• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Nachwuchs braucht Perspektive" (13.05.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Nachwuchs braucht Perspektive" (13.05.2005)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S E I T E E I N S

D

ie eigentlichen Hauptpersonen des 108. Deutschen Ärztetages waren in Berlin gar nicht dabei. Die meisten Redner hatten sie gleich- wohl im Blick, und Gegenstand vie- ler Gespräche am Rande waren sie sowieso – die heutigen und künfti- gen Studierenden der Medizin, die im Arztberuf dringend benötigt wer- den. Wie Zukunft und Attraktivität des Arztberufs zu sichern sind, das war das Leitthema des Ärztetags.

Aber haben die jungen Leute, die Arzt werden möchten, den Reden und Entschließungen Ermutigendes entnehmen können?

Positiv zu vermerken ist: Die Botschaft, dass Ärztemangel in ländlichen Gebieten vor allem Ostdeutschlands herrscht, ist bei Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt angekommen. Der Befund steht ja auch außer Zweifel, nieder- gelegt in dem von ihrem Haus in Auf- trag gegebenen „Gutachten zum Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Berufstätigkeit in Deutschland“. Die Gutachter mahnen, dass sich der Ärztemangel verstärken wird, sollte nicht gegengesteuert werden. Das Problem beschäftige sie, sagte die Ministerin. Und sie rief dazu auf, für den Arztberuf zu werben und junge Menschen für ihn zu begeistern. Wer frühere regierungsamtliche Verun- glimpfungen der Ärzteschaft noch im Ohr hat, mag solch ungewohnten Tönen kaum trauen. Den Arztberuf schönreden gehe nicht, bekam die Ministerin von Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, zur Ant- wort. „Der Beruf muss schön sein.“

Die Ansatzpunkte, die Schmidt sieht, um die Abwanderung junger Ärzte in nicht kurative Tätigkeiten oder ins Ausland zu stoppen – flachere Hier- archien in der Klinik und familien- freundlichere Arbeitszeiten –, sind nicht falsch, ihre Aussagen blieben

aber dürftig. So gestand die SPD- Politikerin dann auch ein, sie habe noch keine befriedigende Lösung.

Ist die ratlose Ministerin der An- sicht, die Abwanderung junger Ärz- tinnen und Ärzte habe mit ihrer Ge- sundheitspolitik nichts zu tun? Wenn die Bürokratie wuchert, wenn viele Ärzte befürchten müssen, ihre The- rapiefreiheit werde eingeschränkt, sind das politisch verursachte Nega- tiv-Faktoren – nicht gerade Werbung für den Arztberuf.

Der Ärztetag hat die Fehlentwick- lungen klar benannt. Stärker zu diffe-

renzieren ist die Klage über die Öko- nomisierung des Gesundheitswesens.

Dass der freie Beruf des Arztes eine freiheitliche Wirtschaftsordnung vor- aussetzt mit Niederlassungsfreiheit und wirtschaftlichem Risiko, sollte selbstverständlich sein, muss aber in Zeiten pauschaler „Kapitalismuskri- tik“ ebenso festgehalten werden wie die Tatsache, dass die bedarfsgerech- te Versorgung aller Patienten nur durch das Soziale der Marktwirt- schaft, durch die Solidarität der Ge- sellschaft, ermöglicht wird. Zum Kern der Marktwirtschaft gehört zudem, dass Knappheit die Preise erhöht.

Wer gute Ärzte gewinnen will, aber wie die Länder deren Einkommen absenkt, muss sich nicht wundern, wenn diese ungewöhnliche Strategie keinen Erfolg bringt. Selbstverständ- lich gilt der Preismechanismus auch, wenn es darum geht, Hausärzte für die Uckermark zu gewinnen.

Oft ist mit Ökonomisierung noch etwas anderes gemeint: die Vorstel-

lung, Wettbewerb könne das alleini- ge Steuerungsinstrument für die Be- ziehungen zwischen Ärzten, Kassen und Patienten sein. Das ist, wenn überhaupt, Zukunftsmusik, weil ele- mentare Voraussetzungen für das Funktionieren solcher Wettbewerbs- modelle im Gesundheitswesen nicht vorliegen. Realität ist der allgegen- wärtige Budgetdruck, ebenfalls oft Ökonomisierung der Medizin ge- nannt. Schmidt sprach von endlichen Ressourcen. Eine von außen vorge- gebene Rationierung lehnt sie ab.

Die Entscheidung über die sinnvolle Behandlung liege beim Arzt, sie kön- ne aber nicht frei von ökonomischen Überlegungen sein. Für Ökonomen ist Rationierung kein Unwort. Das ökonomische Prinzip beinhaltet, ge- gebene Mittel möglichst effizient einzusetzen. Es bedeutet nicht, mit heutigem Geld das Optimum an Ver- sorgung zu erzielen. Schon heute rei- chen die Mittel der Krankenkassen nicht aus, um den sinnvollen Fort- schritt der Medizin für alle zu bezah- len. Davor verschließt Schmidt die Augen. Sie lässt den einzelnen Arzt allein. Er soll den schier unmögli- chen Spagat zwischen der zivilrecht- lichen Verpflichtung, nach dem Stand des ärztlichen Wissens zu be- handeln, und den sozialrechtlichen Budgetvorschriften schaffen.

Einiges wäre gewonnen, wenn die Versorgungsforschung verdeutlichen könnte, wie und wo zu enge Budgets die Qualität der Versorgung beein- trächtigen. Wenn die Bundesärzte- kammer solche Forschung jetzt för- dert, kann das ärztlichen Argumenten künftig mehr Gewicht verleihen. Die dringend benötigte Zukunftsper- spektive jedenfalls hat die Politik in Berlin nicht geboten. Deshalb bleibt die Sorge, dass die Hauptpersonen des Ärztetags weiterhin mit den Füßen über die Gesundheitspolitik

abstimmen. Heinz Stüwe

Nachwuchs braucht

Perspektive

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1913. Mai 2005 AA1317

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Pensionäre oder Kranken- hausvertreter, die sich für das Projekt interessieren, können sich wenden an: VKD, Kai- serstraße 50, W-4330 Mül- heim/Ruhr. Seminar-Kongreß der FÄPI

Jochum und Untch sei zwar zuzustimmen, wenn sie auf die mangelhafte wissenschaftliche Datenlage und die fragliche Wertig- keit des Qualitätsmerkmals „Min- destzahl“ bei

Pfleger trat in einem sogenannten Uhrenhandicap gegen zwölf hoch motivierte Berufskollegen an, die auf einen Sieg gegen den Internationalen Großmeister hofften.. Pfleger hatte

Für den Allgemein- arzt, so folgt aus der ZI-Studie, so- weit Sewering sie referierte, habe es sich im Grunde also kaum ge- lohnt, eine allgemeinmedizinische Weiterbildung

Insofern wird das Beziehungsgefüge zwischen Leistungserbringern, den Pa- tienten und den Kostenträgern durch das GMG konsequent differenziert und individualisiert, und es wird

Denn wenn die ärztliche Betreuung an Bord wegen fehlender me- dizinisch-technischer Einrich- tungen nicht möglich ist oder nicht abgeschlossen werden kann, bleibt oft nur die

Beinahe zeitgleich mit der Ratifi- zierung der Medizingeräteverord- nung durch Bund und Länder wur- de im Dezember 1984 ein Norm- Entwurf für Herzschrittmacher vom

Der Arzt, so Seehofer weiter, wisse dann wieder, dass es auf sein Können und seine Zuwendung gegen- über dem Patienten ankommt und nicht auf die staatliche Regulierung: