Angaben zu Leistungen der Diagnostik, Prozeduren, zusätzlichen Therapiemaßnahmen und Intensivmedikation wurden anhand einer direkten Auswertung von Interventionsprotokollen und Patientenakten erhoben. Die Patientenangaben zur Labordiagnostik wurden vom Krankenhauslabor zur Verfügung gestellt. Daten zur Versorgungsstruktur und zum Versorgungsprozess im Krankenhaus wurden durch die Befragung der involvierten Stationen (Notaufnahme, Herzkatheterlabor, Intensivstation der Kardiologie/Herzchirurgie und der allgemeinen Station in der Kardiologie) und anderen Krankenhausbereichen, wie Zentralapotheke, Versorgungsstützpunkte und Physiotherapieabteilung, erhoben. Das Krankenhaus-controlling stellte Bewertungskennziffern, Beschaffungspreise, Lohnkostensätze und Daten zu den Overheadkosten zur Verfügung. Die Angaben zur definierten Tagesdosis – die sog. DDD (defined daily dose) – aller verordneten Medikamente sowie die Preise entstammen dem öffentlichen deutschen Arzneimittelklassifikationsindex (Fricke und Günter 2004).

Abbildung 3: Daten im Initialindex

Quellen Daten

Gesundheitsökonomische Analyse

*Soziodemografie

*Diagnose

*Therapieverfahren

* Leistungen

*Preisdaten

*Kostendaten KORA/Herzinfarktregister

Patientenakte

Interventionsprotokolle

Krankenhauscontrolling Öffentliche

Gebührenordnungen Rote Liste

Notaufnahme Kardiologie Herzchirurgie Zentrale

Versorgungseinrichtungen Patientenakte

Interventionsprotokolle Krankenhauslabor Physiotherapie-Abteilung GKV-Arzneimittelindex

*quantitative Leistungsdaten

*Ressourcenverbrauch

zur stationären Versorgung *Prozessdaten

*Strukturdaten

Quantitative Erhebung der Leistungen und Ressourcen

Die Erhebung der Leistungen und Ressourcen für die Kostenevaluation erfolgte in 3 Schritten:

(1) Identifikation der Leistungen und Ressourcen

Der gesamte Herzinfarktversorgungsprozess von der Notaufnahme bis zur Entlassung wurde möglichst realitätsnah abgebildet, wie schematisch in der Abbildung 4

dargestellt. Anhand dieses Prozesses sollte identifiziert werden, wo und welche Ressourcen bei der Patientenversorgung verbraucht und welche Leistungen erbracht werden. Es handelte sich dabei um 2 Typen von Daten: zum einen um Prozess- und Strukturdaten sowie Daten zum Ressourcenverbrauch und zum anderen um patienten-individuelle Leistungen. Eine Übersicht der erhobenen Daten ist in der Tabelle 3 zu sehen.

Abbildung 4: Stationärer Herzinfarktversorgungsprozess - vereinfachte Darstellung

Not- Herz- Intensiv-

Normal-aufnahme katheter station Station

Herzchirurgie

Krankenhaus

*Personal *Sachmittel *Overhead *Einzelleistungen

1 2 3 4

Entlassung Einlieferung

(2) Erhebung der Ressourcen

Die quantitative Erhebung der Ressourcenverbräuche und der erbrachten Leistungen erfolgte auf zwei Arten: (1) Bottom-up und (2) Top-down. Der Bottom-up-Ansatz, der ausgehend von den Individualleistungen einzelner Patienten die Gesamtkosten bestimmt, wurde für die direkten zurechenbaren Leistungen bzw.

Ressourcenverbräuche, wie Interventionen und Laborleistungen, angewandt. Der Personalzeitaufwand in der Notaufnahme wurde ebenfalls Bottom-up ermittelt. Der Top-down-Ansatz, der die Gesamtkapazität mittels geeigneter Verteilungsschlüssel, wie beispielsweise Pflegetage, auf den einzelnen Patienten verteilt, wurde zur Erhebung des nicht direkt zurechenbaren Ressourcenverzehrs angewandt. Dies war für die Erfassung des durchschnittlichen Zeitaufwands von Ärzten und Pflegepersonal auf Intensiv- und Normalstation der Fall. Ebenfalls wurden die Overheadparameter (siehe Tabelle 3), die im

indirekten Zusammenhang mit der Patientenversorgung stehen, top-down erfasst und den einzelnen Patienten über die Anzahl der Pflegetage zugerechnet.

Tabelle 3: Kostenrelevante Ressourcen-, Prozess- und Strukturdaten im Krankenhaus – Initialindex

Erhebungsquelle

Versorgungsorganisation

Personalkräfte - Struktur und Anzahl Personalzeiten

Die aggregierten Daten vom Controlling und von der Zentralapotheke (siehe Tabelle 3) wurden anhand der Datenanforderungsbögen elektronisch übermittelt. Für die Erhebung der Prozess- und Strukturdaten sowie des Personalzeitaufwands auf den Stationen, im Herzkatheterlabor und in der Herzchirurgie wurden Gespräche anhand strukturierter Interviews mit dem medizinischen Personal geführt. Dabei wurden je ein Arzt (meistens mit Leitungsfunktion) und eine leitende Pflegekraft befragt. Insgesamt erfolgten 10 Befragungen. Mittels eines retrospektiv angelegten Erhebungsbogens wurde der Personalzeitaufwand der Ärzte und der Pflegekräfte als Einzelzeiten und Gemeinzeiten auf der Station erfasst. Die Einzelzeiten umfassten den Zeitaufwand für Tätigkeiten am

Patienten, wie körperliche Untersuchungen und Blutabnahmen, sowie den Zeitaufwand bei Tätigkeiten für Patienten, wie Befunddokumentation und Anfordern der Testergebnisse. Die Gemeinzeiten umfassten patientenferne Aktivitäten, wie Stationsbesprechungen und Dienstübergaben. Zeiten außerhalb der Station bzw. der Behandlungseinheit wurden gesondert erfasst Muster von standardisierten Zeiterfassungsbögen für Ärzte und Pflegekräfte sind im Anhang 4 bzw. Anhang 5 zu sehen.

Der einem Patienten zurechenbare Zeitaufwand für den jeweiligen Einsatz von Ärzten und Pflegekräften ließ sich wie folgt ermitteln: (1) Gesamtbruttozeit je Kraft und Tag abzüglich Zeit außerhalb der Station bzw. der Behandlungseinheit sowie anteilige Fehlzeit

= Gesamtnettozeit. Die Fehlzeit pro Kraft und Tag wurde aus dem Jahresdurchschnitt an Fehlzeiten, bezogen auf die Jahreskalendertage, ermittelt, um so Schwankungen im Jahr auszugleichen. Die Fehlzeiten umfassen Krankenzeiten und Urlaubszeiten. (2) Die erhobenen Einzelzeiten wurden dem Patienten direkt zugerechnet und mit der Anzahl der daran unmittelbar beteiligten Kräfte multipliziert. (3) Von der Gesamtnettozeit wurden diese Einzelzeiten abgezogen, um die Gemeinzeit pro Tag und Kraft zu erhalten, die anschließend mit der Anzahl der Kräfte pro Tag multipliziert wurde. Die so ermittelte gesamte Gemeinzeit wurde dann auf die einzelnen Patienten mittels durchschnittlicher, stationsbezogener Patientenzahl pro Tag heruntergebrochen. Zusammengefasst gilt:

Zeitaufwand je Patient je Tag = ermittelte zurechenbare Einzelzeiten + Gemeinzeiten von Ärzten und Pflegekräften. Dieser Zeitaufwand ausgewiesen in Arztminuten und Pflegeminuten (siehe Tabelle 11) dienten als Grundlage die für die Berechnung von Personalkosten auf Stationen.

(3) Patientenindividuelle Leistungen

Einzelleistungen, wie Funktionsdiagnostik, Labordiagnostik, Prozeduren, Physiotherapie, sonstige medizinische Leistungen und Medikamente, wurden Bottom-up erhoben. Zur quantitativen Erfassung der Prozeduren und der Intensivmedikation wurden zwei stratifizierte Stichproben von je 100 Patienten gezogen, deren Patientenakte und gegebenenfalls herzchirurgische Interventionsprotokolle ausgewertet wurden. Die Stichprobe entsprach in ihrer Verteilung hinsichtlich der Geschlechts- und Altersstruktur sowie der angewandten Therapieverfahren der Basisstudienpopulation. Die relevanten

Leistungen wurden anhand von standardisierten Erfassungsbögen nach Art, Menge und ggf. nach Personalaufwand (inklusive Zeiterhebung) sowie Sachmittelaufwand systematisch erfasst. Die quantitativen Angaben der Stichprobe wurden dann anschließend auf die gesamte Basisstudienpopulation hochgerechnet. Für eine Stichprobe von 415 Patienten wurden die einzelnen Laborleistungen nach Art und Menge direkt beim Krankenhauslabor erhoben.

Zur Bestimmung des Medikamentenverbrauchs wurden die DDD und die Einnahmedauer herangezogen. Die Ermittlung der Einnahmedauer basierte auf den Zeitpunkt und Ort der Verordnung des Präparats in der Versorgungskette während des gesamten Krankenhaus-aufenthalts. Dementsprechend wurden die erfassten Präparate in 4 Kategorien eingeteilt:

(1) die Akutmedikation, sie umfasst Präparate, die nur in den ersten 12 Stunden nach Krankenhausaufnahme verabreicht wurden; dabei wurde eine Einnahmedauer von 0,5 Tagen zugrunde gelegt; (2) die Intensivmedikation, sie umfasst Präparate, die nur auf der Intensivstation eingenommen wurden; die Verweildauer auf der Intensivstation wurde als Einnahmedauer eingesetzt; (3) die Dauermedikation, sie umfasst Präparate, die sowohl auf der Intensivstation als auch als Entlassmedikation verordnet wurden; die Einnahmedauer entspricht der gesamten Verweildauer auf Intensiv- und Normalstation, (4) die Normalmedikation, sie umfasst Präparate, die nur als Entlassmedikation verordnet wurden; dabei gilt als Einnahmedauer die Hälfte der Verabreichungsdauer auf der Normalstation, wobei annahmegemäß Entlasspräparate nicht am Entlassungstag, sondern mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf verordnet wurden. Für Thrombolysemittel wurde eine einmalige Dosis angerechnet.

Bezogen auf den Wirkungsbereich wurden alle verordneten Präparate in Anlehnung an den deutschen Arzneimittelklassifikationsindexvon Wido (Fricke und Günter 2004) fünf Gruppen wie folgt zugeordnet: (1) Mittel der Blut- und blutbildende Organe, (2) Mittel des kardiovaskulären Systems, (3) Mittel des Nervensystems, (4) Mittel des alimentären Systems und Stoffwechsels und (5) Sonstige Mittel. Die Tabelle 4 gibt einen Überblick über die Zuordnung der Indikationsgruppen zu den fünf Wirkungsbereichen.

Tabelle 4: Wirkungsbereiche und Indikationsgruppe verordneter Medikamente Bewertung der Leistungen und Ressourcen

Wirkungsbereich* Indikationsgruppe*

Calciumkanalblocker und Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems

Diuretika Lipidsenker

Thrombozytenaggregationshemmer

Parkinsonmittel u. andere Mittel gg extrapyramidale Störungen

Antiallergika; Antibiotika/Antiinfektiva Antitussiva; Broncholytika/Antiasthmatika

Ophtalmika; Rhinologika/Sinusitismittel; Urologika

*Einteilung nach ATC-Klassisifikation des deutschen Arzneimittelindex, Fricke und Günter 2002

** enthält mehrere ATC-Wirkungsbereiche, die für den Untersuchungszweck keine spezifische Auflistung erfordern

Die Bewertung der diagnostischen und der sonstigen therapeutischen Leistungen erfolgte nach klinikinternen Bewertungskennziffern (Punktwerte). Dabei wurde die Mengenkennziffer (Punktzahlen) des Tarifkatalogs der Deutschen Krankenhaus-gesellschaft - DKG-NT (Deutsche KrankenhausverlagsKrankenhaus-gesellschaft 2002) für die Leistungen der Krankenhäuser bei Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen. Lediglich bei Laborleistungen wurde die Bewertung zu

Durchschnittspunktwerten vergleichbarer Labore aus zwei anderen Krankenhäusern vorgenommen, da aus betrieblichen Gründen keine Punktwerte aus dem Untersuchungskrankenhaus zur Verfügung gestellt werden konnten.

