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Archiv "Gegensätzliche Auffassungen über den Jugendarbeitsschutz: Hearing zur Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes" (10.07.1975)

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72. Jahrgang/Heft 28 10. Juli 1975

Postverlagsort Köln

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DEUTSCHE S

Die Information:

Bericht und Meinung

ÄRZTE B LATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Gegensätzliche Auffassungen über den Jugendarbeitsschutz

Hearing zur Novellierung

des Jugendarbeitsschutzgesetzes

Die Anhörung über das Jugendarbeitsschutzgesetz vor dem Bun- destagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung war weithin gekenn- zeichnet durch konträre Auffassungen. Vor allem die Standpunkte von Arbeitgebern und Gewerkschaften standen sich in vielem un- vereinbar gegenüber. Die Ärzteschaft, die zumindest die Zielset- zung des Regierungsentwurfs im Prinzip billigt, erläuterte noch ein- mal ihre Forderung, auch die Ausbildung zur Arzthelferin im Gesetz zu berücksichtigen. Erhebliche Bedenken machten die ärztlichen Vertreter gegen Gesetzespläne geltend, die auf eine völlige Um- strukturierung der Untersuchungen sowie eine Einschränkung des Kreises der untersuchungsberechtigten Ärzte abzielen. Der Novel- lierungsvorschlag aus der CDU/CSU-Fraktion geriet dabei beson- ders ins Schußfeld.

Seit September 1974 berät das Parlament über die beiden vorliegen- den Gesetzentwürfe zur Novellierung des Jugendarbeitsschutzge- setzes aus dem Jahre 1960. Für die 1,5 Millionen Jugendlichen, die im Berufsleben stehen, sollen damit „menschengerechte und men- schenwürdige Arbeitsbedingungen" geschaffen und die bisherigen Schutzvorschriften den heutigen sozialen, wirtschaftlichen und ge- sellschaftlichen Verhältnissen angepaßt werden.

Der eine Gesetzentwurf (vom 23. Mai 1973) stammt von 129 Abge- ordneten der CDU/CSU; er geht im wesentlichen auf eine Initiative des CDU-Abgeordneten Dietrich Rollmann, Hamburg, zurück. Den anderen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung am 24. Februar 1974 beschlossen. ZO beiden Vorlagen hat die Bundesärztekam- mer mehrfach Stellung genommen (siehe DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT, 1974, Hefte 46 und 47).

Für den 11. Juni 1975 hatte der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu einer öffentlichen Anhörung zur Reform des Ju- gendarbeitsschutzgesetzes geladen. Bei dem Hearing kamen unter anderem Sachverständige der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorga- nisationen, der Ärzteschaft, Arbeitsmediziner, Gewerbeärzte und

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 10. Juli 1975 2037

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Die Information:

Bericht und Meinung

Hearing zum Jugendarbeitsschutzgesetz

Gewerbeaufsichtsbeamte sowie Be- triebs- und Jugendvertreter zu Wort. Die Anhörung war gekenn- zeichnet durch die gegensätzlichen Standpunkte der Vertreter der Ge- werkschaften und der Arbeitgeber.

Die Vertreter des Deutschen Ge- werkschaftsbundes (DGB) und der Deutschen Angestellten-Gewerk- schaft (DAG), zahlenmäßig noch verstärkt durch die Betriebs- und Jugendvertreter, verfochten eine ganz harte Linie bezüglich des Schutzgedankens dieses Gesetzes und lehnten deshalb alle vorge- sehenen Ausnahmen (unter ande- rem die von der Fünf-Tage-Woche sowie der Samstags-, Sonntags- und Nachtruhe) nachdrücklich ab.

Demgegenüber sahen die Vertreter der Arbeitgeber den Zielkonflikt zwischen dem berechtigten Schutz der Jugendlichen und den Erfor- dernissen einer praxisbezogenen Ausbildung bzw. der Wirtschaft mit ihren einzelnen Gewerbezweigen und deren Besonderheiten. Dies zeigte sich zunächst bei der Dis- kussion um die rahmengesetzliche Regelung des Gesetzes, die erwar- tungsgemäß vom DGB und der DAG abgelehnt wurde.

Interessant ist in diesem Zusam- menhang die Meinung der FDP, die der Bundestagsabgeordnete Fried- rich Hölscher zur Sachverständigen- anhörung äußerte: „Bei der No- vellierung geht es darum, den Ge- sundheits- und Gefahrenschutz un- serer jugendlichen Arbeitnehmer zu verbessern. Gerade die vom Ausschuß gehörten Arbeitsmedizi- ner haben aber keine plausible Be- gründung dafür geben können, daß die überperfektionistischen Einzel- regelungen und Ausnahmevor- schriften des Gesetzentwurfs nach den Erkenntnissen der Arbeitswis- senschaft gerade in dieser und nicht in einer anderen Fassung ge- boten sind. Uns Freien Demokraten geht es um flexiblere Regelungen, die den Belangen der Jugendlichen dienen und die Ungereimtheiten der Regierungsvorlage vermeiden.

Unser Vorschlag, ein vorbildliches Rahmengesetz zu schaffen, das vor

Ort durch die Sozialpartner ausge- füllt wird, bleibt auf dem Tisch. Die Sachverständigenanhörung hat kei- ne brauchbare Alternative aufge- zeigt."

Unter Würdigung des erforderli- chen erhöhten Schutzbedürfnisses der Jugendlichen im Arbeitsleben wurde insbesondere von Arbeitge- berseite davor gewarnt, die Durch- führung einer erfolgreichen praxis- bezogenen Berufsausbildung durch perfektionistische Regelungen zu gefährden. Vor allem unter dem Gesichtspunkt des Mangels an Ausbildungsplätzen, aber auch der steigenden Anforderungen an die betriebliche Ausbildung sollten diese Bestimmungen nochmals überprüft werden.

Ausnahmeregelungen

für Arzthelferinnen begründet Bei der Erörterung des Themen- kreises „Arbeits- und Freizeit" wur- den auch die von der Bundesärzte- kammer geforderten Ausnahmere- gelungen für Arzthelferinnen be- züglich der Samstags- und Sonn- tagsarbeit vorgetragen. Nach Auf- fassung der BÄK soll die ange- hende Arzthelferin schon als Aus- zubildende ihre künftige Arbeit etwa im Rahmen des Notfallbereit- schaftsdienstes oder aber der viel- fach an den Samstagvormittagen durchgeführten Vorsorgeuntersu- chungen kennenlernen, um sich möglichst früh ihr eigenes Urteil darüber bilden zu können, ob diese Lage der Arbeitszeit ihr in ihrem späteren Berufsleben zusagt.

In diesem Gesetzentwurf wird im übrigen die allgemein als erforder- lich anerkannte praxisbezogene Be- rufsausbildung durch zu starke Betonung der schulischen Ausbil- dung zurückgedrängt — unberech- tigterweise. Daher wurde mehr- fach betont, daß bei der Novellierung des Gesetzes der wünschenswerte Schutz des Ju- gendlichen zu gewährleisten ist, andererseits aber auch die Erfor- dernisse der dualen Berufsausbil- dung beachtet werden sollten.

Der Vorschlag des CDU/CSU-Ent- wurfes, dem Jugendlichen einen zwölftägigen Bildungsurlaub zu ge- währen, fand mit dem Hinweis, daß eine Verquickung von Bildungs- und Erholungsurlaub nicht erfolgen soll und eine derartige Regelung nicht ins Jugendarbeitsschutzge- setz gehört, keine positive Reso- nanz bei den Sachverständigen.

Lange diskutiert wurde das Be- schäftigungsverbot für Kinder, ins- besondere in Familienbetrieben der Landwirtschaft und im Zei- tungswesen. In beiden Fällen wird nach Auffassung der Vertreter die- ser Gewerbezweige das Beschäfti- gungsverbot einen nicht zu vertre- tenden Einschnitt bedeuten. So würde ein großer Teil der Zeitungs- und Zeitschriftenbezieher ihre Ex- emplare nicht rechtzeitig erhalten.

Ebenso kontrovers wie beim Pro- blem Kinderarbeit verlief die Dis- kussion um. die im Gesetz vorge- sehenen Beschäftigungsverbote.

Die Vertreter der Arbeitgeber hiel- ten die Zusammenarbeit Ju- gendlicher mit Erwachsenen in Ak- kordarbeit in bestimmten Fällen für gerechtfertigt, ebenso wie die Ver- gabe von Prämien im Bereich des Handels. Die Vertreter der Arbeit- nehmer und Jugendvertreter beton- ten, daß unter dem Gesichtspunkt der Ausbildungsbezogenheit dieser Tätigkeiten solche Regelungen nicht vertretbar sind. Aus ärztlicher Sicht wurde die Akkordarbeit Ju- gendlicher für nicht tragbar erach- tet.

Deutliche Kritik

an „ermächtigten Ärzten"

Beim Thema gesundheitliche Be- treuung hatten die Vertreter der Ärzteschaft die Möglichkeit, ihre Auffassung hierzu nochmals zu äu- ßern. Sie begrüßten den Ausbau der gesundheitlichen Schutzvor- schriften, übten allerdings herbe Kritik am Vorschlag des CDU/CSU- Entwurfs, die ärztlichen Untersu- chungen nach dem Jugendarbeits- schutzgesetz in Berufseignungsun- tersuchungen umzufunktionieren,

2038 Heft 28 vom 10. Juli 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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die im übrigen nur durch soge- nannte ,.ermächtigte Ärzte" durch- geführt werden sollen. Es gibt nach Auffassung der Bundesärztekam- mer keinen stichhaltigen Grund da- für, diese Gefährdungsuntersu- chungen aus dem Geltungsbereich der staatlichen Approbation als Arzt herauszunehmen und sie hin- künftig nur noch besonders hierfür ,.ermächtigten Ärzten" zuzuordnen.

Sinn der Jugendarbeitsschutzun- tersuchungen ist die Vornahme ei- ner allgemeinärztlichen Untersu- chung, die zwar präventivmedizini- schen Charakter trägt, aber nicht arbeitsmedizinisch relevant ist. Die mit dem Gesetzentwurf der CDU/

CSU angestrebte fachkundige ar- beitsmedizinische Betreuung ist nicht ihr Ziel; hier liegt vielmehr das Aufgabengebiet der Betriebs- ärzte, deren Zahl zur Zeit nicht zur Bewältigung der betriebsärztlichen Betreuung nach dem Arbeitssicher- heitsgesetz ausreicht. Eine derarti- ge Beschränkung würde auch das Recht auf freie Arztwahl beeinträch- tigen, das Jugendliche wie Eitern gerade bei solchen für die Berufs- wahl entscheidend wichtigen Un- tersuchungen auch in Zukunft zu- gestanden werden sollte.

Die im Regierungsentwurf vorgese- hene Möglichkeit, Jugendarbeits- schutzuntersuchungen mit anderen Untersuchungen wie Schulentlas- sungs- oder aber Berufseignungs- untersuchungen zu koppeln, wurde von der Ärzteschaft ebenfalls nach- drücklich abgelehnt. Durch eine Kopplung der Jugendarbeits- schutz- mit den Berufseignungsun- tersuchungen könnte sich ein eventuelles negatives Urteil dieser Untersuchung im Ergebnis der Ju-

gendarbeitsschutz-Untersuchung niederschlagen und damit für den Jugendlichen wesentliche Berufs- chancen ausschließen. Auch eine Kopplung mit den Schulentlas- sungsuntersuchungen wurde nicht befürwortet. Diese werden, da sie in der Regel klassenweise vorge- nommen werden, summarisch durchgeführt. Demgegenüber han- delt es sich bei der Jugendarbeits- schutzuntersuchung um ein sehr detailliertes und umfangreiches

Untersuchungsprogramm, das rein zeitlich einen erheblichen Aufwand erfordert. Sowohl den Schulentlas- sungs- wie auch den Eignungsun- tersuchungen steht der ausdrück- lich in § 4 des Regierungsentwurfs definierte spezifische Charakter der Jugendarbeitsschutz-Untersu- chungen entgegen.

Unter Hinweis auf die zahlreichen Verstöße gegen das geltende Ju- gendarbeitsschutzgesetz waren sich die Sachverständigen einig, daß das Gesetz in der Zukunft nur dann zum Tragen kommt, wenn seine Einhaltung auch kontrolliert und Verstöße geahndet werden.

Die Information:

Bericht und Meinung

Für die Jugendarbeitsschutzaus- schüsse wurden von seiten der Ar- beitnehmer mehr Mitwirkungsrechte gefordert. Gegen eine Verknüpfung dieser Ausschüsse mit der Ober- sten Landesbehörde bestehen ih- res Erachtens keine Bedenken, wenn die Mitwirkungsmöglichkei- ten gesichert sind. Die Arbeitgeber machten Bedenken wegen man- gelnder Erfahrung mit solchen Gre- mien geltend.

Nach der Sommerpause des Parla- ments werden die beteiligten Bun- destagsausschüsse in die Einzel- beratung der Gesetzesvorlagen eintreten. Renate Schiffbauer

Parkerleichterungen für Ärzte:

Zwei gute Beispiele

Der nordrhein-westfälische Ver- kehrsminister, Dr. Horst-Ludwig Riemer, und der hessische Minister für Wirtschaft und Technik, Heinz"

Herbert Karry, haben es bereits realisiert, die CDU-Landtagsfrak- tion in Baden-Württemberg hat es zur eindringlichen Forderung erho- ben, aus anderen Bundesländern hört man ähnliches:

..,. überall zeigt man sich bemüht, Sonderparkmöglichkeiten für Ärzte bei dringenden Krankenhausbesu- chen zu schaffen.

Nur vom Bundesgesetzgeber und dem Bundesministerium für Ver- kehr kommt nichts- außer auswei- chenden Antworten: Die Initiative zum bundeseinheitlichen Gesetz- gebungsverfahren müsse von ein- zelnen Abgeordneten ausgehen, oder - so wird der wohlmeinende Anfrager belehrt - es bietet sich daneben noch der Weg über eine von den Ländern vorangetriebene

Bundesratsinitiative ...

Natürlich, aber das wußte man auch schon vorher. Dabei war es

im Herbst 1974 fast schon ge- schafft. Endlich - so schien es da- mals - konnte die bundesgesetzli- ehe Grundlage für Sonderparkge- nehmigung für diensthabende Ärz- te geschaffen werden; auch sah es fast so aus, als nehme man sich endlich der K!agen derjenigen Ärz- te an, die (vor allem in lnnenstäd- ten) nur nach zeitraubendem Su- chen ihre Patienten aufsuchen konnten.

Diese Hoffnung auf eine alsbal- dige gesetzliche Regelung dieses Mißstandes wurde aber bald zu- nichte, als bekannt wurde, daß der entsprechende Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsge- setzes (wenn auch aus anderen Gründen als an der nur ,.unter an- derem" eingebrachten Sonderpark- genehmigung) scheiterte. Nicht die Einsprüche des Bundestages und Bundesrates brachten diese Geset- zesinitiative zu Fall, sondern der Einspruch des Vermittlungsaus- schusses. Der Initiativantrag zum Straßenverkehrsgesetz wurde so- mit zu Grabe getragen, mit ihm auch die Ausnahmeregelung für

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 28 vom 10. Juli 1975 2039

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