Der Personalaufwand von Ärzten, Pflege- und Funktionsdienstkräften wurde zu den klinikinternen durchschnittlichen Lohnkostensätzen bewertet. Die Bewertung der Sachmittel erfolgte zu den tatsächlichen Anschaffungspreisen des Untersuchungskrankenhauses. Im Gegensatz dazu wurden für die Medikamente die Abgabepreise der öffentlichen Apotheken (Fricke und Günter 2004) als Näherung zu gesellschaftlichen Opportunitätskosten, verwendet. Diese Abgabepreise wurden gemäß den Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Methoden der gesundheitsökonomischen Evaluation“ um einen Apothekerrabatt in Höhe von 5,5% und ggf. um einen dreiprozentigen Herstellerrabatt bereinigt (Krauth et al. 2005).

Kostenevaluation

Die Kostenanalyse in der vorliegenden Studie stellt auf die Durchschnittskosten bei Micro-costing ab. Im Untersuchungskrankenhaus wurden 84% der evaluierten Patienten behandelt. Die verbleibenden 16% wurden zum Teil dort mitversorgt, sodass die im Untersuchungskrankenhaus ermittelten Personal- und Overheadkosten auch auf diese Patientengruppe übertragen wurden.

In der Kostenermittlung gingen die Kosten der Diagnostik, Prozeduren, Medikamente, der sonstigen medizinischen therapeutischen Leistungen sowie Personal-, Overhead- und Kapitalkosten ein. Bei liegedauerabhängigen Kostenparametern wurde die patientenindividuelle Verweildauer in die Berechnung herangezogen. Zur Ermittlung der Personalkosten wurden die Einzelzeiten und die zurechenbaren Gemeinzeiten berücksichtigt, wobei die Pflegeintensität nur durchschnittlich erfasst werden konnte. Die Diagnostikkosten umfassen die Kosten der Funktionsdiagnostik, der Labordiagnostik und gegebenenfalls der Herzkatheterdiagnostik. Die Medikamentenkosten errechneten sich aus den Einzelkosten aller verordneten Präparate während des gesamten Krankenhaus-aufenthalts, gegebenenfalls inklusive Thrombolytika. Die Kosten eines Medikaments setzen sich aus der Einnahmedauer, DDD und Preis pro DDD zusammen. Die Kosten für die Prozeduren Herzkatheter, PCI und ACVB erfassen den tatsächlichen Ressourcenkonsum bei der Intervention, welcher Personal, Sachmittel (Material,

Arzneimittel, medizinischer Bedarf, Implantate, medizinische Technik) und Overhead beinhaltet.

Die angesetzten Kapitalkosten basieren auf Schätzungen (Krauth et al. 2005) zu den bundesdurchschnittlichen Kapitalkosten (Abschreibungen auf Sachanlagen, wie Gebäude, Maschinen, Zinsen) für Akutkrankenhäuser in Deutschland aus dem Jahre 2001. Diese Kapitalkosten wurden fortgeschrieben und um eine sektorspezifische Preissteigerungsrate von 0,4% korrigiert. Sie für das im Studienzeitraum liegende Jahr 2003 zwischen 50 und 71 Euro je Pflegetag(Krauth et al. 2005). Zur Vermeidung einer Doppelzählung der Overheadkosten, die bereits bei den Prozedurkosten berücksichtigt wurde, wurde als Durchschnittswert 61 Euro Kapitalkosten je Tag und Patient angesetzt.

4.2.2 Follow-up-Index